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EGMR-Rechtsprechung zu Art 10 EMRK

Im Blog werden immer wieder auch Urteile und Entscheidungen*) des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besprochen, vor allem natürlich Fälle zum Artikel 10 EMRK. Auf dieser Seite stelle ich zur einfacheren Übersicht Links zu den einschlägigen Urteilen bzw Entscheidungen zusammen, meist ergänzt um ein paar Stichworte zum Thema/Inhalt der jeweiligen Entscheidung. Die Zusammenstellung dokumentiert die für dieses Blog einschlägige Rechtsprechung des EGMR im Wesentlichen seit April 2010, in chronologischer Reihenfolge (neueste zu Beginn). Natürlich kann ich nicht die gesamte Rechtsprechung im Blog näher darlegen, soweit ich aber zu den Fällen etwas geschrieben habe, ist das hier verlinkt. Zu einer Übersicht über Fälle betreffend Österreich seit 1.11.1998 siehe hier. Eine Liste ausgewählter anhängiger Fälle findet sich hier. Für eine strukturierte Übersicht über die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK in den Jahren 1994 bis 2020 ist auch auf das E-Book "Freedom of Expression, the Media and Journalists - Case-law of the European Court of Human Rights" (6th edition) des European Audiovisual Observatory sowie auf den Guide on Article 10 of the European Convention on Human Rights des EGMR (Updated - April 2021) zu verweisen.

2024  
  • 28. November 2024, Klaudia Csikós gegen Ungarn (Appl. no. 31091/16); Journalistin einer Tageszeitung, deren Telefon nach ihren Angaben zwischen 3. und 6. November 2015 abgehört worden war, um ihre journalistischen Quellen zu identifizieren; aufgrund eines Gerichtsbeschlusses wurde das Telefon eines Polizisten, mit dem die Journalistin in Kontakt stand, überwacht; dieser wurde in der Folge wegen Geheimnisverrats angeklagt, aber letztlich freigesprochen; die Journalistin war überzeugt, dass die Überwachung des Polizisten nur erfolgte, weil dieser zunächst durch Überwachung ihres Telefons als ihre Quelle identifiziert worden sei; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung der Art. 8 und 10 EMRK fest, da es im nationalen Recht keine ausreichenden prozeduralen Garantien gab, die der Beschwerdeführerin ermöglicht hätten, eine Überwachung gerichtlich zu bekämpfen.
  • 26. November 2024, Kotov gegen Russland (Appl. nos. 49282/19 and 50346/19; Pressemitteilung); verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen wegen der Teilnahme an nicht genehmigten (Protest-)Veranstaltungen und wegen des Postens von Aufrufen dazu; Verletzung der Art. 10 und 11 EMRK (sowie wegen nachfolgender strafgerichtlicher Verurteilungen auch Verletzungen der Art. 5, 6, 8 und 11 EMRK).
  • 21. November 2024, Szabó gegen Ungarn (Appl. no. 29627/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. November 2024, Azadliq and Jabrayilzade gegen Aserbaidschan (Appl. no. 10987/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. November 2024,  Afgan Mammadov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 43327/14); Anwalt, der eine Beschwerde an das Präsidium der Anwaltskammer gerichtet hatte, weil ein anderer Anwalt und Direktor einer Rechtsberatungseinrichtung in der Mehrzahl der Fälle, in denen ein staatlicher Verteidiger zu bestellen war, an sich selbst vergab und dann selbst nicht tätig wurde, sondern die Tätigkeit von anderen ausführen ließ; außerdem habe er mehrere Mandate rückdatiert; der beschwerdeführende Anwalt wurde schließlich aus der Anwaltskammer ausgeschlossen; der EGMR kam zum Ergebnis, das die Art, wie die allgemein gehaltenen Vorschriften über den Ausschluss gehandhabt wurden, keinen Schutz gegen willkürliche Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit boten; jedenfalls hatten die nationalen Gerichte aber keine ausreichenden und relevanten Gründe für den Eingriff dargelegt, daher wurde eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt (einstimmig).
  • 12. November 2024, Associated Newspapers Limited gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 37398/21; Pressemitteilung); die Medieninhaberin der Daily Mail und Mail on Sunday war in zwei Fällen wegen unzulässig identifizierender Verdachtsberichterstattung bzw. Kreditschädigung zu Entschädigungen (83.000 GBP bzw. 65.000 GBP) verurteilt worden; sie hatte dafür den Gegner*innen Kosten von rund 822.000 GBP bzw. 709.000 GBP zu ersetzen, wobei in einem Fall ein Erfolgszuschlag (aufgrund eines CFA, "conditional fee arangement") und in beiden Fällen auch die Prämien für eine ATE-Versicherung (nach dem Ereignis [=der Berichterstattung] abgeschlossene Rechtsschutzversicherung) enthalten waren; der EGMR wendete die Grundsätze aus dem Urteil MGN Ltd an und kam zum Ergebnis, dass die Pflicht zum Ersatz des Erfolgszuschlags unverhältnismäßig war (Verletzung des Art. 10 EMRK, einstimmig), die Pflicht zum Ersatz der ATE-Prämie aber - fallbezogen - nicht (keine Verletzung des Art. 10 EMRK, ebenso einstimmig). 
  • 12. November 2024, Baysal gegen Türkei (Appl. no. 1162/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verweigerung der Aushändigung eines (englischsprachigen) Buches an einen Untersuchungshäftling; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. November 2024, Bakradze gegen Georgien (Appl. no. 20592/21); ehemalige Richterin und Vorsitzende einer (kleinen) Vereinigung von Richter*innen, die sich kritisch zu Entwicklungen in der georgischen Justiz und zur Arbeitsweise des Justizrats äußerste; sie wurde bei zwei Bewerbungen um eine Wiederbestellung übergangen, wobei der Justizrat in den Bewerbungsgesprächen jeweils sehr viel Zeit für Fragen zur Vereinigung und zu der von dieser geäußerten Kritik verwendete; die Richterin sah sich dadurch wegen ihrer Äußerungen und ihrer Funktion in der Vereinigung diskriminiert, ihre Klage blieb vor den nationalen Gerichten aber erfolglos; der EGMR kam zum Ergebnis, dass sie einen prima facie-Beweis (Anscheinsbeweis) erbracht habe und dies zu einer Verschiebung der Beweislast zu den nationalen Behörden hätte führen müssen; er stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 10 und 11 EMRK fest; zustimmendes Sondervotum der spanischen Richterin Elósegui, die auf die Gefahr hinweist, dass sich bei der Auswahl von Richter*innen durch Justizräte die Eigeninteressen bestimmter Gruppen von Richter*innen zum Schaden von anderen Gruppen auswirken könnten und Freundschaft und Netzwerke wichtiger für die Auswahl werden könnten als die berufliche Qualifikation.(siehe zur Situation in Georgien den Aufsatz von Nino Tsereteli, Constructing the Pyramid of Influence: Informal Institutions as Building Blocks of Judicial Oligarchy in Georgia; sowie ihren Beitrag auf dem Verfassungsblog).
  • 5. November 2024, Ferreira e Castro da Costa Laranjo gegen Portugal (Appl. nos. 33203/20 and 45884/22); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; TV-Journalistin, wurde wegen Missachtung des Gerichts zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie Aufnahmen aus einer Vernehmung eines früheren Ministers, gegen den Untersuchungen aufgrund von Korruptionsvorwürfen geführt wurden, gesendet hatte; zudem wurde sie deshalb in einem Zivilverfahren zu einer Entschädigung verurteilt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die beiden Verfahren (straf- und zivilrechtlich) insgesamt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung bewirkt hatten, der in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist.
  • 22. Oktober 2024, Kobaliya u.a. gegen Russland (Appl. no. 39446/16 u.a.; Pressemitteilung); "foreign agents"-Gesetz; Verletzung der Art. 10, 11 und 8 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des Richters Serghides).
  • 22. Oktober 2024, Yüksek gegen Türkei (Appl. no. 4/18); Untersuchungshaft über einen Funktionär eine pro-kurdischen Partei, der wegen des Inhalts seiner Reden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verdächtigt wurde, Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig) sowie des Art 5 Abs. 3 EMRK (6:1 Stimmen).
  • 17. Oktober 2024, Adilov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 51856/14); Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 15. Oktober 2024, Gadzhiyev und Gostev gegen Russland (Appl. nos.73585/14 et 51427/18; Pressemitteilung); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).  
  • 15. Oktober 2024, Ilias Kanellis und Andreas Pappas gegen Griechenland (Appl. no. 82623/17) und Maria Vasilaki und Emmanouil Vasilakis gegen Griechenland (Appl. no. 83043/17);  Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführer:innen waren ein Journalist, zwei Geschäftsführer und die Eigentümerin und Chefredakteurin der Zeitschrift "The Athens Review of Books", in der in einem Artikel Kritik an einer Buchpräsentation eines Politikers und Universitätsprofessors im alten Parlament geübt wurde; der Politiker wurde u.a. als "wahrer Gauleiter des Stalinismus" und eifriger Proponent des Honecker-Regimes bezeichnet, der mit Unterstützung der Partei in Ostdeutschland studiert habe; die Beschwerdeführer:innen wurden zu einer Entschädigung von 10.000 € verurteilt, da es für die starken Werturteile keine Tatsachengrundlage gegeben habe bzw. die Tatsachen falsch waren (so hatte der Politiker nicht in Ost-, sondern in Westdeutschland studiert, und war dabei nicht von der kommunistischen Partei unterstützt worden; und auch wenn er in seiner Jugend führendes Mitglied der kommunistischen Jugendorganisation und der kommunistischen Partei gewesen war, konnte keine Verbindung zu den extremen Methoden des Honecker-Regimes oder eine Bewunderung dafür festgestellt werden); der EGMR schloss sich er Beurteilung der nationalen Gerichte an, dass die Grenzen  eines verantwortungsvollen Journalismus überschritten worden waren; ie Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 8. Oktober 2024, Aghajanyan gegen Armenien (Appl. no. 41675/12); Chemiker in einem zu 10% staatlich kontrollierten Unternehmen wies in einem Interview in einer Zeitung auf mögliche Gefahren aufgrund unsachgemäßer Lagerung von Chemikalien in der Fabrik hin (nachdem er zuvor das Management zweimal darauf aufmerksam gemacht hatte); er wurde daraufhin gekündigt, weil er im Interview - entgegen einer vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung - auch Angaben über die Höhe der Gehälter in der Fabrik gemacht hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2024, Kajganić gegen Serbien (Appl. no. 27958/16); die Beschwerdeführerin war Strafverteidigerin in Verfahren im Zusammenhang mit der Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Đinđić; ein einem Artikel in der Zeitschrift Vreme wurde behauptet, es gäbe ein Transkript eines Telefongesprächs der Beschwerdeführerin mit ihrem Klienten, in dem sie angegeben habe, sie hätte über ihre alten Freunde (die die zwei mächtigsten Männer im Staat seien) für ihren Klienten den Status eines "kooperierenden Zeugen" erwirkt, im Gegenzug gegen dessen falsche Beweisaussage im Prozess; die von der Beschwerdeführerin gegen den Journalisten erhobene Klage auf Entschädigung blieb erfolglos, obwohl es dem Journalisten nicht gelang, das Transkript vorzulegen und er auch seine Quellen nicht nannte; die Beschwerde wurde auf Art. 8 EMRK gestützt und der EGMR führte die bekannte Abwägung der Interessen nach Art. 8 und nach Art. 10 EMRK durch; er ging zunächst davon aus, dass der Vorwurf, die Verteidigerin habe einen besonderen Status für ihren Klienten im Gegenzug für eine falsche Aussage erwirkt, ihren Ruf beeinträchtigen könne und auch ausreichend schwerwiegend ist; der Artikel habe einen Beitrag zu einer Debatte von ernsthaftem öffentlichen Interesse geliefert, die Beschwerdeführerin habe als Verteidigerin in einem "high profile"-Fall auch die öffentliche Arena betreten und habe mit entsprechenden Medienberichten rechnen müssen; der Artikel habe sich zudem nur mit ihrer beruflichen Tätigkeit befasst; die Zeitschrift hat auch eine von der Verteidigerin beantragte Richtigstellung abgedruckt; schließlich betont der EGMR die Bedeutung des journalistischen Quellenschutzes und verwies darauf, dass die nationalen Gerichte festgestellt hatten, dass der Journalist seine Informationen von einer vertrauenswürdigen Quelle erhalten habe und er seine journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten habe; eine vorherige Kontaktaufnahme mit der Beschwerdeführerin sei nicht erfolgt, diese sei aber auch nicht geboten; insgesamt sah der EGMR daher (einstimmig) keine Verletzung des Art. 8 EMRK, da die nationalen Gerichte die erforderliche Abwägung vorgenommen hatten, insbesondere im Hinblick auf den Quellenschutz, und relevante und ausreichende gründe dargelegt hatten, wonach das öffentliche Interesse an den Strafverfahren im Zusammenhang mit der Ermordung des Ministerpräsidenten das Bedürfnis nach Schutz der Ehre und des guten Rufs einer Verteidigerin überwog.
