Monday, March 09, 2009

Coming up: EuG entscheidet am 11. März über französische Rundfunkgebühren

"Es war einmal ...", so muss man in Wettbewerbssachen oft beginnen. So auch hier: es war einmal, vor 16 Jahren, da beschwerte sich der französische Privatsender TF 1 (Hauptaktionär: Bouygues) über die staatliche Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender France 2 und France 3. Es ging dabei um die französische Rundfunkgebühr (la redevance), Investitionszuschüsse, Defizitabdeckung, Kapitalerhöhung und noch einiges mehr. Nach gut zwei Jahren teilte die Kommission mit, dass sie "mit ähnlichen Beschwerden bezüglich anderer Mitgliedstaaten befasst sei, bei denen es um die gesamte allgemeine Problematik der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gehe, und daß die Kommission daher beschlossen habe, eine Studie über die damals zwölf Mitgliedstaaten der Union in Auftrag zu geben. Ergänzend führte die Kommission aus, daß diese Studie wegen methodischer Schwierigkeiten und wegen des Umfangs der Untersuchung bisher noch nicht abgeschlossen sei" (Zitat aus dem EuG-Urteil T-17/96).

1996 brachte TF1 dann Klage beim EuG ein; mit Urteil vom 3. Juni 1999, T-17/96, stellte das EuG fest, dass die Kommission "dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen [hat], daß sie auf die von der Télévision française 1 SA am 10. März 1993 eingereichte Beschwerde betreffend die staatlichen Beihilfen keine Entscheidung erlassen hat." Die von Frankreich und der Kommission dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden mit Urteil des EuGH vom 12. Juli 2001, C-302/99 P und C-308/99 P, zurückgewiesen.

Am 27.09.1999 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art 88 Abs 2 EG wegen der Investitionszuschüsse zugunsten von France 2 und France 3 und der Kapitalerhöhungen, die von 1988 bis 1994 France 2 gewährt wurden, ein. Mit Entscheidung 2004/838/EG vom 10.12.2003 entschied die Kommission, dass die gegenständlichen Investitionszuschüsse und Kapitalerhöhungen staatliche Beihilfen darstellten, die nach Art 86 Abs 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Die dagegen von TF1 beim EuG erhobene Klage wurde mit Beschluss vom 19.05.2008 abgewiesen (siehe dazu schon hier).

Diese Entscheidung betraf allerdings nicht die Finanzierung durch die Rundfunkgebühr (korrekt: "die Gebühren für das Recht der Nutzung der Empfangsstationen, die mit dem französischen Gesetz Nr. 49-1032 vom 30. Juli 1949 eingeführt worden waren"). Diese Frage wurde von der Kommission erst in der Entscheidung E 10/2005 vom 20.04.2005 behandelt (Mitteilung im Amtsblatt; case site).

In der Entscheidung hielt die Kommission fest, dass die Rundfunkgebühren in Frankreich mit Gesetz vom 30. Juli 1949 eingeführt und seither im Grundsatz nicht geändert worden waren, auch nicht mit einem Gesetz aus dem Jahr 2004, nach dem die Gebühren nun von bestimmten Steuerbehörden eingezogen werden (daher handelt es sich auch um "staatliche Mittel"). Die Höhe der Gebühren wird regelmäßig überprüft, über die Verteilung auf die Empfänger entscheidet das Parlament. Die Gebühren vermitteln einen selektiven Vorteil, der grundsätzlich geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinflussen. Die Kommission überprüft die Gebühren dann nach den Altmark-Kriterien. Sowohl das zweite als auch das vierte Altmark-Kriterium sei nicht erfüllt: weder sehe das Gesetz objektive und transparente Parameter zur Berechnung des Ausgleichs vor, noch seien die Empfänger der Gebühren in einer Ausschreibung bestimmt worden oder die Höhe des Ausgleichs nach den Kosten festgelegt worden, die für ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen zur Erfüllung des Auftrags entstehen. Da auch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen sei, handle es sich um eine staatliche Behilfe.

Allerdings habe die Beihilfe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages schon bestanden. Auch wenn das Gesetz seitdem mehrfach geändert wurde, seien dadurch die Art der Maßnahme, ihr Ziel, die gesetzliche Grundlage sowie Empfänger und "Quelle" der Finanzierung nicht in einer Weise verändert worden, die die Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt beeinflussen würde.

