Tuesday, November 03, 2009

EU-Studie: Mehr Blogger als Blogleser in Deutschland?

Irgendwie ist es ja eine faszinierende Vorstellung: dass mehr Deutsche Blogs schreiben als tatsächlich Blogs lesen würden - oder anders herum: auf jedes Blog käme nicht einmal ein Leser. Diesen Eindruck hatte ich beim Durchscrollen der vor wenigen Tagen von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie "User Created Content: Supporting a participative Information Society" (Studie, Executive Summary, Annexes, Presseaussendung). Denn immerhin wird dort auf Seite 55 angegeben, dass 10,7% der deutschen Bevölkerung Blogs schreiben würden (Daten aus März 2008) - und das ergäbe jedenfalls deutlich mehr Blogger als die ARD-ZDF Online-Studie überhaupt an Blognutzern (sprich: Lesern) ausweist (im Jahr 2008 6% und im Jahr 2009 8% der Bevölkerung). So richtig passen die Daten also nicht zusammen - aber in der EU-Studie steht ja auch, dass angeblich (2008!) 21,2% der deutschen Bevölkerung Blogs gelesen hätten (etwa dreieinhalb soviel als nach der ARD-ZDF-Studie).

Woher kommen also die Daten? Die neue, im Auftrag der Kommission von IDATE, TNO und IViR erstellte Studie "relies mainly on desk researches and interviews with the stakeholders" - und auf dem Schreibtisch der Forscher waren offenbar auch die Präsentationen der Werbeagentur Universal McCann gelandet (passender Claim der Agentur: "curious minds for surprising results"). Deren sogenannter "social media tracker" unter dem Titel "Power to the People"(!) aus dem März 2008 beruht auf einem Survey von 17.000 Internetnutzern aus 29 Ländern ("Internetnutzer" sind dabei Personen zwischen 16 und 54 Jahren, die zumindest jeden zweiten Tag das Internet nutzen). Wie viele von diesen aus welchen Ländern stammen, habe ich in den öffentlich zugänglichen Unterlagen nicht gefunden: bedenkt man, dass da auch Staaten wie USA, China oder Japan dabei sind, dürften die einzelnen Länder-Samples jedenfalls nicht rasend hoch sein (ginge man von einer statistischen Gleichverteilung der Fragebögen entsprechend der von McCann angegebenen Anzahl der "Internetnutzer" aus, kämen auf Deutschland 673, auf Österreich 43!). Interessant auch noch die Frage, wie man zum Anteil der "Internetnutzer" an der Gesamtbevölkerung kommt: "these figures are estimates", legt Universal McCann offen (natürlich unter Nutzung verschiedener Quellen bis hin zum CIA Factbook). Und überhaupt: die Gesamtbevölkerung wird bei Universal McCann auch nur aus aus 16 bis 54-Jährigen gebildet (bei der ARD-ZDF-Online Studie: Erwachsene über 14 Jahren). Kein Wunder, dass die - in der EU-Studie ohne weitere Information auf die dahinterliegende Methode/Grundgesamtheit aufgenommenen - Daten über die Verbreitung von "Social Media" daher wesentlich beeindruckender scheinen.

Gut schätzen ist zwar besser als schlecht würfeln - aber ob man angesichts dieser Grobschätzung wirklich gleich eine "growing army of bloggers" beschwören muss, wie dies die Kommisison in ihrer Presseaussendung tut? Der Begriff "Armee" impliziert ja einen Zusammenhang mit einer zumindest möglichen kriegerischen Auseinandersetzung und scheint mir in diesem Zusammenhang unangemessen bedrohlich. Und wenn schon army, dann halte ich es da lieber mit Ani DiFranco ("I always wanted to be commander in chief of my one woman army", gegendert: "my one person army" - und falls jemand Ani DiFranco nicht kennt, empfehle ich den gelegentlichen Erwerb einer ihrer zahlreichen CDs; Songempfehlung für Juristen: every state line).

PS: Damit kein falscher Eindruck entsteht: das soll keine Kritik an der ganzen Studie sein, deren Focus auf  Rahmenbedingungen für "user generated content" liegt (hier meist "UCC", "user created content", genannt, aber da ich als Jurist mit der Abkürzung UCC einfach etwas anderes verbinde, bleibe ich lieber bei UGC); die Studie ist auch eher qualitativ angelegt. Ich bin dennoch - schon angesichts der Kommissions-Schlagzeile mit der "growing army of bloggers" zunächst einmal an den Zahlen hängen geblieben, die mir schlicht unplausibel erschienen (dass die verwendeten Zahlen mittlerweile überdies schon etwas älter sind - auch der "social media tracker" ist mittlerweile in einer neue Version verfügbar -, scheint nicht bei den Studienautoren liegen, denn nach der Datumsangabe auf  der Studie selbst wurde sie im Dezember 2008 abgeschlossen; offenbar hat die Freigabe durch die Kommission etwas länger gedauert).

PPS: Ein Hörfunk-Programmhinweis in Sachen Blogs (via digiom): Ö1-Radiokolleg "Ich blogge, also bin ich" (?), 11. bis 12.11., 9:30 Uhr, Wiederholung ca. 22:40 Uhr, Ö1; und am 12.11. um 18:30 gibt's dazu eine Veranstaltung im Radiokulturhaus.

