Bei der Club 2-Diskussion im ORF über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens letzte Woche (siehe dazu im Standard hier) konnte sich NDR-Direktorin Maria von Welser einen kleinen Seitenhieb auf Gerd Bacher, der wieder einmal alles besser wusste, nicht verkneifen: "natürlich, wenn so alte Alphatiere bei uns noch auftreten würden, weiß ich nicht ..." (der Rest ging irgendwie unter). Was von Welser wohl zum heute publik gewordenen "Proponentenkomitee" der Initiative "Rettet den ORF!" gesagt hätte? Einige Alphatiere sind da schon dabei, aber alt? Mit im Schnitt jugendlichen 67 Jahren sind die Proponenten (wiederum im Schnitt) immerhin jünger als der vom ORF bestellte Sachverständige für das Qualitätssicherungssystem.
Und was wollen die "Proponenten"? Da es sich vielleicht nicht gerade um digital natives handelt, habe ich noch keine Website gefunden, aber im Online-Standard gibt es immerhin das "Manifest". Dabei handelt es sich um ganz großes Drama: frei nach Gustav ("Ich habe eine Sehnsucht nach der nächsten Katastrophe") wird gleich zu Beginn eine drohende gesellschaftspolitische Katastrophe beschworen - und ebenfalls frei nach Gustav ("Rettet die Wale - und stürzt das System") muss man nach den Proponenten offenbar das System stürzen, umdie Wale den ORF zu retten.
Ich will die medienpolitischen Positionen dieser Gruppe nicht näher kommentieren. Was mich allerdings beeindruckt, ist die Sicherheit, mit der hier Außenstehende (miteiner Ausnahme, einer Stiftungsrätin* zwei Ausnahmen, nämlich zwei Mitgliedern des Stiftungsrates, aber dazu komme ich gleich) einen "ruinösen Zustand" und einen "Sanierungsfall" konstatieren, der nur mehr mit massiven gesetzlichen Eingriffen bzw einer "Neugründung" zu retten wäre. Und interessant ist auch, dass den "Aufsichtsgremien" nicht nur vorgeworfen wird, es mangle ihnen an fachlicher Kompetenz, sondern auch, dass sie in einem ganz konkreten Fall, nämlich bei der kollektiven Anstellung freier Mitarbeiter, ihren gesetzlichen Aufgaben nicht entsprochen hätten.
Das ist nicht nur deshalb mutig, weil man darin vielleicht eine Tatsachenbehauptung sehen könnte, deren Richtigkeit wohl von den betroffenen Personen bestritten wird, sondern auch weil unter den Proponentenein Mitglied* zwei Mitglieder des ORF-Stiftungsrates sind, neben Peter Radel auch Helga Rabl-Stadler. Sie hat eben dieser Anstellung zugestimmt, auch wenn sie es - laut Format - mittlerweile bereut, weil dies "dem ORF untragbare finanzielle Lasten gebracht" habe.
Kann man damit das "Rettet den ORF"-Manifest auch als eine Art Selbstbezichtigung von Helga Rabl-Stadler sehen? Meint sie auch sich selbst, wenn sie von der fehlenden fachlichen Kompetenz der Aufsichtsgremien spricht? Und war sie demnach nicht beteiligt, als der Stiftungsrat angeblich seinen gesetzlichen Aufgaben nicht nachgekommen ist?
Heute wird Rabl-Stadler in der Presse - bezogen auf die Tochterunternehmen des ORF (GIS, ORS, Enterprise, Online und Teletext) - mit den Worten zitiert: "Ich hafte zwar als Stiftungsrat, aber ich weiß nichts." Das ist auch nicht wirklich überzeugend: denn die Haftung kann sich natürlich nur soweit erstrecken, als der Aufgabenbereich des Stiftungsrates geht. Da aber nach § 21 Abs 3 ORF-G de facto das Zustimmungsrecht des Stiftungsrates bei Tochtergesellschaften ebenso weitgehend ist wie beim ORF selbst, sollte es jedenfalls nach dem Gesetz nicht so sein, dass die Stiftungsratsmitglieder über die Vorgänge in diesen Gesellschaften nichts wissen. Würden dem Stiftungsrat tatsächlich Informationen vorenthalten, die für die Wahrnehmung seiner Zuständigkeiten erforderlich sind, wäre dies ein Verstoß gegen die Berichtspflicht des Generaldirektors nach § 21 Abs 4 ORF-G - einen solchen Fall kann ich mir kaum vorstellen, denn ein Stiftungsrat, der sich selbst ernst nimmt, könnte sich das allein schon wegen der Haftung nicht gefallen lassen.
