In den nun wieder zahlreicher werdenden Medienberichten - und insbesondere auch in den Aussagen der in den Zeitungen zitierten Stiftungsratsmitglieder und der "Staatskünstler" - ist meist von einer "Kandidatur" die Rede ist und von einer "Wahl" zum Generaldirektor. Zu dieser aus meiner Sicht irreführenden Wortwahl - aber auch zu einigen anderen, nun wieder aktuellen Fragen rund um die Bestellung des ORF-Generaldirektors bzw der ORF-Generaldirektorin - habe ich mich in diesem Blog schon vor fünf Jahren mehrfach geäußert (zB hier, hier und hier). Ich will das nicht wiederholen (beim Wiederlesen ist mir aufgefallen, dass sich tatsächlich nicht viel geändert hat); zur Begrifflichkeit halte ich - grob vereinfachend - fest: wer von "Wahl" bzw Kandidatur" spricht, sieht die Bestellung der ORF-Geschäftsführung als politisches Handeln. Das mag durchaus der Realität nahe kommen oder ihr gar entsprechen, aber gerade von den Stiftungsratsmitgliedern würde ich mir - schon aus Gründen ihrer Selbstachtung - eine etwas sorgfältigere Wortwahl erwarten.
Sehr illustrativ finde ich in diesem Zusammenhang die "Kandidatur" der Staatskünstler (nach deren Aussagen will Florian Scheuba Generaldirektor werden, seine Mit-Staatskünstler Robert Palfrader und Thomas Maurer würde er als Direktoren vorschlagen). Diese gehen nämlich mit einem "Forderungsprogramm" in die "Wahl" - streichen also nicht heraus, wie sie den ORF führen würden, sondern was jemand anderer (Bundes- und Landesgesetzgeber) ändern soll. Klar ist das vor allem Satire, der aber offenbar ein ernst gemeintes Anliegen zugrunde liegt (Florian Scheuba hat das Meiste inhaltlich auch in nicht-satirischen Beiträgen schon mehrfach angesprochen, zB hier und hier). Die Sendung der Staatskünstler ist bis Dienstag noch in der tvthek zu sehen.
Dass sich ein Satiriker um den ORF-Führungsjob bewirbt, ist übrigens nicht neu: schon 1990 und 1994 bewarb sich Reinhard Eberhart um die Funktion des Generalintendanten, die er "zweimal knapp um 35 Stimmen verfehlt".
Die Staatskünstler-Forderung nach dem "Länderanteil der GIS-Gebühren"
Screenshot - "Wir Staatskünstler" |
Der Forderung nach dem "Länderanteil" an den "GIS-Gebühren" liegt wohl das Verständnis zugrunde, dass alle von der GIS eingehobenen Beträge dem ORF gewissermaßen moralisch zustehen, selbst wenn es sich dabei um Landes- oder Bundesabgaben handelt. Der ORF könnte demnach den Anspruch stellen, die bisherigen Landesabgaben als Subvention zu bekommen. In Zeiten knapper Budgets dürften freilich ausgerechnet jene sieben Bundesländer, die derzeit Landesabgaben von der GIS einheben lassen (darunter zB Kärnten), den ORF kaum freiwillig mit 135 Mio € subventionieren wollen. Abgesehen davon würde die Umsetzung dieses Vorschlags auch ein neuerliches Beihilfenverfahren mit der Europäischen Kommission voraussetzen. Bei einer derartigen - von den Ländern zu leistenden - Subvention würde es sich nämlich um eine neue Beihilfe handeln (zumindest wurde sie im Beschluss der Kommission über die Finanzierung des ORF nicht angesprochen, anders als die sogenannte "Gebührenrefundierung" [Abs. 215]; siehe übrigens zu ähnlichen Forderungen, die schon vor sieben Jahre von selbsternannten "ORF-Rettern" aufgestellt wurden, im Blog hier).
