ORF-Publikumsrat (1): Der EuGH wird sich in der Rechtssache C-162/11, Publikumsrat des Österreichischen Rundfunks gegen Österreichischer Rundfunk, nun leider doch nicht mit der Frage befassen, ob Eigenwerbung als Werbung im Sinne der Fernsehrichtlinie (nun: Audiovisuelle Mediendienste-RL) anzusehen ist (dazu im Blog hier). Denn mit dem erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Beschluss vom 26. Juli 2011 wurde die Streichung dieser Rechtssache aus dem Register des EuGH angeordnet, da der Bundeskommunikationssenat das Vorabentscheidungsersuchen zurückgezogen hat - weil der ursprünglich gegen den ORF beschwerdeführende Publikumsrat des ORF es sich nun doch wieder anders überlegt hat und nicht mehr daran interessiert daran ist, dass eine Verletzung des ORF-Gesetzes wegen der "Einblendung eines nicht zum Film gehörenden Tanzpärchens mit einem Programmhinweis auf 'Dancing Stars' in dem Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' am 1.3.2009 um 20.15 Uhr in ORF 1" festgestellt werde. Was den Publikumsrat - der mit dieser Sache auch schon beim Verfassungsgerichtshof war (Erkenntnis vom 02.03.2010, B 1019/09) und beim Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 23.06.2010, B 2009/03/0137) - zu diesem Rückzieher veranlasst hat, darüber kann man nur Mutmaßungen anstellen, die veröffentlichten Protokolle der Publikumsrats-Sitzungen schweigen dazu. [Dass auf der Website des EuGH übrigens "Publikationsrat" steht - siehe screenshot oben -, weist nicht auf ein neues Gremium des ORF hin, sondern ist schlicht ein Schreibfehler]
ORF-Publikumsrat (2): Aber vielleicht wird es ja auch bald einen neu gestalteten Publikumsrat geben, falls nämlich der Verfassungsgerichtshof die bei ihm letztes Jahr entstandenen "Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 6 bis 10 [ORF-G] ... sowie ob der Gesetzmäßigkeit der "Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß § 28 Abs. 6 bis 10 ORF-G [...] für die Funktionsperiode 2010-2013" aufrechterhalten sollte (siehe den Prüfungsbeschluss vom 16.12.2010, B 786/10-9, in der Beschwerdesache des Dr. Gerhard H. [die verlinkte Presseaussendung des Umweltdachverbands ist übrigens unrichtig, weil ein Prüfungsbeschluss natürlich kein Erkenntnis ist, was Gerhard H., Präsident dieses Verbands und studierter Jurist, wohl auch weiß]). Der VfGH wird die Sache in der aktuellen Session des Verfassungsgerichtshofs weiter beraten (und wohl abschließen); ich möchte mich derzeit dazu nicht weiter äußern.
ORF-Stiftungsrat: wie immer ein medienpolitisches Lehrstück waren die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bestellung der ORF-DirektorInnen und LandesdirektorInnen durch den Stiftungsrat (auf Vorschlag des Generaldirektors, nach vorheriger Anhörung des Landes; siehe dazu schon hier). Vorarlbergs Landeshauptmann - der laut dem Vorarlberger Stiftungsratsmitglied (nicht aber nach dem Gesetz) die Entscheidung über den Landesdirektor trifft - hat übrigens ganz richtig und bemerkenswert deutlich mitgeteilt, dass es sich "um eine Unternehmensentscheidung und -verantwortung" handle, worauf er den Generaldirektor auch hingewiesen habe. Ich würde nicht ausschließen, dass der Generaldirektor auf diese Verantwortung bei Gelegenheit noch einmal hingewiesen werden wird.