  • 8. Oktober 2024, Yorulmaz gegen Türkei (Appl. no. 41400/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2024, Erdoğan u.a. gegen Türkei (Appl. nos. 61243/19 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2024, Açıkgöz gegen Türkei (Appl. no. 45123/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2024, Özlü gegen Türkei (Appl. no. 45204/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2024, Lutz Schelhorn und Danny Schelhorn gegen Deutschland (Appl. no. 10876/21); Unzulässigkeitsentscheidung; zwei Mitglieder des Stuttgarter Chapters der Hells Angels bekämpften erfolglos das Verbot der öffentlichen Verwendung der Kennzeichen des Hells Angels Motorcycle Club (nationale Letztentscheidung des BVerfG); der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unzulässig zurück.
  • 24. September 2024, Korkut gegen Türkei (Appl. no. 3344/21); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen Verbreitung von Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt worden, wobei der Strafausspruch für fünf Jahre ausgesetzt wurde; diese Aussetzung des Strafausspruchs gewährt nicht den notwendigen Schutz gegen Willkür, sodass keine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Eingriff vorlag; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. September 2024, Tukacs u.a. gegen Ungarn (Appl, no. 75465/17); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 12. September 2024, APNEL (Association pour la Promotion du Naturisme En Liberté) gegen Frankreich (Appl. no. 42156/23); Unzulässigkeitsentscheidung; Verbot des Naked Bike Ride in Paris, mit dem gegen eine Bestimmung des Strafgesetzbuches, die eine "sexuelle Zurschaustellung" verbietet, protestiert werden sollte; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; de Verein hätte sich bewusst für eine Rechtsverletzung entschieden, die nationalen Gerichte hatten eine ausreichende Abwägung vorgenommen. 
  • 12. September 2024, Marie Peyraube gegen Frankreich (Appl. no. 321/24); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin ist Journalistin und hatte eine Dokumentation über einen damals flüchtigen Angehörigen der organisierten Kriminalität gearbeitet; als dieser festgenommen wurde, stellte sich heraus, dass er überwacht worden war; die Beschwerdeführerin versuchte daraufhin erfolglos, die Überwachungsmaßnahmen, soweit auch sie davon betroffen war, für rechtswidrig erklären zu lassen; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück, weil die Beschwerdeführerin keine Schadenersatzklage eingebracht hatte.
  • 10. September 2024, Dianova ua gegen Russland (Appl. no. 21286/15 ua); Amateurfilmer, hatten sich in einer verlassenen Ecke eines öffentlichen Parks eingefunden, um "in Form eines satirischen Flashmobs" einen Film zu drehen; dabei war ein Schauspieler als Präsident Putin verkleidet; Bestrafung wegen Teilnahme an einer (nicht bewilligten) öffentlichen Veranstaltung; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. September 2024, Tânia Alexandra Ferreira e Castro da Costa Laranjo gegen Portugal (Appl. no. 50253/18); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin ist eine bekannte Journalistin, über die wegen eines Zitats aus dem Gespräch zweier Politiker, das sie aus einem Gerichtsakt hatte (weil sie als Assistentin des Staatsanwalts arbeitete), eine Strafe wegen Missachtung des Gerichts verhängt wurde; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück, da das Gespräch keine Angelegenheit von allgemeinem Interesse betraf (sondern nur privat ausgetauschte Meinungen über andere Politiker), und nur der Befriedigung der Neugier diente; zudem war die Strafe mit zehn Tagsätzen (insgesamt € 1.000) nicht unverhältnismäßig.
  • 5. September 2024, Wais gegen Polen (Appl. no. 27806/17); Unzulässigkeitsentscheidung; Rechtsberaterin und Aktivistin; vertrat Angestellte eines Kindergartens und veröffentlichte danach einen Artikel auf der Website ihrer Organisation, in dem sie die Kindergartenleitung kritisierte; sie wurde daraufhin vom Disziplinargericht der Rechtsberater mit einem Verweis belegt, weil sie Informationen aus einem Gerichtsverfahren offengelegt habe; die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 3. September 2024, Onurhan Solmaz gegen Türkei (Appl. no. 42711/13);  Unzulässigkeitsentscheidung; eine Anti-Diskriminierungs-NGO und deren Obfrau, eine Transgender-Person, hatten aufgrund eines Zeitungsartikels, in dem Transgender-Personen u.a. als abscheulich bezeichnet wurden, Anzeige wegen Verleumdung und Aufruf zu Hass erstattet; das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt; die Beschwerde des Vereins wurde wegen fehlender Opfereigenschaft, jene der Obfrau als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; der EGMR stützt sich dabei vor allem darauf, dass der Artikel, so deplorabel sie auch waren, nicht zwingend nur durch strafrechtliche Mittel zu bekämpfen waren und dass der - grundsätzlich offenstehende - Zivilrechtsweg auch geeignet gewesen wäre.  
  • 29. August 2024, Jean-Paul Lefebvre gegen Frankreich (Appl. no. 12767/21); oppositioneller Stadtrat, hatte im Zusammenhang mit staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen Unterschlagungen in einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen auf seiner Seite auf Facebook gepostet, er hoffe, dass in den Ermittlungen alle Umstände aufgeklärt würden, in den "mafiösen Exzessen", die in der Stadt seit fünfeinhalb Jahren herrschten; er wurde daraufhin zivilrechtlich zu einer symbolischen Entschädigung an das Unternehmen von 1 € und zur Urteilsveröffentlichung verurteilt; der EGMR kommt letztlich zum Ergebnis, dass die Vorwürfe nicht bloß Werturteile waren, sondern durch die Unterstellung, dass ein Schusswaffenangriff auf einen Gemeinderat  auch im Rahmen einer "mafiösen Abrechnung" in Zusammenhang mit dem Unternehmen war,  auch eine Tatsachenbehauptung erfolgte, für die es keine Tatsachengrundlage gab; zudem war die Sanktion sehr moderat; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 29. August 2024, The Media Rights Institute gegen Aserbaidschan (Appl. no. 33394/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die beschwerdeführende NGO hatte Zugang zu verschiedenen Gesetzesentwürfen bzw. -beschlüssen begehrt und behauptet, dass dies Informationen notwendig seien, um über die Transparenz parlamentarischer Aktivitäten zu berichten; die Beschwerde wurde ratione materiae zurückgewiesen, da die beschwerdeführende NGO nicht belegt hatte, dass sie die nachgefragten Informationen tatsächlich für ein Projekt  spezifisch zu den parlamentarischen Aktivitäten gebraucht habe oder Informationen dazu verbreiten hätte wollen (vielmehr schien der Zugang nur deshalb begehrt worden zu sein, um die Weigerung des Parlaments nur für die Statistik zu verwenden, wie oft Zugang verweigert wurde); zudem sei das Ziel des begehrten Informationszugangs auf nationaler Ebene nicht ausreichend erklärt worden, sodass die NGO aus Sich des EGMR nicht demonstriert habe, dass sie tatsächlich als public watchdog tätig geworden wäre, sodass im konkreten Fall kein Recht auf Zugang zur Information bestanden habe.
  • 27. August 2024, Bielau gegen Österreich (Appl. no. 20007/22; legal summary);Disziplinarstrafe (bedingte Geldstrafe von 2.000 €) gegen Arzt, der auf seiner Website die Existenz pathogener Viren leugnete und meinte, dass Impfungen nicht schützen und die Natur keine Krankheit kenne; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des Richters Vehabović); siehe dazu meinen Post auf LinkedIn.
  • 27. August 2024, Harutyunyan gegen Armenien (Appl. no. 15028/16; legal summary); Mitarbeiter eines Energieversorgers, wandte sich an ein firmeninternes Whistleblower-System mit einem Bericht über einen möglichen Korruptionsfall im Unternehmen; der Bericht wurde dem Betroffenen gezeigt, worauf dieser ihn wegen Beleidigung/übler Nachrede klagte; der Beschwerdeführer wurde zu einer Entschuldigung und Entschädigung verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Juli 2024, Delga gegen Frankreich (Appl. no. 38998/20); Verurteilung der Präsidentin des Regionalrates von Okzitanien wegen Diskriminierung einer juristischen Person; die Beschwerdeführerin hatte sich als Präsidentin der Region geweigert, einen Vertrag mit einer Stadt (eine Art raumplanerisches Instrument) zu unterzeichnen; das Gericht kam zum Ergebnis, dass es für die Weigerung keine gerechtfertigten Gründe gab (mit allen anderen Gemeinden der Region war der Vertrag unterzeichnet worden, der einzige Unterschied war, dass die Gemeinde, mit der der Vertrag nicht geschlossen wurde, einen rechtsextremen Bürgermeister hatte und die Präsidentin  sich auch im Regionalrat deutlich ablehnend gegen Rechtsextreme geäußert hatte); Verletzung des Art. 7 EMRK.
  • 9. Juli 2024, Gümüş gegen Türkei (Appl. no. 44984/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Propaganda zu Gunsten einer terroristischen Organisation aufgrund mehrerer Facebook-Posts; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9, Juli 2024, Aktaş gegen Türkei (Appl. no. 64870/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Nichtaushändigung einer Buchreihe, die dem Beschwerdeführer, der sich in Haft befand, per Post zugesandt wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 2. Juli 2024, Association against illegal surveillance (Foreningen imod Ulovlig Logning) gegen Dänemark (Appl. no. 37050/22); Unzulässigkeitsentscheidung; Vereinigung gegen Überwachung, hatte vergeblich die Aufhebung einer Vorschrift über die Vorratsdatenspeicherung begehrt.; zurückgewiesen wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs.
  • 25. Juni 2024, National Youth Council of Moldova (Consiliul Național al Tineretului din Moldova [CNTM]) gegen Moldau (Appl. no. 15379/13; Pressemitteilung); Weigerung einer Gemeindeverwaltung, Plakate der beschwerdeführenden Vereinigung (Jugendrat) gegen Diskriminierung aufzuhängen, weil darin bestimmte soziale Gruppen in erniedrigender Weise dargestellt würden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 25. Juni 2024, Ukraine gegen Russland (re: Crimea) (Appl. nos. 209548/14 und 38334/18; Pressemitteilung; legal summary); Urteil der Großen Kammer; Verletzungen (ua) des Art. 10 EMRK (einstimmig) wegen Unterdrückung nichtrussischer Medien einschließlich der Schließung ukrainischer und krim-tatarischer TV-Stationen sowie rechtswidriger Freiheitsentziehung, Verfolgung und Verurteilung ukrainischer politischer Gefangener auf der Krim wegen Ausübung ihrer Meinungsfreiheit, siehe dazu auch den Beitrag von Kanstantsin Dzehtsiarou auf EJIL:Talk!.
  • 25. Juni 2024, Public Association for Assistance to a Free Economy gegen Aserbaidschan (Appl. no. 12759/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die beschwerdeführende Organisation begehrte (im Jahr 2010) von der in staatlichem Eigentum stehenden Aserbaidschanischen Rundfunkgesellschaft (AzTV) bestimmte Informationen (Budget, Gehälter bestimmter Angestellter, Ausgaben für Treibstoff und Reparaturen von Fahrzeugen und für die Sanierung von Gebäuden); sie gab an, die Informationen zu benötigen, um Analysen zum Budget von AzTV durchzuführen und Informationen zur Transparenz des Budgets bereitzustellen; der EGMR ließ offen, ob AzTV dem Staat zurechenbar sei, da die Beschwerde schon ratione materiae unzulässig war: im Rahmen der Prüfung der MHB-Kriterien hielt der Gerichtshof fest, es sei - ohne weitergehende Informationen zum Kontext - schwierig zu akzeptieren, dass die  nachgefragte detaillierte Information (zB zum Gehaltsschema und zu Treibstoff - und Reparaturkosten von Fahrzeugen) zwingend von öffentlichem Interesse war; andere Informationen zum Budget waren bereits veröffentlicht, und wiederum bei weiteren detailliert nachgefragten Informationen war zweifelhaft, ob sie "ready and available" waren; auch das verfolgte Ziel war nur vage umschreiben worden; "In sum, there is an insufficient amount of detail concerning the purposes for which the information was sought, and the applicant organisation’s submissions made before the domestic courts and the Court were vague, lacked convincing arguments, and were unsupported by any relevant material." Vor diesem Hintergrund sei der beschwerdeführenden Organisation der Nachweis nicht gelungen, dass die nachgefragten Informationen dem "public interest"-Test genügten oder instrumentell für die Ausübung der freien Meinungsäußerung gewesen wären.
