Thursday, May 06, 2010

EuGH C-545/08 Kommission/Polen: Keine neue Regulierung ohne vorherige Marktanalyse

"Vorweg ist festzuhalten, dass nationale Regulierungsbehörden nach Art 16 der RahmenRL (2002/21/EG) und Art 16 und 17 der UniversaldienstRL (2002/22/EG) Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht keine ex-ante Verpflichtungen auferlegen können, ohne vorher eine Analyse dieses Marktes durchgeführt zu  haben." So stellt der EuGH gleich zu Beginn seiner rechtlichen Würdigung im heute entschiedenen Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen wegen der Regulierung des Breitband-Endkundemarkts fest (EuGH 6.5.2010, C-545/08 Kommission / Polen; das Zitat ist eine grobe Übersetzung der RNr 47 aus dem Französischen; derzeit liegt nämlich erst die polnische und französische Sprachfassung vor).

Der Präsident der polnischen Regulierungsbehörde hatte im Jahr 2006 die TP (den früheren Monopolisten) zur kostenorientierten Tarifgestaltung für den Endkundenmarkt der Bereitstellung des Breitband-Internetzugangs verpflichtet. Der Entscheidung war keine Marktanalyse nach Art 16 RahmenRL vorangegangen, obwohl der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für Polen mit dem Beitritt zur EU am 1.5.2004 wirksam geworden war.

Im Vertragsverletzungsverfahren ging es nicht um eine fehlerhafte gesetzliche Umsetzung des Rechtsrahmens in Polen, sondern um die nach Ansicht der Kommission fehlerhafte Verwaltungspraxis der Regulierungsbehörde. Die polnische Position war - etwas vereinfacht zusammengefasst - dass die Maßnahme aufgrund der Übergangsregelung des Art 27 RahmenRL zulässig war, da TP vor Inkrafttreten des Rechtsrahmens als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG anzusehen war; da der Zugang zum Breitband-Internet auch die selben Leitungen wie die Sprachtelefonie nutze und daher die Unterhaltungs- und Wartungskosten für diese Teilnehmeranschlussleitungen sowohl der Sprachtelefonie als auch dem Breitbandzugang dienten, sei die kostenorientierte Preisregelung auch für den Breitbandzugang als Übergangsmaßnahme nach Art 27 RahmenRL gerechtfertigt.

Der EuGH konnte sich dieser Position nicht anschließen und setzte sich dazu noch einmal mit der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG auseinander. Dabei kam er zum Ergebnis, dass der Telefondienst an festen Standorten", wie er in Art 2 Abs 3 der ONP-SprachtelefonRL unter Verweis auf Anhang I der ONP-ZusammenschaltungsRL 97/33/EG, definiert ist, jedenfalls den Breitbandzugang nicht umfasst (kein Wunder, steht in dieser Definition doch "Sprachband-Datenübertragung über Modems mit einer Übertragungsrate von mindestens 2400 Bit/s entsprechend ITU-T-Empfehlungen der V-Serie" [Hervorhebung hinzugefügt]).

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