Monday, November 02, 2009

Teilnehmerverzeichnis: Vorabentscheidungsersuchen des BVerwG (und ältere Entscheidungen des VwGH)

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 28.10.2009, 6 C 20.08 (Volltext noch nicht verfügbar [update 17.12.2009: nunmehr ist hier der Volltext verfügbar], hier die Pressemitteilung, Bericht bei heise), beschlossen, den EuGH zur Klärung der Frage angerufen, "inwieweit Telekommunikationsunternehmen verpflichtet sind, anderen Unternehmen Teilnehmerdaten zum Zweck der Bereitstellung von Teilnehmerverzeichnissen und Auskunftsdiensten zur Verfügung zu stellen." [Update 18.2.2010: beim EuGH als Rechtssache C-543/09, Deutsche Telekom, anhängig]

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat diese Frage in seinen Erkenntnissen vom 17.12.2004, 2004/03/0059 und 2004/03/0060, verneint, und zwar nicht nur in Auslegung des § 18 TKG 2003, sondern ausdrücklich - im Hinblick auf die zugrundeliegende Richtlinienbestimmung (Art 25 Abs 2 Universaldienst-RL) - auch unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 25.11.2004, C-109/03, KPN. Wörtlich heißt es im Erkenntnis 2004/03/0059 (Hervorhebung und Links hinzugefügt):
"Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 25.11.2004, Rs. C-109/03, auch den Begriff 'entsprechende Informationen' in Art. 6 Abs. 3 der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie auszulegen. Der Gerichtshof kam zum Ergebnis, dass die Worte 'entsprechende Informationen' in Art. 6 Abs. 3 der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie eng auszulegen sind.
Art. 6 Abs. 3 der RL 98/10/EG ist dahin auszulegen, dass mit den Worten 'entsprechende Informationen' nur die Daten gemeint sind, die die Teilnehmer betreffen, die einen Eintrag in eine veröffentlichte Liste nicht abgelehnt haben, und die ausreichen, um den Nutzern eines Verzeichnisses die Identifizierung der Teilnehmer zu ermöglichen, die sie suchen. Diese Daten umfassen grundsätzlich den Namen und die Anschrift der Teilnehmer, einschließlich der Postleitzahl, sowie die Telefonnummer oder die Telefonnummern, die die betreffende Organisation an sie vergeben hat. Es steht den Mitgliedstaaten jedoch frei, vorzusehen, dass den Nutzern weitere Daten zur Verfügung gestellt werden, wenn diese in Anbetracht besonderer nationaler Gegebenheiten für die Identifizierung der Teilnehmer notwendig erscheinen.
Die ausdrückliche Bezugnahme des EuGH auf die 'betreffende Organisation', die die Telefonnummern vergeben hat, steht der Auslegung, wonach nach Art. 6 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie - wie auch nach dem dieser Bestimmung nunmehr im wesentlichen Zusammenhang entsprechenden Art. 25 Abs. 2 Universaldienstrichtlinie - auch Daten von Teilnehmern anderer Betreiber zur Verfügung zu stellen wären, entgegen. Für eine Ausdehnung der Forderung nach Kostenorientierung und Nichtdiskriminierung (iSd Art. 25 Abs. 2 Universaldienstrichtlinie) auf das betreiberübergreifende Teilnehmerverzeichnis besteht daher nach § 18 TKG 2003 auch unter Berücksichtigung des Gebotes richtlinienkonformer Auslegung keine Grundlage."
Update 18.2.2010: ähnliche Fragen beschäftigen auch den Court of Appeal im UK in seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-16/10 The Number and Conduit Enterprises

Friday, October 30, 2009

VfGH: Universaldienstverpflichtungen der Post keine Verletzung der Erwerbsfreiheit

