Wednesday, February 28, 2007

Rat-lose Presse: Ehre ohne Kodex?

Wenn Peter Hörmanseder (von maschek) im Zeit-Blog das Transkript eines höchst skurrilen Telefonates veröffentlicht, dann ist die erste Annahme natürlich: das muss erfunden sein, so wie die Dialoge in den voice-overs, für die maschek bekannt ist.
Und ganz sicher bin ich mir ja noch immer nicht, dass das Telefonat des angeblichen Journalisten der "Österreich"-Zeitung mit dem in einer Bank verschanzten Geiselnehmer wirklich so stattgefunden hat. Aber die nun mit einer gewissen Verzögerung doch eingetretene allgemeine Entrüstung einerseits und Leugnung jedes Fehlverhaltens durch Wolfgang Fellner andererseits (beides auf derStandard.at nachzulesen) machen die Sache doch recht glaubwürdig.
Demnach dürfte es stimmen: ein Mitarbeiter von "Österreich" ruft während einer Geiselnahme in der betroffenen Bank an, lässt sich von einem Bank-Mitarbeiter ("Das heißt, Sie sind Geisel?") mit dem Geiselnehmer verbinden und - der Mann muss Sportreporter gelernt haben - fragt dann, wie es dem Geiselnehmer so geht (ihm selbst übrigens, sagt der Mitarbeiter von "Österreich", "geht's ausgezeichnet").

Nachdem also die Befindlichkeiten geklärt waren und glücklicherweise die Geiselnahme später ohne weitere Zwischenfälle beendet werden konnte, setzt nun die Debatte ein, ob das Vorgehen des "Österreich"-Mitarbeiters dem journalistischen Berufsethos entsprochen hat oder gar strafrechtlich zu beurteilen wäre (von möglicher Gefährdung der körperlichen Sicherheit - § 89 StGB - oder fahrlässiger Gemeingefährdung - § 177 StGB - ist die Rede).

Der konkrete Fall soll hier nicht vertieft werden, aber er gibt Anlass, auf die seit Jahren offene Situation der Selbstregulierung in Fragen der journalistischen Berufsethik hinzuweisen. Während etwa in Deutschland und der Schweiz - in unterschiedlichen Formen - Presseräte als Selbstkontrolleinrichtungen bestehen (Schweizer Presserat, Deutscher Presserat), ist der österreichische Presserat 2002 "entschlafen" - eine wirkliche Erfolgsgeschichte war er zu diesem Zeitpunkt trotz vierzigjähriger Geschichte ohnehin längst nicht mehr, da sich gerade jene, die regelmäßig Anlass für ein Einschreiten gaben, nicht mehr beteiligten. Der sogenannte Ehrenkodex der österreichischen Presse ist seither ohne jegliches enforcement, aber auch eine Modernisierung wie in Deutschland (Pressekodex) oder der Schweiz (Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten und Richtlinien des Schweizer Presserats) hat nicht stattgefunden.
Journalistische Berufsausübung stützt sich auf die durch die Verfassung garantierte Pressefreiheit, trägt aber auch Verantwortung für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der von der journalistischen Tätigkeit Betroffenen - gerade in diesem heiklen Bereich gäbe es Bedarf an einem gewissen "standard setting" in Selbstverantwortung der Medien und ihrer JournalistInnen.
Das aktuelle Geschehen - das im österreichischen, ohnehin wirkungslosen Ehrenkodex anders als im deutschen Pressekodex (dort auf Grund eines anderen Anlassfalls) nicht ausdrücklich geregelt ist - könnte Anlass sein, die Bemühungen um eine neue Form der Medien-Selbstkontrolle in Österreich zu verstärken. Immerhin liegt mit einer Studie des Medienhauses Wien (Zusammenfassung; als Buch im Lit Verlag erschienen) ein guter Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen vor.

Dass aber trotz fehlendem Presserat und einem nicht aktuellen Ehrenkodex im journalistischen Berufsleben selbst des zu aktueller Berühmtheit gekommenen "Österreich"-Reporters die Ehre nicht ganz verloren ist, zeigt schon die Eröffnung des Telefonats, hier wiedergegeben nach dem Transkript im Zeit-Blog:

"Journalist: Guten Tag, ich wollte mit dem Herrn sprechen, der dort mit ein paar Leuten drinnen sitzt. Mit wem hab ich die Ehre?"

Ein PS aus telekommunikationsrechtlicher Sicht: § 78 TKG 2003 untersagt die missbräuchliche Verwendung von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen. Als missbräuchliche Verwendung gilt unter anderem jede Nachrichtenübermittlung, welche die öffentliche Sicherheit gefährdet.

Saturday, February 24, 2007

Deutsches TKG:"Happy holidays, Regulierung!"

Ab heute gilt's: neue Märkte unterliegen in Deutschland grundsätzlich nicht mehr der Regulierung, so sieht es jedenfalls die am 23. Februar 2007 im deutschen BGBl veröffentlichte Änderung des deutschen TKG vor. Dass die "Regulierungsferien" für neue Märkte mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wären, scheint - ganz vorsichtig ausgedrückt - zweifelhaft: Kommissarin Reding hat die diesbezügliche deutsche Argumentation schon als "eines wahren Winkeladvokaten würdig" bezeichnet. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde schon vor Inkrafttreten angekündigt, und es scheint fast ausgeschlossen, dass Deutschland vor einem EuGH-Urteil einlenken wird. (update 26.2.2007: EU-Kommission eröffnet "beschleunigtes Vertragsverletzungsverfahren")

