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Tuesday, November 03, 2009

EU-Studie: Mehr Blogger als Blogleser in Deutschland?

Irgendwie ist es ja eine faszinierende Vorstellung: dass mehr Deutsche Blogs schreiben als tatsächlich Blogs lesen würden - oder anders herum: auf jedes Blog käme nicht einmal ein Leser. Diesen Eindruck hatte ich beim Durchscrollen der vor wenigen Tagen von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie "User Created Content: Supporting a participative Information Society" (Studie, Executive Summary, Annexes, Presseaussendung). Denn immerhin wird dort auf Seite 55 angegeben, dass 10,7% der deutschen Bevölkerung Blogs schreiben würden (Daten aus März 2008) - und das ergäbe jedenfalls deutlich mehr Blogger als die ARD-ZDF Online-Studie überhaupt an Blognutzern (sprich: Lesern) ausweist (im Jahr 2008 6% und im Jahr 2009 8% der Bevölkerung). So richtig passen die Daten also nicht zusammen - aber in der EU-Studie steht ja auch, dass angeblich (2008!) 21,2% der deutschen Bevölkerung Blogs gelesen hätten (etwa dreieinhalb soviel als nach der ARD-ZDF-Studie).

Woher kommen also die Daten? Die neue, im Auftrag der Kommission von IDATE, TNO und IViR erstellte Studie "relies mainly on desk researches and interviews with the stakeholders" - und auf dem Schreibtisch der Forscher waren offenbar auch die Präsentationen der Werbeagentur Universal McCann gelandet (passender Claim der Agentur: "curious minds for surprising results"). Deren sogenannter "social media tracker" unter dem Titel "Power to the People"(!) aus dem März 2008 beruht auf einem Survey von 17.000 Internetnutzern aus 29 Ländern ("Internetnutzer" sind dabei Personen zwischen 16 und 54 Jahren, die zumindest jeden zweiten Tag das Internet nutzen). Wie viele von diesen aus welchen Ländern stammen, habe ich in den öffentlich zugänglichen Unterlagen nicht gefunden: bedenkt man, dass da auch Staaten wie USA, China oder Japan dabei sind, dürften die einzelnen Länder-Samples jedenfalls nicht rasend hoch sein (ginge man von einer statistischen Gleichverteilung der Fragebögen entsprechend der von McCann angegebenen Anzahl der "Internetnutzer" aus, kämen auf Deutschland 673, auf Österreich 43!). Interessant auch noch die Frage, wie man zum Anteil der "Internetnutzer" an der Gesamtbevölkerung kommt: "these figures are estimates", legt Universal McCann offen (natürlich unter Nutzung verschiedener Quellen bis hin zum CIA Factbook). Und überhaupt: die Gesamtbevölkerung wird bei Universal McCann auch nur aus aus 16 bis 54-Jährigen gebildet (bei der ARD-ZDF-Online Studie: Erwachsene über 14 Jahren). Kein Wunder, dass die - in der EU-Studie ohne weitere Information auf die dahinterliegende Methode/Grundgesamtheit aufgenommenen - Daten über die Verbreitung von "Social Media" daher wesentlich beeindruckender scheinen.

Gut schätzen ist zwar besser als schlecht würfeln - aber ob man angesichts dieser Grobschätzung wirklich gleich eine "growing army of bloggers" beschwören muss, wie dies die Kommisison in ihrer Presseaussendung tut? Der Begriff "Armee" impliziert ja einen Zusammenhang mit einer zumindest möglichen kriegerischen Auseinandersetzung und scheint mir in diesem Zusammenhang unangemessen bedrohlich. Und wenn schon army, dann halte ich es da lieber mit Ani DiFranco ("I always wanted to be commander in chief of my one woman army", gegendert: "my one person army" - und falls jemand Ani DiFranco nicht kennt, empfehle ich den gelegentlichen Erwerb einer ihrer zahlreichen CDs; Songempfehlung für Juristen: every state line).