Mit Bescheid vom 30.6.2009 hatte die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie die Schließung von 193 Potämtern bis zum Ablauf von drei Monaten nach Bescheidzustellung untersagt (siehe dazu diesen Bericht in der Presse, der auch die betroffenen Postämter nennt; zB auch dieses). Die Österreichische Post AG erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und stellte auch Individualanträge zur Aufhebung einzelner Bestimmungen des Postgesetzes und der Post-Universaldienstverordnung. Mit  Erkenntnis vom 8.10.2009, B 828/09 ua, hat der VfGH nun die Beschwerde ab- und die Individualanträge zurückgewiesen. Das Erkenntnis enthält auch ganz grundsätzliche Ausführungen zum (Post-)Universaldienst, in denen die Bedeutung der Infrastrukturverantwortung des Staates betont wird. Auch wenn sich die Situation der Post - im Hinblick auf das (noch) bestehende Monopol im reservierten Bereich (§ 6 PostG) - von Universaldiensterbringern zB im Telekombereich unterscheidet, so ist doch die Hervorhebung der staatlichen Gewährleistung für das Fuktionieren von Infrastrukturen auch für andere Netzinfrastrukturen interessant. Wörtlich heißt es im Erkenntnis des VfGH:
"Der Universaldienst weist gegenüber anderer unternehmerischer Tätigkeit eine Reihe von Besonderheiten auf:
Postdienstleistungen machen einen wesentlichen Teil der Infrastruktur eines Landes aus. Auf die besondere Bedeutung der Postdienste weist auch die Post-RL in Art. 3 hin. Mit der Gewährleistung des Funktionierens von Infrastruktureinrichtungen nimmt der Bund seine Infrastrukturverantwortung wahr. Überträgt er im Rahmen dieser Verantwortung die Erbringung solcher Dienstleistungen an ein privates Unternehmen, so hat dieses auch ein höheres Maß an Intensität der Wirtschaftsaufsicht hinzunehmen (vgl. Raschauer, Österreichisches Wirtschaftsrecht2, 2003, 185). Schließlich hängt vom Funktionieren des Universaldienstes und der Versorgung mit flächendeckenden Dienstleistungen das wirtschaftliche Wohl des Landes ab. ...
Zieht man die Besonderheiten des Universaldienstes und die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei in Betracht, so ist allein in dem Umstand, dass dem Betreiber von Universaldiensten im Interesse des Funktionierens des Universaldienstes intensivere Beschränkungen als anderen Unternehmen auferlegt werden, keine Verletzung der Erwerbsfreiheit oder des Gleichheitssatzes zu erkennen."
Auch dass vor der Schließung von Postämtern eine gewisse Mitwirkung der Gemeinden vorgesehen ist (diese sind zu informieren und im Einvernehmen mit ihnen sind innerhalb von drei Monaten alternative Lösungen zu suchen), wurde nicht als verfassungswidrig beurteilt - es hätte für die Post auch noch schlimmer können, etwa ein Verfahren mit echter Bürgerbeteiligung. Der VfGH hält der Post entgegen, sie übersehe,
"dass der Postmarkt nicht nur aus den Postdienstbetreibern besteht, sondern auch aus deren Kunden, seien es Private oder andere Unternehmen, deren unternehmerischer Erfolg ganz entscheidend vom Vorhandensein einer funktionierenden Infrastruktur, und damit auch des Postdienstes, abhängt. Die Mitwirkung der Gemeinden entspricht einer mediatisierten Mitwirkung der lokalen Postkunden, zu denen nahezu alle Gemeindebewohner zählen. Der Gesetzgeber hat eine verhältnismäßige Lösung gefunden. Er hat keine Bürgerbeteiligung am Verfahren vorgesehen, wie sie in anderen Bereichen vorgesehen ist, bei denen eine Vielzahl von Menschen von Maßnahmen betroffen sind. Selbst die Gemeinden haben im Verfahren keine Parteistellung. Der Gesetzgeber mutet dem Universaldienstbetreiber also bloß Verhandlungen mit den betroffenen Gemeinden für die Dauer von maximal drei Monaten zu, räumt den Gemeinden aber keine Möglichkeit ein, geplante Postamtsschließungen über diese Zeit hinaus zu verzögern."
PS: die Regierungsvorlage zum neuen Postmarktgesetz (zum Entwurf hier), dürfte am 10.11.2009 im Verkehrsausschuss und am 18.11.2009 im Plenum des Nationalrats behandelt und wohl auch beschlossen werden.

Thursday, October 29, 2009

OGH zu Mobilkom: Konsument muss sich nicht als Testsubjekt behandeln lassen

Wie kann man die Vertragsbedingungen für Kunden verschlechtern und zugleich verhindern, dass manche Kunden das für solche Fälle vorgesehene außerordentliche Kündigungsrecht ausüben? Indem man sich vorbehält, den tatsächlich Kündigenden allenfalls doch wieder die alten Bedingungen anzubieten und sie in diesem Fall zur Fortsetzung des Vertrags verpflichtet. Darauf sollten im Wesentlichen zwei Vertragsklauseln hinauslaufen, die mobilkom austria AG im Februar letzten Jahres ihren Kunden übermittelt hat.

Der Verein für Konsumenteninformation hat dagegen geklagt und in allen Instanzen gewonnen (Urteil des HG Wien [dazu in diesem Blog hier], Urteil des OLG Wien [dazu - kurz - hier], Urteil des Obersten Gerichtshofs).

Schon das OLG Wien (Urteil vom 31.3.2009, 1 R 180/08k) hatte der mobilkom austria AG beschieden, dass "das Interesse eines Unternehmers auf Ausschaltung des wirtschaftlichen Risikos aus einer von ihm beabsichtigten Verschlechterung der Vertragsbedingungen für die Verbraucher" keine sachliche Rechtfertigung für eine in zwei AGB-Klauseln vorgesehene, den Kunden nachteilige Änderung der Rechtslage ist.

Der OGH konnte in seinem Urteil vom 8.9.2009, 1 Ob 123/09h, auf die zutreffende Begründung des OLG Wien verweisen und musste sich nur knapp mit dem Revisionsvorbringen auseinandersetzen. Dabei fand der OGH durchaus deutliche Worte:
"Die den Teilnehmern seitens der Beklagten offensichtlich zugedachte Rolle von 'Testsubjekten' (rentiert sich aufgrund der Anzahl der Widersprüche bzw Kündigungen die Änderung der AGB?) muss der Konsument nicht spielen."
Klargestellt wurde, dass § 25 Abs 3 TKG 2003 eine konsumentenschutzrechtliche Norm ist, die das Kündigungsrecht des Teilnehmers von bestimmten gesetzlichen Bedingungen abhängig macht; macht der Teilnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, kann er aber - ab dem Zugang der Kündigungserklärung an den Betreiber - mit einer wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses rechnen.