Hier einmal die Fakten:
  • Ein neuer Markt ist nach der neuen gesetzlichen Definition "ein Markt für Dienste und Produkte, die sich von den bislang vorhandenen Diensten und Produkten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, Reichweite, Verfügbarkeit für größere Benutzerkreise (Massenmarktfähigkeit), des Preises oder der Qualität aus Sicht eines verständigen Nachfragers nicht nur unerheblich unterscheiden und diese nicht lediglich ersetzen"
  • Solche neuen Märkte sollen nur dann der Regulierung nach Teil 2 dTKG (§§ 9 - 43 dTKG, im Wesentlichen Marktdefinition, Marktanalyse und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen) unterliegen, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei fehlender Regulierung die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes im Bereich der Telekommunikationsdienste oder -netze langfristig behindert wird."
  • Bei der Prüfung der "Regulierungsbedürftigkeit" (!) und der Auferlegung von Maßnahmen hat die Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) "insbesondere das Ziel der Förderung von effizienten Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen" zu berücksichtigen.
Und was kann man - in aller Kürze - dazu sagen?
  • Die Marktdefinition - und vor allem auch die Bestimmung, ob der Markt "relevant" ist, also der Regulierung unterliegen soll - hat jedenfalls "im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts" zu erfolgen (Art 15 Abs 3 RahmenRL); dabei sind für die Abgrenzung der für die Regulierung relevanten Märkte sind im Kern drei Kriterien maßgeblich (siehe Erwägungsgrund 9 zur "Märkteempfehlung"):
    - Das Bestehen beträchtlicher, anhaltender strukturell oder rechtlich bedingter Zugangshindernisse;
    - Die fehlende Tendenz zu wirksamem Wettbewerb auf dem konkreten Markt (innerhalb des von einer ins Auge gefassten Regulierungsmaßnahme betroffenen Zeitraums) ;
    - Dem Marktversagen kann mit Hilfe des Wettbewerbsrechts allein nicht entgegengewirkt werden.
  • Ob sich ein Mitgliedstaat dazu entschließt, einige dieser Märkte vielleicht als "neu" oder "alt", "bunt" oder "einfärbig" oder sonst irgendwie zu bezeichnen, ist für sich genommen unerheblich. Jedenfalls setzt auch die neue deutsche Regelung offenbar voraus, dass sich die Regulierungsbehörde zunächst einmal mit der Frage der Marktabgrenzung und der Beurteilung der Relevanz der abgegrenzten Märkte befasst, könnte sie doch sonst nicht feststellen, welcher der Märkte allenfalls "neu" ist. Wenn die Regulierungsbehörde aber im Zuge dieser ersten Analyse zur Auffassung kommt, bestimmte Märkte seien nicht relevant für die Regulierung - etwa weil sie zu wirksamem Wettbewerb tendieren oder das allgemeine Wettbewerbsrecht ausreicht, dann legt sie diese Märkte gar nicht erst fest.
  • Die Diskussion um "neue Märkte" kann daher, wenn sie sinnvoll sein soll (worüber ich mir allerdings nicht ganz sicher bin), erst dort ansetzen, wo die Regulierungsbehörde einen Markt gefunden hat, der beträchtliche Zugangshindernisse aufweist, nicht zu Wettbewerb tendiert und bei dem Marktversagen nicht mit allgemeinem Wettbewerbsrecht bekämpft werden kann.
  • Wenn dieser Markt nun noch "neu" ist - sich also die "Dienste oder Produkte" von den bislang (heißt das: bis zum 24.2.2007?) vorhandenen erheblich unterscheiden - dann müsste nach § 9a Abs 2 dTKG geprüft werden, ob eine langfristige Behinderung der Entwicklung des Wettbewerbs zu erwarten ist - das ist aber wohl schon Voraussetzung dafür, dass der Markt überhaupt relevant ist.
  • Insofern könnte man auch zum Ergebnis kommen, dass die ganze Regelung bloße Signalgesetzgebung ist, die materiell ohnehin nichts ändert (weil sie auf Grund der zwingenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts auch gar nichts ändern kann), die aber dem Incumbent immerhin signalisiert, dass man seinen Wünschen gegenüber aufgeschlossen ist.
  • Was schließlich die Berücksichtigung der Förderung von Infrastrukturinvestitionen und Innovationen betrifft, liegt die Problematik nicht in diesen Zielen an sich (siehe dazu Art 8 Abs 2 lit c der RahmenRL), sondern im Wort "besonders": soll damit gemeint sein, dass diese Ziele über anderen Zielen stehen, etwa der Sicherstellung größtmöglicher Vorteile für Nutzer oder der Gewährleistung, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen gibt (Art 8 Abs 2 lit a und b RahmenRL), dann lässt sich dies mit den Vorgaben der Richtlinie nicht vereinbaren.
In diesem Sinne: "Happy holidays, Regulierung!" Jedenfalls bis der EuGH "Back to class!" ruft.

Thursday, February 22, 2007

EGMR: durchschnittliche profil-Leser verstehen Spaß

Ganz sicher kann man sich ja nie sein: also erklärt sich in Österreich schon einmal ein Kabarettist in einem vor dem Straflandesgericht Wien geschlossenen Vergleich bereit, öffentlich mitzuteilen, dass ein Scherz tatsächlich ein solcher war (siehe zB in den Salzburger Nachrichten).
Rainer Nikowitz (der übrigens mit Florian Scheuba gemeinsam Lesungen macht) hätte das vielleicht auch tun sollen, so wäre ihm eine Verurteilung in Österreich erspart geblieben - aber andererseits hätte er dann auch keine mit seinem Namen bezeichnete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (in der diese Verurteilung als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt wurde). Denn der hat sich in seinem heutigen Urteil (Nikowitz and Verlagsgruppe News GmbH v. Austria, Application no. 5266/03) mit einem satirischen Beitrag im profil auseinandergesetzt, in dem Nikowitz Stefan Eberharter (nach Hermann Maiers Motorradunfall) unter anderem folgende Worte in den Mund legte:
"Hoffentlich prackt's den miesen Hund mit den Krücken hin, und er bricht sich den anderen Haxn auch noch."
Das OLG Wien hatte noch gemeint, dass "das Lesen und Verstehen des Artikels einen sehr hohen Grad an Intelligenz und Konzentration" erfordere, sodass manche Leser den satirischen Charakter nicht verstehen würden und zur Auffassung kämen, Stefan Eberharter würde seinem Kollegen und Konkurrenten eine (weitere) schwere Körperverletzung wünschen.
Der EGMR gesteht zu, dass die von Nikowitz verwendeten Worte, hätte sie Stefan Eberharter wirklich gesagt, das gute Image jedes Sportlers beschädigen würden. Aber so blöd, dass sie den satirischen Charakter des Textes nicht verstehen würden, seien die profil-Leser nicht:
"The Court is not convinced by the reasoning of the domestic courts and the Government that the average reader would be unable to grasp the text's satirical character and, in particular, the humorous element of the impugned passage about what Mr Eberharter could have said but did not actually say."
Konsequenz: wieder einmal eine Feststellung, dass durch eine Entscheidung des OLG Wien in einer medienrechtlichen Sache Artikel 10 EMRK verletzt wurde.