  • 25. Juni 2024, Public Association for Assistance to a Free Economy gegen Aserbaidschan (Appl. no. 27642/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die beschwerdeführende Organisation hatte beim Ministerkabinett um Informationen angefragt, ob dieses für den Präsidenten Entwürfe vorbereitet hatte, um bestimmte (untergesetzliche) Rechtsvorschriften an eine neue Verordnung anzupassen, und ob das Kabinett bestimmte andere Rechtsvorschriften bereits angenommen habe; zum zweiten Teil der Anfrage hielt der EGMR fest, dass eine offen zugängliche Datenbank aller Rechtsvorschriften besteht und daher das Fehlen der nachgefragten Vorschriften bedeutete, das diese noch nicht angenommen worden waren; hinsichtlich der Entwürfe führte der EGMR aus, dass diese noch Änderungen unterworfen seien und die endgültige Version schließlich angenommen und veröffentlicht würde; daher würden diese Informationen keine Angelegenheit öffentlichen Interesses sein, die derart formalistische  Anfragen der beschwerdeführenden Organisation rechtfertigen würden. Außerdem könne aus den Unterlagen nicht ersehen werden, dass die Informationen tatsächlich für ei echtes Forschungsprojekt mit einer Perspektive, dass die Ergebnisse mit der Öffentlichkeit geteilt werden sollten, benötigt worden wären; vor diesem Hintergrund habe kein Recht auf Zugang zu den begehrten Informationen bestanden und es müsse auch nicht geklärt werden, ob die beschwerdeführende Organisation als "public watchdog" zu beurteilen ist, das dies allein nicht ausreichen würde; die Beschwerde wurde daher ratione materiae zurückgewiesen.
  • 20. Juni 2024, Boronyák gegen Ungarn (Appl. no. 4110/20); Verurteilung eines TV-Schauspielers zu einer vertraglich vereinbarten Pönalezahlung (ca. 26.000 €), weil er einem Investigativreporter die Höhe seines (vertraglich vertraulich zu haltenden) Gehalts bei einer TV-Produktionsfirma verraten hatte; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Evangelos Orestis Vouvonikos auf Strasbourg Observers.
  • 20. Juni 2024, Friedrich ua gegen Polen (Appl. nos. 25344/20 ua); die Beschwerdeführer:innen (16 Greenpeace-Aktivist:innen und zwei Journalisten) hatten an Protesten gegen Kohleimporte in Polen teilgenommen, bei denen sie mit dem Schiff Rainbow Warrior bzw. Beibooten einen Kohlefrachter am Einlaufen in den Hafen von Danzig blockierten (siehe dazu zB dieses Video und diesen Bericht); sie wurden von der Küstenwache festgenommen und knapp zwei Tage angehalten, die Strafverfolgung wurde aber dann eingestellt, weil das vorgeworfene Delikt (Nichtbefolgung einer Anordnung eines  mit der Verkehrsregelung betrauten Organs) nur im Straßenverkehr verwirklicht werden kann; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen von Art. 5 Abs. 1 und 2 EMRK fest und daran anknüpfend - weil die Anhaltung rechtswidrig war, war auch die damit verbundene Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit rechtswidrig - auch Verletzungen des Art. 10 EMRK.
  • 18. Juni 2024, Suprun ua gegen Russland (Appl. nos. 58029/12 ua; Pressemitteilung); Zugang zu Informationen; fünf Historiker:innen, die zur Geschichte politischer Unterdrückung in der Sowjetunion forschten, eine Schweizerin, die als Großnichte von Raoul Wallenberg Zugang zu Dokumenten über das Schicksal ihres im Gefängnis des FSB zu Tode gekommenen Großonkels bekommen wollte und die NGO International Memorial beschwerten sich im Wesentlichen darüber, dass ihnen der Zugang zu Archivinformationen verwehrt bzw nur sehr eingeschränkt (zeitlich beschränkt und ohne Ermöglichung der Anfertigung von Kopien oder Fotos der Dokumente) gewährt wurde; der EGMR stellte (insofern einstimmig) Verletzungen von Art. 10 EMRK fest; da die Betroffenen tot waren, kam keine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte nach Art. 8 EMRK in Betracht und die Verweigerung der Möglichkeit, Kopien oder Fotos anzufertigen, war in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.
  • 18. Juni 2024, Andrey Rylkov Foundation ua gegen Russland (Appl nos. 37949/18 ua; Pressemitteilung); die Beschwerden betrafen das Gesetz gegen unerwünschte Organisationen; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 11 im Lichte des Art. 10 EMRK hinsichtlich der betroffenen Organisationen und eine Verletzung der Art. 10 und 11 EMRK im Hinblick auf jene Personen, die wegen ihrer Beteiligung an den unerwünschten Organisationen verurteilt worden waren, fest.
  • 13. Juni 2024, RFE/RL Inc. gegen Aserbaidschan (Appl. no. 56138/18); Sperre der (gesamten) Websites von vier Medienorganisationen wegen angeblich rechtswidriger Inhalte in einzelnen dort veröffentlichten Beiträgen; im Verfahren brachte die aserbaidschanische Regierung vor, dass den Betroffenen kein erheblicher Nachteil iSd Art 35 Abs. 3 lit. b EMRK entstanden sei, weil die Websites via VPN zugänglich geblieben seien - dies wurde vom EGMR nicht geteilt; in der Sache  kam der EGMR zum Ergebnis, dass sich die Sperranordnungen nicht auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage stützen konnten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2024, Frank Christmann gegen Frankreich (Appl. no. 16710/20); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Professor für Ethik und lebte in Nizza; im Lauf des Jahres 2017 postete er mehrere beleidigende und drohende Kommentare auf Online-Plattformen und bedrohte u.a. einen Anwalt, zwei Richter und einen Polizisten und kommentierte die Terroranschläge in Manchester und Nizza; er wurde wegen Billigung des Terrorismus und wegen Morddrohungen gegenüber Personen in öffentlichen Ämtern zu zwei Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung von zehn Monaten nach Deutschland abgeschoben; der EGMR hielt fest, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers auf seinem frei zugänglichen Blog offene Morddrohungen und ausdrückliche Aufforderungen zur Ermordung von Personen enthielten, zudem fremdenfeindlich waren und Hassrede darstellten; der EGMR kam daher (einstimmig) zum Ergebnis, dass diese Äußerungen aufgrund von Art. 17 EMRK nicht in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK fallen, sodass die Beschwerde ratione materiae als unzulässig zurückgewiesen wurde.
  • 11. Juni 2024, Ferreira Victorino de Queirós gegen Portugal (Appl. no. 23063/18); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Journalist, wurde wegen übler Nachrede wegen eines Berichts  über die Anklage gegen einen Lehrer, der des Kindesmissbrauchs verdächtigt wurde, verurteilt; der Lehrer war mit dem vollen Vornamen und dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamens genannt worden und dadurch leicht identifizierbar; allerdings stützte sich die Berichterstattung auf die zu diesem Zeitpunkt öffentlich zugängliche Anklage; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 4. Juni 2024, Bosev gegen Bulgarien (Appl. no. 62199/19; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer ist Journalist; er hatte den Leiter der Finanzmarktaufsicht verdächtigt, an Geldwäsche beteiligt zu sein; im Verleumdungsverfahren hatte er (erfolglos) die Richterin abgelehnt, weil er sie mehrfach - einige Jahre zuvor und ohne Zusammenhang mit dem Verfahren in Artikeln massiv kritisiert und ihre professionelle Integrität in Zweifel gezogen hatte (u.a. hatte er ihr Verfahrensverzögerungen und rückdatierte Urteile sowie die Zugehörigkeit zu einem privilegierten Kreis hochrangiger und korrupter Richter vorgeworfen); er wurde schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung der Art. 6 und 10 EMRK fest, da die betroffene Richterin selbst die Entscheidung über den Ablehnungsantrag verfasst und dagegen kein Rechtsmittel möglich war.
  • 4. Juni 2024, Sokolovskiy gegen Russland (Appl. no. 618/18); Verurteilung zu zwei Jahren und drei Monaten Haft auf Bewährung wegen Anstiftung zu Hass und Herabwürdigung religiöser Lehren durch eine Serie von YouTube-Videos, in denen u.a. Jesus mit einem Pokémon verglichen oder Muslimen die Befolgung altertümlicher, heute negativ zu beurteilender Gebräuche vorgeworfen wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); die nationalen Gerichte haben keine relevanten und ausreichenden Gründe für die Verurteilung angegeben; siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 4. Juni 2024, Pisanski gegen Kroatien (Appl. no. 28794/18); Ordnungsstrafe (von rund 3265 €) für einen Rechtsanwalt wegen Missachtung des Gerichts, weil er in einem (erfolgreichen) Rechtsmittel nach Ansicht des Gerichts die Würde des Gerichts verletzt hatte (vom anwaltlichen Disziplinargericht wurde er hingegen freigesprochen); der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest. 
  • 28. Mai 2024, Pietrzak und Bychawska-Siniarska u.a. gegen Polen (Appl. nos. 72038/17 und 25237/18; Pressemitteilung; legal summary); Vorratsdatenspeicherung (12 Monate, anlass- und unterschiedslos); Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 16. Mai 2024, André Lutgen gegen Luxemburg (Appl. no. 36681/23legal summary); Anwalt, der wegen Missachtung des Gerichts zu einer Geldstrafe von 1.000 € verurteilt wurde, weil er sich mit einer Beschwerde über einen Richter während eines laufenden Verfahrens an den Justizminister und den Generalstaatsanwalt gewandt hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Mai 2024, Mária Somogyi gegen Ungarn (Appl. no. 15076/17); Verurteilung zu einer Entschädigung aufgrund einer Zivilklage einer Stadt wegen eines auf Facebook geteilten Posts mit mit einem Aufruf zu einer Demonstration wegen des Verkaufs eines historischen Gebäudes durch diese Stadt zu einem nicht marktkonformen Preis an einen Geschäftsmann; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die zivilrechtliche Klage auf Entschädigung wegen übler Nachrede  kein legitimes Ziel im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK verfolgte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Mai 2024, Azadliq Newspapers und Zayidov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 9028/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung eines Zeitungsherausgebers und der Medieninhaberin wegen eines Artikels über "Das Billigfleisch-Mysterium im Verteidigungsministerium"; der EGMR wies die Beschwerde des Herausgebers zurück (weil er nicht Partei im nationalen Verfahren gewesen war) und stellte im Übrigen eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig); er äußert Zweifel, ob es bei der Klage eines Ministeriums überhaupt um den Schutz der Rechte und des guten Rufs anderer gehen kann, hielt aber fest, dass der Eingriff jedenfalls nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.  
  • 14. Mai 2024, Oleg Balan gegen Republik Moldau (Appl. no. 22259/20; Pressemitteilung);  der Führer einer Oppositionspartei hatte auf seiner Facebook-Seite ein Dokument veröffentlicht, das angeblich vom Staatssicherheitsdienst verfasst worden sei und den Beschwerdeführer, der damals Innenminister war, eines kriminellen Verhaltens bezichtigte; die Echtheit des Dokuments wurde offizielle vom Staatssicherheitsdienst bestritten; die vom Beschwerdeführer erhobene Klage gegen den Oppositionsführer wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; der EGMR hielt fest, dass der Oppositionsführer keine Versuche unternommen hatte, die Echtheit des Dokuments zu prüfen, obwohl die Umstände, wie er dazu gekommen war (anonym in den Postkasten gelegt) Zweifel hervorrufen mussten; zudem hatte er das Dokument als echt präsentiert (der EGMR betont in diesem Zusammenhang auch, dass ein Nachrichtenportal dasselbe Dokument erhalten hatte und beschloss, es nicht zu veröffentlichen weil die Echtheit nicht verifiziert werden konnte); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Mai 2024, Thomaidis gegen Griechenland (Appl. no. 28345/16); Verurteilung eines Sportjournalisten wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines in einen Match-Fixing Skandal verwickelten Fußballclub-Präsidenten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Mai 2024, The Organisation for the Protection of Oil Worker's Rights gegen Aserbaidschan (Appl. no. 7211/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die beschwerdeführende Gewerkschaft hatte bei der staatlichen Erdölgesellschaft nähere Informationen zur Ableitung des Grundwassers und zur Lagerung des Bohrschlamms bei zwei Produktionsstätten nachgefragt und diese Informationen nicht erhalten; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) ratione materiae als unzulässig zurück; zunächst ließ der EGMR offen, ob die staatliche Gesellschaft, die keine behördliche Funktion hat, überhaupt dem Staat zuzurechnen ist, und prüfte dann die Kriterien nach der Magyar Helsinki Bizottág-Rechtsprechung; eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse könne vorliegen (obwohl die Anfragen sehr technisch und speziell waren), allerdings hatte die Gewerkschaft das Ziel des Informationsbegehrens nicht bereits gegenüber der Gesellschaft und auch nicht im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren dargelegt; erst im Berufungsverfahren habe die Gewerkschaft kurz und vage behauptet, sie bräuchte die Information um Forschung durchzuführen und einen Bericht zu veröffentlichen; der EGMR war nicht überzeugt, dass "such a vague and brief remark is a sufficient explanation of the exact purpose for requesting the information" in diesem Fall, vor allem weil die Gewerkschaft auch keine Hintergrundinformation gegeben hat, wie zB ob sie sich andere Daten zu diesem Thema gesammelt oder andere Forschungsarbeiten durchgeführt hat; die Gewerkschaft hat damit nicht dargelegt, dass der begehrte Informationszugang instrumentell für die Ausübung ihres Rechts auf Meinungsäußerungsfreiheit gewesen wäre; der EGMR äußert sich auch noch zur Rolle der Gewerkschaft: dass deren Hauptziel die Verteidigung der Rechte der Ölarbeiter sei, würde nicht ausschließen, dass sie auch Forschung zu damit zusammenhängenden Themen durchführen könne, allerdings habe sie keinerlei Beleg dafür vorgelegt, dass sie tatsächlich solche Forschung oder ähnliche Projekte durchgeführt hätte; der EGMR war daher nicht überzeugt, dass die Gewerkschaft in diesem Fall als "public watchdog" im Hinblick auf die spezifischen nachgefragten Informationen gehandelt hat.