Die Frage, ob auch § 25 TKG 2003 - wie vom OGH zur Vorgängerbestimmung des § 18 TKG 1997 judiziert wurde - dem Betreiber ein einseitiges Änderungsrecht einräumt, hatte der OGH im Urteil vom 20.3.2007, 4 Ob 227/06w, zuletzt ausdrücklich offen gelassen. Im nun entschiedenen Fall stellte der OGH allerdings klar, dass er die zu § 18 TKG 1997 begründete Rechtsprechung (insbesondere 14.3.2000, 4 Ob 50/00g) fortschreibt:
"Diese Bestimmungen [§ 25 Abs 2 und 3 TKG 2003] berechtigen den Anbieter ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung, soweit es die Änderung von AGB und Entgeltbedingungen betrifft (Feiel/Lehofer, TKG 2003, 96; Ertl, Die AGB-Kontrolle nach § 25 TKG 2003, MR 2005, 139 [141f]; Lehofer in FS Mayer 148f; 4 Ob 98/04x). Als Ausgleich dafür erhält der Teilnehmer in Übereinstimmung mit Art 20 Abs 4 der Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG) ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht, das spätestens bis zum In-Kraft-Treten des Änderungen auszuüben ist [Feiel/Lehofer aaO 96f; Ertl aaO; Lehofer aaO)."
PS: Der OGH spricht nur davon, dass Konsumenten die Rolle als "Testsubjekte" nicht spielen müssen. Ob sich manche Leser einer bestimmten Wochenzeitschrift von deren Chefredakteur als "meine Meerschweinchen" behandeln lassen müssen, ist eine ganz andere Frage (mehr dazu zB hier, hier und hier)

"und mach dann noch 'nen zweiten Plan": nationaler Breitbandplan für Österreich?

"Gegen das Fehlschlagen eines Plans gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen" (Jean Paul) - und manchmal hilft es vielleicht auch schon, einen neuen Plan vorzuschlagen.

Ziel des IKT-Masterplans (2005) war es, "in drei Jahren unter die Top 10 IKT-Länder der Welt und die Top 5 der Europäischen Union zu kommen". Das Ergebnis wird im heute veröffentlichten Band 2/2009 der Schriftenreihe der RTR "Breitbandanschlussnetze in Österreich" etwas euphemistisch so beschrieben: "Dieses Ziel wurde je nach Messmethode und Indikator unterschiedlich gut erreicht" (statt "unterschiedlich gut" könnte man wohl auch schreiben: "nicht"). Was liegt da näher, als einen neuen Plan zu machen vorzuschlagen: den "nationalen Breitbandplan".
"Mit einem nationalen Breitbandplan könnte man mittelfristig konsistente Ziele setzen, die einschlägigen Zielsetzungen des aktuellen Regierungsübereinkommens operationalisieren und in zeitlicher und finanzieller Hinsicht ein gewisses Momentum entwickeln."
Die Veröffentlichung der RTR bringt aber nicht nur Schlagworte, sondern geht durchaus ernsthaft auf die Themenstellung "Kooperationsmodelle und Finanzierung für Infrastruktur für Next Generation Access" ein und bietet eine gute Übersicht über die Bestandssituation in Österreich, über mögliche Kooperationsmodelle (auch im internationalen Vergleich), über Finanzierungsvarianten, aber auch über die zu berücksichtigenden regulatorischen Rahmenbedingungen.

Update 30.10.2009: Weitere Unterlagen dazu: Präsentation der RTR zur Pressekonferenz, Präsentationen "Perspektiven 2010" und "Breitbandanschlussnetze in Österreich" beim Regulierungsworkshop am 29.10.2009

Wednesday, October 28, 2009

Beihilfenverfahren zur ORF-Finanzierung eingestellt - 12 Monate Zeit zur Umsetzung

Erst gestern wurde die überarbeitete Rundfunkmitteilung der Kommission vom 2.7.2009 (mehr dazu zuletzt hier) auch im Amtsblatt veröffentlicht, und heute hat die Kommission schon betont, die Kriterien der neuen Mitteilung erstmals in der nun getroffenen Entscheidung, das Beihilfenverfahren gegen Österreich wegen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzustellen, angewandt zu haben (Presseaussendung der Kommission). Was das im Detail heißt, wird man erst beurteilen können, wenn die Entscheidung in einiger Zeit auch öffentlich zugänglich gemacht wird (hier, unter der Zahl E 2/2008), vorerst kann man sich nur auf die Pressemitteilung der Kommission stützen, die sich im Rahmen des Erwarteten hält. Zusammenfassend:
  • "präziserer öffentlich-rechtlicher Auftrag" heißt, dass "zusätzliche Kriterien für die Erbringung neuer Mediendienste eingeführt werden";
  • "neue Medienaufsicht", die überwachen wird, inwieweit der ORF den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt, und auch (im Nachhinein) prüft, ob es zu einer "Überkompensierung"gekommen ist;
  • Amsterdam-Test für neue Mediendienste (inklusive öffentliche Konsultation, Prüfung des gesellschaftlichen Mehrwerts und market impact assessment); gilt auch bei "den vom ORF geplanten neuen Spartenprogrammen für Information und Kultur"; mit der ORF TV-THEK darf aber schon vor dem Abschluss des Amsterdam-Tests gestartet werden, sofern dieses Angebot erst danach kommerziell verwertet wird;
  • Der ORF muss nicht genutzte Sportrechte Dritten in Sublizenzierung anbieten; "ORF Sport Plus" muss sich auf Sportarten konzentrieren, "denen in der österreichischen Medienberichterstattung kein breiter Raum zukommt" (2007 standen auf Sport Plus Fußball und Tennis mit je ca. 15% der Sendestunden an der Spitze).
  • "Die Programmgestaltung der bestehenden Fernsehkanäle ORF1 und ORF2 wird Gegenstand einer laufenden internen Qualitätskontrolle sein." [Zwischenfrage: sollte das nicht jetzt schon so sein? Man denke etwa an § 4 Abs 3 letzter Satz, an § 21 Abs 1 Z 12 und an § 30 Abs 1 Z 7 ORF-Gesetz. Und btw: was macht eigentlich der vom ORF bestellte "Sachverständige für das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009", wenn er gelegentlich von Hollywood herüberschaut, wo er (laut Meedia-Interview vom 19.10.2009 mit ARD-Chef Boudgoust) seinen Wohnsitz hat und "Trends und Entwicklungen für die ARD auf dem amerikanischen Fernsehmarkt" beobachtet?]
  • Österreich hat 12 Monate Zeit, die gegebenen Zusicherungen umzusetzen (also vor allem auch die dafür notwendigen Novellen zum ORF-G und KommAustria-Gesetz zu beschließen).
In der Kommissions-Presseaussendung ist nur ein Satzteil wirklich überraschend: dass nämlich ausdrücklich auch eine "Rekapitalisierung [des ORF] nach der Krise" erwähnt wird. Ich will hier nicht spekulieren, was damit gesagt werden soll, denn seriöser Weise muss man, wie schon erwähnt, den vollen Text der Entscheidung abwarten.