Auch in einem weiteren Fall stellte der EGMR heute eine Verletzung des Art 10 EMRK durch eine Entscheidung des OLG Wien fest: Falter Zeitschriften GmbH v. Austria (Application no. 26606/04): die Auffassung, der damalige Obmann der Wiener FPÖ (und derzeitige Volksanwalt) Hilmar Kabas im Zusammenhang mit der sogenannten "Spitzelaffäre" (siehe zB hier, hier und hier) hätte verfolgt und verurteilt werden sollen, stellte nach Ansicht des EGMR ein - unter den konkreten Umständen zulässiges - Werturteil dar.
Sozusagen als einen seltenen Ehrentreffer für Österreich kann man das dritte heute veröffentlichte Urteil des EGMR ansehen. Die Sache Standard Verlagsgesellschaft mbH (no. 2) v. Austria (Application no. 37464/02) betraf einen Artikel im Standard, der sich mit dem Verhalten des Kärntner Landeshauptmannes im Zusammenhang mit der Besetzung des KELAG-Aufsichtsrates befasste. Der Artikel berief sich auf ein Gutachten eines Grazer Universitätsprofessors, stützte sich dabei aber nur eine Aussendung der SPÖ, in der dieses Gutachten aber nicht korrekt wiedergegeben wurde. Wie auch das OLG Wien kam der EGMR zur Überzeugung, dass es die journalistische Sorgfalt erfordert hätte, das Gutachten selbst einzusehen und sich nicht auf die Presseaussendung zu verlassen, zumal es um schwerwiegende Anschuldigungen ging (vorsätzliche Täuschung der Landesregierung und Missachtung der Landesverfassung).
Anders als bei den beiden zuerst genannten Urteile gab es zu diesem Ergebnis dissenting opinions; die Entscheidung fiel mit 4 zu 3 Stimmen.

Paketlösungen in der Frequenzpolitik

So schweigsam sich die Kommission sonst manchmal gibt (siehe zB meine persönlichen Eerfahrungen hier), so mitteilsam ist sie derzeit zur Frequenzpolitik. Am 20. Februar 2007 stellte sie nun die jüngste Mitteilung vor: "Zügiger Zugang zu Frequenzen für drahtlose elektronische Kommunikationsdienstes durch mehr Flexibilität", KOM(2007) 50 endgültig. (dazu die Presseaussendung)

Das Thema hat die Kommission schon in den Dokumenten zum "Review 2006" (insbesondere im Abschnitt 3 zum "staff working paper") entsprechend aufbereitet (siehe dazu auch hier), jetzt verliert sie aber offenbar die Geduld. Da die nach dem Review erst zu schaffenden neuen Rechtsvorschriften voraussichtlich erst 2010 wirksam werden, will die Kommission nun schon auf Basis des geltenden Rechtsrahmens einmal vorpreschen und ihr Heilskonzept der Flexibilisierung der Frequenznutzung in ausgewählten Bändern "schrittweise" einführen.
Die ausgewählten Bänder - und die in diesen Bändern derzeit in Österreich vorgesehenen Nutzungen nach dem geltenden Frequenznutzungsplan (Anlage zur Frequenznutzungsverordnung 2005, BGBl II 2005/307 idF BGBl II 2006/525) - sind:

  • 470-862 MHz: Nutzung in Österreich derzeit für Fernsehrundfunk und Rundfunkhilfsdienste, Frequenzvergabe geregelt im 5. Abschnitt des PrTV-G; die Zuteilung hat nach GE06 - dem neuen Genfer Plan für digitales terrestrisches Fernsehen zu erfolgen;
  • 880-915 MHz / 925-960 MHz und 1710-1785 MHz / 1805-1880 MHz: Nutzung in Österreich derzeit für E-GSM, R-GSM, GSM und GSM-1800, die Zuteilung wurde jeweils nach § 52 Abs 3 TKG 2003 zahlenmäßig beschränkt;
  • 1900-1980 MHz / 2010-2025 MHz / 2110-2170 MHz: Nutzung in Österreich derzeit für UMTS/IMT-2000 (terrestrisch), Zuteilung jeweils nach § 52 Abs 3 TKG 2003 zahlenmäßig beschränkt;
  • 2500-2690 MHz: Nutzung in Österreich entsprechend ECC/DEC/(02)06 und ECC/DEC/(05)05; zukünftige Frequenznutzung UMTS/IMT-2000 (terrestrisch), Zuteilung nach § 52 Abs 3 TKG 2003 zahlenmäßig beschränkt;
  • 3,4-3,8 GHz: Nutzung in Österreich derzeit für "digitale breitbandige drahtlose Zugangssysteme", im Bereich von 3410 bis 3594 MHz Zuteilung gemäß § 52 Abs 3 TKG 2003 zahlenmäßig beschränkt - dieser Frequenzbereich wurde im Jahr 2004 für WiMax vergeben; im Bereich von 3600 bis 3800 MHz befinden sich derzeit Richtfunkanwendungen, auslaufend mit Ende 2008, als zukünftige Nutzung sind Richtfunkverteilsysteme vorgesehen.

In diesen Frequenzbändern sollen die derzeit geltenden rechtlichen Beschränkungen zügig überprüft werden, um eine flexiblere Nutzung zu gestatten. Außerdem sollen "angemessene, gemeinschaftsweit geltende Rechte und Genehmigungsbedingungen" für diese Bänder vereinbart werden. Schon bevor dies umgesetzt wird, soll der "neue Ansatz" jedenfalls auf die Frequenzen angewendet werden, die "infolge der Einführung des digitalen Rundfunks dank der technisch effizienteren Frequenznutzung frei werden". Auf diese von der Kommission erhoffte "digitale Dividende" richten sich besonders starke Interessen insbesondere von Mobilfunkbetreibern.

Die Kommission verfolgt nun ausdrücklich auch den Ansatz einer Paketlösung, dh dass also zB die jedenfalls erwartete Auflösung des "GSM-Monopols" in den derzeit für GSM gewidmeten Bändern nur dann kommen soll, wenn auch das Fernsehspektrum "aufgebrochen" wird. Mit dieser Junktimierung soll offenbar der gerade im Fernsehbereich bestehende Widerstand aufgeweicht werden.

Die Kommission kündigt schließlich an, noch 2007 eine auf Artikel 19 der Rahmenrichtlinie gestützte Empfehlung mit Leitlinien für die einheitliche Anwendung der Genehmigungsbedingungen zu erlassen.

Schon mit dieser Empfehlung - der ja nach Art 19 der Rahmenrichtlinie weitestgehend Rechnung zu tragen wäre - würde jedenfalls der Spielraum für eine eigenständige Rundfunk-Frequenzpolitik für Österreich wesentlich eingeschränkt. Als - für die Fernsehanbieter nicht ganz unwesentlicher - Aspekt wäre mit einer Umsetzung dieser Politik auch verbunden, dass das derzeitige Regime der Frequenznutzungs- und Frequenzzuteilungsgebühren - die für Rundfunkfrequenzen nicht eingehoben werden (siehe die Rundfunk-Frequenznutzungsgebührenverordnung) - nicht bestehen bleiben könnte.