Die Mitglieder des Stiftungsrates haben gemäß § 20 Abs 2 ORF-Gesetz dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss jedes Mitglied des Aufsichtsrats "über das Wissen und die Erfahrung verfügen, die zur kompetenten Bewältigung der dem Aufssichtsrat übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Dazu zählt jedenfalls auch die Fähigkeit, die von den Geschäftsführern an den Aufsichtsrat herangetragenen Berichte mit entsprechender Sachkenntnis aufzunehmen, um daraus die richtigen Schlüsse für die zu treffenden Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen ziehen zu können. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Aufsichtsrat insgesamt jenes Wissen, das zur kompetenten Bewältigung seiner Aufgaben erforderlich ist, aufbringt. Jedes einzelne Mitglied muss daher in der Lage sein, die ihm von anderen - allenfalls auch zugezogenen Sachverständigen - gelieferten Informationen zu verstehen und sachgerecht zu würdigen." Jedenfalls muss bei jedem Aufsichtsratsmitglied "eine das Durchschnittsniveau übersteigende, besondere 'intelligenzmäßige Kapazität' vorausgesetzt werden".
Wer die Mitgliedschaft zum Stiftungsrat annimmt, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich - in der Sprache des § 1299 ABGB - "den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue". Wer erst als Stiftungsratsmitglied bemerkt, dass ihm diese Kenntnisse fehlen, wäre gut beraten, rasch die Funktion niederzulegen.
PS: Rabl-Stadler spricht sich mit dem "Rettet den ORF"-Manifest für eine Entparteipolitisierung des Stiftungsrates aus; im Format-Interview wird sie als "ORF-Stiftungsrätin, ÖVP" vorgestellt, obwohl sie von der Bundesregierung bestellt wurde und nicht auf einem der sechs Parteimandate sitzt.
PPS: Alexander Wrabetz, der jedenfalls entscheidend näher an der Sache dran war als Gerd Bacher und andere "ORF-Retter", sagte zur Anstellung der freien Mitarbeiter, die in der "Rettet den ORF"-Ferndiagnose als betriebswirtschaftlicher Unsinn bezeichnet wird, in einem Presse-Interview schon im Jahr 2007 Folgendes: "Der große Vorteil dieser Anstellung war, dass der ORF jetzt nicht bankrott ist." Andererseits: wäre der ORF durch die erwarteten Massenklagen auf Anstellung bankrott gegangen, hätte Bacher schon vor ein paar Jahren zur Rettung aufrufen können.
Und zum Abschluss: "ich gehöre nicht zu den Scheißern, die unentwegt sagen: Ja, zu meiner Zeit!", sagte Gerd Bacher vor wenigen Jahren (zitiert nach der ORF Wien Website).
*) update 31.3.2009: von einem Leser wurde ich dankenswerter Weise darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur, wie ursprünglich in diesem Beitrag stand, eine Proponentin der "ORF-Retter" auch dem Stiftungsrat des ORF angehört, sondern dass ja auch Dr. Peter Radel, früherer kaufmännischer Direktor des ORF und derzeit von der Bundesregierung bestellter Stiftungsrat, unter den Proponenten zu finden ist. Ich habe das im obigen Text daher korrigiert.
Und was wollen die "Proponenten"? Da es sich vielleicht nicht gerade um digital natives handelt, habe ich noch keine Website gefunden, aber im Online-Standard gibt es immerhin das "Manifest". Dabei handelt es sich um ganz großes Drama: frei nach Gustav ("Ich habe eine Sehnsucht nach der nächsten Katastrophe") wird gleich zu Beginn eine drohende gesellschaftspolitische Katastrophe beschworen - und ebenfalls frei nach Gustav ("Rettet die Wale - und stürzt das System") muss man nach den Proponenten offenbar das System stürzen, um
Ich will die medienpolitischen Positionen dieser Gruppe nicht näher kommentieren. Was mich allerdings beeindruckt, ist die Sicherheit, mit der hier Außenstehende (mit
Das ist nicht nur deshalb mutig, weil man darin vielleicht eine Tatsachenbehauptung sehen könnte, deren Richtigkeit wohl von den betroffenen Personen bestritten wird, sondern auch weil unter den Proponenten
Kann man damit das "Rettet den ORF"-Manifest auch als eine Art Selbstbezichtigung von Helga Rabl-Stadler sehen? Meint sie auch sich selbst, wenn sie von der fehlenden fachlichen Kompetenz der Aufsichtsgremien spricht? Und war sie demnach nicht beteiligt, als der Stiftungsrat angeblich seinen gesetzlichen Aufgaben nicht nachgekommen ist?