PS (update 29.10.2009): Standard-Redakteur Harald Fidler hat offenbar den Entscheidungstext - weitere Details von ihm hier, hier, hier und hier.

Another year, another roadmap: Mitteilung und Empfehlung der Kommission zur Digitalen Dividende

Letztes Jahr wurde in einem CEPT-Bericht die "Technical Roadmap proposing relevant technical options and scenarios to optimise the Digital Dividend" vorgelegt, heuer legt die Europäische Kommission ihre eigene Roadmap für die erleichterte Nutzung der digitalen Dividende vor - oder besser: ihren Vorschlag, nun eine Roadmap auszuarbeiten. Sie veröffentlicht dazu einerseits die Empfehlung "Facilitating the release of the digital dividend in Europe" (vorläufige Fasung), andererseits die Mitteilung der Kommission "Transforming the digital dividend into social benefits and economic growth" (vorläufige Fassung) vor (siehe auch die Presseaussendung der Kommission, deutsche Sprachfassungen der Empfehlung und Mitteilung sind noch nicht verfügbar).

Die Empfehlung hat nur zwei einfache Punkte:
  • Erstens wird den Mitgliedstaaten empfohlen, bis spätestens 1.1.2012 die analogen Fernsehsender abzuschalten (nach dem Motto: "jetzt aber wirklich", denn "eingeladen" dazu wurden die Mitgliedstaaten ja schon im Jahr 2005).
  • Zweitens sollen die Mitgliedstaaten die Bemühungen unterstützen, harmonisierte Bedingungen für die Nutzung des Sub-Bandes 790-862 MHz durch andere als Rundfunkdienste (und zusätzlich zu diesen!) zu schaffen und sie sollten den Einsatz solcher anderer Dienste in diesem Band nicht hindern.
Die Mitteilung bringt das übliche Wortgeklingel, komplett mit immediate progress, urgent challenges, key strategic issues etc. etc. Eine fast beliebig herausgesuchte Passage liest sich zB so:
"It is essential that this window of opportunity is used to ensure an appropriate level of coordination in the European Union to reap the full social and economic benefits possible from access to this spectrum, and to provide a clear EU roadmap for Member States moving ahead at different speeds as a result of differing national circumstances."
Interessant ist, dass wieder einmal die "roadmap" als "praktischer Weg nach vorne" gepriesen wird:*) "In practical terms, it is proposed to achieve the necessary coordination by agreeing on a common ‘EU roadmap’ for implementing a set of agreed actions." Ein wenig konkreter wird es dann aber doch noch. Die Kommission will sich schon nach dem noch nicht beschlossenen geänderten Rechtsrahmen richten und dem Parlament und Rat Legislativvorschläge zur Aufstellung mehrjähriger Programme im Bereich der Funkfrequenzpolitik vorlegen (Art 8a Abs 3 der geänderten RahmenRL) - an ein Scheitern der derzeit im Vermittlungsverfahren behandelten Vorschläge glaubt wohl niemand.

Weiters wird die Kommission noch vor Ende 2009 dem Funkfrequenzausschuss einen Entwurf für eine Entscheidung über die Harmonisierung des 790-862 MHz Sub-Bands vorlegen. Auch an der gemeinsamen EU-Position für die nächste Weltfunkkonferenz Anfang 2012 will man schon zu arbeiten beginnen. Und schließlich könnte ein Legislativvorschlag vorgelegt werden, um das Abschalten aller Hochleistungs-Rundfunksender im Band 790-862 MHz bis zu einem noch zu vereinbarenden Datum zu erreichen. Das wäre natürlich besonders für Österreich von Interesse, da durch den Betrieb von Hochleistungssendern in den Nachbarstaaten die
anderweitige Nutzung der digitalen Dividende in Österreich nur eingeschränkt möglich ist.

