Dem aktuellen profil (Presseaussendung) ist nun zu entnehmen, dass in der kommenden Stiftungsratssitzung über die "Reaktivierung der Arbeitsgruppe Corporate Governance" gesprochen werden soll - woraus ich schließe, dass diese Arbeitsgruppe gegenwärtig nicht aktiv ist (ob sie jemals wirklich aktiv war, lässt sich von außen schwer beurteilen: von einem Ergebnis war jedenfalls nirgends zu lesen). Anlass für den plötzlichen Reaktivierungseifer, der vom Vertreter
Die klassischen Corporate Governance-Regeln, wie sie im Österreichischen Corporate Governance Kodex (Fassung 2010) - primär für börsennotierte Aktiengesellschaften - festgehalten sind, würden dies allerdings nicht ausschließen: denn der Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand (der im ORF einem Wechsel vom Stiftungsrat zum Generaldirektor entsprechen würde, Direktoren und Landesdirektoren sind im ORF ja nicht erste, sondern zweite Führungsebene) kommt auch bei börsennotierten Aktiengesellschaften vor und ist aus Corporate Governance-Sicht wesentlich unproblematischer als umgekehrt: ein früheres Vorstandsmitglied soll nicht sofort zum Aufsichtsratschef werden, da es ja in dieser Funktion die frühere Tätigkeit kontrollieren würde (Regel 55 im CG-Kodex: "Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist nicht der ehemalige Vorstandsvorsitzende, es sei denn, es liegt ein Zeitraum von 2 Jahren zwischen der Beendigung der Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender und dem Beginn der Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender.").
Aber ein ORF-spezifischer Corporate Governance Kodex könnte natürlich über die für Aktiengesellschaften geltenden Regeln hinausgehen; dagegen sind viele Punkte des auf börsennotierte Unternehmen zugeschnittenen österreichischen Corporate Governance Kodex auf den ORF gar nicht sinnvoll anzuwenden, manche der Regeln (etwa über die Größe des Vorstands - zwingend: mehrere Personen - und des Aufsichtsrats: höchstens 10, ohne Arbeitnehmervertreter) könnten für den ORF ohne Gesetzesänderung gar nicht umgesetzt werden. Dennoch gäbe es meines Erachtens ein paar Regeln, über die der Stiftungsrat durchaus nachdenken könnte, zum Beispiel:
"Der Aufsichtsrat befasst sich jährlich mit der Effizienz seiner Tätigkeit, insbesondere mit seiner Organisation und Arbeitsweise (Selbstevaluierung)." (Regel 36, C [comply or explain])Und besonders nett finde ich folgende Regel aus der einschlägigen Kommissions-Empfehlung: "Der Verwaltungs-/Aufsichtsrat sollte jährlich überprüfen, in welchen Bereichen seine Mitglieder ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auffrischen müssen."
Zur Bestellung des Vorstands: "Der Aufsichtsrat hat abhängig von der Unternehmensausrichtung und der Unternehmenslage ein Anforderungsprofil zu definieren und darauf bezogen, auf der Grundlage eines definierten Besetzungsverfahrens, die Vorstandsmitglieder zu bestellen. ... Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat auf eine Nachfolgeplanung Bedacht zu nehmen." (Regel 38, C)
"Geraten Aufsichtsratsmitglieder in Interessenkonflikte, haben sie dies unverzüglich dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats offen zu legen. Gerät der Vorsitzende in Interessenkonflikte, hat er dies unverzüglich seinem Stellvertreter offen zu legen." (Regel 46, C)
"Jedes neue Mitglied des Aufsichtsrats hat sich angemessen über Aufbau und Aktivitäten des Unternehmens sowie über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Aufsichtsräten zu informieren." (Regel 52, C)
Update: am 15.12.2011 hat der Stiftungsrat tatsächlich so etwas ähnliches wie Corporate Governance-Regeln beschlossen, siehe die §§ 14 und 15 der Stiftungsrat-Geschäftsordnung sowie die "Ausführungsbestimmungen" zu § 14 Abs 3 der Stiftungsrat-Geschäftsordnung.
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