  • 7. Mai 2024, Merab Tsaava und Beslan Kmuzov gegen Georgien (Appl. no. 13186/20); zwei Journalisten, die bei einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizei durch Gummigeschoße verletzt wurden; nach ihrer Auffassung wurden sie gezielt als Journalisten angegriffen; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung der prozeduralen Aspekte des Art. 3 EMRK fest und beschloss, keine Entscheidung zur Zulässigkeit und zur Berechtigung der Beschwerden nach Art. 10 EMRK zu treffen (6:1, dagegen dissenting opinion des Richters Gnatovskyy); mit Beschluss des Grand Chamber Review Panel vom 23. September 2024 wurde die Sache an die Große Kammer verwiesen.
  • 30. April 2024, Dias dos Santos Ferreira da Costa Cabral gegen Portugal (Appl no. 25282/18); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung einer Journalistin zu 100 Tagessätzen wegen eines Artikels, in dem sie Umstände, die dem Untersuchungsgeheimnis unterlagen (Daten über die Sicherstellung von Computern zweier Verdächtigte in einem Korruptionsfall), veröffentlichte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). 
  • 18. April 2024, Romanenko gegen Ukraine (Appl. nos. 51010/13 und 2843/16); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; Journalist wollte Zugang zu den Einkommenserklärungen eines Bürgermeisters und seiner Familie, sowie zu Einkommenserklärungen mehrerer öffentlicher Funktionäre; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 16. April 2024, Patrice Amar gegen Frankreich (Appl. no 4028/23; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Staatsanwalt und mit mehreren Verfahren gegen den damaligen Premierminister Sarkozy befasst, der deshalb eine Beschwerde beim Obersten Justizrat wegen eines angeblichen Verstoßes gegen den Ethikkodex einbrachte; der Justizrat stellte fest, dass der Beschwerdeführer kein Disziplinarvergehen gesetzt hatte; der EGMR wies die Beschwerde als unzulässig zurück, da der Beschwerdeführer, gegen den schließlich keine Disziplinarstrafe verhängt worden war, nicht Opfer einer Verletzung von (u.a.) Art. 10 EMRK sein konnte (der Beschwerdeführer hatte vorgebracht, dass der Justizrat nicht auf seine Argumente eingegangen war und keine formelle Entscheidung ergangen war, sondern bloß eine Mitteilung).
  • 9. April 2024, Akaydın gegen Türkei (Appl. no. 23332/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, Bürgermeister von Antalya und Angehöriger einer Oppositionspartei, war wegen einer Rede aufgrund einer zivilrechtlichen Klage des damaligen Premierministers (und nunmehrigen Präsidenten) der Türkei zu einer Entschädigung verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 9. April 2024, Étienne Gernelle und Societe D'exploitation De L'hebdomadaire Le Point - Sebdo (SEBDO) gegen Frankreich (Appl. no.  18536/18; Pressemitteilung);  Unzulässigkeitsentscheidung; Chefredakteur von Le Point hat erfahren, dass ein Telefonat mit dem Pressesprecher des früheren Präsidenten Sarkozy abgehört und transkribiert worden war, im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zur Wahlkampffinanzierung; er machte eine Verletzung von Art. 8 und 10 EMRK geltend und meint, dass es keine ausreichenden Garantien gegen den Missbrauch der Bestimmungen über die Telefonüberwachung im Hinblick auf Journalisten gäbe; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichtausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück; die Betroffenen hätten die Möglichkeit, Entschädigung für einen durch einen Fehler im Handeln der Justiz entstandenen Schaden nach Art. 141-1 des Gesetzes über die Organisation der Justiz zu verlangen, nicht genutzt. 
  • 9. April 2024, Gyuláné Zsombok gegen Ungarn (Appl. no. 70643/17); Unzulässigkeitsentscheidung; Entlassung einer Gemeindemitarbeiterin wegen mehrerer Facebook-Posts; die Posts waren reine Charakter-Angriffe ohne Tatsachengrundlage gegen teilweise nicht genannte, aber identifizierbare Personen und gegen einen Allgemeinmediziner, hatten keinen Bezug zu den lokalen Wahlen, bei denen die Beschwerdeführerin kandidierte; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. 
  • 9. April 2024, Vladimir Šplajt gegen Kroatien (Appl. no. 963/18); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Entlassung eines Unternehmensjuristen, der für die Behandlung von Arbeitnehmerbeschwerden zuständig war, wegen der Weitergabe vertraulicher Informationen über die schlechte Behandlung von Arbeitnehmern in diesem Unternehmen; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (wegen der langen Verfahrensdauer) fest, wies aber die Beschwerde, soweit sie sich auf Art. 10 EMRK stützte, als offensichtlich unbegründet zurück ("statements were not motivated by his genuine concern to inform the public of the irregularities in the company U., but by his personal grievances"). 
  • 4. April 2024, Zöldi gegen Ungarn (Appl. no. 49049/18); Zugang zu Informationen; Journalistin erhielt keine Informationen über die Namen der Förderungsempfänger zweier von der Nationalbank gegründeter Stiftungen; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 28. März 2024, Torbich gegen Ukraine (Appl. nos. 41713/13 und 29980/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; Verweigerung des Zugangs zu den bei der Wahlbehörde eingereichten Lebensläufen von Kandidat:innen für das Parlament; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 26. März 2024, Poghosyan gegen Armenien (Appl. no. 37712/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war Verantwortliche eines Fonds, der für ein Ministerium Konferenzen organisieren sollte; ihr wurden vom Stabschef des Ministeriums die Vertragsunterlagen vorgelegt, wobei darin ein Outsorcing auf ein privates Unternehmen vorgesehen war; die Beschwerdeführerin sah das als "klassisches Geldwäsche-System", was sie nicht nur dem Stabschef, sondern später auch in einem Interview äußerte; sie würde dafür wegen Verleumdung verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 26. März 2024, Remzi Solmaz gegen Türkei (Appl. no. 36889/20); Unzulässigkeitsentscheidung; Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer, einen Journalisten einer Nachrichtenagentur, wegen Beleidigung des Präsidenten durch das Teilen von zwei Fotos auf Facebook; der Beschwerdeführer war sowohl in erster als auch zweiter Instanz freigesprochen worden; der EGMR wies die Beschwerde mangels Eingriff zurück, da untern den konkreten Umständen des Falles (keine Festnahme oder Anhaltung, keine sonstige Behinderung der Arbeit und schließlich Freispruch) kein "chilling effect" ("effet dissuasif") und keine tatsächliche und wirksame Einschränkung seiner Tätigkeit als Journalist vorgelegen sei.
  • 21. März 2024, Sieć Obywatelska Watchdog Polska gegen Polen (Appl. no. 10103/20; Pressemitteilung); Zugang zu Informationen; NGO begehrte erfolglos Zugang zu einem Kalender aller beruflichen Meetings der Präsidentin und des Vizepräsidenten des polnischen "Verfassungsgerichts" sowie eine Liste aller Personen, die das "Gerichts"-Gebäude seit 1.1.2017 betreten hatten; der EGMR stellte im Hinblick auf den Meeting-Kalender (mit 6:1 Stimmen) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (kurze dissenting opinion des Richters Wojtycek); hingegen wurde betreffend das "Logbuch" der Gerichtsbesucher:innen einstimmig keine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt, da eine derartige Liste nicht geführt wurde und daher nicht "ready and available" war. 
  • 21. März 2024, Yolande Baeta gegen Frankreich (Appl. no. 30685/23); Unzulässigkeitsentscheidung; Die Beschwerdeführerin war Gemeinderätin, die nach einer verlorenen Wahl mehrfach daran erinnert werden musste, die ihr von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Computerausstattung zu retournieren; nach einer kritischen Äußerung  auf Facebook gegenüber der neuen Stadtregierung postete die neue Bürgermeisterin eine Bemerkung, wonach sie das Strafgesetzbuch kenne, das einer früheren Gemeinderätin verbiete, Gemeindesachen zu stehlen; sie könne auf dieser Seite daran an die Weigerung der Beschwerdeführerin erinnern, die elektronischen Geräte zurückzugeben, erinnern. Die Beschwerdeführerin klagte wegen übler Nachrede, gewann zwar in erster Instanz, blieb aber in zweiter und dritter Instanz erfolglos; der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; das frz. Berufungsgericht hatte eine detaillierte Abwägung im Sinne der EGMR-Rechtsprechung zwischen dem Recht der neuen Bürgermeisterin auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz der Ehre der Beschwerdeführerin vorgenommen.
  • 19. März 2024, Almeida Arroja gegen Portugal (Appl. no. 47238/19; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer, ein politisch ziemlich irrlichternder Ökonom, war wegen Verleumdung des Politikers und Anwalts Paulo Rangel zu einer Entschädigung verurteilt worden; er hatte in einer Fernsehsendung dem Anwalt vorgeworfen, den Bau eines Krankenhausflügels mit einem von ihm bzw. seiner Anwaltskanzle erstellten MoU zur Einstellung des Baus beigetragen zu haben; das MoU sei ein politisches Dokument gewesen, mit dem der Anwalt die Hand, die ihn füttere, belohnt habe. Der EGMR ordnete die Äußerungen - im großen Zusammenhang - als Werturteile ein; außerdem seien die Äußerungen nicht weit verbreitet worden; schließlich sie die Höhe der dem Gegner zugesprochenen Entschädigung (10.000 € für den Anwalt und 5.000 € für die Kanzlei) offensichtlich unverhältnismäßig und hätten einen "chilling effect" haben können; die nationalen Gerichte hätten ihren Beurteilungsspielraum überschritten: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. März 2024, Parıldak gegen Türkei (Appl. no. 66375/17); Jus-Studentin, die auch als Kolumnist für Rechtsfragen für die der Gülen-Bewegung zugerechnete Zeitung "Zaman" gearbeitet hat; wurde nach dem Putschversuch 2016 in U-Haft genommen (und danach zu sieben Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt, im Wesentlichen weil sie die ByLock-App verwendet hatte, wegen mehrerer Social Media-Posts und Direktnachrichten, die sie mit einem anderen Twitter-User ausgetauscht hatte; der EGMR stellte (mi t6:1 Stimmen; abweichende Meinung der Richterin Yüksel) u.a. eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 19. März 2024, Özbarış Demirer gegen Türkei (Appl. no. 8035/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Versetzung eines Schuldirektors wegen Erdoğan-kritischer Facebook-Posts; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. März 2024, Kirkorov gegen Litauen (Appl. no. 12174/22; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; russischer Sänger mit russischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit, der sich selbst als "Putin’s representative on stage" bezeichnet hatte, beschwerte sich, gestützt auf Art. 10 EMRK, gegen  ein Einreiseverbot in Litauen; vom EGMR (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; siehe dazu den Beitrag von Theresa Lanzl und Harriet Ní Chinnéide auf Strasbourg Observers.
  • 5. März 2024, Kornelia Petrova Ninova gegen Bulgarien (Appl. no. 10351/18); Unzulässigkeitsentscheidung; Vorsitzende der Bulgarischen Sozialistischen Partei; ihr wurde  vom Parlamentspräsidenten nach einem Ordnungsruf das Wort entzogen und sie wurde - da sie ohne Mikrofon weitersprach - schließlich von der Parlamentssitzung ausgeschlossen; da sie die Entscheidung des Parlamentspräsidenten nicht unmittelbar beim dafür zuständigen Parlamentspräsidium angefochten hat, wurde die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig zurückgewiesen.  
  • 20. Februar 2024, Danileț gegen Rumänien (Appl. no. 16915/21; Pressemitteilung); Richter, der auch Mitglied des Obersten Justizrats und Berater der Justizministerin war, beschwert sich wegen einer Disziplinarstrafe, die über ihn wegen zweier Facebook-Postings, in denen er unter anderem die Regierung wegen eines politischen Angriffs auf die Justiz kritisiert hatte, verhängt wurde; Verletzung des art. 10 EMRK (4:3 Stimmen, zustimmendes Sondervotum des Richters Răduleţu; gemeinsame dissenting opinion der Richter*innen Kucsko-Stadlmayer, Eicke und Bormann); siehe dazu den Beitrag von Dragoș Călin auf dem ECHR-Blog und den Beitrag von Koen Lemmens auf Strasbourg Observers; Achtung: mit Beschluss des Grand Chamber Panel vom 24. Juni 2024 wurde der Fall auf Antrag der rumänischen Regierung an die Große Kammer verwiesen.  
  • 20. Februar 2024, Dede gegen Türkei (Appl. no. 48340/20; Pressemitteilung); Entlassung eines Bankangestellten wegen eines E-Mails an Arbeitskollegen, in dem er den Management-Stil eines Vorgesetzten kritisierte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 15. Februar 2024, Škoberne gegen Slowenien (Appl.. no. 19920/20; Pressemitteilung); Vorratsdatenspeicherung; Verwendung der Daten in einem Verfahren gegen einen Richter wegen Bestechlichkeit; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig). 