PS: auch das Europäische Parlament beschäftigte sich - offiziell aus eigener Initiative - mit Frequenzpolitik und hat am 14. Februar 2007 eine einschlägige Entschließung "zu dem Weg zu einer europäischen Frequenzpolitik" (2006/2212(INI)) angenommen, auf die hier nur einmal ohne weiteren Kommentar verwiesen werden soll (in deutscher Sprache hier [Word-Dokument, ab Seite 86]) .

Und schließlich noch Hinweise auf die im Jahr 2007 bisher auf der Grundlage der Frequenzentscheidung getroffenen Entscheidungen der Kommission zur Harmonisierung:

Friday, February 16, 2007

Unabhängig von der Wahrheit

Eines der häufigsten Missverständnisse in der Diskussion um die Regulierungsbehörden hat seine Ursache im Begriff "unabhängig".
In den Sektoren elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, Elektrizität, Erdgas, Eisenbahnen und Postdienste verlangt das Gemeinschaftsrecht die Einrichtung einer "unabhängigen Regulierungsbehörde" (siehe dazu meine Übersicht); im Richtlinienvorschlag zu Flughafenentgelten ist sie ebenfalls vorgesehen. Dabei geht es stets um Unabhängigkeit vom regulierten Sektor, nicht aber um Unabhängigkeit im Sinne von Weisungsfreiheit oder Regierungsferne.

Was soll es nun bedeuten, wenn Kommissionsmitglied Viviane Reding plötzlich - in einer Rede vor der European Regulators Group - verlangt, das Erfordernis der Unabhängigkeit nationaler Regulierungsbehörden auch im Zuge der Reform der "EU telecoms rules" (gemeint: des Rechtsrahmes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste) vorzusehen? Hier ein Auszug aus dieser Rede:

"Whatever the solution found for ensuring consistency in the internal market, it appears to me crucial for an efficient implementation of the new regulatory framework that the full independence of national regulators is made a requirement under EU law. Basic elements for personal, financial and instrumental independence of national regulators can already be found in other parts of EU law. In addition, as some among of you are also regulators for audiovisual media, you are certainly aware that the Commission made a proposal to this extent already in the context of the modernisation of the 'Television without Frontiers Directive'. [...] It could therefore be a workable proposal to include the requirement of fully independent national regulators also in the reform of the EU telecom rules."

Hat sie vergessen, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit ohnehin schon in den Richtlinien steht? Oder meint sie tatsächlich Unabhängigkeit von den Regierungen (im Sinne von Weisungsfreiheit), wie es der Hinweis auf den Vorschlag zur Änderung der Fernsehrichtlinie andeuten könnte?

Das Bemerkenswerte am Vorschlag zur Änderung Fernsehrichtlinie ist freilich, dass darin die Einrichtung einer Regulierungsbehörde gar nicht verlangt wird! Nur für den Fall, dass eine besteht oder eingerichtet wird, soll sie unabhängig sein. Außerdem haben die Mitgliedstaaten nach dem Text des Richtlinienvorschlags nur allgemein "die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden" zu gewährleisten; was unter dieser Unabhängigkeit zu verstehen ist, kann man nur aus einem Erwägungsgrund erahnen, wo auch die Unabhängigkeit von der Regierung erwähnt wird.

Für sich genommen, ist dieser Vorstoß der Kommissarin also ziemlich unschlüssig. Sinn ergibt er allerdings vor dem Hintergrund der Bestrebungen zur Einrichtung einer Regulierungsbehörde auf europäischer Ebene oder ähnlicher Formen der Zentralisierung, die auch in dieser Rede wieder zum Ausdruck kommen - und die wiederum wohl vor allem dazu dienen, die Widerstände gegen eine Stärkung der Kommissionskompetenzen in der Telekommunikationsregulierug zu brechen.

Das Ergebnis - Reding: "be it enhanced Commission powers, an 'ERG with teeth', or a combination of both" - wird wohl sein, dass in einem erneuerten Rechtsrahmen das "Vetorecht" der Kommission nicht mehr (wie derzeit nach Art 7 Abs 4 Rahmenrichtlinie) bloß die Marktdefinition und Marktanalyse, sondern auch die "remedies" (die "spezifischen Verpflichtungen" nach Art 16 Abs 2 und 4 Rahmenrichtlinie) betreffen wird.

Thursday, February 15, 2007

"harmonised numbers for harmonised services of social value"

Mit einer heute getroffenen Entscheidung (Nachtrag: am 17.2. im Amtsblatt veröffentlicht) verpflichtet die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten, den mit "116" beginnenden Rufnummernbereich für "harmonisierte Dienste von sozialem Wert" zu reservieren.

In einem ersten Schritt wird die Rufnummer 116000 für "Notrufe für vermisste Kinder" festgelegt.

An dieser Entscheidung sind zumindest drei Aspekte bemerkenswert:
  • Zunächst die Rechtsgrundlage: Die Entscheidung stützt sich auf Art 10 Abs 4 der Rahmenrichtlinie. Nach dieser Bestimmung unterstützen die Mitgliedstaaten die Vereinheitlichung der Zuweisung von Nummerierungsressourcen in der Gemeinschaft, wenn dies notwendig ist, um die Entwicklung europaweiter Dienste zu fördern. Die Kommission kann in dieser Frage - nach Befassung des Kommunikationsausschusses - "geeignete technische Umsetzungsmaßnahmen beschließen."
    Ist aber die Festlegung eines Nummernbereichs samt näherer Bedingungen für die Nutzung wirklich bloß eine "technische Umsetzungsmaßnahme"?
  • Die zweite Frage ist schlicht, ob die Nummer wirklich nützlich sein wird: mit der Entscheidung 91/396/EWG wurde schon vor 15 Jahren (Umsetzungsfrist war der 31.12.1992) die einheitliche europäische Notrufnummer 112 festgelegt (jetzt Art 26 Universaldienstrichtlinie). In praktisch jedem Umsetzungsbericht hat die Kommission seither ausgeführt, dass die Bekanntheit dieser Nummer noch nicht zufriedenstellend ist.
    Und wenn das schon bei der allgemeinen Notrufnummer so ein Problem ist, wieso sollte es besser werden, wenn man nun ergänzend noch ein paar weitere Notrufnummern festlegt (die Entscheidung ist ja darauf angelegt, durch weitere Nummern ergänzt zu werden)?
  • Und schließlich hat die Kommission es für notwendig gefunden, ausdrücklich festzulegen, dass während eines Anrufs zu dieser Notrufnummer keine Werbung oder Unterhaltung geboten werden darf (Art 4 lit e der Entscheidung). Beruhigend zu wissen, dass man im Falle eines Anrufs nicht zu hören bekommen wird: "Gute Unterhaltung beim Notruf für vermisste Kinder wünscht Ihnen Firma X..."