PS: Damit kein falscher Eindruck entsteht: das soll keine Kritik an der ganzen Studie sein, deren Focus auf  Rahmenbedingungen für "user generated content" liegt (hier meist "UCC", "user created content", genannt, aber da ich als Jurist mit der Abkürzung UCC einfach etwas anderes verbinde, bleibe ich lieber bei UGC); die Studie ist auch eher qualitativ angelegt. Ich bin dennoch - schon angesichts der Kommissions-Schlagzeile mit der "growing army of bloggers" zunächst einmal an den Zahlen hängen geblieben, die mir schlicht unplausibel erschienen (dass die verwendeten Zahlen mittlerweile überdies schon etwas älter sind - auch der "social media tracker" ist mittlerweile in einer neue Version verfügbar -, scheint nicht bei den Studienautoren liegen, denn nach der Datumsangabe auf  der Studie selbst wurde sie im Dezember 2008 abgeschlossen; offenbar hat die Freigabe durch die Kommission etwas länger gedauert).

PPS: Ein Hörfunk-Programmhinweis in Sachen Blogs (via digiom): Ö1-Radiokolleg "Ich blogge, also bin ich" (?), 11. bis 12.11., 9:30 Uhr, Wiederholung ca. 22:40 Uhr, Ö1; und am 12.11. um 18:30 gibt's dazu eine Veranstaltung im Radiokulturhaus.

Saturday, October 25, 2008

"Ablieferungspflicht" für Blogs - österreichische Pläne

In der deutschen Blog-Szene hat die Verordnung der Bundeskanzlerin vom 17. Oktober 2008 über die Pflichtablieferung von Medienwerken an die Deutsche Nationalbibliothek (PflAV) in den letzten Tagen für einige Aufregung gesorgt (sogar bei juristischen Blogs), zumal gelegentlich der Eindruck entstanden ist, jeder Blogger müsse von jedem Blogeintrag und von jedem Kommentar ein PDF anfertigen und der Nationalbibliothek übersenden. Tatsächlich ist die Sache weit weniger dramatisch - siehe zB die FAQs der DNB: "Derzeit werden Webseiten aller Art, z. B. statische und dynamische HTML-Seiten, Weblogs oder Foren noch nicht gesammelt. Alle Anbieter von Webseiten müssen also in dieser Hinsicht nichts unternehmen und keine Strafen befürchten."

Das der Verordnung zugrundeliegende Problem besteht natürlich auch in Österreich: die vielfach nur mehr elektronische Veröffentlichung zB auch wissenschaftlicher Arbeiten kann dazu führen, dass die Nationalbibliothek ihre Aufgaben zur Sammlung und Bewahrung der in Österreich verlegten/erschienen Medien nicht mehr adäquat erfüllen kann. Die Ablieferungspflicht bei Druckwerken (§ 43 MedienG) wurde daher zunächst im Jahr 2000 ergänzt durch eine Ablieferungspflicht auch für "sonstige Medienwerke" (§ 43a Mediengesetz; das betrifft zB Veröffentlichungen auf CDs). Heuer sollte das Mediengesetz noch um eine Regelung betreffend die "Sammlung und Ablieferung periodischer elektronischer Medien" (also zB auch Blogs) ergänzt werden (Regierungsvorlage 615 BlgNR 23. GP; Text, Erläuterungen). Wegen der vorgezogenen Wahlen ist es im Nationalrat nicht mehr zur Beschlussfassung gekommen, es ist aber zu erwarten, dass die inhaltlich weitgehend unstrittige Novelle dem neuen Nationalrat wieder vorgelegt werden wird.

Die österreichische Variante scheint durchaus sachgerecht und administrativ vergleichsweise unaufwendig. Grundsätzlich soll sich in Österreich die Nationalbibliothek selbst um die Sammlung kümmern (also Websites, die offen zugänglich sind, einfach selbst abrufen); nur wenn Zugangsbeschränkungen bestehen (Paysites, passwortgeschützte Seiten oder Ähnliches), muss - allerdings erst nach schriftlicher Aufforderung durch die Nationalbibliothek- eine Ablieferung durch den Medieninhaber erfolgen. Auch in diesem Fall kann aber eine Ablieferung "durch Anbieten der abzuliefernden Medieninhalte zur Abholung im elektronischen Weg" erfolgen (also zB dadurch, dass der Nationalbibliothek ein Passwort genannt wird). Technisch wird das elektronische Archiv vom Bundesrechenzentrum betrieben werden (die Verordnung dazu gibt es schon).