  • 13. Februar 2024, Podchasov gegen Russland (Appl. no. 33696/19); Vorratsdatenspeicherung; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Erik Tuchtfeld auf dem Verfassungsblog und den Beitrag von Rudraksh Lakra auf EJIL: Talk!..
  • 8. Februar 2024, Auray u.a. gegen Frankreich (Appl. no. 1162/22; Pressemitteilung); Einkesselung von Demonstrierenden, die dadurch nicht an der Demonstration teilnehmen konnten; Verletzung des Art. 11 im Lichte des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Eleni Polymenopoulou auf Strasbourg Observers.
  • 30. Jänner 2024, Mutaelum Akhmednabiyevich Akhmednabiyev und Ali Akhmedovich Kamalov gegen Russland (Appl. nos. 34358/16 and 58535/16); die Beschwerden betreffen die Morde an zwei regierungskritischen Journalisten in Dagestan; sie hatten auf einer "Exekutionsliste" gestanden, in der ihnen mit Tod und Verstümmelung gedroht wurde, die Ermittlungen blieben aber ergebnislos; es geht um die Frage, ob der Staat seinen positiven Verpflichtungen aus Art. 2 EMRK nachgekommen ist und ob Art. 10 EMRK überhaupt anwendbar ist, da die Journalisten schon ermordet wurden; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 2 EMRK fest und hielt fest, dass es daher nicht erforderlich war, auf Art. 10 EMRK einzugehen.
  • 18. Jänner 2024, Allée gegen Frankreich (Appl. no. 20725/20; Pressemitteilung); die Beschwerdeführerin war wegen Verleumding (strafrechtlich) zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden; sie hatte ein E-Mail mit dem Betreff "sexuelle Belästigung, sexuelle und moralische Übergriffe" an 6 Personen gesickt und darin einem Vorgesetzten im religiösen Verein, in dem sie als Sekretärin arbeitete, Belästigung vorgeworfen; das E-Mail erging an den Vorgesetzten selbst, an zwei seiner Söhne (von denen einer ebenfalls im Verein arbeitete und von den Vorwürfen bereits wusste), den Verwaltungsdirektor des Vereins, den Arbeitsinspektor und den Mann der Beschwerdeführerin (der von den Vorwürfen auch bereits wusste); der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; er berücksichtigte, dass das Mail nur an eine Person ergangen war, die von den Vorwürfen noch nichts wusste bzw. die nicht aufgrund als Vorgesetzter oder zuständige Behörde zulässigerweise informiert werden durfte; zudem hatten die nationalen Gerichte der Beschwerdeführerin eine übermäßige Beweislast auferlegt, indem sie verlangten, dass sie die Vorfälle, die sie melden wollte und für die es keine Zeugen gab, im strikten Sinn nachweisen hätte müssen; die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Fall auslöste, war auch nicht durch das Mail der Beschwerdeführerin ausgelöst worden, sondern durch ein Facebook-Posting ihres Mannes; und schließlich war die - wenn auch geringfügige - strafrechtliche Verurteilung geeignet, einen chilling effect zu bewirken, der Personen davon abhalten könnte, so schwerwiegende Vorfälle wie sexuelle Belästigungen zu melden.
  • 16. Jänner 2024, Veiga Cardoso gegen Portugal (Appl. no. 48979/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen schwerer Verleumdung nach einer - gegenüber Sozialarbeitern im Zuge eines Obsorgeverfahrens geäußerten - Kritik an einem Staatsanwalt, der für die Anklage der Tochter des Beschwerdeführers verantwortlich war; er konnte eine gewisse Diskretion erwarten, die Äußerungen waren Werturteile und wurden vom EGMR als "venting" (sich abreagieren) angesehen; die strafrechtliche Verurteilung war daher nicht verhältnismäßig; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Jänner 2024, Şaşma gegen Türkei (Appl. no. 39685/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Sperre einer sogenannten "gripe site", konkret einer Website mit dem Domainnamen www.yurticikargomagdurlari.com ("Opfer von Yurtiçi Kargo", einer Lieferfirma), die der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt eingerichtet hatte, um Beschwerden seiner Mandanten über dieses Unternehmen zu veröffentlichen; der EGMR vertrat die Ansicht, dass es nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass nur mit der Verwendung des Begriffs „Opfer von Y.K.“ im Domainnamen die Grenzen zulässiger Kritik überschritten wurden, zumal diese Grenzen im Hinblick auf große Unternehmen weiter gezogen sind; außerdem hatten die nationalen Gerichte keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). 
  • 16. Jänner 2024, Kyivstar, PAT gegen Ukraine (Appl. no. 27237/19); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 9. Jänner 2024, Tariq Ramadan gegen Frankreich (Appl. no. 23443/23; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer, ein prominenter Islamwissenschaftler, war von mehreren Frauen beschuldigt worden, sexuelle Gewalt ausgeübt zu haben; der Revisionswerber nannte den Namen einer Betroffenen in einem von ihm veröffentlichten Buch und wurde deshalb zu einer geringen Geldstrafe verurteilt, da das französische Recht es untersagt, die Identität der Opfer von sexueller Gewalt preiszugeben; der Beschwerdeführer brachte vor, dass der Name der Betroffenen schon in verschiedenen Medien genannt worden war und sie zudem ein Blog unter Pseudonym veröffentlicht habe, wobei das Pseudonym auch mit ihren Twitter- und Facebook-Konten verknüpft gewesen sei; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; die nationalen Gerichte hatten eine Abwägung zwischen den nach Art. 8 und Art. 10 geschützten Interessen vorgenommen; insbesondere war die Veröffentlichung des Namens der Betroffenen auch kein Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse, sondern sollt bloß der öffentlichen Verteidigung dienen, die geringe Strafe war zudem nicht unverhältnismäßig; siehe dazu den Beitrag von Alice Dejean de la Bâtie auf Strasbourg Observers.
2023
  • 19. Dezember 2023, Narbutas gegen Litauen (Appl. no. 14139/21; Pressemitteilung); Berater des Ex-Präsidenten, der unter Verdacht steht, als Vermittler bei der Beschaffung von COVID-19-Testkits seinen Einfluss "verkauft" zu haben; er wurde festgenommen, dann unter Hausarrest gestellt, und es wurden Vermögenswerte sichergestellt; über den Fall wurde in den Medien prominent und unter Namensnennung (auch mit Fotos, die den Beschwerdeführer in Handschellen zeigen) berichtet; die Beschwerde rügt verschiedene Verletzungen in durch die EMRK garantierten Rechten, im Hinblick auf Art. 10 EMRK stellt sich die interessante Frage, ob bzw. wie weit es zulässig ist, dass dem Beschwerdeführer - trotz der laufenden medialen Diskussion - untersagt wurde, zum Verfahren gegen ihn in den Medien Stellung zu nehmen und dabei die Akten des Ermittlungsverfahrens zu verwerten bzw. zu zitieren. Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Donatas Murauskas auf Strasbourg Observers.
  • 14. Dezember 2023, Kyyivskyy Instytut Problem Upravlinnya Imeni Gorshenina, TOV gegen Ukraine (Appl. no. 36106/13); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war verurteilt worden, einen Widerruf zu einer auf ihrer Website veröffentlichten Behauptung (über einen Eigentümerwechsel bei einem Unternehmen) zu veröffentlichen; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; die Beschwerdeführerin hatte vor den nationalen Gerichten keine ausreichenden Beweise für ihre Tatsachenbehauptung vorgelegt, sie war auch lediglich zum Widerruf (und nicht etwa zu einer Strafzahlung) verurteilt worden.
  • 14. Dezember 2023, Igor Petrovych Pochynok und Druk Media Plus, TOV gegen Ukraine (Appl. no. 8369/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung zum Widerruf von Behauptungen, die in einem Zeitungsartikel aufgestellt wurden, wonach ein staatliches Unternehmen in korrupte Praktiken verwickelt sei; die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; die Beschwerdeführer hätten nicht nachgewiesen, dass die Behauptungen wahr waren, sie waren lediglich zum Widerruf verurteilt worden, und sie hatten im nicht inkriminierten Teil des Artikels im Wesentlichen die selbe Botschaft vermitteln können.
  • 12. Dezember 2023, İncedere und Altay gegen Türkei (Appl. nos. 58778/19 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Weigerung der Gefängnisverwaltung, den in Haft befindlichen Beschwerdeführern Zeitungen auszuhändigen, die ihnen zugesandt wurden; unter Hinweis auf den vergleichbaren Fall Mehmet Çiftci stellte der EGMR eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 7. Dezember 2023, Centre for the Social and Political Technologies ‘Public Relations’, TOV gegen Ukraine (Appl. no. 59690/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; Anfrage einer auf Rechtsinformationen spezialisierten Zeitschrift an den Landwirtschaftsminister, ob bzw. wie lange und wo er und Verwandte von ihm im Ausland gelebt und gearbeitet hat/haben; die Anfrage wurde nicht beantwortet, weil sie das Privatleben des Ministers betreffe; der EGMR wies die Beschwerde ratione materiae als unbegründet zurück: der Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK war nicht eröffnet, weil die Zeitschrift nicht dargelegt hatte, zu welchem Zweck sie die Informationen angefragt hat; der EGMR zieht auch - anders als der Mitgliedstaat - die Rolle der Zeitschrift als "public watchdog" in Zweifel, weil kein Bezug zur konkreten Publikationstätigkeit zu erkennen war.
  • 28. November 2023, Nunex - Worldwide, S.A. gegen Portugal (Appl. no. 62759/19); Unzulässigkeitsentscheidung; die beschwerdeführende Gesellschaft hatte vor den nationalen Gerichten eine Verbraucherzeitschrift auf Schadenersatz  geklagt, weil durch einen Test, in dem für die von ihr hergestellten Windeln wegen erhöhter Schadstoffbelastung ein nicht zufriedenstellendes Urteil abgegeben wurde, eine Rufschädigung eingetreten sei; die Gesellschaft blieb vor den nationalen Gerichten erfolglos; auch der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde unter Hinweis auf die notwendige Abwägung mit den nach Art. 10  EMRK geschützten Interessen (einstimmig) als offensichtlich unbegründet ab; er ließ dabei offen, ob Art. 8 EMRK überhaupt auf den Schutz des Rufs juristischer Personen anwendbar sei. 
  • 7. November 2023, Société d’Exploitation d’un Service d’Information CNews gegen Frankreich (Appl. no. 60131/21; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung;  die Beschwerde betrifft eine Entscheidung des  französischen Conseil supérieur de l’audiovisuel, dass in einer Sendung ("face à face"), in der  sich Éric Zemmour über den Islam geäußert hat und zu "radikalen Maßnahmen" aufrief, ohne das die Diskussionsleitung eingegriffen hatte, ein Aufruf zu Hass aus religiösen Grünen stattgefunden habe (Entscheidung des CSA, Entscheidung des Conseil d'État); der EGMR betont, dass sich die Entscheidung in einem "Ruf zur Ordnung" erschöpfe, deren einzige Bedeutung es sei, für den Fall künftigen Zuwiderhandelns eine Sanktion zu ermöglichen; der EGMR sah keinen Grund, von der Beurteilung durch den CSA abzuweichen und beurteilte die Entscheidung als einem legitimen Ziel dienend und verhältnismäßig; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet (einstimmig).  
  • 7. November 2023, Mariusz Wołosz gegen Polen (Appl. no. 8341/20); Unzulässigkeitsentscheidung; Mitglied eines Stadtrates wurde mit Privatanklage des Bürgermeisters wegen zehn Facebook-Postings angeklagt und schließlich nur wegen eines Postings, das als unwahre Tatsachenbehauptung gewertet wurde, zu einer geringen Geldstrafe verurteilt; die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.  
  • 2. November 2023, Ecological and Humanitarian Association Zelenyy Svit gegen Ukraine (Appl. no. 37316/16); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; Umwelt-NGO wollte Zugang zu einem Untersuchungsbericht über die Geschäftstätigkeit einer Nationalparkverwaltung; dieser Zugang wurde nicht gewährt, weil der Bericht Teil des Akts eines laufenden Strafverfahrens war; nach Abschluss des Verfahrens wurde der Bericht übermittelt; Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. 
  • 2. November 2023, Alain Fougasse gegen Frankreich (Appl. no. 44710/22); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Vorstand einer Holdinggesellschaft und wurde aufgrund eines auf YouTube hochgeladenen Videos wegen Verleumdung verurteilt; in diesem Video hatte er einen seiner Anwälte als "korrupten Freimaurer" bezeichnet, der in den letzten Jahren gegen ihn gearbeitet habe, wofür er allerdings keine Beweise vorlegen konnte; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück. 
  • 31. Oktober, Bild GmbH & Co KG gegen Deutschland (Appl. no. 9602/18; Pressemitteilung); Veröffentlichung von Videomaterial eines Polizeieinsatzes ohne Verpixelung der Gesichter der Polizeibeamten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's blog.