Für Kommissionsmitglied Viviane Reding ist das natürlich wieder einmal ein großer Schritt, über den sie erfreut sein kann (letzte Woche war ja gerade erst ein anderer wichtiger Schritt gesetzt worden - siehe hier), aber was ein großer Schritt für eine Kommissarin ist, muss noch nicht zwingend auch ein großer Schritt für die Menschheit sein.

PS: die Umsetzung in Österreich sollte technisch kein großes Problem sein - in der von der RTR-GmbH erlassenen KEM-V (Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung) wären Änderungen im 3. Abschnitt (Rufnummernplan) vorzunehmen.

Einen Ortsunkundigen nach dem Weg zu fragen ...

... wäre nach Ansicht von Generalanwalt M. Poiares Maduro etwa genauso sinnvoll, wie den Begriff "betroffen" in Art 4 Abs 1 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG durch Rückgriff auf Art. 16 Abs 3 dieser Richtlinie (wo ebenfalls das Wort "betroffen" vorkommt) klären zu wollen - in beiden Bestimmungen liegt die Auslegung nicht auf der Hand.

Aus diesem Grund liegt die Frage ja auch als Vorabentscheidungsersuchen - Rs C-426/05 Tele2UTA - beim EuGH. In den heute veröffentlichten Schlussanträgen kommt der Generalanwalt zum Ergebnis, dass unter den von einer Entscheidung der Regulierungsbehörde in einem Martkanalyseverfahren "betroffenen" Unternehmen, denen daher nach Art 4. Abs. 1 ein Rechtsbehelf offen stehen muss, nicht nur die Adressaten der jeweiligen (Aufhebung der) Verpflichtungen anzusehen sind. Der genaue Text der Vorschläge des Generalanwalts für die Fragenbeantwortung durch den EuGH findet sich unter diesem link, Rz 52.

PS: Der Vorschlag, "einen Ortsunkundigen nach dem Weg zu fragen", findet sich nur in der deutschen Fassung (Verfahrenssprache) der Schlussanträge (Rz.18); das portugiesische Original spricht vom Vorschlag, dass ein Blinder einen anderen Blinden zum Ausgang eines Labyrinths leiten solle (sugerir que um cego conduzisse outro cego para saírem de um labirinto). Das ist nicht nur politisch nicht unbedingt korrekt - auch erschließt sich mir nicht, dass es einem Sehenden wesentlich leichter fallen würde, den Ausgang aus einem Labyrinth zu finden.

Monday, February 12, 2007

Angewandte Transparenz

Mehr als vier Monate sind vergangen, seit ich bei der Europäischen Kommission Zugang zu einigen harmlosen Dokumenten der European Regulators Group beantragt habe (siehe hier und hier); drei dieser Dokumente wurden Anfang Jänner in "entschärfter" Form veröffentlicht: ERG(06)45, ERG(06)45b und ERG(06)47.
Nun, lange nach Ablauf aller Fristen, ist die Antwort eingelangt. Ergebnis: der Zugang zu den vollständigen Dokumenten wird verweigert.

Die Begründung ist einigermaßen originell:


Erstens: die "nationale Regulierungbehörde" habe die Information von den Betreibern unter der Bedingung erhalten, dass sie nicht weitergegeben werde.
Interessant daran ist vor allem, dass keine der (Österreich oder die Schweiz betreffenden) ausgeblendeten Fragebeantwortungen auf Daten von Betreibern beruhen. Denn ob in Österreich zB Frequenzressourcen für 2G/3G Mobilnetze verfügbar sind (so die Frage 1 im Dokument ERG(06)45b), wird die Regulierungsbehörde ja wohl kaum von den Betreibern erhoben haben. Und in jedem Fall kann eine diesbezügliche Information schon wegen Artikel 7 der Genehmigungsrichtlinie nicht geheim sein.
Zweitens: es handle sich um Dokumente der Mitgliedstaaten.
Auch falsch: Es geht um Dokumente der European Regulators Group. Die in einer Fußnote zum Schreiben zitierte Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz der Gemeinschaften (T-76/02, T-168/02, T-187/03) betrifft sämtlich Sachverhalte, in denen Zugang zu Dokumenten verlangt worden war, die unmittelbar von den Mitgliedstaaten stammten.

In der Einleitung zum Work Programme 2007 der ERG heißt es übrigens:
"All stakeholders have expressed their appreciation of the good practice adopted so far by the ERG in terms of transparency, and have requested that the ERG continue to operate in this way."
Wahrscheinlich bin ich kein Stakeholder, aber ich finde, dass in Sachen transparency noch nicht alles getan ist.

Saturday, February 10, 2007

Neue Regulierungsbehörden im Anflug

Das EU-Modell nationaler Regulierungsbehörden in verschiedenen Sektoren könnte schon bald erweitert werden: Im Jänner hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu Flughafenentgelten als Teil eines "landmark regulatory package for airports" vorgestellt (zum Gesamtpaket siehe die Website der Generaldirektion für Energie und Verkehr zu Flughäfen).

Erwägungsgrund 5 des Richtlinienvorschlags lautet:
"Flughafenentgelte sollten nichtdiskriminierend sein. Es sollte ein verbindliches Verfahren für regelmäßige Konsultationen zwischen den Leitungsorganen von Flughäfen und Flughafennutzern eingerichtet werden, wobei jede Partei die Möglichkeit haben sollte, eine unabhängige Regulierungsbehörde anzurufen, falls eine Entscheidung über Flughafenentgelte oder die Änderung der Entgeltregelung von Flughafennutzern abgelehnt wird."

Artikel 10 des Richtlinienvorschlags legt dann die Anforderungen an die von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Regulierungsbehörden fest. Unter anderem ist die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zu gewährleisten, indem die "rechtliche Trennung und funktionale Unabhängigkeit von Leitungsorganen der Flughäfen und von Luftfahrtunternehmen" sichergestellt wird. Mitgliedstaaten, die Eigentum an Flughäfen, Leitungsorganen von Flughäfen oder Luftfahrtunternehmen halten oder einen beherrschenden Einfluss auf diese ausüben, müssen eine wirksame strukturelle Trennung der Regulierungsfunktion von Tätigkeiten, die mit dem Eigentum oder der Beherrschung in Zusammenhang stehen, gewährleisten. Ausdrückliche Regelungen über Rechtsbehelfe finden sich nicht.

