Sunday, June 01, 2008

Amateurtruppe oder Profis? ERG, BERT, EECMA

Dr. Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der deutschen Bundesnetzagentur sprach sich am Freitag mit deutlichen Worten gegen einen Bürokratieaufbau in der Telekommunikationsregulierung aus. Ihre Bedenken - geäußert beim 4. Österreichisch-Deutschen Regulierungssymposium von Juconomy in Wien - betrafen freilich nicht ihre eigene Behörde, die mit 2500 MitarbeiterInnen und deutlich über 100 Mio Euro Personalausgaben (laut Jahresbericht 2007) vielleicht auch nicht mehr zwingend als besonders schlanke Organisation angesehen werden könnte (siehe auch das Organigramm). Ziel der Kritik war vielmehr - keine wirkliche Überraschung - der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Einrichtung einer Art Euro-Regulator (EECMA). Henseler-Unger lehnt diesen Vorschlag genauso ab wie den Vorstoß des Parlaments, mit einem "Body of European Regulators in Telecom" (BERT) eine Art "ERG+" zu schaffen (zu EECMA und BERT siehe auch meinen Blogeintrag auf Content and Carrier).

Anstelle dieser Vorstöße möchte Henseler-Unger lieber eine Professionalisierung der ERG - und sie lobte auch die Fortschritte, die die ERG auf dem Weg zur Professionalisierung schon gemacht hat. Ich persönlich hätte die ERG allerdings auch bisher schon nicht für eine bloße Amateurtruppe gehalten, ganz im Gegenteil: diese Gruppe (und schon vor ihr, und dann neben ihr, die IRG) hat meines Erachtens gerade zu Beginn wertvolle Arbeit geleistet - und die zunehmende Professionalisierung zeigt sich leider öfter auch in einer zunehmenden Beschäftigung mit sich selbst.

Univ.Prof. Dr. Heinrich Otruba, früherer österreichischer Telekom-Regulator, danach Berater der Kommission und nunmehr Vorstand des Institus für Regulierungsökonomie an der Wirtschaftuniversität Wien, hielt in seinem Vortrag die EECMA für eine Totgeburt - und meinte, dass die Kommission letztlich darauf verzichten werde, wenn sie dafür das Veto bei den Remedies erhält. Die Ergebnisse der ERG hielt er für enttäuschend, und bei den nationalen Regulierungsbehörden diagnostizierte er einen Schrumpfungsbedarf: diese würden derzeit oft mit einem "Bauchladen an Aktivitäten" beschäftigt sein, die mit den Kernaufgaben eines Regulators nichts mehr zu tun haben.

Roland Honekamp als Vertreter der Europäischen Kommission (er war früher Koordinator von Creative Commons International!) verteidigte pflichtgemäß den Kommissionsvorschlag zur EECMA und räumte nur ein, dass die Kommission "einige akademische Argumente" (soll wohl heißen: keine praktisch relevanten) sehe, die dagegen vorgebracht würden. Deutlich wurde er im Hinblick auf Regulierungsinstrumente der Kommission: "hard law statt soft law" sei angesagt, bloße Empfehlungen, wie sie jetzt etwa auch von der ERG gegeben würden, reichten nicht aus, um die gewünschte Harmonisierung herbeizuführen.

Und während in Wien (unter anderem) über die ERG diskutiert wurde, tagte diese in Vilnius. Als Veröffentlichungen nach dieser Sitzung sind zu erwarten (update 9.6.2008: links auf die inzwischen veröffentlichten Dokumente hinzugefügt)

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