Saturday, June 07, 2008

Andere Gesetze der Alpenrepublik? Deutsche Medien zur "Wetten dass..?"-Entscheidung des BKS

Die "Wetten dass ..?"-Entscheidung des Bundeskommunikationssenates hat nun - eineinhalb Wochen nach der Veröffentlichung - auch die deutschen Medien erreicht (online zB Spiegel, Welt, Netzeitung, DerWesten (WAZ-Portal), Kölnische Rundschau, Frankfurter Rundschau, Sächsische Zeitung). Der Unterschied zwischen Werbung und Schleichwerbung ist dabei gelegentlich verlorengegangen; hinzugekommen ist, dass in der "Alpenrepublik" (gemeint: Österreich) angeblich "andere Gesetze" gelten würden.

Ausgangspunkt der meisten Berichte ist eine Agenturmeldung (im Wortlaut zB hier), an der gar nicht viel falsch ist (ein nicht existentes "Bundeskommunikationsamt" sollte allerdings auch die dpa besser nicht zitieren). Und dann kommen Schlagzeilen-Redakteure, die einmal eine "Strafe für Werbe-Verstoß" (focus) erfinden (das wäre zwar denkbar, war aber nicht der Fall), und ein andermal "unerlaubte Schleichwerbung" (Welt Online) oder einen "Schleichwerbungsvorwurf" (SpiegelOnline) behaupten. Nett ist auch, dass SpiegelOnline von "Schleichwerbung für einen guten Zweck" schreibt, also offensichtlich den Autohersteller Audi für einen guten Zweck hält (was aber in Deutschland vielleicht gar nicht so absurd scheinen mag).

Schleichwerbung hat allerdings der Bundeskommunikationssenat nicht festgestellt, sondern Werbung, die unzulässiger Weise nicht ausreichend von anderen Programmteilen getrennt war. Nun sollte man zwar als Journalist den Unterschied zwischen Schleichwerbung und anderer Werbung kennen; da aber "Wetten dass" bisher eher mit Schleichwerbung in Verbindung gebracht wurde, mag man diesen Fehler vielleicht nachsehen. Schon weniger Verständnis habe ich allerdings für Behauptungen, die weder auf Recherche noch auf eigener Sachkenntnis beruhen.

Wenn Spiegel Online über die Gottschalk'sche Autowerbung schreibt "In Deutschland ist das rechtens, in Österreich nicht", dann ist das natürlich Nonsens. Die Bestimmungen über die Trennung zwischen Werbung und anderen Programmteilen gehen auf die Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen (nun: Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) zurück, in deren Artikel 10 es heißt:

"Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche klar erkennbar und durch optische und/oder akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein." [Neufassung in der AVMD-RL: "Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein."]

Diese Richtlinienbestimmung wurde praktisch wörtlich sowohl in Deutschland (§ 7 Abs 3 Rundfunkstaatsvertrag) als auch in Österreich (§ 13 Abs 3 ORF-Gesetz) umgesetzt. Die materielle Rechtslage zur Trennung von Werbung und anderem Programm ist daher in Österreich und Deutschland gleich (für Deutschland wäre noch zu beachten, dass Werbung für den ZDF nach 20.00 Uhr überhaupt unzulässig ist). Auch Schleichwerbung ist übrigens in Österreich und Deutschland gleich definiert (§ 14 Abs 2 ORF-G, § 2 Abs 2 Z 6 RfStV) und gleichermaßen unzulässig (§ 14 Abs 2 ORF-G, § 7 Abs 6 RfStV).

Dass in Deutschland daher andere Gesetze gelten würden als in der "Alpenrepublik", wie dies SpiegelOnline behauptet, stimmt daher zwar formal, nicht aber materiell (die Kölnische Rundschau hat ordentlich recherchiert und ist auch zu diesem Ergebnis gekommen).

Wie effektiv die EU-Mitgliedstaaten die Einhaltung der Werbebestimmungen der AVMD-RL sicherstellen, wird übrigens bald im Auftrag der Europäischen Kommission näher evaluiert werden. Bei dem vor kurzem ausgeschriebenen Auftrag (siehe auch hier) für ein entsprechendes compliance monitoring geht es immerhin um ein geschätztes Auftragsvolumen von 2,5 Mio Euro (exkl MwSt).

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