Aber Verantwortung tragen natürlich auch und gerade die Stiftungsratsmitglieder, die die Bestellungen "einhellig mit sehr großer Mehrheit" (DirektorInnen) bzw. "einhellig mit großer Mehrheit" (LandesdirektorInnen) beschlossen haben. Die Vorsitzende des Stiftungsrates kritisierte in diesem Zusammenhang den Redakteursrat, der sich Kritik an Mitgliedern des Stiftungsrates erlaubt hatte, als "selbstgerecht und selbstherrlich" und bezeichnete die andauernde Kritik als öffentlichen Autoimmunkonflikt - aber nur wenige Tage später schickte sie selbst, vielleicht als paradoxe Intervention gedacht, ein kritisches Mail an die anderen Mitglieder des Stiftungsrates (wie genau es manche von diesen mit ihrer Verschwiegenheitspflicht nehmen, ist bekannt). Wenn man Medienberichten glauben darf, erhebt die Stiftungsratsvorsitzende in diesem Mail schwere Vorwürfe gegenüber dem soeben wieder bestellten burgenländischen Landesdirektor und will damit auch nachträglich(!) erklären, weshalb sie sich bei der DirektorInnenbestellung der Stimme enthalten (nicht: dagegen gestimmt) hat. Was hätte sie eigentlich daran gehindert, ihre KollegInnen im Stiftungsrat vor der Abstimmung über die Bedenken zu informieren? [Andererseits: wer weiß, ob die das überhaupt interessiert hätte - zumindest ein Mitglied des Stiftungsrates befasst sich ja vorrangig mit viel wichtigeren Themen]
Und was tut sich bei sonstigen Räten?
Der PR-Ethik-Rat hat sich in einer Aussendung für volle Transparenz bei Medienkooperationen sowie die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der angeblich vom damaligen Infrastrukturminister beauftragten ÖBB-Inserate ausgesprochen. "Es sei üblich geworden, Meinung auf breiter Basis zu kaufen", meint der PR-Ethik-Rat.
Beim Presserat gibt es entscheidungsmäßig nichts Neues, bislang sind noch immer erst zwei veröffentlichte Entscheidungen ergangen.
Der sogenannte Medienrat wiederum wäre ja grundsätzlich überhaupt nicht erwähnenswert, aber wer würde denn sonst dessen Leistung würdigen, sich auch mehr als zwei Jahre nach seiner großspurig verkündeten Gründung weiterhin mit so viel Erfolg tot zu stellen? (Die Gründungspressekonferenz kann man immer noch auf der Website anschauen, sonst gibt es dort unverändert weiterhin nur dieses .jpg zu sehen.)
Mehr Aktivitäten gibt es beim Werberat, der in den letzten Jahren erkennbar moderner geworden ist und laufend alle Beschwerdefälle und Entscheidungen im Web dokumentiert. Eine Selbstregulierungseinrichtung, die sich auch mit Schleichwerbung befassen soll, bei der aber zugleich Prof. Bankhofer im Entscheidungsgremium sitzt, hat freilich mit einem gravierenden und strukturellen Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob wir dem Herrn Professor - der es immerhin geschafft hat, sogar "Bibel TV" eine Beanstandung durch die deutsche Rundfunkaufsicht wegen Schleichwerbung einzubringen - auch im neu bestellten Entscheidungsgremium des Werberates wieder begegnen werden (am 29. September ist Mitgliederversammlung, ich nehme an, dass danach auch das neue Entscheidungsgremium präsentiert wird).
Und zuletzt noch ein Hinweis auf eine Art Geheimrat: der Telekommunikationsbeirat war seit 1997 in jedem Telekommunikationsgesetz vorgesehen (derzeit § 131 TKG 2003), es ist aber noch nie zur tatsächlichen Einrichtung dieses Beratungsgremiums gekommen (wirklich gefehlt hat er wohl noch niemand). Daher war ich auch nicht überrascht, als der Ministerialentwurf für die TKG-Novelle § 131 TKG schlicht entfallen lassen wollte. Die nun im Parlament zu behandelnde Regierungsvorlage ist aber nicht mehr so mutig: die Bestimmung über den Telekommunikationsbeirat soll unverändert bestehen bleiben. Ob dieser Beirat 14 Jahre nach seiner Erfindung vielleicht tatsächlich eingerichtet werden soll?
Thursday, September 22, 2011
Kleine Räte-Rundschau (Publikums-, Stiftungs- und andere Räte)
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