  • 17. Oktober 2023, The Public Union For Assistance In Economic Initiatives gegen Aserbaidschan (Appl. no. 48460/11); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die beschwerdeführende Vereinigung hatte Zugang zu einer bestimmten Regierungsverordnung (executive order) beantragt, die aber frei in der vom Justizministerium geführten Rechtsdatenbank zugänglich war; daher Zurückweisung der Beschwerde als offensichtlich unbegründet (einstimmig). 
  • 12. Oktober 2023, Pablo Rivadulla Duró gegen Spanien (Appl. no. 27925/21; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung des Rappers Pablo Hasél zu einer Haftstrafe von 9neunMonaten (unbedingt, wegen einer offenen auf Bewährung ausgesetzten Strafe) wegen zahlreicher Tweets, in denen er Unterstützung für verurteilte Angehörige der verbotenen GRAPO zum Ausdruck brachte, den emeritierten König beleidigte und allgemein über Polizei und Gericht herzog, sowie wegen eines Rap-Songs ("Juan Carlos el Bobón"); der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück; siehe dazu den Beitrag von Babette De Naeyer auf Strasbourg Observers. 
  • 5. Oktober 2023, FIATLUX SÀRL und Bonifassi gegen Frankreich (Appl. nos. 1131/23 und 1135/23); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; die Beschwerdeführer waren ein juristischer Fachverlag und ein Rechtsanwalt, die sich gegen eine Verordnung über die Zurverfügungstellung von Gerichtsentscheidungen an die Öffentlichkeit gewandt hatten, weil sie  in den darin vorgesehenen Anonymisierungsregeln und den Möglichkeiten, aus Gründen nationalen Interesses Beschränkungen der Veröffentlichung vorzusehen, eine Beschränkung ihres Rechtes auf Informationszugang sahen; der EGMR kam in seiner Zurückweisungsentscheidung zum Ergebnis, dass der Anwendungsbereich des Art. 10 nicht eröffnet war, da es nicht um einen konkreten Zugang zu Informationen ging, sondern um den abstrakten Zugang zu allen Entscheidungen und die Beschwerdeführer nicht dargelegt hatten, zu welchem Zweck sie die Informationen benötigt hätten; außerdem sei ein Anwalt nicht mit Journalisten vergleichbar und  der Verlag habe nicht nachgewiesen, dass er als "Wachhund der Demokratie" anzusehen sei; es sei nicht Aufgabe des EGMR, abstrakt anzugeben, in welcher Weise nationale Behörden Kopien von Gerichtsentscheidungen veröffentlichen und Einzelpersonen aushändigen müssen.
  • 5. Oktober 2023, Ikotity u.a. gegen Ungarn (Appl. no. 50012/17 u.a.); Bezugskürzungen gegen Oppositionsangehörige wegen des Zeigens von Plakaten in Parlamentssitzungen; keine Verletzung von Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Ignatius Yordan Nugraha auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Dániel Karsai und Viktor Kazai auf Strasbourg Observers.
  • 5. Oktober 2023, Eastern Ukrainian Centre for Public Initiatives gegen Ukraine (Appl. no. 18036/13 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; Zugang zu Masterplänen für die Raumordnung in Gemeinden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. Oktober 2023, Avramchuk gegen Ukraine (Appl. no. 65906/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; Journalistin begehrte Informationen über Wohnungen, die Abgeordneten vom Parlament zur Verfügung gestellt wurden; sie erhielt nur allgemeine Informationen zu den Gesamtkosten, aber nicht die Namen der betroffenen Abgeordneten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. Oktober 2023, Tendera gegen Deutschland (Appl. no. 27329/21); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerde betraf die Verweigerung der Vollstreckung eines polnischen Urteils, mit dem dem ZDF die Veröffentlichung einer Richtigstellung und Entschuldigung aufgetragen worden war, durch einen Beschluss des BGH vom 9.7.2018, IX ZB 10/18 (Pressemitteilung); die Beschwerde wurde vom Sohn des vom Beschluss des BGH Betroffenen (der kurz nach dem BGH-Beschluss verstorben war) eingebracht; der EGMR sah die Beschwerde ratione personae als unzulässig an, da sie keine weitere Bedeutung über den konkreten Fall hinaus habe.
  • 3. Oktober 2023, Durukan und Birol gegen Türkei (Appl. nos. 14879/20 und 13440/21; Pressemitteilung); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 28. September 2023, Zhokh gegen Ukraine (Appl. no. 29319/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Behörden seinem gerichtlich gewährten Anspruch auf Zugang zu Informationen über bestimmte Grundstücke nicht nachgekommen sind; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 26. September 2023, Doğudan gegen Türkei (Appl. no. 12256/21); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen eines Facebook-Postings mit Kritik an einem Wirtschaftsfunktionär; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 19. September 2023, José António Paula Saraiva gegen Portugal (Appl. no. 37466/21); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Journalist und hatte in seinem Buch "Ich und die Politiker" im Kapitel über den früheren Premierminister José Sócrates einen Einschub verfasst, in dem er behauptete, dass der frühere Freund einer Journalistin, die wiederum angeblich eine Beziehung mit Socrates hatte, Fotos von intimen Beziehungen mit seinen Freundinnen gemacht und in der Wohnung herumliegen haben lasse, sodass eine Reinigungskraft diese fand und dem Hausbesitzer zeigte; er wurde zu einer Entschädigung sowohl an den früheren Freund der Journalistin als auch an diese selbst verurteilt; außerdem zum Rückruf des Buchs und zur Entfernung dieses Einschubs; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; es habe keinerlei öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser intimen Informationen bestanden; dass an der Journalistin ein gewisses öffentliches Interesse bestehe, rechtfertige nicht, solche Informationen über ihre Beziehung zu einem nicht in der Öffentlichkeit stehenden Dritten zu offenbaren.
  • 12. September 2023, Eduardas Eigirdas und VĮ ‘Demokratijos plėtros fondas’ gegen Litauen (Appl. nos. 84048/17 und 84051/17; Pressemitteilung); Redakteur und Verlag einer Zeitschrift, hatten in einem Fall eine Entscheidung der "Kommission für Ethik der öffentlichen Information" nicht veröffentlicht, in der diese Kommission der Beschwerde einer von einem Artikel betroffenen Person stattgegeben hatte; in einem weitern Fall wurde - entgegen einer Entscheidung dieser Kommission - keine Gegendarstellung eines Betroffenen veröffentlicht; in beiden Fällen wurden die Entscheidungen der Kommission von den nationalen Gerichten bestätigt; der EGMR stellte in beiden Fällen (einstimmig) Verletzungen des Art. 10 EMRK fest; insbesondere hielt er fest, dass Art. 8 EMRK keine "pre-notification" der Betroffenen vor kritischen Berichten verlangt.
  • 12. September 2023, Wieder and Guarnieri gegen Vereinigtes Königreich (Appl. nos. 64371/16 und 64407/16); die Beschwerdeführer wandten sich gegen die "bulk interception" von Kommunikationsdaten durch den englischen Geheimdienst; die Konventionswidrigkeit dieser Überwachung war bereits in Big Brother Watch festgestellt worden; im vorliegenden Fall ging es primär um die Frage, ob die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft wurden und ob  angesichts des Wohnortes der Beschwerdeführer außerhalb des Vereinigten Königreichs  (USA bzw. Deutschland) überhaupt eine Zuständigkeit gegeben ist überhaupt; der EGMR bejahte beide Fragen und stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest (soweit sich die Beschwerde auf Art. 10 EMRK stützte, wurde sie zurückgewiesen, da diesbezüglich keine Argumente vorgebracht wurden, die über jene zu Art. 8 EMRK hinausgingen); siehe dazu den Beitrag von Maria Tzanou auf Strasbourg Observers.
  • 7. September 2023, index.hu zrt gegen Ungarn (Appl. no. 77940/17); Verurteilung des ungarischen Nachrichtenportals wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Staatspräsidenten nach einem Bericht, in dem ein bekannter Publizist zitiert wurde, nach dessen Erinnerung der Staatspräsident mit ihm gemeinsam während der Militärzeit im Militärgefängnis angehalten worden sei, weil er betrunken geschossen habe; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. September 2023, Radio Broadcasting Company B92 AD gegen Serbien (Appl. no. 67369/16; Pressemitteilung); Verurteilung zu einer Entschädigung wegen Berichten über einen Korruptionsverdacht gegen einen "assistant minister" in Zusammenhang mit der Beschaffung von Impfstoffen im Zuge der H1N1-Pandemie 2009; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. September 2023, Zöchling gegen Österreich (Appl. no. 4222/18); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war Journalistin beim Nachrichtenmagazin profil und Gegenstand negativer Artikel auf der FPÖ-nahen Plattform "unzensuriert.at"; zu einem Artikel gab es herabwürdigende bzw. zu Gewalt aufrufende Postings gegen sie (zB "Schade, das es keine gaskammern mehr gibt!!" oder "Bild der Zielperson mit Erfolg ausgedruckt … und wurde erfolgreich als Zielscheibe verwendet [...] Allen Kameraden viel Erfolg bei eigenen Schießübungen – STOP"), die erst nach 11 Tagen gelöscht wurden (am selben Tag, an dem die Medieninhaberin von der Journalistin dazu aufgefordert worden war); das LG für Strafsachen Wien sprach der Journalistin eine Entschädigung nach § 6 Mediengesetz zu, das OLG Wien hob diese Entscheidung auf, unter Hinweis auf das Haftungsprivileg nach dem E-Commerce-Gesetz.  Der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest: das OLG Wien habe die in der Delfi-Rechtsprechung festgelegten Kriterien für die vorzunehmende Abwägung nicht berücksichtigt und damit die prozessualen Garantien zum Schutz des Rechts der Journalistin auf Achtung des Privatlebens verletzt (siehe - auch - dazu das Paper von Martin Husovec et al (via SSRN); siehe dazu auch das nach einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur ergangene Urteil des OGH in dieser Sache: OGH 4.9.2024, 15 Os 50/24b.
  • 29. August 2023, Verzilov u.a. gegen Russland (Appl. no. 25276/15; Pressemitteilung); Mitglieder der Punk Band "Pussy Riot"; wurden während der Olympischen Spiele in Sotchi, wo sie einen Film ("Putin Will Teach You to Love the Motherland") drehen wollten, von Kosaken, die von der lokalen Behörde zur Aufrechterhaltung der Sicherheit engagiert worden waren, unterbrochen und mit Peitschen traktiert, der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung sowohl des Art. 3 als auch des Art. 10 EMRK fest; siege dazu den Beitrag von Marko Milanovic auf EJIL:Talk!.
  • 18. Juli 2023, Manole gegen Republik Moldau (Appl. no. 26360/19; Pressemitteilung); Absetzung einer Richterin, weil sie einem Journalisten die Gründe für ihre dissenting opinion in einem Fall mitteilte, in dem der Sender, für den der Journalist arbeitete, Partei war; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 18. Juli 2023, Osman und Altay gegen Türkei (Appl. nos. 23782/20 et 40731/20; Pressemitteilung; legal summary); Zurückhaltung von vier Nummern einer Zeitschrift gegenüber den in Haft befindlichen Beschwerdeführern; Verletzung des Art. 10 (5:2, dissenting opinion der Richterin Yüksel und des Richters Derenčinović).
  • 13. Juli 2023, Torbich gegen Ukraine (Appl. no. 14957/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Zugang zu Informationen; Verweigerung der Auskunft über die Bezüge von Beamten und Nebenbezüge von Parlamentariern; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 11. Juli 2023, Gaspari gegen Armenien (Nr. 2) (Appl. no. 67783/13); Aktivist, der an einer Protestaktion außerhalb eines Regierungsgebäudes teilnahm, wurde wegen "hooliganism" verurteilt, weil er den Polizeipräsidenten, der sich den Weg durch die Protestierenden bahnte und dabei eine Demonstrantin wegstieß, als "Hooligan", "Narr" und Abschaun" bezeichnete; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 11. Juli 2023, Association Gong gegen Kroatien (Appl. no. 27790/18); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; NGO wollte eine Kopie des Vertrags zwischen der kroatischen Regierung und einer Anwaltskanzlei zur Vertretung kroatischer Generäle vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das vormalige Jugoslawien (ICTY); wurde von der Regierung verweigert und im Rechtszug vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt; der EGMR wies die Beschwerde ratione materiae zurück, da die begehrte Information bereits auf einer amerikanischen Website öffentlich verfügbar war ("However, it is uncontested that the information in question was from the outset available to the general public and known to the applicant NGO. The law firm’s offer signed by the Croatian Minster of Justice specifying the service requested, conditions under which it would be provided, and monthly fees remained published on the US Department of Justice’s website and thus within the public domain").
