Der Entwurf für die neue Rundfunkmitteilung (zum wesentlichen Inhalt siehe, mit weiteren Links, auch schon hier) wurde umgehend massiv kritisiert, nicht nur von öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern (stellvertretend hier die Position der EBU), sondern vor allem auch von den Regierungen vieler EU-Mitgliedstaaten, bei denen der Eindruck entstanden ist, die Kommission wolle durch die Mitteilung über die Auslegung der Beihilfenbestimmungen des EG-Vertrags hinaus eigentlich rechtsgestaltend eingreifen, ohne dass ihr dazu allerdings eine Kompetenz zukäme (Bedenken in diese Richtung brachte zB auch Österreich im Konsultationsverfahren ein).
Vergangene Woche hat die für die Rundfunkmitteilung zuständige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes in einer Rede in Den Haag versucht, der aufgeregten Reaktion der Mitgliedstaaten ein wenig entgegenzutreten. Die neue Rundfunkmitteilung solle demnach lediglich die mittlerweile gewonnenen Erfahrungen (zB aus den 22 seither ergangenen Entscheidungen) berücksichtigen, aber keine Rechtsänderung herbeiführen. Wörtlich sagte Kroes: "I am emphasising this, because contrary to some rumours, the draft Communication is not creating new law. It merely makes our existing administrative practice more coherent and clearer."
Aber Kroes betonte auch nachdrücklich die Verpflichtung der Kommission, Beihilfen im Rundfunksektor zu kontrollieren. Eine Ausnahme für diesen Sektor ist im EG-Vertrag nicht vorgesehen. Eckpunkte ihrer Rede waren:
- Technologieneutralität: Beihilfen (Rundfunkgebühren/Programmentgelte) können unabhängig von der verwendeten Plattform für alle möglichen audiovisuellen Dienste eingesetzt werden. Sendungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter werden nicht dadurch zu einem neuen Dienst, dass sie zB über Internet oder DVB-H gesendet werden. "Extension of its transmission to new platform is simply a consequence of technological development."
- Wenn allerdings wirklich neue und wichtige Dienste - egal auf welcher Plattform - angeboten werden, dann verlangt auch das Protokoll von Amsterdam, dass durch die Beihilfen "die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt [werden], das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft".
- Daher muss der "public value" eines beihilfenfinanzierten Angabots mit den zu erwartenen Marktauswirkungen abgewogen werden. In der neueren Entscheidungspraxis seit 2007 wird dieser "balancing test" nun auf nationaler Ebene und nicht mehr in Brüssel von der Kommission durchgeführt.
- Kroes hält diesen Test - sie nennt ihn "Amsterdam-Test" - nicht für eine zu große finanzielle und administrative Bürde:
- Denn erstens wird der Test nur für wichtige und wirklich neue Angebote verlangt, und hier wird den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden;
- Zweitens gilt der Test nicht für Pilotprojekte;
- Drittens bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, adäquate Verfahren und Einrichtungen für die Durchführung des Tests auszuwählen. Die neue Rundfunkmitteilung soll offen bleiben für verschiedene Lösungswege, egal ob das Parlament, ein Minister, eine Behörde oder ein wirklich unabhängiges Gremium innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters selbst den Test durchführt.
- Schließlich ist der Test nach Ansicht von Kroes breit angelegt und greift damit nicht in die redaktionelle Freiheit ein. Gerade um die redaktionelle Unabhängigkeit zu sichern, akzeptiere die Kommission auch die Möglichkeit, den Test von einem internen Gremium der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt durchführen zu lassen, wenn Interessenkonflikte vermieden werden.
- Kroes kündigte auch eine Kürzung des Mitteilungs-Entwurfs und eine neuerliche Konsultation darüber an.
"If the Commission is forced to continue intervening on a case by case basis in this sector, the outcome will be legal uncertainty at a time where all media alike need security for planning ahead. This cannot be in anyone's interest."
Mit anderen Worten: wenn die Mitgliedstaaten nicht selbst Verantwortung für ein echtes/ehrliches Market Impact Assessment übernehmen, dann wird sich die Kommission eben weiterhin jeden Einzelfall im Detail anschauen - und wer weiß, was dabei herauskommt.
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