Monday, December 14, 2009

Ein Schwein braten, um das Haus niederzubrennen: "FCC Scholar in Residence" zur Rundfunkregulierung

Stuart Minor Benjamin, Professor an der Duke Law School, wurde letzte Woche zum ersten "Distinguished Scholar in Residence" in der FCC ernannt. Er wird dort, so die FCC-Aussendung, "on spectrum reform, First Amendment issues, and long-term strategy" arbeiten. Terrestrische Fernsehveranstalter werden damit wenig Freude haben: Benjamin spricht sich nämlich dafür aus, die terrestrische Verbreitung von Fernsehprogrammen überhaupt einzustellen. Dazu hat er schon 2004 einen längeren Aufsatz geschrieben, mit dem Titel: "Evaluating the FCC's National Television Ownership Cap: What's Bad for Broadcasting is Good for the Country". Jüngst hat er mit einer kurzen Polemik noch einmal nachgelegt. In "Roasting the Pig to Burn Down the House: A Modest Proposal" spricht er sich für eine Regulierung aus, die den terrestrischen Rundfunkveranstaltern solche Lasten auferlegt, dass sie den Sendebetrieb einstellen. Aus dem Abstract:
"This essay addresses the question whether one should support regulatory proposals that one believes are, standing alone, bad public policy in the hope that they will do such harm that they will ultimately produce (likely unintended) good results. For instance, one may regard a set of proposed regulations as foolish and likely to hobble the industry regulated, but perhaps desirable if one believes that we would be better off without that industry. I argue that television broadcasting is such an industry, and thus that we should support new regulations that will make broadcasting unprofitable, to hasten its demise. ...Ideal regulations for this purpose are probably those that are pure deadweight loss - regulations that cost broadcasters significant amounts of money but have no impact on their behavior."
Benjamin prägte den Begriff der "desirably inefficient regulation", und er bringt auch Beispiele dafür, wie zB besondere Aufzeichnungspflichten, Berichtspflichten oder Vorschriften zum Kinderprogramm. Derzeit schreibt die FCC nur 3 Stunden Kinderprogamm pro Woche vor, schreibt Benjamin:
"Why not increase that to 15 or 25 hours per week? There will be tons more programming aimed at educating children, and it will reduce the viewership of broadcasting and thus hasten the demise of broadcasting – what I would regard as a win-win."
Ob er das alles wirklich ernst meint?
"Not entirely, but mostly. I do think that society would benefit if the wireless frequencies currently devoted to broadcast could be used for other services, and the first-best ways of achieving that goal may not be realistic. I am proposing a second-best - a fairly cynical second-best, but a second-best all the same. I would prefer not to go down this path, but if that is the only way to hasten the shriveling of television broadcasting's spectrum usage, then it is probably a path worth taking."
Wie schon zu seinem längeren Beitrag aus 2004 kann man auch zu dieser Polemik durchaus substantielle Einwände vorbringen, aber es ist jedenfalls ein erfrischend direkter Zugang, der das angestrebte Ziel klar auf den Punkt bringt. Bei der Lektüre muss man freilich auch berücksichtigen, dass sich die US-amerikanische Situation von der europäischen - und speziell auch der österreichischen - Situation in vieler Hinsicht deutlich unterscheidet (Stichworte zB: Bedeutung politischer Werbung, öffentlich-rechtliche Programme, verschiedene Regulierungstiefe bei terrestrischen und Kabel/Sat-Programmen, geographische Lage, Frequenzkoordinationsfragen, etc.).

Hinweisen möchte ich noch auf einen weiteren, schon etwas älteren Artikel von Benjamin ("The Logic of Scarcity: Idle Spectrum as a First Amendment Violation"), in dem er die Auffassung vertritt, dass es eine Verletzung des "First Amendment" (Redefreiheit) darstellt, wenn die Regierung den Zugang zu nicht genutzten Frequenzen nicht öffnet.

PS: wer morgen, 15.12.2009, um 19 Uhr MEZ, Zeit hat, kann sich auf www.openinternet.gov den Workshop "Speech, Democratic Engagement, and the Open Internet" der FCC anschauen, mit Stuart M. Benjamin als Moderator und unter anderem Jack Balkin von Balkinization unter den Teilnehmern.

PPS: Das mit dem Braten des Schweins ist ein merkwürdiges Bild; Stuart Benjamin verweist darauf, dass der Supreme Court öfter festgestellt hat, "that some regulations, particularly in the speech context, may have such far-reaching negative consequences that they amount to burning the house to roast the pig." Wenn ich Benjamin richtig verstehe, vergleicht er dann offenbar die Rundfunkregulierung mit dem Braten des Schweins, das zum (aus seiner Sicht erwünschten) Niederbrennen des gesamten terrestrischen Fernsehens führt.

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