*) In der analogen Welt scheint mir übrigens, dass das Entwerfen und Betrachten einer Straßenkarte noch nicht dazu beiträgt, tatsächlich weiterzukommen, dazu muss man sich dann auch anhand der Karte auf den Weg machen.

Tuesday, October 27, 2009

ORF-Werbebeschränkungen 2001: wieviel Geld entging dem ORF?

"Im Publikumsrat rechnete Wrabetz vor, wie viel die letzten TV-Gesetze den ORF 2001 bis 2009 gekostet hätten: 416 Millionen mangels Gebührenabgeltung, 193 aus Werbebeschränkungen, 59 ob 'Preisdrucks der Werbefenster'", heißt es auf derStandard.at in einem Bericht über die Sitzung des Publikumsrates vom 27.10.2009; diepresse.com schreibt, Wrabetz habe vorgerechnet, "dass dem ORF seit der letzten Änderung des ORF-Gesetzes im Jahr 2001 und den darin enthaltenen Einschnitten kumuliert rund 700 Millionen Euro entgangen seien. Allein die nicht erfolgte Refundierung der Gebührenbefreiungen habe den Sender knapp 420 Millionen Euro gekostet, durch Werbebeschränkungen kamen weitere 250 Millionen Euro dazu." Dazu drei schnelle Anmerkungen:
  1. Die "Gebührenabgeltung" (oder "Refundierung der Gebührenbefreiung") war in BGBl I 1999/159 erstmals für 2001 (in der Höhe von 25% der durch Befreiungen entgangenen Programmentgelte) angekündigt und wurde mit BGBl I 2000/142 (also mit dem Budgetbegleitgesetz, nicht erst mit der Novelle zum Rundfunkgesetz 2001) noch vor ihrem Wirksamwerden wieder abgeschafft. De facto hat es eine "Refundierung" daher noch nie gegeben (siehe zB auch schon hier).
  2. Der "Preisdruck der Werbefenster" hat nichts mit dem ORF-Gesetz zu tun; wie gesetzliche Maßnahmen aussehen könnten, die den oft lamentierten "Abfluss" von Werbegeldern in deutsche Privatsender bzw deren österreichische Werbefenster auf gemeinschaftsrechtlich zulässige Weise verhindern würden, habe ich noch nirgends gelesen oder gehört (siehe zur "Werbefenster"-Diskussion hier).
  3. Damit bleiben 193 Mio Euro entgangene Einnahmen des ORF aus Werbebeschränkungen. An dieser Zahl - Berechnungsgrundlagen sind nicht veröffentlicht - ist vor allem bemerkenswert, wie niedrig sie angesetzt ist.
    Vor dem Inkrafttreten der Rundfunkgesetz-Novelle 2001 (mit der das Rundfunkgesetz zum ORF-Gesetz wurde) hatte der ORF nämlich allein schon aus dem Entfall der Regionalradio-Ringwerbung jährliche Einbußen von rund 9,45 Mio Euro erwartet, in den neun Jahren 2002 bis 2009 also kumuliert ca. 85 Mio Euro. Dazu wurden Einbußen aus Beschränkungen im "Merchandising" und bei "Kooperationen mit der Musikindustrie" erwartet (kumuliert zwischen 11 und 18 Mio Euro), bei der Werbemittlung im Bereich von 18 bis 73 Mio Euro, ebenso bei der Unterbrecherwerbung; dann bei der Werbung für periodische Druckwerke zwischen 40 und 55 Mio Euro, bei Sonderwerbeformen zwischen 58 und 82 Mio Euro, bei "Remindern" 7 Mio Euro und für die Einrechung von Patronanzhinweisen in die Werbezeit zwischen 36 und 55 Mio Euro.*)
    Summiert man nur die niedrigeren Beträge, so erwartete der ORF durch die Novelle 2001 Einbußen in der Höhe von (über neun Jahre kumuliert) mindestens 273 Mio Euro (das ist alles noch nominell gerechnet, ohne Berücksichtigung der Geldwertentwicklung).
    Zwei mögliche Schlussfolgerungen: entweder die Kostenaufstellung im Juni 2001 war sogar bei der "Kalkulation" der Untergrenze der "sicher eintretenden Belastungen" (das wording damals war "best worst case") um einiges zu pessimistisch, oder die Geschäftsführung in den Jahren 2002 bis 2009 war einfach so fantastisch erfolgreich, wie man sich dies 2001 gar nicht vorstellen konnte.
*) Die Zahlen stammen aus der Stellungnahme des ORF zum Entwurf der Rundfunkgesetz-Novelle 2001. Nach Presseberichten von Anfang Juni 2001 (online nicht mehr verfügbar) wurde die "detailierte Rechnung" zu diesen Belastungen von Alexander Wrabetz, damals kaufmännischer Direktor des ORF, vorgelegt.
(Meine Lieblingszahl aus dieser Stellungnahme ist übrigens der befürchtete Einnahmenentfall wegen der Verpflichtung, dass zur Prime Time in der Regel anspruchsvolle Programme zur Wahl stehen müssen: allein aus diesem Grund befürchtete der ORF einen Einnahmenentfall von 55 bis 109 Mio Euro pro Jahr - offenbar ging er davon aus, dass er bis dahin keine anspruchsvollen Programme zur Wahl stellte.)

