Wednesday, March 25, 2009

Rechenübungen: 14. Umsetzungsbericht

Der neue "Bericht über den Stand des europäischen Binnenmarktes der elektronischen Kommunikation 2008 (14. Bericht)" (aka 14. Umsetzungsbericht) hat schon am Tag seines Erscheinens für etwas Wirbel gesorgt: Kommissarin Reding machte in einem Interview in der Presse aus Anlass dieses Kommissionsberichts kritische Anmerkungen zur geringen Festnetz-Breitband-Durchdringung in Österreich und erwähnte dabei auch die Regulierungssituation (wörtlich: "Wir werden mit den österreichischen Regulatoren diskutieren müssen, was zu tun ist, damit die Marktöffnung besser funktioniert.").

Wohl wegen der - dem Inhalt des Interviews gar nicht wirklich entsprechenden - Einleitungssätze in der Presse ("Im 'Presse'-Interview greift die Wettbewerbs-Kommissarin die Monopolstellung der Telekom Austria an. ... Der Wettbewerb funktioniere nicht.") fühlte sich nicht nur die Telekom Austria zu einer Presseerklärung veranlasst, sondern auch einer der angesprochenen Regulatoren: die RTR hält der Kritik der Kommissarin in einer Pressemitteilung im Wesentlichen die hohe Durchdringung bei mobilem Breitband entgegen. RTR-Geschäftsführer Serentschy erklärt dazu noch, vom Kommunikationsstil der Kommissarin "persönlich sehr enttäuscht" zu sein und kündigt an, den Bericht, "sobald er uns von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt wird" (zum Zeitpunkt der Presseaussendung war er im Web verfügbar), jedenfalls sehr genau zu prüfen.

Der eigentliche Bericht ist - wie in den letzten Jahren üblich geworden - knapp gehalten; Österreich wird darin nur einmal erwähnt (und zwar positiv, weil hier schon - wie in Finnland und Ungarn - die dritte Runde der Marktanalyseverfahren begonnen wurde). Details gibt es in zwei staff working documents (Teil 1, Teil 2), wobei in Teil eins auch Länderberichte enthalten sind (zum gesonderten Länderbericht für Österreich hier, für Deutschland hier; die Übersichtsseite zu allen Dokumenten ist hier).

Tatsächlich wird man den Bericht wohl in einzelnen Punkten noch genauer prüfen müssen: ein erster Blick auf ein paar Details in den staff working documents hat mich ein wenig irritiert: bei den Marktdaten zum Rundfunk (S. 89 und 90 im Teil 2) steht wörtlich:

"In this section, for the first time some indicators are presented for broadcasting. This market is becoming more and more important from an electronic communications point of view due to the convergence phenomenon, by which the frontiers between these two traditional markets are diffusing. This section is purely indicative as not all the NRAs could submit data on all of the segments of the market but it provides a good perspective of the technological diversity present in the Member States."

Das ist schon insofern merkwürdig, als wortwörtlich der selbe Text auch im Vorjahresbericht (S. 114) stand, und insofern die zwei mageren Schaubilder keineswegs "erstmals" Indikatoren zum Rundfunk zeigten. Abgesehen davon sind die Daten nicht nur bloß indikativ, sondern jedenfalls im Hinblick auf die "Number of TV connections" evidenter Unsinn. Was auch immer "TV connections as % of population" heißen soll, so sind allein schon die Änderungen zum vergangenen Jahr so atemberaubend, dass es - träfen sie zu - einer kompletten Umwälzung der Rundfunklandschaft gleichkäme. Hier nur ein paar Beispiele:
  • in Litauen hätte sich demnach die Anzahl der "TV-Anschlüsse" von etwa 40% auf 100% um das Zweieinhalbfache erhöht,
  • Dänemark hätte von knapp 140% auf nur 100% verloren,
  • sogar in Österreich wäre der Anteil von 40% auf fast 60% gestiegen,
  • im UK gäbe es einen Anstieg von ca. 25% auf knapp über 40%.
  • Signifikant sind auch die Zahlen zu den Niederlanden: in diesem Land mit bekannt hoher Kabeldurchdringung - "The rate of cable television penetration (more than 90%) is one of the highest in Europe", beschreibt die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle den Markt im Jahr 2007 (korrekt auf die Haushalte bezogen) - wären laut dem Umsetzungsbericht im Jahr 2007 nicht einmal zehn Prozent "TV-Anschlüsse" (auf die Bevölkerung gerechnet) vorhanden gewesen. Damit das halbwegs plausibel wäre, müsste man von einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von zehn Personen ausgehen! Immerhin hat sich auch diese Zahl von 2007 auf 2008 sprunghaft auf über 40 Prozent mehr als vervierfacht.
Alles in allem: "Figure 122" im staff working document, volume 2, kann niemand freiwillig erstellt und zum Druck freigegeben haben, der auch nur eine entfernte Ahnung vom Rundfunkmarkt hat.

Bemerkenswert finde ich auch die Berechnung der Rundfunkmarktdaten im Österreich-Teil. Hier werden Prozentzahlen in "households over population" angegeben, sodass man etwa liest, dass "20.56% of subscribers" Fernsehen über Satellit empfangen hätten. Diese auf den ersten Blick verwirrende Zahl kann man nur auflösen, wenn man aus den "households over population" wieder die Haushalte rückrechnet und damit auf eine plausible Zahl von etwa 50% (der Haushalte) für den Satellitenempfang kommt. Im Bericht zu Deutschland hat die Kommission allerdings die branchenüblichen Prozentangaben auf der Basis der Haushalte genannt (genauso etwa im Bericht zum UK).

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