Die Sammlung von Websites durch Zentralbibliotheken ist natürlich nicht nur eine europäische Angelegenheit, sondern wird - selektiv - etwa auch von der Library of Congress betrieben. Diese hat zuletzt in vier "Webcapture"-Projekten gezielt etwa 3000 Websites archiviert, unter anderem eine Reihe von "Legal Blawgs" (begrifflich ein wenig irritierend, da üblicherweise von legal blogs oder eben von blawgs gesprochen wird). Auch das Blog "content and carrier" - zu dem ich beitrage - wurde dafür ausgewählt:


Saturday, September 27, 2008

Europäisches Parlament zu "Bürgermedien", Medienpluralismus und Blogs

Am Tag nach der Abstimmung über das Telekom-Paket (dazu hier) hat das Europäische Parlament zwei Entschließungen zu Medienthemen angenommen. In der Entschließung zu gemeinnützigen Bürger- und Alternativmedien in Europa (in der englischen Sprachfassung ist einfach von "community media" die Rede), wird die Bedeutung solcher nicht kommerzieller Alternativmedien betont, etwa für den Medienpluralismus, aber auch für Medienkompetenz, Integration, Vielfalt etc. Die Entschließung enthält auch den Aufruf an die Mitgliedstaaten und die Kommission, "Bürger- und Alternativmedien als Medien zu definieren, die:
  • nicht-kommerziell und – sowohl von staatlicher als auch von lokaler Macht – unabhängig sind, sich hauptsächlich Aktivitäten widmen, die für die Allgemeinheit und die Bürgergesellschaft von Interesse sind, klar definierte Ziele verfolgen, die immer auf einen sozialen Zugewinn ausgerichtet sind, und zum Dialog zwischen den Kulturen beitragen;
  • gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, an die sie sich richten, verantwortlich sind, was bedeutet, dass sie über ihre Aktionen und Entscheidungen informieren, sie rechtfertigen und bei möglichem Fehlverhalten dafür sanktioniert werden müssen, so dass die Dienste immer im Sinne der jeweiligen Gemeinde erbracht werden und die Entstehung von Netzwerken vermieden wird, die 'von oben' kontrolliert werden;
  • den Mitgliedern der jeweiligen Interessengruppen zur Beteiligung an der Schaffung von Inhalten und auch an allen Aspekten der Betreibung und des Managements offen stehen, wobei allerdings die redaktionelle Arbeit Fachleuten auf diesem Gebiet vorbehalten bleiben muss"
Das ist vielleicht mehr Wunschvorstellung der Abgeordneten oder mögliches Leitbild als eine brauchbare Definiton - aber es ist ohnehin unklar, wozu die Definition überhaupt gut sein soll.

Ähnlich unscharf ist auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. September 2008 zu Medienkonzentration und -pluralismus in der Europäischen Union. Wer sich da klare Positionen zur Medienkonzentration erwartet, wird enttäuscht, statt dessen gibt es vor allem hochfliegende Bekenntnisse zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und gegen Beschränkungen der "Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an technologischen Entwicklungen". Das Parlament "fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ... großzügig aufzufassen, und zwar insbesondere im Hinblick auf eine unbeschränkte Beteiligung ... an technologischen Entwicklungen"; zur Erfüllung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Medien hält es das Parlament "für notwendig, dass diese über die traditionellen Programme hinaus neue Informationsdienste und Medien entwickeln und in der Lage sind, sich an jedem digitalen Netzwerk und jeder digitalen Plattform zu beteiligen."

Ansonsten dominiert das Wortgeklingel (daher habe ich oben auch ein wordle-Bild eingefügt, das aus der Entschließung abgeleitet ist); und auch Blogs kommen in der Entschließung vor (allerdings nicht wie von manchen befürchtet), und zwar so:
"Das Europäische Parlament, ...
in der Erwägung, dass Weblogs einen wichtigen neuen Beitrag zur Freiheit der Meinungsäußerung darstellen und immer mehr von Angehörigen der Medienberufe sowie von Privatpersonen genutzt werden, ...
ermutigt zu einer offenen Diskussion über alle den Status von Weblogs betreffenden Themen"
Nicht wirklich spektakulär, oder?