Natürlich kann man den Vorschlag auch anders verstehen: Scheuba dürfte es weniger darum gehen, von sieben Bundesländern Subventionen in der Höhe der derzeitigen Landesabgaben für den ORF zu erzielen, sondern er möchte wohl schlicht. dass diese Länder auf die Landesabgaben verzichten und der ORF damit das Programmentgelt erhöhen könnte, ohne dass es die "Gebührenzahler" bei der GIS-Vorschreibung merken würden. Ökonomisch liefe das auf dasselbe hinaus, hätte aber die bemerkenswerte Konsequenz, dass das vom ORF festzulegende Programmentgelt bundesländerweise unterschiedlich hoch ausfallen würde. Dass der Stiftungsrat einem dahingehenden Antrag des Generaldirektors zustimmen würde, kann ich mir selbst dann nicht vorstellen, wenn er tatsächlich Florian Scheuba zum Generaldirektor bestellen sollte.
Im Ergebnis liegt dem "Staatskünstler"-Vorschlag schlicht die Ansicht zugrunde, dass der ORF zur Erfüllung seiner Aufgaben mehr Geld braucht, und zwar rund 135 Mio. €. Das ORF-Gesetz sieht für einen solchen Fall eine zwar kompliziert formulierte, aber der Sache nach einfache Regelung vor (§ 31 ORF-G): der Generaldirektor stellt einen Antrag an den Stiftungsrat zur Festlegung eines höheren Programmentgelts, um die Nettokosten der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags decken zu können. Wenn Scheuba also 135 Mio. € an Mehreinnahmen als erforderlich sieht, wird er das wohl in seiner Bewerbung entsprechend darlegen.
Der Stiftungsrat
Die "Staatskünstler" wollen auch "den Stiftungsrat abschaffen" (zwecks "Ent-Parteipolitisierung"). Auch das kann nicht der Generaldirektor entscheiden - aber abgesehen davon wäre schon interessant, was an die Stelle des Stiftungsrates treten soll: wer also sollte die Geschäftsführung des ORF bestellen und überwachen? Ohne irgendein Aufsichtsrats-ähnliches Gremium wird es nicht gehen. Die kritische Frage ist natürlich, wer die Mitglieder bestellt und welche Kompetenzen diese mitbringen müssen. Ein kleineres und damit arbeitsfähigeres Gremium würde eher einem Aufsichtsrat einer klassischen Kapitalgesellschaft entsprechen, andererseits würde dieses Gremium dann auch zwangsläufig weniger vielfältig sein. Je kleiner das Gremium, desto stärker fiele zudem die Auswahlaufgabe der Regierung oder der Parlamentsmehrheit zu - und das öffentliche Vertrauen, dass dabei eine Auswahl ohne Beachtung der politischen Farbenlehre getroffen würde, dürfte gering sein. Will man die Aufgabe, die Mitglieder des Aufsichtsgremiums zu bestellen, von Regierung/Parlament wegbekommen und anderen übertragen, stellt sich wiederum die Frage, wie diese Personen ausgewählt werden sollen. Auch wenn man dabei, wie etwa der von den Neos nominierte Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner (heute in der Presse), an eine "Stifterversammlung" denkt, müssten diese Personen ja - durch Wahl? Los? Vom Nationalrat? - irgendwie ausgewählt werden.
Natürlich sind verschiedenste Modelle zur Reform des Stiftungsrats denkbar, etwa auch mit Beteiligung mehr oder weniger zufällig bestimmter Bürger_innen, der "Zivilgesellschaft" oder mit diversen partizipatorischen Modellen - all das würde aber kaum zu einem kleineren und/oder billigeren Modell führen. Aktuell scheint der Reformeifer der Politik diesbezüglich gering, zumal sich eine Reform vor der Bestellung des nächsten Generaldirektors auch nicht mehr sinnvoll durchziehen ließe. Eine vom ÖVP-Klubobmann noch im März geforderte parlamentarische Enquete zum ORF wird jedenfalls nicht mehr vor dem Sommer, aber vielleicht im Herbst stattfinden; dort soll auch über eine mögliche Gremienreform diskutiert werden. Man wird über viele schöne bunte Dinge reden, Expert_innen von hier und dort einladen, und zum Schluss - wenn nicht schon Neuwahlen vor der Tür stehen - das Bundeskanzleramt ersuchen, auf Basis der (freilich weder eindeutigen noch einheitlichen) Ergebnisse der Enquete Vorschläge für eine Reform zu erarbeiten. Ich wette ja nicht, aber der Redner_innenkreis bei der Enquete ist vorhersehbar, ebenso dass die aktuelle BBC-Reform und die ZDF-Gremienreform nach dem Bunndesverfassungsgerichtsurteil (dazu hier und hier) zur Sprache kommen werden. Und schließlich ist genauso absehbar, dass eine tatsächliche Neuregelung nicht mehr in dieser Legislaturperiode erfolgen wird (zum Vorschlag, die Verträge der Direktor_innen zu "befristen", siehe unten).