RTR schreibt Studie zur Verteilung der digitalen Dividende aus

"Anfang 2010" sollten in Österreich die politischen Entscheidungen über die Verteilung der "digitalen Dividende" getroffen werden, hatte Staatssekretär Ostermayer beim letzten Telekom-Forum Ende August dieses Jahres in Salzburg angekündigt (siehe dazu hier). Zuvor sollte noch eine wissenschaftliche Studie die Grundlagen für die politischen Entscheidungen treffen.

Dass sich das bis Anfang 2010 nicht ausgehen würde, war abzusehen, denn zuvor musste erst noch der Studienauftrag zwischen BKA und BMVIT abgestimmt und danach die Studie ausgeschrieben werden. Im heutigen Amtsblatt zur Wiener Zeitung (online war das zumindest um 7 Uhr noch nicht verfügbar; update: hier nun der Link, hier zur Veröffentlichung der RTR) wurde nun bekanntgegeben, dass die RTR dazu ein "Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung" (§ 30 BVergG) durchführt. Leistungsgegenstand laut Bekanntmachung ist die "Erstellung einer wissenschaftlichen Studie betreffend die Verteilung von im Zuge der Digitalisierung freigewordenen Frequenzen (Digitale Dividende) in deutscher Sprache". Anträge zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren müssen bis 11.11.2009 gestellt werden, als Erfüllungszeitraum ist "voraussichtlich: ab Jänner bis März 2010" angegeben.

Berücksichtigt man, dass nach Vorliegen der Studie noch ein gewisser Zeitraum zur Bewertung und Diskussion der Ergebnisse erforderlich sein wird, so ist mit einer politischen Entscheidung über die digitale Dividende realistisch also nicht "Anfang 2010", sondern wohl eher nicht vor Mai 2010 zu rechnen.

PS: "Unternehmer, die Anbieter von Diensten elektronischer Kommunikation sind oder mit solchen verbundene Unternehmer" können sich um die Studie nicht bewerben.

Friday, October 23, 2009

"The purpose of these rules is to preserve the open Internet": FCC-Entwurf zur Netzneutralität

Nächster Schritt der FCC zum Thema Netzneutralität: gestern wurde die "Notice of Proposed Rulemaking" veröffentlicht. Zu Diskussion gestellt werden vor allem folgende Regeln (Hervorhebung hinzugefügt):
§ 8.5 Content.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from sending or receiving the lawful content of the user’s choice over the Internet.

§ 8.7 Applications and Services.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from running the lawful applications or using the lawful services of the user’s choice.

§ 8.9 Devices.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from connecting to and using on its network the user’s choice of lawful devices that do not harm the network.

§ 8.11 Competitive Options.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not deprive any of its users of the user’s entitlement to competition among network providers, application providers, service providers, and content providers.

§ 8.13 Nondiscrimination.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service must treat lawful content, applications, and services in a nondiscriminatory manner.

§ 8.15 Transparency.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service must disclose such information concerning network management and other practices as is reasonably required for users and content, application, and service providers to enjoy the protections specified in this part.
Was unter "reasonable network management" zu verstehen sein soll, steht in den Definitionen:
Reasonable network management consists of:
(a) reasonable practices employed by a provider of broadband Internet access service to:
(i) reduce or mitigate the effects of congestion on its network or to address quality-of-service concerns;
(ii) address traffic that is unwanted by users or harmful;
(iii) prevent the transfer of unlawful content; or
(iv) prevent the unlawful transfer of content; and
(b) other reasonable network management practices.
Vor allem aus dem letzten Punkt wird man freilich nicht besonders schlau: "Reasonable network management consists of ... other reasonable management practices" ?! Siehe weitere Berichte zB bei Law.com oder Bloomberg (update 24.10.2009: bei TeleFrieden) und auch die Statements der FCC-Mitglieder Genachowski, Copps, McDowell, Clyburn und Baker. Die Angelegenheit war in der FCC erwartungsgemäß nicht einstimmig, McDowell und Baker stimmten teilweise dagegen, sind aber mit dem prozeduralen Weg (insbesondere auch mit der langen Stellungnahmefrist bis zum 14.1.2010) einverstanden; tatsächlich dürfte sich auch bei den kritischen FCC-Mitgliedern etwas Bewegung zeigen - so sagt Meredith Baker in ihrem Statement: "when we began this process three weeks ago, I was prepared to dissent with respect to this entire initiative. But I am not there today."

Thursday, October 22, 2009

Harmonisierung im 900 und 1800 MHz-Band

"Alle vorgeschlagenen Maßnahmen werden voraussichtlich bis Ende des Jahres [2007] in Kraft treten." - das glaubte die Europäische Kommission Mitte 2007 (Presseaussendung) von ihrem Vorschlag, die GSM-Richtlinie ganz aufzuheben und mit einer Entscheidung das 900 MHz-Band und das 1800 MHz-Band auch für UMTS-Dienste zu öffnen.

Es hat fast zwei Jahre länger gedauert als geplant und die GSM-RL 87/372/EWG wurde gar nicht aufgehoben, sondern "bloß" geändert (wenngleich so vollständig, dass vom ursprünglichen Text nichts übrigblieb), aber im Ergebnis ist die Kommission nun doch am Ziel angelangt. Die RL 87/372/EWG in der Fassung durch die RL 2009/114/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Frequenzen 880-915 und 925-960 MHz (das 900 MHz-Band) "für GSM- und UMTS-Systeme sowie für andere terrestrsiche Systeme verfügbar, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste erbringen" und störtungsfrei neben GSM-Systemen betrieben werden können. Umzusetzen ist die RL bis zum 9. Mai 2010.