  • 6. Juli 2023, Tuleya gegen Polen (Appl. nos. 21181/19 und 51751/20; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer ist Richter an einem Gericht in Warschau, gegen den nach Inkrafttreten des neuen Disziplinarrechts sieben Disziplinarverfahren eingeleitet wurden, unter anderem nachdem (und weil) er ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hatte; außerdem gibt es eine breite Medienkampagne gegen ihn; der EGMR stellte Verletzungen des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 8 EMRK fest (jeweils mit 6: Stimmen; dissenting opinion des polnischen Richters Wojtyczek), sowie eine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 4. Juli 2023, Hurbain gegen Belgien (Appl. no. 57292/16; Pressemitteilung; legal summary); Urteil der Großen Kammer; Verurteilung des verantwortlichen Redakteurs der Zeitung Le Soir zur Anonymisierung eines Berichts über einen Mord im Jahr 1994 im elektronischen Archiv der Zeitung ("Recht auf Vergessenwerden"); zum belgischen Urteil siehe den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's blog bzw. das Urteil selbst; wie schon im Kammerurteil stellte auch die Große Kammer keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (12:5 Stimmen, dissenting opinion des Richters Ranzoni, der die Richter*innen Kūris, Grozev, Eicke und Schembri Orland beitraten); siehe dazu den Beitrag von Harriet Ní Chinnéide auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Eva Brems auf Strasbourg Observers.
  • 4. Juli 2023, Glukhin gegen Russland (Appl. no. 11519/20; Pressemitteilung; legal summary); Solo-Demonstrant, der in der U-Bahn mit einer lebensgroßen Pappfigur von Konstantin Kotov unterwegs war, der wegen einer Solo-Demonstration vor Gericht stand, mit einem Banner mit der Aufschrift (aus der englischen Urteilsfassung) “You must be f**king kidding me. I’m Konstantin Kotov. I’m facing up to five years [in prison] under [Article] 212.1 for peaceful protests.”; wurde unter Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ausgeforscht und bestraft wegen einer nicht angemeldeten Demonstration; Verletzung des Art. 8 und des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Isadora Neroni Rezende auf European Law Blog und den Beitrag von Cristina Cocito auf Strasbourg Observers.
  • 27. Juni 2023, Amvrosios-Athanasios Lenis gegen Griechenland (Appl. no. 47833/20; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer - ein Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche - wurde aufgrund eines Artikels auf seinem Blog wegen öffentlicher Aufstachelung zu Gewalt zu einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von fünf Monaten verurteilt; er hatte in seinem Beitrag Homosexuelle als Abschaum bezeichnet und dazu aufgefordert, auf sie zu spucken (siehe einen Bericht dazu zB hier); der EGMR kam (mehrheitlich) zum Ergebnis, dass im Hinblick auf das Verbot des Missbrauchs der durch die EMRK gewährleisteten Rechte nach Art. 17 EMRK der Schutzbereich des Art. 10 EMRK nicht eröffnet war und wies die Beschwerde daher ratione materiae zurück; siehe dazu den Beitrag von  Tobias Mortier auf Strasbourg Observers.
  • 27. Juni 2023, Zhablyanov gegen Bulgarien (Appl. no. 36658/18; legal summary); der Beschwerdeführer war Parlamentsabgeordneter der Nachfolgepartei der bulgarischen kommunistischen Partei; er wurde durch das Parlament von seiner Funktion als stv. Parlamentspräsident abberufen aufgrund von prokommunistische Äußerungen während einer Gedenkminute für Opfer des Kommunismus; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1 Stimmen, zustimmendes Sondervotum des Richters Serghides; dissenting opinion des Richters Zünd). 
  • 27. Juni 2023, Bryan u.a. gegen Russland (Appl. no. 22515/14; Pressemitteilung); Greenpeace-Aktivist*innen, die eine russische Offshore-Ölbohrplattform bestiegen hatten und daraufhin festgenommen und zwei Monate festgehalten wurden; Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK (insoweit einstimmig; teilweise abweichendes Sondervotum des Richters Serghides zur  Frage der Entschädigung).
  • 27. Juni 2023, Tekin gegen Türkei (Appl. no. 28249/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Disziplinarstrafe über einen Strafgefangenen wegen des Inhalts einer von ihm und Mitgefangenen an das Justizministerium gerichteten Petition; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. Juni 2023, Karaca gegen Türkei (Appl. no. 25285/15); Direktor der Samanyolu-Mediengruppe; Festnahme und Untersuchungshaft im Zuge des Vorgehens gegen Gülen-Anhänger; der EGMR stellte Verletzungen des AArt. 5 Abs. 1 und 3 EMRK fest, wies die Beschwerde aber insoweit, als sie auf Art. 10 EMRK gestützt wurde (mit 6:1 Stimmen) als offensichtlich unbegründet zurück; bei den Fernsehserien habe es sich um einen grundlosen  Angriff auf eine religiöse Gruppe mit dem Mittel eines Terrorismus-Vorwurfs gehandelt, damit um keine "diffusion d’informations de bonne foi", die zu einer debat von allgemeinem Interesse beitragen könne, sodass auch ein zwingendes soziales Bedürfnis nach strafrechtlichem Vorgehen und im konkreten Fall der Festnahme gegeben habe.
  • 13. Juni 2023, Baydemir gegen Türkei (Appl. no. 23445/18); der Beschwerdeführer war für dei Oppositionspartei HDP Abgeordneter zur türkischen Nationalversammlung; über ihn war  in der Nationalversammlung aufgrund von Debattenbeiträgen eine Disziplinarstrafe (Ausschluss von zwei Sitzungen, Kürzung der Bezüge) verhängt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2023, Łukasz Kossowski gegen Polen (Appl. no. 24406/14); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer ist ein Kunstexperte, der durch einen kritischen Artikel in einem Kunstmagazin seinen Ruf als beeinträchtigt ansah; nach erfolglos gebliebenen Verfahren gegen den Journalisten erhob er eine auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde; der EGMR wies sie als offensichtlich unbegründet zurück; die polnischen Gerichte hatten bereits eine ordnungsgemäße Abwägung der Interessen nach Art. 8 und 10 EMRK vorgenommen.
  • 8. Juni 2023, Fragoso Dacosta gegen Spanien (Appl. no, 27926/21; legal summary); Gewerkschaftsfunktionär, hatte vor einer Militärbasis an Protesten wegen unbezahlter Löhne in der für die Militärbasis tätigen Reinigungsfirma teilgenommen; er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er während des feierlichen Hissens der spanischen Nationalflagge durch ein Megaphon die Flagge beleidigt hatte (“aquí tedes o silencio da puta bandeira” und “hai que prenderlle lume á puta bandeira”); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Juni 2023, Sarısu Pehlivan gegen Türkei (Appl. no. 63029/19; Pressemitteilung); Richterin und Generalsekretärin der Richtervereinigung; erhielt eine Disziplinarstrafe (Einbehaltung ihres Gehalts für zwei Tage) nach einem Interview mit einer Zeitung über Änderungen der Verfassung; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 30. Mai 2023, Mesić gegen Kroatien (Nr. 2) (Appl. no. 45066/17; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Präsident Kroatiens; in einem Online-Beitrag wurde er im Zusammenhang mit der Beschaffung von Militärgerät eines finnischen Unternehmens genannt, wobei seiner Ansicht nach der Eindruck erweckt wurde, er habe an kriminellen Vorgängen teilgenommen und Bestechungsgeld erhalten; seine Klagen gegen die Medieninhaberin blieben vor den nationalen Gerichten erfolglos; der EGMR kam (mit 5:2 Stimmen) zum Ergebnis, dass keine Verletzung des Art. 8 EMRK vorliegt (sehr ausführliche dissenting opinion des Richters Kūris, der sich Richter Ilievski anschloss).
  • 30. Mai 2023, Nepomnyashchiy u.a. gegen Russland (Appl. nos. 39954/09 and 3465/17); die Beschwerdeführer hatten Strafanzeigen gegen hochrangige Politiker wegen homophober Äußerungen in Interviews eingebracht, aber es wurden keine Verfahren eingeleitet; auch eine zivilrechtliche Klage scheiterte; Verletzung des Art. 8 EMRK in Verbindung mit Art. 14 EMRK (einstimmig).
  • 30. Mai 2023, Pricope gegen Rumänien (Appl. no. 60183/17); der Beschwerdeführer hatte eine Reihe von Beiträgen für Lokalzeitungen verfasst, für die er wegen übler Nachrede zum Nachteil eines Unternehmers zu einer Entschädigung verurteilt wurde; die nationalen Gerichte hatten dabei ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer der Schutz des Art. 10 EMRK nicht zukomme, da er kein professioneller Journalist sei; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Mai 2023, Aleksandrs Gapoņenko gegen Lettland (Appl. no. 30237/18; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Aktivist für die Rechte der russisch-sprachigen Minderheit, wurde wegen Aufruf zu Hass aus nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gründen und wegen Handlungen gegen die nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität festgenommen (Beschwerde ist auf Art. 5, 6, 9, 10 und 11 EMRK gestützt); die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 15. Mai 2023, Sanchez gegen Frankreich (Appl. no. 45581/15; Pressemitteilung; legal summary); Urteil der Großen Kammer; Hate Speech; Verurteilung eines Front-National-Politikers wegen Provozierens zu Hass oder Gewalt gegen eine Person oder Personengruppe aufgrund ihrer Herkunft oder ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit, aufgrund fremder Postings auf seiner Facebook-Seite, die er nicht bzw. erst verspätet entfernte; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (13:4 Stimmen; zustimmendes Sondervortum des Richters Kūris; drei abweichende Sondervoten 1. des Richters Ravarani, 2. des Richters Bošnjak und 3. der Richter Wojtyczek und Zünd); siehe dazu den Beitrag von Jannika Jahn auf dem Verfassungsblogdie Zusammenfassung von Dirk Voorhoof auf Inforrm's Blog, den Beitrag von Jacob van de Kerkhof auf Strasbourg Observers, den Beitrag von Meri Baghdasaryan auf Strasbourg Observers und das Paper von Martin Husovec et al (via SSRN).
  • 11. Mai 2023, Sàrl Gator gegen Monaco (Appl. no. 18287/18); die beschwerdeführende Gesellschaft hatte in einem Schriftsatz in einem Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit einer Unternehmenspacht ausgeführt, die gegnerische Gesellschaft sei ein "Traum-Instrument" für näher bezeichnete "betrügerische" Aktivitäten; das Gericht ordnete die Streichung dieser Ausführungen (vier Zeilen im Schriftsatz) an; die beschwerdeführende Gesellschaft sah sich dadurch in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt; der EGMR stellte (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 2. Mai 2023, Mestan gegen Bulgarien (Appl. no. 24108/15Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer war Obmann einer politischen Partei, die traditionell von Wähler*innen der türkischen Minderheit in Bulgarien unterstützt wurde; er wurde zu einer Verwaltungsstrafe von rund 250 € verurteilt, weil er bei einer Wahlveranstaltung eine Rede in türkischer Sprache gehalten hatte, obwohl die nationalen Vorschriften betreffend Wahlen ein ausnahmsloses Verbot der Verwendung anderer Sprachen als Bulgarisch im Wahlkampf vorsahen; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; er hielt fest, dass es hier nicht um die Kommunikation mit Behörden oder offiziellen Einrichtungen ging, sondern um eine sprachliche Einschränkung, die Einzelnen in ihren Beziehungen zu anderen auferlegt wurde; Art. 10 EMRK beinhaltet aber die Freiheit, Informationen oder Ideen in jeder Sprache zu empfangen und weiterzugeben, die eine Teilnahme am öffentlichen Austausch von Informationen und Ideen ermöglicht; in einem derartigen Zusammenhang verdient die Sprache als Ausdrucksmittel unbestreitbar den Schutz des Art. 10 EMRK; siehe dazu den Beitrag von Eva Meyermans Spelmans auf Strasbourg Observers.
  • 27. April 2023, Abbasaliyeva gegen Aserbaidschan (Appl. no 6950/13); die Beschwerdeführerin war ärztliche Direktorin einer Klinik und Schwester eines hochrangigen Polizeioffiziers, der im Zusammenhang mit einem Putschversuch 1995 zum Tode (dann umgewandelt in eine lebenslange Freiheitsstrafe) verurteilt wurde; nach ihrer Ernennung zur ärztlichen Direktorin wurden mehrere Artikel in Zeitungen veröffentlicht, die sie in Zusammenhang mit ihrem Bruder brachten und  schließlich dazu führten, dass sie von ihrer Funktion entlassen wurde; die Beschwerdeführerin klagte erfolglos sowohl ihren Dienstgeber als auch die Zeitung, in der die Artikel erschienen waren; der EGMR hielt zu der auf Art. 8 EMRK gestützten Beschwerde fest, dass die Zeitungsartikel herabwürdigende Aussagen gegen die Beschwerdeführerin enthielten und zum Ausdruck brachten, dass diese die Ernennung zur ärztlichen Direktorin wegen der Verurteilung ihres Bruders nicht verdienen würde; der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass der Staat die positiven Verpflichtungen nach Art. 8 EMRK nicht erfüllt hatte, zumal die nationalen Gerichte keine adäquate Abwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin nach Art. 8 EMRK und  dem Interesse der Zeitung nach Art. 10 EMRK vorgenommen hatte. 