PS: In Sachen Public Service Broadcasting im Vereinigten Königreich gibt es auch wieder Neues: Ofcom hat nun die zweite Phase der zweiten "Public Service Broadcasting Review" in Angriff genommen; Näheres dazu hier (bzw hier das gesamte Konsultationsdokument).

Friday, August 08, 2008

Täglich ein Blog dazu ...

Ein Viertel der Österreicher bloggt - so wurde vor nicht einmal drei Monaten über die "erste umfassende Studie zum Thema Blogs in Österreich" berichtet (siehe dazu hier). Glaubwürdig war das natürlich nicht, und spätestens die ARD-ZDF-Online-Studie 2008, mit etwas soliderer Methodik, rückt die Dimensionen wieder zurecht: nur 6% aller Onlinenutzer (!) nutzen demnach Blogs (das Jahr vorher waren es noch 11%). Und auch wenn das natürlich deutsche Daten sind, so ganz gravierend anders, wie das die österreichische "Blog-Studie" impliziert, wird es in Österreich wohl nicht ausschauen (mehr Infos zur ARD-ZDF-Online-Studie zB bei Jan Schmidt).

Dass Blogs aber nicht ganz irrelevant sind, hat zuletzt der Kabinettschef von EU-Kommissarin Viviane Reding, Rudolf Strohmeier, bei einer Diskussion in Salzburg betont: Im Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch als Korrektiv zu Fehlentwicklungen in der Presse, sagte Strohmeier dort:

„Die schärfste Opposition gegen das, wenn ich das so sagen darf, deutsche Pendant zur Krone, die steht im Internet, auch nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen. Täglich ein Blog dazu, zu den größten Dummheiten oder Idiotien, die in der Bild-Zeitung stehen. Das heißt die Kontrolle, oder der Pluralismus, der muss heute weiter gesehen werden, als nur zwischen hier Öffentlich-Rechtliche und dort Private.
Was wir zunehmend feststellen können, dank der neuen Medien, ist auch, dass sich die Zivilgesellschaft sehr viel stärker einbringt, das ist natürlich eine Herausforderung für beide, sowohl für die öffentlich-rechtlichen als auch die klassischen Medien, sowohl im Printmedien- wie im Rundfunkbereich, dass die neuen Medien ganz andere Möglichkeiten geben.“

Mit der Terminologie („täglich ein Blog dazu“) klappt's noch nicht wirklich, aber inhaltlich ist das wohl nicht ganz daneben (gemeint ist natürlich Bildblog).

Die ganze Diskussion ist als Video im Internet verfügbar (das Zitat ist bei etwa 1:24:30); wirklich spannend ist sie aber nicht, vielleicht mit Ausnahme eines kurzen Aufblitzens bei etwa Minute 45:00: Lutz Köhler vom ZDF zeigt, wie man sich mit einem Literaturhinweis (Dörr/Holznagel/Hildebrand, Elektronische Medien) als Sympathieträger des ZDF positioniert ;-)

Wednesday, May 28, 2008

Selektive Wahrheiten: 25% der ÖsterreicherInnen bloggen?

Die "erste umfassende Studie zum Thema Blogs in Österreich" wird in einer Presseaussendung des Marktforschers meinungsraum.at und des Beratungsunternehmens kier communication consulting angekündigt. Tatsächlich liegen der Studie genau 311 "Computer Assisted Web Interviews" zugrunde, auf folgender Basis:
"Sampling: selbstselektiv; Ansprache von Internetnutzern auf verschiedenen
Plattformen, die keinen Bezug zu Blogs haben"
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass 77% der Befragten Blogs kennen und 23,7% der Befragten selbst schreiben. Den VerfasserInnen muss man zugutehalten, dass Sie an keiner Stelle behaupten, dass die Studie repräsentativ wäre. Fehlinterpretationen - wie im obigen Screenshot eines auf eine APA-Meldung zurückgehenden Beitrags auf derstandard.at - liegen freilich nahe, wenn man auf der anderen Seite von einer "ersten umfassenden Studie" spricht.

Ein "Ergebnisabriss" der Umfrage ist hier veröffentlicht. Der letzte Satz im Summary lautet:

"Im Vergleich zu anderen Medien stehen 'Blogs' in Punkto Objektivität, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit an letzter Stelle"