Für den Fall der Beschlussfassung der Richtlinie in dieser Form müsste in Österreich daher wieder einmal eine neue Behörde geschaffen werden, da der Verkehrsminister als Oberste Zivilluftfahrtbehörde - der derzeit zB die Behördenfunktionen nach dem Bodenabfertigungsgesetz ausübt - die Kriterien dieses Artikels ebensowenig erfüllt wie die Austro-Control GmbH.

Aus Anlass des neuen Richtlinienvorschlags gibt es hier wieder einmal eine aktualisierte Übersicht über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für Regulierungsbehörden zum download.

Friday, February 09, 2007

Verträge mit "Betreibern von Telekommunikationsmitteln" ...

die aufgrund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern geschlossen werden, unterliegen nicht der Fernabsatz-Richtlinie (siehe deren Art 3 Abs 1 dritter Spiegelstrich).

Auch diese Frage wird im jüngst veröffentlichten "EC Consumer Law Compendium" (4,3 MB!) - einer vergleichenden Studie im Auftrag der Europäischen Kommisison - thematisiert. Nur Österreich, Belgien und Griechenland haben diese Ausnahme nicht umgesetzt; zu Österreich heißt es:
"Furthermore, the scope of application of the distance selling regulations in Austrian law extends, in contrast to the Directive (Art. 3(1) 3rd indent), also to distance contracts, that are concluded with telecommunications operators through the use of public payphones."
Dass diese Abweichung von der Richtlinie zulässig ist, unterliegt wegen der "Mindestklausel" in Artikel 14 der Fernabsatz-Richtlinie keinem Zweifel.
Schon eher zweifelhaft scheint mir, ob es für die Praxis überhaupt einen Unterschied macht. Denn zum einen sind "Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz einer Fernkommunikationstechnik erbracht werden", im Wesentlichen von den Informationspflichten nach der Richtlinie ausgenommen (Art 5 Abs 2 der Richtlinie, in Österreich § 5d Abs 3 KSchG), und andererseits gibt es bei Dienstleistungen, mit deren Ausführung vertragsgemäß innerhalb von sieben Werktagen begonnen wird, kein Rücktrittsrecht (Art 6 Abs 3 der Richtlinie, § 5f Z 1 KSchG). Ich kann mir eigentlich keine Verträge von Konsumenten mit einem "Betreiber von Telekommunikationsmitteln" vorstellen, die aufgrund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern geschlossen werden, und die nicht diese Ausnahmen fallen.

Das "Compendium" ist auch eine Grundlage für die beabsichtigte Überarbeitung von acht Verbraucherschutz-Richtlinien, wie sie mit dem aktuellen Grünbuch "Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz", KOM(2006/744), angekündigt wird. Zwar wird von Wirtschaftsseite Sorge über "mehr EU-Verbraucherrechte" geäußert, wirklich fürchten müssen sich aber wohl eher die Verbraucher: denn gerade das bisher im Verbraucherschutzbereich übliche Prinzip der Mindestharmonisierung - dh dass strengere nationale Konsumentenschutzbestimmungen zulässig sind - wird jedenfalls im Grünbuch vor allem als Harmonisierungsproblem dargestellt und umfassend zur Disposition gestellt.
(Allerdings hat es Österreich - jedenfalls unmittelbar nach dem Beitritt - ohnehin eine "minimum implementation of minimum directives" gegeben.)

Thursday, February 08, 2007

Placebo Policy

Kinder, wie die Zeit vergeht: seit Jahren ist die Kommission "auf Diskussionsebene international führend, Themenbereiche festzulegen, Personen mit erforderlichem Sachverstand und möglichem Handlungsspielraum zusammenzubringen und praktische Wege zur Sicherung notwendiger Maßnahmen zu finden." So hat sie das jedenfalls voller Stolz im Diskussionspapier "Sicherheit von Kindern bei der Nutzung von Mobiltelefondiensten" Mitte 2006 geschrieben.

Und eh man sich's versieht, ist schon der Durchbruch gelungen: Über Vermittlung der Kommission haben "führende Mobilfunkbetreiber" eine Vereinbarung über den Schutz Minderjähriger bei der Nutzung von Handys unterzeichnet. Dabei geht es nicht um zu hohe Rechnungen, sondern um illegale und schädliche Inhalte.
Die Mobilfunkbetreiber erklären sich demnach bereit, Folgendes zu unterstützen:
  • Kontrolle des Zugriffs auf Inhalte, die für Erwachsene bestimmt sind;
  • Sensibilisierungskampagnen für Eltern und Kinder;
  • Klassifizierung kommerzieller Inhalte nach nationalen Regeln der Sittlichkeit und Angemessenheit;
  • Bekämpfung illegaler Inhalte auf Handys.
Ein ganz großartiges Ergebnis, sicher; denn nur Leute mit möglichem Handlungsspielraum konnten sich so klar festlegen, andere hätten sich vielleicht vorbehalten, bei Gelegenheit illegale Inhalte auch zu fördern oder herzustellen, wer weiß.
Angesichts dieser epochalen Vereinbarung versteht man die enthusiastische Reaktion von EU-Kommissarin Viviane Reding: "Ich beglückwünsche die Mobilfunkindustrie, dass sie sich zum Schutz der Minderjährigen entschlossen hat."

Dem Glückwunsch kann man sich nur anschließen, denn so leicht ist die Industrie bislang kaum einer Regulierung entgangen.

PS: um ihre Zusagen umzusetzen, haben die Betreiber ein Jahr Zeit - so wichtig ist der Kommission also der Schutz der Kinder auch wieder nicht. Ich vermute freilich, dass der Kommission der Charakter der Maßnahme als "Placebo Policy" ohnehin bewusst ist, und da kommt es ja wirklich auf ein Jahr mehr oder weniger nicht an.

PPS (Nachtrag 30.4.2007): hier der link zum Text der "Vereinbarung" (European Framework for Safer Mobile Use by Younger Teenagers and Children)

Tuesday, February 06, 2007

Das System schlägt zeitnah zurück

Vielelicht hat es nur am Rande mit Kommunikationsrecht zu tun, aber es geht immerhin um eine heute im Amtsblatt L der Europäischen Union veröffentlichte Empfehlung der Kommission
über sichere und effiziente bordeigene
Informations- und Kommunikationssysteme. Der damit neugefasste "Grundsatzkatalog zur Mensch-Maschine-Schnittstelle" enthält wesentliche Sicherheitsaspekte, die zB bei Navigationssystemen in Kraftfahrzeugen zu beachten sind.