Heute wird Rabl-Stadler in der Presse - bezogen auf die Tochterunternehmen des ORF (GIS, ORS, Enterprise, Online und Teletext) - mit den Worten zitiert: "Ich hafte zwar als Stiftungsrat, aber ich weiß nichts." Das ist auch nicht wirklich überzeugend: denn die Haftung kann sich natürlich nur soweit erstrecken, als der Aufgabenbereich des Stiftungsrates geht. Da aber nach § 21 Abs 3 ORF-G de facto das Zustimmungsrecht des Stiftungsrates bei Tochtergesellschaften ebenso weitgehend ist wie beim ORF selbst, sollte es jedenfalls nach dem Gesetz nicht so sein, dass die Stiftungsratsmitglieder über die Vorgänge in diesen Gesellschaften nichts wissen. Würden dem Stiftungsrat tatsächlich Informationen vorenthalten, die für die Wahrnehmung seiner Zuständigkeiten erforderlich sind, wäre dies ein Verstoß gegen die Berichtspflicht des Generaldirektors nach § 21 Abs 4 ORF-G - einen solchen Fall kann ich mir kaum vorstellen, denn ein Stiftungsrat, der sich selbst ernst nimmt, könnte sich das allein schon wegen der Haftung nicht gefallen lassen.
Die Mitglieder des Stiftungsrates haben gemäß § 20 Abs 2 ORF-Gesetz dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss jedes Mitglied des Aufsichtsrats "über das Wissen und die Erfahrung verfügen, die zur kompetenten Bewältigung der dem Aufssichtsrat übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Dazu zählt jedenfalls auch die Fähigkeit, die von den Geschäftsführern an den Aufsichtsrat herangetragenen Berichte mit entsprechender Sachkenntnis aufzunehmen, um daraus die richtigen Schlüsse für die zu treffenden Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen ziehen zu können. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Aufsichtsrat insgesamt jenes Wissen, das zur kompetenten Bewältigung seiner Aufgaben erforderlich ist, aufbringt. Jedes einzelne Mitglied muss daher in der Lage sein, die ihm von anderen - allenfalls auch zugezogenen Sachverständigen - gelieferten Informationen zu verstehen und sachgerecht zu würdigen." Jedenfalls muss bei jedem Aufsichtsratsmitglied "eine das Durchschnittsniveau übersteigende, besondere 'intelligenzmäßige Kapazität' vorausgesetzt werden".
Wer die Mitgliedschaft zum Stiftungsrat annimmt, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich - in der Sprache des § 1299 ABGB - "den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue". Wer erst als Stiftungsratsmitglied bemerkt, dass ihm diese Kenntnisse fehlen, wäre gut beraten, rasch die Funktion niederzulegen.
PS: Rabl-Stadler spricht sich mit dem "Rettet den ORF"-Manifest für eine Entparteipolitisierung des Stiftungsrates aus; im Format-Interview wird sie als "ORF-Stiftungsrätin, ÖVP" vorgestellt, obwohl sie von der Bundesregierung bestellt wurde und nicht auf einem der sechs Parteimandate sitzt.
PPS: Alexander Wrabetz, der jedenfalls entscheidend näher an der Sache dran war als Gerd Bacher und andere "ORF-Retter", sagte zur Anstellung der freien Mitarbeiter, die in der "Rettet den ORF"-Ferndiagnose als betriebswirtschaftlicher Unsinn bezeichnet wird, in einem Presse-Interview schon im Jahr 2007 Folgendes: "Der große Vorteil dieser Anstellung war, dass der ORF jetzt nicht bankrott ist." Andererseits: wäre der ORF durch die erwarteten Massenklagen auf Anstellung bankrott gegangen, hätte Bacher schon vor ein paar Jahren zur Rettung aufrufen können.
Und zum Abschluss: "ich gehöre nicht zu den Scheißern, die unentwegt sagen: Ja, zu meiner Zeit!", sagte Gerd Bacher vor wenigen Jahren (zitiert nach der ORF Wien Website).
*) update 31.3.2009: von einem Leser wurde ich dankenswerter Weise darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur, wie ursprünglich in diesem Beitrag stand, eine Proponentin der "ORF-Retter" auch dem Stiftungsrat des ORF angehört, sondern dass ja auch Dr. Peter Radel, früherer kaufmännischer Direktor des ORF und derzeit von der Bundesregierung bestellter Stiftungsrat, unter den Proponenten zu finden ist. Ich habe das im obigen Text daher korrigiert.
1 comment :
wobei man - wie auch immer man zur kritik bachers stehen möge - fairerweise sagen muss, dass er mit der "scheißer"-aussage nur zurückhaltung bei kritik am orf-programm meinte. kritik am unternehmen wollte der "tiger" damit scheinbar nicht ausschließen...
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