Der ORF selbst erwähnt in seiner Aussendung nur eine DVD-Edition, was allerdings den (im aktuellen profil [nicht online] auch faksimiliert wiedergegebenen) Absatz im Vertrag über die "bedeutsame Marktposition auf dem Online-Sektor" nicht erklärt. Einzelne Stiftungsräte des ORF (Radel, Krammer, Küberl) haben inzwischen Bedenken - teilweise auch rechtlicher Natur - zum Vertragsschluss angemeldet.
Wie die Sache rechtlich einzuschätzen ist, kann man auf Basis der bisher veröffentlichten Informationen nicht sagen; hier einmal ein Hinweis auf die Rahmenbedingungen: Nach § 21 Abs 2 Z 11 ORF-G ist unter anderem zur Veräußerung von "Verwertungsrechten an Urheberrechten, deren Wert im Einzelfall 1 Million Euro übersteigt" die Zustimmung des Stiftungsrats erforderlich; das selbe gilt nach § 21 Abs 2 Z 15 ORF-G zur Aufnahme von Geschäftszweigen. Nach § 21 Abs 3 ORF-G hat der Generaldirektor überdies die Zustimmung des Stiftungsrates einzuholen, falls er bei verbundenen Unternehmen an solchen Geschäften durch Weisung, Zustimmung oder Stimmabgabe mitwirkt. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage müsste daher in den Gesellschaftsvertrag der jeweiligen (Tochter-)Gesellschaft ein dem § 21 Abs 2 ORF-G vergleichbarer Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aufgenommen werden.
Der strittige Vertrag wurde nicht vom ORF, sondern von der Tochtergesellschaft ORF-Enterprise GmbH & Co KG, abgeschlossen, deren Aufsichtsratsvorsitzender ORF-Generaldirektor Wrabetz ist (auch Online-Direktor Prantner ist übrigens Mitglied des Aufsichtsrats).
Fasst man das zusammen, hätte der Vertrag also dann die Zustimmung durch den ORF-Stiftungsrat gebraucht, wenn damit Verwertungsrechte von mehr als 1 Million Euro veräußert wurden oder es sich um die Aufnahme eines neuen Geschäftszweiges handelt. In diesem Fall wäre nämlich der Aufsichtsrat der ORF-Enterprise GmbH & Co KG zu befassen gewesen und da dort der ORF-Generaldirektor mitwirkt, hätte er die Zustimmung des Stiftungsrates einholen müssen - und zwar, jedenfalls nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, "ehe die (Tochter-)Geselllschaft die in Abs. 2 genannten Maßnahmen durchführt." Das Erreichen der 1 Million-Euro- Wertgrenze wird allerdings von ORF-Kommunikationschef Strobl dementiert, wenn auch etwas vorsichtig; so hieß es in der APA (hier in der Presse): "Dass diese Grenze überschritten wird, glaubt Strobl nicht."
Damit stehen derzeit zwei Varianten im Raum:
- Entweder es handelt sich um einen Routinevertrag einer Tochtergesellschaft des ORF, der weder in der Tochtergesellschaft noch im ORF selbst der Zustimmung des Aufsichts- bzw Stiftungsrats bedürfte (weil unter 1 Mio Euro und auch kein neuer Geschäftszweig) - in diesem Fall müsste einem ORF-Generaldirektor Wrabetz (entgegen der Meinung von Staatssekretär Ostermayer) vielleicht doch ein wenig leidtun: es ist zumindest ungewöhnlich, dass Aufsichtsratsmitglieder (bzw Stiftungsratsmitglieder) Detailfragen zu einem Routinevertrag einer Tochtergesellschaft in der Öffentlichkeit diskutieren.
- Oder aber - so die Ansicht von ORF-Stiftungsrat Karl Krammer - es liegt ein zustimmungspflichtiger Vertrag vor, der ohne Zustimmung des Stiftungsrats geschlossen wurde. Dann aber wäre "leidtun" wohl tatsächlich keine relevante Kategorie mehr.
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