Zur Ausnahme vom Beihilfenverbot für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beruft sich die Kommission auf die Rundfunkmitteilung 2001 (eine Neufassung ist derzeit in Vorbereitung, siehe hier mit weiteren Verlinkungen), sowie auf das Protokoll von Amsterdam. Die Definition des öffentlichen Auftrags, auch wenn sie weit sei ("certaines missions de service public sont de nature générale et plutôt qualitative"), sei hinreichend bestimmt und legitim. Zur Kontrolle der Auftragserfüllung verweist die Kommission auf die Berichtspflicht an die Regulierungsbehörde; diese Behörde müsse die Berichte auch bewerten und bei schweren Pflichtverletzungen den Verwaltungsrat informieren. Der Verwaltungsrat besteht aus zwei Abgeordneten, fünf staatlichen Vertretern und fünf qualifizierten Personen (doch, genau so steht es dort: "il y a deux parlementaires, cinq représentants de l’État et cinq personnalités qualifiées" - ich hätte ja eher von fünf weiteren qualifizierten Personen gesprochen, um Missverständnisse zu vermeiden). Dabei handle es sich um Außenstehende, die ohne Zurückhaltung ihre Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen können.

Kritische Anmerkungen fand die Kommission im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit: das französische Recht biete keine ausreichenden Garantien gegen eine allfällige Überkompensation. Da sich Frankreich aber zu Modifikationen der Rechtsvorschriften bereit erklärte, mit denen sichergestellt werden sollte, dass alle aus der Beihilfenfinanzierung erzielten Vorteile wieder in den öffentlichen Auftrag investiert werden, konnte die Kommission das Verfahren dennoch schließen.

TF1 war damit nicht einverstanden und brachte wieder Klage beim EuG ein. Neben Verfahrensmängeln macht TF1 die unzureichende Tragweite der Zusagen des französischen Staates geltend. Diese seien nicht geeignet, die Vereinbarkeit der Regelung mit den für staatliche Beihilfen geltenden Gemeinschaftsregeln zu gewährleisten. Außerdem scheine die Kommission die Festellung, ob eine Beihilfe vorliege, den nationalen Behörden zu überlassen, obwohl diese Kontrolle in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission falle.

Nach den zwischenzeitig ergangenen Urteilen des EuG in den Rechtssachen SIC (siehe dazu hier) und TV2 (dazu hier) ist an der Zulässigkeit einer weiten Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags wohl ebensowenig zu zweifeln wie an der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese Definition aus eigenem festzulegen. Dennoch ist es - auch im Hinblick auf das aktuelle Beihilfenverfahren gegenüber Österreich oder die ständigen Streitigkeiten zum eigentlich abgeschlossenen Beihilfenverahren gegen Deutschland - jedenfalls spannend, wie das EuG die Qualität und Tragweite der französischen Zusagen im Beihilfenverfahren beurteilen wird.

Fortsetzung folgt:
Wie auch immer das EuG entscheidet, die Auseinandersetzung zwischen TF1 und dem französischen Staat wegen (vermuteter unzulässiger) Beihilfen zugunsten des öffentlich-rechtlichen France Télévisions geht - auch unabhängig von allfälligen Rechtsmitteln an den EuGH - jedenfalls in die nächste Runde: mit Klagen vom 17. Dezember 2008 haben sowohl M6 (gehört ebenfalls zu Bouygues) als auch TF1 die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2008, N 279/2008-France beantragt (Rechtssachen T-568/08 und T-573/08). Mit dieser Entscheidung (hier das Schreiben an den Mitgliedstaat) hatte die Kommission eine notifzierte Kapitalzuführung an France Télévisions in der Höhe von € 150 Mio. als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar beurteilt. Die Kapitalzuführung sollte die Mindereinnahmen aus der Werbung im Vergleich zwischen 2007 und 2008 abdecken, und die Kommission auch die nachträgliche Überprüfung (innerhalb von drei Monaten nach dem Rechnungsabschluss für 2008), ob diese Mittelzuführung nicht über den notwendigen Umfang hinausgegangen ist.

update 11.3.2009: der peinliche Tippfehler im Titel dieses Beitrags ist nun behoben (dort stand EuGH statt richtig EuG)

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