Die Bewerbung (und "Nachnominierung")
Wie gut der ORF-Stiftungsrat harmoniert und funktioniert, zeigt sich auch daran, dass er zu einer simplen Frage (wie geht man mit verspäteten Bewerbungen bzw "Nachnominierungen" durch Mitglieder des Stiftungsrates um), gleich zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat (siehe im Blog dazu hier). Da auch jener (mögliche) Bewerber, mit dessen verspäteter Bewerbung bzw Nachnominierung man offenbar gerechnet hat, nun angekündigt hat, sich wenn, dann innerhalb der Frist zu bewerben, dürften die Gutachten eher nur mehr von abstraktem Interesse sein.
Ein kleiner Exkurs: Beim Nachlesen meiner Blogposts von vor fünf Jahren fällt mir auf, dass auch damals mehrere Gutachten zu einer nicht gerade komplexen Frage, die letztlich keine Relevanz hatte, eingeholt wurden [hier, am Ende] - eine noble Geste des Stiftungsrats zugunsten sicher unterstützungswürdiger ProfessorInnen. Mir fiele angesichts der aktuellen Bewerbungen allerdings gleich noch ein Thema ein, zu dem der Stiftungsrat zumindest zwei Rechtsgutachten einholen könnte: ist die Florian Scheuba GmbH (Inhaberin der domain wirstaatskuenstler.at) ein Medienunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 6 Mediengesetz? Wenn nämlich Florian Scheuba in einem Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu einem Medienunternehmen steht, dürfte er gemäß § 26 Abs. 2 Z 3 ORF-G nicht zum Generaldirektor bestellt werden.
Zurück zur Bewerbung und "Nachnominierung", kurz die Eckpunkte: das Gesetz verlangt eine öffentliche Ausschreibung mit einer Bewerbungsfrist von vier Wochen. Wer die Frist versäumt, hat keinen Anspruch mehr, in der Auswahl berücksichtigt zu werden. Der Stiftungsrat entscheidet über die Bestellung (mein Lieblingssatz aus der Geschäftsordnung des Stiftungsrats: "Der Stiftungsrat beschließt in allen Fällen, in denen ihm nach dem ORF-G eine Entscheidung zusteht."). Zentrales Entscheidungskriterium ist dabei die fachliche Besteignung (§ 27 Abs. 2 ORF-G: "Bei der Auswahl von Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle [...] ist in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen."). Wie der Stiftungsrat die Bewertung der Eignung vornimmt, wann und wie er die Unterlagen prüft und allenfalls "Hearings" durchführt, obliegt allein ihm; natürlich ist er dabei zur Sachlichkeit und Gleichbehandlung verpflichtet. Dass er aber nur jene Bewerber_innen in Betracht ziehen dürfte, die sich innerhalb der Frist beworben haben, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Das schließt freilich nicht aus, dass der Stiftungsrat - schon aus Gründen der sinnvollen zeitlichen Strukturierung des Auswahlvorgangs - beschließt, "Nachnominierungen" (nach der Bewerbungsfrist oder nach einem bestimmten anderen Zeitpunkt) nicht mehr anzunehmen.
Jedenfalls muss sich der Stiftungsrat aber ein ausreichendes fachliches Urteil über die Bewerber_innen machen können, was der Bestellung von Bewerber_innen, deren Bewerbungsunterlagen man vielleicht erst einen Tag zuvor zu Gesicht bekommen hat, eher entgegensteht. Wieder einmal (wie schon hier [gegen Ende] und hier [Punkt 3]) ist daran zu erinnern, dass die Mitglieder des Stiftungsrates gemäß § 20 Abs 2 ORF-Gesetz dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft haben und daher - nach der Rechtsprechung des OGH - auch "insgesamt jenes Wissen, das zur kompetenten Bewältigung [ihrer] Aufgaben erforderlich ist", aufbringen müssen. Ein Stiftungsratsmitglied, das einfach abnickt, was ihm ein anderes Mitglied - und sei es der Leiter/die Leiterin eines "Freundeskreises - vorschlägt, ohne sich selbst in der Sache ausreichend kundig zu machen, erfüllt die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern nicht.
