Es ist schon einige Zeit her, da glaubte Klaus Pekarek, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates, noch daran, dass ein Corporate Governance-Kodex des ORF
"Qualitätsnormen für Stiftungsratsmitglieder" (sic!) bringen könnte (dazu
hier). Aber dieser Kodex, an dem eine Stiftungsrats-Arbeitsgruppe angeblich von 2006 bis 2008 gearbeitet hat, ist heute noch immer nicht beschlossen.
Und so kann es weiter sein, dass es es
nach Auffassung (auch) von Stiftungsratsmitgliedern "in den Aufsichtsgremien an fachlicher Kompetenz" fehlt, dass zumindest eines dieser Stiftungsratsmitglieder Maßnahmen zugestimmt hat, die
nach eigener Auffassung "dem ORF untragbare finanzielle Lasten gebracht" haben (dazu
hier), und dass dasselbe Stiftungsratsmitglied im Hinblick auf die ORF-Tochtergesellschaften eingestehen kann, von nichts zu wissen (dazu
hier). Ausgerechnet dieses Stiftungsratsmitglied will sich
nach Pressemeldungen jetzt
"anschauen,
wie er [der heute
überraschend bestellte neue Kaufmännische Direktor des ORF, für dessen Bestellung sie selbst gestimmt hat]
der Aufgabe gewachsen ist" (hätte sie Zweifel gehabt, ob der neue Kaufmännische Direktor der Aufgabe gewachsen ist, hätte sie seiner Bestellung natürlich nicht zustimmen dürfen).
Und wiederum dasselbe Stiftungsratsmitglied sieht im Begutachtungsentwurf für eine ORF-Gesetznovelle ein
"Giftpaket im Sinne eines freien Rundfunks" (sprachlich ist eigentlich nicht ganz klar, ob sie den "freien Rundfunk" als Gift sieht, oder ob sie eher meint, dass der Gesetzesentwurf Gift
für den freien Rundfunk sei).
Zitat aus Horizont:
"Sie kritisierte vor allem, dass der Stiftungsrat künftig Kompetenzen an die Medienbehörde abtreten müsse, die noch dazu ausschließlich mit Juristen beschickt sein soll. 'Ich glaube, dass der ORF mit so einem Staatsjuristenfunk einen enormen Nachteil hat', so Rabl-Stadler. Die VP-nahe Stiftungsrätin befürchtet, dass der ORF künftig 'noch schwerfälliger' wird, wenn wichtige Beschlüsse künftig die Zustimmung von Juristen brauchen."
Nun könnte man einwenden, dass es viel schwerfälliger als im Stiftungsrat (der es zum Beispiel in über drei Jahren nicht schafft, einen einfachen Corporate Governance-Kodex fertig zu bringen) wohl kaum mehr gehen könnte. Aber im Ernst: so sehr man über die konkrete Ausgestaltung der Behörde und die Anforderungen an ihre MitarbeiterInnen diskutieren kann ("agency design" ist ohnehin eines meiner Lieblingsthemen), so schwer ist es zu verstehen, wenn ein Mitglied des Stiftungsrats, das die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit des ORF kennen sollte, offenbar der Auffassung ist, die Stiftungsratskompetenzen könnten ohne Verstärkung der behördlichen Aufsicht so bleiben wie bisher.
Diese Lektüre könnte helfen (aber vielleicht verstehen das auch nur
Staatsjuristenfunker).
PS: die schöne Wortschöpfung
"Staatsjuristenfunk" (jedenfalls bei Google bis zur heutigen Wortmeldung dieses Stiftungsratsmitglieds unbekannt) dürfte eine Zusammenführung der Worte
Juristenrundfunk und
Staatsrundfunk sein, die beide von Wolfgang Langenbucher in einem vor kurzem flächendeckend (
Presse, Falter [nicht online],
Standard) verbreiteten Kommentar verwendet wurden. Langenbucher, Sprecher der selbsternannten
ORF-Retter, denen auch dieses Stiftungsratsmitglied angehört, sieht im
"neuen Bundesgesetz", das bei ihm 150 Seiten hat (er meint den Entwurf und zählt offenbar die Erläuterungen dazu) eine "kommunikationspolitische Katastrophe", die seiner Ansicht nach irgendwie damit zusammenzuhängen scheint, dass sich der Bundeskanzler - den verfassungsmäßigen Vorgaben entsprechend - über die Tätigkeit der Regulierungsbehörde unterrichten kann (für den Bundeskommunikationssenat wurde dieses Informationsrecht übrigens
schon im Nationalrat beschlossen; morgen wird der Bundesrat beschließen, keinen Einspruch zu erheben).