Kein Zweifel, dass es sich dabei um eine lobenswerte Sache handelt. Wenn sich die Mitgliedstaaten nach dieser Empfehlung richten, werden sie in Hinkunft nicht nur "die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) beobachten", sondern auch "für die Verbreitung des neugefassten Grundsatzkatalogs unter allen Beteiligten sorgen" (wobei ich mit diesem Hinweis gleich ein wenig mithelfe, also hier nochmal der Link), und natürlich sollten sie die Beteiligten auch "zur Einhaltung der Grundsätze ermuntern".

Der Katalog selbst enthält unter anderem eine geradezu geniale Definition der "Ablenkung", die als Aufmerksamkeit verstanden wird, welche sich leider nicht auf jene Tätigkeit bezieht, für die sie erforderlich wäre; im Wortlaut:

"Ablenkung: Aufmerksamkeit, die auf eine nicht mit der Fahrzeugführung in Verbindung stehende Tätigkeit verwendet wird"

Und schließlich habe ich noch ein Lehrbeispiel gefunden, wie unbestimmte Rechtsbegriffe durch andere unbestimmte Rechtsbegriffe definiert werden können:

"Die Reaktion des Systems ist dann zeitnah, wenn sie als verhältnismäßig augenblicklich wahrgenommen wird."

Wem das zu konkret ist, der sei darauf hingewiesen, das diese Definition nur auf Informations- und Kommunikationssysteme anwendbar ist, die manuelle Eingaben erfordern, denn "für sprachgesteuerte Systeme liegen noch keine hinreichenden Erfahrungen vor, nach denen der Begriff 'zeitnah' definiert werden könnte."

Monday, February 05, 2007

"Und jetzt wünscht Iglo einen guten Appetit"

Der Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt ist ein Eckpfeiler der Regelung der Fernsehwerbung - das hat der VfGH in einem vor kurzem veröffentlichten Erkenntnis (1.12.2006, B 3269/05) ausdrücklich festgehalten.
Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz durch den ORF ist gerade auf Grund des öffentlich-rechtlichen Auftrags und des hohen Verbreitungsgrades der ORF-Fernsehprogramme, "wodurch die Einflussnahme auf eine große Zahl an Zusehern möglich wird," besonders gravierend.

Der Beschwerdeführer, vom VfGH als "Leiter der Rechtsabteilung des Österreichischen Rundfunks" anonymisiert, war - als verantwortlicher Beauftragter - mit einer Geldstrafe von € 20.000 belegt worden, weil der ORF bei Ski-Weltcup-Übertragungen unzulässigerweise werblich gestaltete Patronanzhinweise gesendet hatte (der VfGH zitiert: "Iss was g'scheit's" und "Und jetzt wünscht Iglo einen guten Appetit"). In der Beschwerde an den VfGH brachte er unter anderem vor, dass die entsprechenden Bestimmungen im ORF-Gesetz gleichheitswidrig wären, da für vergleichbare Verwaltungsübertretungen bei Privatfernsehveranstaltern nur wesentlich geringere Strafhöhen vorgesehen wären. Das überzeugte den VfGH nicht, denn privaten Veranstaltern kann bei wiederholten Verstößen die Sendelizenz entzogen werden, was beim ORF nicht möglich ist. Ein isolierter Vergleich bloß der Strafhöhe sei daher nicht möglich, so der VfGH.

Wo allerdings die Grenzen zwischen Werbung bzw Product Placement und redaktionellem Inhalt liegen, lässt sich freilich nicht nur bei Skirennen schwer feststellen: die Kampagne "Nicht vergessen - Gemüse Essen" ("von Iglo gemeinsam mit dem ORF und dem Bundesministerium
für Gesundheit und Frauen ins Leben gerufen"
) war im ORF nicht nur durch Spots, sondern auch in Sendungen präsent ("ORF unterstützt die Gesundheitskampagne in allen Medien") - und die AMA (Agrarmarkt Austria Marketing GmbH) verlässt sich für die Vermittlung ihrer Inhalte nicht nur auf die von ihr geschalteten Werbespots, sondern sorgt gleich selbst für den redaktionellen Content - so heißt es zB im Jahresbericht der AMA für 2005 (5 MB!) :

"Bewährt: TV-Sendungen des ORF
Die langjährige, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem ORF auf redaktioneller Basis in Form von Kooperationen und Patronanzen wurde 2005 fortgesetzt. So wurden im Sendeformat 'Land und Leute' laufend Redaktionsbeiträge gebracht."


Auch die Baumschulen profitieren von einer Mischung aus redaktionellen Beiträgen und Werbespots, wie der AMA-Bericht zeigt:

"Für die Baumschulen wurden die Kooperationen mit den ORF Landesstudios weitergeführt. Interviews, die ein bekannter Gartenmoderator mit Gartenbesitzern und Fachleuten führte, wurden aufgezeichnet und saisonbezogen eingesetzt. 57 Interviews wurden in redaktionelle Sendungen eingebaut. Zur weiteren Unterstützung der Maßnahme sind 93 klassische Rundfunkspots in den lokalen Rundfunksendern zum Einsatz gekommen."

Nicht im AMA-Bericht, sondern im ORF-Gesetz (§ 14 Abs 4) steht Folgendes:

"Ein Werbetreibender oder Auftraggeber einer Patronanzsendung darf keinen redaktionellen Einfluss auf den Programminhalt ausüben."

Talking Heads...

Wie schon einmal berichtet, habe ich nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 bei der Europäischen Kommission Zugang zu zwei Dokumenten beantragt, die bei einem Meeting der European Regulators Group vorgelegen sind.

Das war Anfang Oktober 2006.

Vier Monate sind seither vergangen, und noch immer habe ich keine endgültige Entscheidung der Kommission erhalten (die dafür in der Verordnung vorgesehene Frist ist längst abgelaufen).

Doch die Kommission war nicht untätig: Beim ERG-Meeting am 7./8. Dezember 2006 in Bratislava hat das von der Kommission gestellte ERG-Sekretariat über die Anfrage berichtet und - so vermerkt das Protokoll -
"Heads were asked to consider whether access should be granted or denied to these documents."

"Heads", damit sind die Mitglieder der ERG gemeint, denn diese setzt sich ja nach Artikel 4 der Entscheidung über die Einrichtung der ERG aus den "heads of the independent national regulatory authority established in each Member State ..." (oder ihren Vertretern) zusammen.