Deal, New Deal oder No Deal - sind Freundeskreise gesetzwidrig?
Damit sind wir bei den sogenannten "Freundeskreisen". Stiftungsratsmitglied Hans Peter Haselsteiner sieht darin eine "Grässlichkeit", Helmut Brandstätter, selbst einmal Bewerber für den Generaldirektor, hält sie für gesetzwidrig (Brandstätter schrieb in einem Kommentar im Kurier jüngst nach der Abstimmung über die neue Rechnungshof-Präsidentin: "Kleine Warnung: Beim ORF hat ein Kandidat [Anm.: ich nehme an, er meint sich selbst] einmal auf die Gesetzwidrigkeit des Wahlvorganges aufmerksam gemacht – und wurde nicht gewählt." Auf Twitter befragt, welche Gesetzwidrigkeit er damit meinte, antwortete er: "Sogenannte Freundeskreise sind ebenso illegal wie Absprachen für Direktoren").
Wirklich gesetzwidrig sind "Freundeskreise" von Stiftungsratsmitgliedern allerdings nicht. Die KommAustria - gerichtliche Rechtsprechung dazu gibt es nicht - hat in einem Bescheid vom 01.06.2012 ausgesprochen, dass die bloße informelle "Organisation in Freundeskreisen" für sich genommen keine konkrete Pflichtverletzung zu begründen vermag.
Dass sich Mitglieder des Stiftungsrates auf die Sitzungen des Stiftungsrates vorbereiten, ist nicht nur zweckmäßig, sondern im Hinblick auf ihre schon erwähnte Sorgfaltspflicht sogar geboten; dass sie sich dabei mit anderen Mitgliedern des Stiftungsrates - die ja derselben Verschwiegenheitspflicht gemäß § 19 Abs. 4 ORF-G unterliegen - besprechen, ist nicht verboten. Es ist auch nicht verboten, dass sich Stiftungsratsmitglieder mit Außenstehenden (wozu insbesondere auch Politiker_innen zählen) über Angelegenheiten des ORF unterhalten, solange dabei die Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt wird - ob es auch klug ist, ist freilich eine ganz andere Frage.
Eine Erörterung zB von Bewerbungsunterlagen, soweit sie nicht öffentlich bekannt sind, mit Außenstehenden kommt daher jedenfalls nicht in Frage. Tatsächlich dürfen Stiftungsratsmitglieder Außenstehenden gegenüber in ORF-Angelegenheiten nur mitteilen, was öffentlich bekannt ist - umgekehrt können sie von den Außenstehenden aber Umstände erfahren, die ihnen aus dem Stiftungsrat bzw aus dem ORF noch nicht bekannt waren. So hat die KommAustria nach einer von Perter Huemer, Gerd Bacher und André Heller eingebrachten Popularbeschwerde entschieden, dass keine Gesetzesverletzung vorlag, wenn ein Außenstehender - hier der Klubobmann einer Parlamentspartei - von Stiftungsratsmitgliedern eines "Freundeskreises" um Information zu einem bestimmten Thema ("im gegenständlichen Fall die Vorgänge rund um die Bestellung eines Büroleiters des Generaldirektors") ersucht wurde oder wenn bereits zuvor in den Medien dargestellte Vorgänge besprochen wurden ("Ein Geheimnis ist keines mehr, wenn sein Inhalt allgemein bekannt ist"; siehe im Detail den Bescheid vom 14.08.2012, sowie den schon erwähnten vorangegangenen Bescheid vom 01.06.2012; wir erfahren aus diesem immerhin auch, dass selbst André Heller Rundfunkgebühren entrichtet).