Zeitgleich mit der Änderung der GSM-RL wurde auch die Entscheidung 2009/766/EG der Kommission vom 16. Oktober 2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-Bands und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, veröffentlicht. Damit werden GSM- und UMTS-Dienste in beiden Bändern möglich sein.

PS: Die deutsche Bundesnetzagentur hat übrigens in einer Entscheidung der Präsidentenkammer zur Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte schon festgehalten, dass sie die GSM-Frequenznutzungsrechte auf Antrag (und nach Maßgabe der GSM-Änderungs-RL) "schnellstmöglich flexibilisieren" wolle.

Monday, October 19, 2009

Medienrecht: wenn auch "Fettdruck und Großbuchstaben im Rechtsmittel" nicht mehr helfen

"Dürfen Medien alles - wo sind die Grenzen des Journalismus?" war Thema des Club 2 vom 14.10.2009. Die Sendung bot Gelegenheit, nach langer Zeit wieder einmal ein News-Cover ausführlich im ORF zu zeigen und den Inhalt dieses "periodischen Druckwerks" zu bewerben darzulegen (warum das in der Werbung im ORF nicht geht, steht in § 13 Abs 8 ORF-G, s dazu auch das VfGH-Erkenntnis VfSlg 16.911). Der größte Teil der Diskussion kreiste denn auch um die Cover-Geschichte des am nächsten Morgen erschienenen News-Hefts.

Respekt habe ich vor Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt (unter anderem für den ORF) und Honorarprofessor an der Uni Wien, der tapfer auf die tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen einschließlich der relevanten Rechtsprechung hinwies, während sonst weniger die rechtliche als die (jeweilige) moralische Dimension des "Dürfens" verhandelt wurde. News-Chefredakteur Atha Athanasiadis betonte, News mache "keinen Schlüssellochjournalismus", räumte aber immerhin ein, dass im Kriminalfall Josef F./Amstetten (in der Diskussion wurde der Name "F." übrigens immer ausgesprochen) ein News-"Cover" - ich denke, er meinte damit auch die Covergeschichte, nicht nur das Titelblatt selbst - erschien, das auch die News-eigenen Grenzen überschritten habe. Wörtlich sagte er:
"Das war ein Cover, von dem ich der Meinung bin, es hätte nicht erscheinen dürfen ... es war vor meiner Zeit, egal, aber es war ein Fehler, und dazu steht der gesamte Verlag."
Diese Erkenntnis dürfte eher neueren Datums sein, denn noch im Frühjahr 2009 hatte "die Medieninhaberin des periodischen Druckwerks N." außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine einstweilige Verfügung des OLG Wien vom 19.3.2009 im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Kriminalfall erhoben (die wesentlichen Ausführungen des OLG Wien sind abgedruckt in Medien und Recht 2009, 239). Das OLG Wien hatte in der Berichterstattung einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich bzw eine Bloßstellung des Opfers konstatiert, durch "Veröffentlichungen, in denen das mutmaßlich Geschehene nicht neutral und sachlich, sondern in detailliertester, offenkundig auf die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leserschaft ausgerichteter Weise dargestellt wird". Auch das Recht des Opfers auf Namensanonymität wurde vom OLG Wien anerkannt.

Der OGH hat mit Beschluss vom 12. Mai 2005, 4 Ob 82/09a, den ao Revisionsrekurs zurückgewiesen, da keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war. Es lohnt sich, die - hier vollständig wiedergegebene - knappe Begründung zu lesen (Hervorhebung hinzugefügt):
"Es mag zwar zutreffen, dass das vorliegende Verfahren im Zusammenhang mit einem in den Medien so bezeichneten 'Kriminalfall des Jahrhunderts' steht. Allein dieser Umstand führt aber - trotz seiner mehrfachen Hervorhebung durch Fettdruck und Großbuchstaben auch im Rechtsmittel - noch nicht zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses. Auf die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage hat schon das Rekursgericht eine ausführliche und zutreffende Antwort gegeben. Der Name der Klägerin mag zwar bereits bekannt gewesen sein. Das rechtfertigte es aber bei einer umfassenden, auch die Wertungen des Medienrechts berücksichtigenden Interessenabwägung (dazu 6 Ob 266/06w = MR 2007, 73 - Mordzeuge) noch nicht, ihren Namen immer wieder im Zusammenhang mit drastischen Schilderungen intimer Details ihres Schicksals zu nennen und sie so stets neu der Sensationsgier des Publikums auszusetzen."
Leider lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, ob der ao Revisionsrekurs vielleicht nicht nur Fettdruck und Großbuchstaben verwendete, sondern womöglich auch noch "exklusiv" war.

Weitere Lesetipps im Nachhang zum Club 2: das Caroline-Urteil des EGMR, § 7 Mediengesetz, (beide von Dr. Korn erwähnt) und das Urteil des OGH vom 19.8.2009, 15 Os 81/09i, betreffend ein anderes Medium und ein anderes Verbrechensopfer (Schlagzeile "Natascha: Sooo süß ist ihre erste Liebe!"). Auch dieses Urteil trägt vielleicht ein wenig zur Antwort auf die Frage bei, ob Medien alles dürfen (die einfache Antwort: nein).