Die "Talking Heads" konnten sich freilich nicht gleich entscheiden, und mussten erstmal den zuständigen Arbeitsgruppen eine Woche einräumen, um einen Antwortvorschlag zu machen ... und aus der Erfahrung mit dem Zugang zu Netzen weiß man ja:

"access delayed is access denied"
Fortsetzung folgt ... (hier)

Saturday, February 03, 2007

Faymann und "die diversen Infrastrukturminister"

"Leider fehlt eine österreichweite klare und verbindliche Festlegung für die Höchstgrenze der Handymastestrahlenbelastung. Trotz jahrelangen Urgierens der Stadt Wien haben die diversen Infrastrukturminister bis heute keine nachvollziehbare Strahlengrenzwert-Verordnung erlassen."
Also sprach Werner Faymann in seiner früheren Funktion als Wiener Wohnbaustadtrat (Aussendung der Rathauskorrespondenz vom 22.01.2003). Vier Jahre später gibt es noch immer keine Verordnung - und Faymann, inzwischen selbst Infrastrukturminister, bietet sich damit eine Gelegenheit, sich von seinen VorgängerInnen abzuheben.

Gerade angesichts der jüngsten Veröffentlichungen, die je nach Lesart entweder beweisen, dass Handys Krebs auslösen können oder aber eine "strikte Entwarnung" rechtfertigen, wird die Festlegung eines Grenzwerts jedenfalls keine leichte Aufgabe sein.

Spannend ist auch, ob Faymann sich die Position zu eigen macht, wonach Anrainer von Funkanlagen Parteistellung in Genehmigungsverfahren erhalten sollen - immerhin haben nicht nur Grün-, sondern auch SP-Abgeordnete den Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof unterschrieben, in dem die derzeit fehlende Parteistellung als verfassungswidrig angesehen wird.

Thursday, February 01, 2007

Meischberger, hardly remembered at all

"Und ich sage Ihnen: Ich war dabei, andere nicht!" Mit diesen legendären Worten sprach Ing. Walter Meischberger in seiner letzten Rede im österreichischen Nationalrat (16.2.1999) einen Vorfall an, der meist mit den Worten "bar aufs Handerl" in Verbindung gebracht wurde (etwa vom Abg. Dr. Khol, der diese Worte gleich fünfmal in kurzen Abständen zur Unterbrechung einer Rede des Abg. Dr. Krüger verwendete).

Bei einer anderen Sache war Meischberger nicht so allein, und es waren durchaus andere dabei: Jörg Haider etwa, aber genauso Mutter Teresa, Kardinal Hermann Groer, Bischof Kurt Krenn, (Ex-)Burgtheaterdirektor Claus Peymann und Peter Turrini fanden sich gemeinsam mit Walter Meischberger auf einem Gemälde.
Das OLG Wien fand im Sinne des § 78 UrhG berechtigte Interessen von Herrn Meischberger verletzt und sprach ihm eine Entschädigung von ATS 20.000,-- zu - aber nicht, weil er in die Nähe von Claus Peymann gerückt wurde (für einen - damals - FPÖ-Generalsekretär fast schon kreditschädigend), sondern wegen der näheren Umstände der Darstellung. Zu berücksichtigen war nämlich (so der OGH in der Zurückweisung der Revision der beklagten Künstlervereinigung, 18.7.2000, 4 Ob 175/00i), "dass die auf dem Gemälde dargestellten Körper (denen als Köpfe aus Zeitungen herausgeschnittene Fotos verschiedener Personen, darunter auch ein Bild des Klägers, hinzugefügt sind) in sexuellen Handlungen miteinander verbunden sind".

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat auch diese Sache abweichend von den österreichischen Gerichten beurteilt (Urteil vom 25.1.2007, Application no. 68354/01): es sei allen klar gewesen, dass das Bild nicht die Realität darstellen sollte und eher als Karikatur unter Verwendung satirischer Elemente anzusehen gewesen sei. Außerdem konnte man das Bild auch als eine Art Gegenangriff ("counter-attack") der Malers - Otto Mühl - gegen die FPÖ ansehen, da deren Mitglieder die Arbeiten des Malers heftig kritisiert hatten.
Und schließlich betont der EGMR, dass Meischberger eben nicht allein dargestellt war, sondern mit viel wichtigeren Leuten:
"Mr Meischberger, who at the time of the events was an ordinary member of parliament, was certainly one of the less well known amongst all the people appearing on the painting and nowadays, having retired from politics, is hardly remembered by the public at all."
Die Entscheidung war knapp - vier zu drei Stimmen, mit dissenting opinions der Richter Loucaides (der offenbar vom Gemälde selbst zutiefst schockiert ist und "painting" konsequent unter Anführungszeichen schreibt) und Spielmann und Jebens (die ausführlich die Notwendigkeit des Schutzes der Rechte anderer betonen).
Der Vollständigkeit halber seien hier noch zwei weitere aktuelle Entscheidungen des EGMR angeführt, in denen Verletzungen des Art 10 EMRK festgestellt wurden:
In beiden Fällen war es nach entsprechenden Zeitungsberichten zu erfolgreichen Kreditschädigungsklagen (des "hospital guru" einerseits bzw der Lehrer andererseits) gekommen.

Breitband und Dialektik

Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteil vom 30.1.2007, Rs T-340/03, eine Klage der France Télécom SA gegen die Kommission abgewiesen. Mit der Klage wollte die France Télécom die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission (COMP/38.233) erreichen, mit der ihr (bzw dem Vorgänger-Unternehmen Wanadoo Interactive) aufgetragen worden war, einen festgestellten Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für den Breitband-Internetzugang für Privatkunden abzustellen. Die Kommission war im Verfahren zum Ergebnis gekommen, dass Wanadoo Interactive Verdrängungspreise festgelegt hatte.

Im Urteil des Gerichts wird unter anderem auch auf das Argument, wonach es sich beim Breitbandmarkt im Betrachtungszeitraum (etwa 2001 bis 2002) um einen sich erst herausbildenden Markt gehandelt habe, eingegangen. Das Gericht hält dazu fest, dass der relevante Markt im März 2001 "mit Sicherheit bereits das Entstehungs- oder Erprobungsstadium überschritten hatte." Dass es sich um einen in starkem Wachstum begriffenen Markt handelte, schließt die Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht aus.

Bemerkenswert ist die Argumentation der France Télécom, soweit ihr interne Schriftstücke vorgehalten wurden, in denen wiederholt von einer "Vereinnahmung des ADSL-Marktes" die Rede war. Solche "informellen und spontanen, um nicht zu sagen unüberlegten Äußerungen" würden nur "die Dialektik des Entscheidungsprozesses" widerspiegeln (Rz 201 des Urteils). Das Gericht hält es freilich für zweifelhaft, dass Führungskräfte des Unternehmens "spontan und unüberlegt" gehandelt hätten, stammten einige der Äußerungen doch aus förmlichen Präsentationen für Entscheidungsorgane.