"Deals" rund um die Bestellung des ORF-Generaldirektors/der ORF-Generaldirektorin stehen immer wieder im Raum - wie bei den meisten derartigen "Deals" oder Junktimierungen ist aber die Beweislage eher schwierig: im Zweifel gibt es keine schriftlichen Abmachungen, und wirklich erinnern kann sich auch niemand so genau. Ein Deal - etwa zwischen ÖVP und SPÖ - über die Besetzung der Generaldirektor_innen-Funktion im ORF ist im juristischen Sinn auch gar nicht möglich. Da den Parteien keine Befugnis zukommt, darüber zu entscheiden, wäre ein entsprechende Abmachung nur als sogenannte Verwendungszusage zu verstehen, wonach sich also beide Vertragsparteien dafür einsetzen müssten, ihre (selbstverständlich nur legalen) Möglichkeiten zur Herbeiführung des "vereinbarten" Ergebnisses zu nutzen. Da es keine Anordnungsbefugnis gegenüber Stiftungsratsmitgliedern gibt, sondern diese vielmehr gemäß § 19 Abs. 2 ORF-G "an keine Weisungen und Aufträge gebunden" sind und "ausschließlich die sich aus den Gesetzen und der Geschäftsordnung ergebenden Pflichten zu erfüllen" haben, würde sich ein "Deal" also - rechtlich gesehen - darauf beschränken, dass die Beteiligten die Stiftungsratsmitglieder darüber informieren, wer auf Basis der öffentlich bekannten Informationen ihrer Ansicht nach von den - öffentlich bekannten - Bewerber_innen am besten geeignet wäre (der Bundeskanzler und designierte SPÖ-Obmann hat übrigens gestern einen Deal verneint, zugleich aber geäußert, dass der derzeitige Generaldirektor "sein Favorit" sei).
Das Problem ist also nicht ein möglicher Deal: ein solcher Deal könnte ja nur dann Auswirkungen haben, wenn sich Mitglieder des Stiftungsrates bei ihrer Entscheidung über die Bestellung nicht pflichtgemäß ausschließlich am selbst gewonnenen Urteil über die Eignung der Bewerber_innen orientieren würden. Dass aber ein derartiges pflichtwidriges Verhalten eines größeren Teils des Stiftungsrates - geht man nach den Medienberichten - allgemein nicht nur als möglich, sondern gar als wahrscheinlich erachtet wird, zeigt, wo das Problem letztlich liegt: dem Stiftungsrat (durchaus als Gesamtorgan) wird nicht zugetraut, seine Aufgaben ohne tatsächliche (politische) Beeinflussung von außen auszuüben. Ob diese jedenfalls medial transportierte Außensicht zutrifft, kann und will ich nicht beurteilen - bemerkenswert finde ich aber, dass selbst angesichts dieser eher suboptimalen Außenwirkung keine stärkeren Anstrengungen gerade der "Freundeskreise" zu erkennen sind, diesen Eindruck zu entkräften. Wenn nicht aus anderen, so schon aus PR-Gründen, hätte ich erwartet, dass sich Stiftungsratsmitglieder vom "Fraktionieren" in den Freundeskreisen verabschieden.
Alleingeschäftsführung
Nach dem Gesetz gibt es eine klare "Alleingeschäftsführung" - der Generaldirektor/die Generaldirektorin "besorgt die Führung der Geschäfte des Österreichischen Rundfunks und vertritt ihn gerichtlich und außergerichtlich" (§ 23 Abs. 1 ORF-G). Eine außenwirksame Beschränkung, etwa durch Beschluss des Stiftungsrates, ist - abgesehen von den stiftungsratspflichtigen Geschäften (§ 21 Abs. 2 ORF-G) - nicht möglich. Alle derzeit ventilierten Überlegungen in Richtung "Doppelspitze" bräuchten eine Gesetzesänderung, die nirgends in Sicht ist, jedenfalls nicht vor der im August anstehenden Entscheidung des Stiftungsrates.
Selbst die heute von Stiftungsratsmitglied Haselsteiner in der Presse angedachte - bloß innenwirksame - "Selbstbeschränkung in der Geschäftsordnung" (wohl in die Richtung, dass bestimmte Entscheidungen nur im Einvernehmen mit einem/einer Direktor_in getroffen werden dürfen) ist nur dann möglich, wenn sie der Generaldirektor/die Generaldirektorin selbst vorschlägt, und sie findet ihre Grenze in der Pflicht des Generaldirektors/der Generaldirektorin, etwa bei Gefahr im Verzug auch ohne Einvernehmen die notwendigen Entscheidungen zu treffen, da ihn/sie nach dem Gesetz auch die Verantwortung trifft, bei der er/sie sich nicht etwa auf das fehlende Einvernehmen eines Direktors/einer Direktorin ausreden könnte.
