Die Zeit der "Radio Eriwan"-Witze ist lange vorbei - und es ist auch gar nicht lustig, was einem Rundfunkveranstalter im armenischen Eriwan in den vergangen Jahren widerfahren ist und was nun zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geführt hat.
Der Fall Meltex Ltd v. Armenien, Appl. no. 32283/04, knapp zusammengefasst: im Jahr 1991 beginnt die (nunmehrige) Meltex Ltd in Armenien mit Fernsehprogrammen in Armenien. Sie ist offenbar erfolgreich, jedenfalls so erfolgreich, dass sie informiert wird, dass die Rundfunkfrequenzen vom Staat zur Verteidigung und Förderung staatlicher Interessen vergeben werden und nicht, um staatliche Behörden zu kritisieren.
Bei der Verlängerung der Lizenz spießt es sich dann, und die Meltex Ltd bewirbt sich schließlich in mehreren Vergabeverfahren um Frequenzen, geht aber immer leer aus. Formal ist es eine Ausschreibung, die Rundfunkregulierungsbehörde bewertet auf der Grundlage von vier Kriterien: eigenproduziertes Programm, in Armenien produziertes Programm, technische und finanzielle Möglichkeiten, Professionalität der Mitarbeiter. Die Beurteilung erfolgt durch die neun bzw. acht Behördenmitglieder nach Punkten, die Bewerber erfahren nur die Gesamtpunktezahl. Gründe werden nicht angegeben, auch nicht im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung. Die armenischen Gerichte halten fest, dass es ausreichend sei, wenn man als Antragsteller erfahre, dass man nicht gewonnen habe.
Dem EGMR genügt das nicht: wie schon im Fall Glas Nadezhda EOOD und Elenkov v. Bulgarien, Appl. no. 14134/02, stellt er klar, dass eine Verletzung des Art 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliegt, wenn eine Zulassungsbehörde keine Begründung für ihre Entscheidung abgibt, da dadurch kein adäquater Schutz gegen willkürliche Eingriffe von Behörden in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gewährleistet werde. Bemerkenswert ist, dass der EGMR dabei auch ausdrücklich auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats über die Unabhängigkeit der Rundfunkregulierungsbehörden (und die darauf aufbauende jüngste Erklärung des Ministerkomitees vom März dieses Jahres, siehe dazu schon hier) Bezug nimmt.
Update 26.07.2013: Die Meltex Ltd. beantragte nach dem EGMR-Urteil die Wiederaufnahme des nationalen Verfahrens, was aber vom Kassationsgerichtshof abgelehnt wurde. Das Ministerkomitee des Europarates, das die Umsetzung der EGMR-Urteile prüft, hat den Fall nach Überprüfung geschlossen und wies darauf hin, dass die Meltex Ltd. die zugesprochene Entschädigung erhalten hat und sich auch an einer Ausschreibung im Jahr 2010 beteiligen konnte, wobei sie eine zwar abweisende, aber diesmal begründete Entscheidung erhielt.
Die Meltex Ltd. wandte sich neuerlich an den EGMR und machte geltend, dass die armenische Regierung das EGMR-Urteil nicht umgesetzt hatte, sodass neuerlich eine Verletzung des Art 10 EMRK vorliege. Der EGMR ließ diese Beschwerde mit Entscheidung vom 21.05.2013, Meltex Ltd. gegen Armenien (Appl. no. /09) nicht zu, da anders als im Fall VgT Nr. 2 (im Blog dazu hier) keine "neue Angelegenheit" ("new issue") vorlag.
Wednesday, June 18, 2008
EGMR zur Rundfunk-Lizenzvergabe
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