Der PR-Ethikrat "soll unredliche PR-Arbeit öffentlich rügen", hieß es noch in der ersten Presseaussendung; in der zweiten Presseaussendung rühmte die stellvertretende Vorsitzende die "Gründung des Ethik-Rats als einen großen und mutigen Schritt vorwärts." Und sie meinte auch, dass die PR-Branche damit "die strengen Verhaltensregeln, die wir in den letzten Jahren geschaffen und weiterentwickelt haben, mit einem wirksamen Sanktionsmechanismus versehen" habe.
Wie also sieht also nun die öffentliche Rüge, der mutige Schritt nach vorne, der wirksame Sanktionsmechanismus aus? Dazu nochmals ein Blick auf die Überschrift der aktuellen Presseaussendung:
"PR-Ethik-Rat fordert klare Kennzeichnung von Werbung"Da gehört wirklich Mut dazu: etwas zu fordern, was seit Jahrzehnten gesetzlich verpflichtend vorgesehen ist. Aber das wirklich Faszinierende an der Presseaussendung ist, dass weder ein einziges Beispiel (von wegen "öffentliche Rüge"), noch auch nur die geringste Andeutung einer Sanktion - und sei es nur die Namensnennung - vorkommt. Der Grund dafür ist besonders nett: es gibt einfach zu viele schwarze Schafe. Aus der Presseaussendung:
"Die Beschwerden beziehen sich zwar auf konkrete Fälle, doch wissen die Mitglieder des PR-Ethik-Rats aus eigener Wahrnehmung, dass es sich um ein branchenweites Problem handelt – weshalb es nicht sinnvoll wäre, Einzelfälle herauszugreifen. Der Rat hat sich daher entschlossen, die Angelegenheit auf breiter Basis zu thematisieren, und ein Positionspapier zum Thema 'Klare Erkennbarkeit bezahlter Einschaltungen' veröffentlicht".In diesem - laut Presseaussendung "umfassenden" - Positionspapier, das immerhin um ein gutes Drittel kürzer ist als die Presseaussendung*, werden Teile der Pressemitteilung mit anderen Worten wiederholt:
"Der PR-Ethik-Rat ist daher der Meinung, dass es weder sinnvoll noch gerechtfertigt wäre, einzelne Fälle herauszugreifen und dazu Sprüche zu fällen. Vielmehr scheint es angebracht, die Angelegenheit auf breiter Basis zu thematisieren und diskutieren."Dafür braucht man also Selbstregulierung in der PR: nicht zur Förderung ethischer Standards, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen, sondern um über die massenhafte Verletzung der gesetzlichen Mindeststandards "auf breiter Basis" zu diskutieren (mit anderen Worten: nichts Konkretes zu unternehmen bis zur nächsten Presseaussendung, die in etwa einem halben Jahr zu erwarten ist).
Noch etwas zur Statistik: Nach den Angaben auf seiner Website gab es seit Einrichtung des PR-Ethik-Rats so viele Beschwerden wie Presseaussendungen: genau drei (in der Presseaussendung wird in PR-typischer Präzision auf "zahlreiche Beschwerden" hingewiesen). Zwei der Beschwerden betrafen mehrere Fälle, sodass rechnerisch immerhin auf jedes Ratsmitglied (es gibt deren elf!) ein Fall kommt.
Was den versprochenen "großen und mutigen Schritt vorwärts" betrifft, denke ich da eher an Billy Bragg: "You can be active with the activists / Or sleep in with the sleepers / While youre waiting for the great leap forward".
*) Dem Positionspapier angeschlossen sind auch "Erläuterungen", durch die das Gesamtdokument dann sogar etwas länger als die Presseaussendung wird. Warum aber dieser Text, der aus einer kursorischen - und teilweise falschen - Zusammenstellung der gesetzlichen Grundlagen und der Bestimmungen des PRVA-Ehrenkodizes sowie Auszügen aus einer Dissertation zur Schleichwerbung besteht, "Erläuterungen" genannt wird, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Der rechtliche Fehler betrifft § 1 UWG, der seit mehr als eineninhalb Jahren einen ganz anderen als im Positionspapier wiedergegebenen Wortlaut hat; ebenso lange gilt auch schon die nicht erwähnte, aber in diesem Zusammenhang einschlägige Z. 11 des Anhangs zum UWG.
PS: bisher in dieser Serie: "Alles kein fake" (zum Medienrat), coming up (bei Gelegenheit) - Werberat, Presserat, Internetrat
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