"Befristete" Verträge
Haselsteiner schlägt heute auch (wieder einmal) vor, die Verträge der neuen Geschäftsführung mit einem Inkrafttreten eines neuen ORF-Gesetzes [zu] befristen" (juristisch gemeint ist offenbar eine auflösende Bedingung, die insoweit schwer zu fassen ist, als es weder auf ein gänzlich "neues ORF-Gesetz" ankommen kann, noch auf eine bloß marginale Änderung).
Die Funktionsperioden eines Generaldirektors/einer Generaldirektorin wie auch der (Landes)Direktor_innen enden in den gesetzlich bestimmten Fällen, also im Wesentlichen durch Zeitablauf oder durch Abberufung. Durch eine Gesetzesänderung (und entsprechende Übergangsbestimmungen oder deren Fehlen) kann es auch zu einer - derzeit noch nicht absehbaren - früheren gesetzlich bestimmten Beendigung der Funktion kommen. Von der Betrauung mit der Funktion ist aber die vertragliche Vereinbarung zu trennen, die mit dem Inhaber/der Inhaberin der Funktion abgeschlossen wird. Diese Verträge werden offenbar derzeit befristet auf die volle fünfjährige Funktionsperiode abgeschlossen, woraus sich bei einer vorzeitigen Abberufung (und wohl auch bei einer gesetzlichen Änderung, mit der die Funktionsperiode vorzeitig beendet wird) in der Regel eine Verpflichtung zur Fortzahlung des vereinbarten Entgelts ergeben kann (Ex-Informationsdirektor Oberhauser weiß dazu mehr). Notwendig ist eine fünfjährige Befristung nicht, eine einfache Verknüpfung mit der Funktionsinnehabung (wonach auch der Vertrag endet, wenn die Betrauung mit der Funktion wegfällt), wie sie Haselsteiner offenbar der Sache nach vorschwebt, wäre möglich. Fraglich könnte allenfalls sein, ob sich auch zu diesen - in Vorstandsverträgen größerer Aktiengesellschaften eher unüblichen - Bedingungen geeignete Personen für die Funktionen bewerben. Und fraglich ist natürlich auch, wie die Mehrheit des Stiftungsrates das sieht.
Update 30.06.2016: nach der heute veröffentlichten Ausschreibung zu beurteilen ist die Idee eines Vertrags, der nicht für die volle Funktionsperiode abgeschlossen wird, wohl vom Tisch, dort heißt es nämlich: "Die Entscheidung über die Vertragsgestaltung erfolgt gesondert von der Bestellung des Generaldirektors / der Generaldirektorin unter Berücksichtigung der derzeitigen Praxis." (Hervorhebung hinzugefügt)
Interessenkonflikte
Letzte Anmerkung: dass sich Stiftungsratsmitglieder bei persönlichen Interessenkollisionen der Stimme zu enthalten haben, ist selbstverständlich und wurde auch in § 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Stiftungsrates festgehalten. Wirklich bemerkenswert ist, dass es der Stiftungsrat für erforderlich gehalten hat, in einer Fußnote ausdrücklich anzumerken, dass ein "auf ein Mitglied des Stiftungsrates lautender Vorschlag zur Bestellung des Generaldirektors, von Direktoren und Landesdirektoren [...] zu einer persönlichen Interessenkollision" führt. Hat man etwa angenommen, dass es ohne diese Klarstellung für Mitglieder des Stiftungsrates zweifelhaft sein könnte, dass in einem solchen Fall eine Interessenkollision vorliegt? Eine Interessenkollision liegt natürlich, das nur zur Ergänzung, auch vor, wenn ein Mitglied des Stiftungsrates bei der Bestellung des Generaldirektors/der Generaldirektorin für eine Person stimmt, die ihm/ihr in Aussicht gestellt hat, ihn/sie für eine Funktion als (Landes)Direktor_in vorzuschlagen oder ihm/ihr einen sonstigen Vorteil zu gewähren.
PS: Vor kurzem war Stiftungsratsmitglied Neuschitzer zu Gast in der "Barbara Karlich Show". Nach § 15 der Geschäftsordnung des Stiftungsrates erfolgt die Präsentation von Mitgliedern des Stiftungsrats in Medien des ORF "nach denselben objektiven, journalistischen Kriterien, wie sie für andere Personen gelten (insbesondere Nachrichtenwert, künstlerische, wissenschaftliche und gestalterische Kriterien, Programmvielfalt)." Programmvielfalt ist hier wohl das Stichwort.
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