  • 6. April 2023, Drozd gegen Polen (Appl. no. 15158/19; Pressemitteilung); die Beschwerdeführer:innen sind Mitglieder einer informellen Bürgerrechtsbewegung; sie hatten mit einzelnen Zutrittskarten Zugang zum Sejm (polnisches Parlament) bekommen und auf dem Gelände des Sejm (aber noch nicht im Gebäude) ein Transparent "Verteidigt die unabhängigen Gerichte!" entrollt; dafür wurden sie aus dem Sejm verwiesen und es wurde ein auf ein Jahr befristetes Hausverbot ausgesprochen; die nationalen Rechtsmittel blieben erfolglos, weil nach Ansicht der nationalen Gerichte die Entscheidung des Leiters des Parlamentssicherheitsdienstes keine anfechtbare Entscheidung darstellt; der EGMR hielt fest, dass zwischen einer Störung der Parlamentssitzung und dem hier stattgefundenen Protest außerhalb des Sitzungssaals  differenziert werden müsse; im konkreten Fall seien die Beschwerdeführer:innen mit einem Hausverbot belegt worden, ohne dass sie zuvor Argumente zur Verteidigung hatten vorbringen können und es gab auch keine Möglichkeit, das Hausverbot zu bekämpfen; aufgrund dieser fehlenden Verfahrensgarantien sei der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig gewesen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). 
  • 4. April 2023, Konstantinos Demertzis gegen Griechenland (Appl. no. 12766/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Rechtsanwalt, wurde nach einem TV-Auftritt im Zusammenhang mit einem Obsorgestreit, in dem er den Vater des Kindes vertrat, disziplinarrechtlich für ein Monat suspendiert; die Disziplinarstrafe beruhte auf einer standesrechtlichen Pflicht, nicht in "Fernseh-Prozessen" mitzuwirken; die nationalen Gerichte hatten festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einer Sendung teilgenommen hat, in der im Wesentlichen Gericht gehalten wurde über den Fall, in dem er als Parteienvertreter involviert war; die Suspendierung wurde als nicht unverhältnismäßig beurteilt und die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (einstimmig).
  • 30. März 2023, François Ruffin und sssociation Fakir gegen Frankreich (Appl. nos. 29854/22 et 29863/22); Unzulässigkeitsentscheidung; Abgeordneter/Journalist und die Zeitschrift Fakir waren im Zug der Vorbereitung eines satirischen Dokumentarfilms ("Merci Patron!") über die LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton SE Ziel von (privaten) Überwachungsmaßnahmen seitens der LVMH; im deswegen geführten Strafverfahren gegen LVMH und den für die Überwachungsmaßnahmen Verantwortlichen kam es zu einer "convention judiciaire d’intérêt public (CJIP)", einer im französischen Recht vorgesehen vertraglichen Vereinbarung zwischen der Strafverfolgungsbehörde und den Beschuldigten, bei der es - ähnlich der Diversion in Österreich - zu einem Absehen von weiterer strafrechtlicher Verfolgung im Gegenzug zu bestimmten Zugeständnissen der Beschuldigten kommt; im konkreten Fall verpflichtete sich LVMH zu einer Zahlung von 10 Mio. € an den Staat, aufgrund fehlender Schadensanmeldung durch die Beschwerdeführer wurde aber keine Zahlung an diese festgelegt; die auf Art. 6, 8 und 10 EDMRK gestützte Beschwerde wurde vom EGMR als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, weil eben keine Schadensanmeldung erfolgt war und weil den Beschwerdeführern abseits der CJIP auch noch die Möglichkeit offen gestanden wäre, zivilrechtlich gegen die Beschuldigten vorzugehen. 
  • 28. März 2023, Saure gegen Deutschland (Nr. 2) (Appl. no. 6091/16); "Bild"-Journalist, Zugangsverweigerung zu Informationen des Brandenburger Justizministeriums über Richter:innen und einen Staatsanwalt, die zuvor im Dienst des MfS der DDR standen oder mit der Stasi kollaboriert hatten; 
  • 23. März 2023, Rogalski gegen Polen (Appl. no. 5420/16); Disziplinarstrafe gegen Anwalt wegen Erstattung einer unbegründeten Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt wegen vermuteter Bestechlichkeit; die Strafanzeige war für einen Mandanten erstellt worden, wurde nicht öffentlich gemacht, enthielt keine persönlichen Angriffe, und es wurde keine böse Absicht des Anwalts  belegt; daher haben die Disziplinarbehörden keine ausreichenden und relevanten Gründe für den Eingriff dargelegt; der EGMR stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (5:2, dissenting opinion des polnischen Richters Wojtyczek und der slowakischen Richterin Poláčková). 
  • 23. März 2023, Udovychenko gegen Ukraine (Appl. no. 46396/14; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin war Zeugin eines Verkehrsunfalls und sagte einem Journalisten, dass sie den Sohn eines früheren Parlamentsabgeordneten vom Fahrersitz hatte aussteigen sehen; dasselbe sagte sie auch als Zeugin gegenüber der Polizei; in der Folge wurde ein Strafverfahren gegen jemand anderen eröffnet, der angeblich gefahren sei, aber wieder eingestellt, da die Schuld bei der verletzten Fußgängerin gelegen sei; der Ex-Abgeordnete und sein Sohn klagten die Beschwerdeführerin, die zur Zurückziehung ihrer Aussagen und zu einer Entschädigung von fast 10.000 € verurteilt wurde; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest: der Unfall hatte lokales Aufsehen erregt (ein Audi Q7 aus der Hauptstadt hatte eine junge Fußgängerin schwer verletzt), die Äußerungen betrafen damit eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, die Beschwerdeführerin hatte nur ihre Wahrnehmung als Augenzeugin wiedergegeben, ohne beleidigende Äußerungen und auch ohne einen Standpunkt im Hinblick auf die Schuld des Genannten am Unfall einzunehmen und ohne Schädigungsabsicht; sie hatte zudem die selbe Äußerung auch unter Wahrheitspflicht als Zeugin gegenüber der Polizei gemacht und es war nie erwogen worden, sie wegen Falschaussage zu verfolgen; es gab daher keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Beschwerdeführerin von der Wahrheit ihrer Aussage überzeugt war, und es gab auch keinen Hinweis, dass sie in böser Absicht gehandelt hätte. 
  • 21. März 2023, Uslu gegen Türkei (Appl. no. 51590/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschlagnahme eines Notizbuchs während der Anhaltung in Untersuchungshaft; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 21. März 2023, Kop gegen Türkei (Appl. no. 47407/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschlagnahme eines Manuskripts mit Kurzgeschichten, die der Beschwerdeführer in der Haft geschrieben und an seine Mutter senden wollte; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 21. März 2023, Mitichyan gegen Armenien (Appl. no. 34787/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen übler Nachrede und Beleidigung, nachdem ein Statement des Beschwerdeführers mit Vorwürfen der Korruption gegen einen Bürgermeister in einer Lokalzeitung veröffentlicht worden war; Verletzung des Art. 10 EMRK, weil die nationalen Gerichte keine Abwägung vorgenommen hatten und keine relevanten und ausreichenden Gründe für den Eingriff dargelegt hatten. 
  • 21. März 2023, Tamaryan gegen Armenien (Appl. no. 37096/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; im Wesentlichen gleicher Sachverhalt und gleiche Entscheidung wie im Fall Mitichyan.
  • 16. März 2023, Vitaliy Oleksandrovych Lazebnyk gegen Ukraine (Appl. no. 63882/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist, der für eine Website arbeitete und bei Ausübung seines Berufs mit einer Eisenstange niedergeschlagen wurde; es wurde kein gerichtliches Ermittlungsverfahren wegen Behinderung der beruflichen Tätigkeit eines Journalisten (eigener Straftatbestand im ukrainischen Recht) eingeleitet, weil der Beschwerdeführer nicht die formalen Kriterien erfüllte, die im Ukrainischen Recht für die Anerkennung als Journalist vorgesehen sind; ein Verfahren wegen Hooliganismus wurde eingestellt; der EGMR hielt fest, dass für Zwecke des Art. 10 EMRK die Qualität der durchgeführten Ermittlungen ausschlaggebend ist und nicht die gesetzliche Bestimmung, unter der sie durchgeführt wurden; die Ermittlungen der nationalen Behörden hätten geprüft, ob ein Zusammenhang des Angriffs mit der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers gegeben war; die Untersuchungen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden; die Beschwerde wurde daher als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.  
  • 16. März 2023, Acuris Holdings Limited (Appl. no. 64594/19); Unzulässigkeitsentscheidung; einstweilige Verfügung gegen die Medieninhaberin von "Debtwire", eines Informationsdienstes für Wirtschaftsanalyen, Informationen über ein "mandat ad hoc" (Vorbeugungsmaßnahme zur Verhinderung eines Insolvenzverfahrens) betreffend die Consolis Industriegruppe von der Website zu nehmen, da damit gegen die Vertraulichkeit des Verfahrens betreffend das ad hoc-Mandat (Art. L611-15 des Code du Commerce) verstoßen werde, verbunden mit Strafandrohung von 50.000 € pro Tag Verzögerung; Debtwire hatte nicht nur allgemein über die Schwierigkeiten berichtet, sondern präzise Informationen wiedergegeben, die nur aus dem vertraulichen Verfahren bekannt sein konnten; die Verfügung war auch rein zivilrechtlich und sollte die Beschwerdeführerin nicht bestrafen, sondern bloß die Verbreitung der durch die Vertraulichkeit geschützten Informationen verhindern, sie war daher auch nicht unverhältnismäßig; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. 
  • 14. März 2023, Özen gegen Türkei (Appl. nos.  55644/19 und 10426/20); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschlagnahme eines Dokuments mit Auszügen eines in der Türkei verbotenen Buchs (mit Zitaten von Abdullah Öcalan) bei einem Häftling; der EGMR wies die Beschwerden nach Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK zurück, weil dem Beschwerdeführer "kein erheblicher Nachteil" entstanden ist (da das Buch auch außerhalb des Gefängnisses nicht verbreitet werden durfte).
  • 9. März 2023, L.B. gegen Ungarn (Appl. no. 36345/16; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; Veröffentlichung des Namens und der Wohnanschrift des Beschwerdeführers als Steuersünder (Rückstände von mehr als 10 Mio. HUF, etwa 27.800 €) auf der Website der Steuerbehörde; Verletzung des Art. 8 EMRK (15:2 Stimmen; abweichende Meinung der Richter Wojtyczek und Paczolay); siehe dazu auch den Beitrag von Harriet Ní Chinnéide auf Strasbourg Observers.
  • 9. März 2023, Erdélyi gegen Ungarn (Appl. no. 9720/17); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verweigerung des Zugangs für eine Journalistin zu einer Aufnahmestelle für Flüchtlinge (vergleichbar dem Fall Szurovecz); Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. März 2023, Tüzünataç gegen Türkei (Appl. no. 14852/18); türkische Schauspielerin, wurde bei einem Kuss mit einem anderen Schauspieler auf der Terrasse ihrer Wohnung gefilmt und das Video wurde im Fernsehen ausgestrahlt; ihre Klage blieb vor den nationalen Gerichten erfolglos, weil von einer öffentlichen Straße aus gefilmt worden war; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest (einstimmig).
  • 2. März 2023, Croatian Radio-Television (HRT) gegen Kroatien (Appl. nos. 52132/19 u.a.; legal summary); die Beschwerden des kroatischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters HRT  stützen sich auf Art. 6 EMRK und betreffen keine rundfunk- oder medienrechtliche Angelegenheit sondern Zivilverfahren; das Urteil des EGMR ist dennoch insofern relevant, als es auf die Frage eingeht, ob HRT - als vom Staat eingerichtete Rundfunkanstalt - überhaupt beschwerdeberechtigt ist (auf nationaler Ebene hatte das kroatische Verfassungsgericht HRT keine Beschwerdelegitimation zuerkannt); der EGMR kommt schließlich mehrheitlich (4:3) zum Ergebnis, dass HRT locus standi hat (dazu eine gemeinsame abweichende Meinung der Richter Paczolay und Wojtyczek sowie der Richterin Poláčková); siehe dazu den Beitrag von Veronica Botticelli auf Strasbourg Observers
  • 2. März 2023, Gozalbo Moliner gegen Spanien (Appl. no. 23896/21); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin hatte als Teil einer Studierendengruppe einen "runden Tisch" über ein Modell der Universitätsorganisation an der juristischen Fakultät der Universität Barcelona "gesprengt" (eine Tür mit Gewalt geöffnet und mit Megaphon und Pfeifen die Veranstaltung gestört, sodass sie abgebrochen werden musste); sie wurde dafür wegen Störung der Versammlungsfreiheit zu einer Geldstrafe von 1.050 € verurteilt; der EGMR wies die (u.a.) auf Art. 10 und 11 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; die absichtliche schwere Störung kann als "verwerflicher Akt" beurteilt werden, der den Eingriff rechtfertigt.
  • 28. Februar 2023, Mitov u.a. gegen Bulgarien (Appl. no. 80857/17; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerde von Journalist*innen gegen ihrer Ansicht nach zu weitgehende Regeln für die Anonymisierung der veröffentlichten Entscheidungen des obersten bulgarischen Verwaltungsgerichtshofs und gegen Regeln, wonach bestimmte strafgerichtliche Entscheidungen erst mit Verzögerung veröffentlicht werden; der EGMR wies die Beschwerde ratione materiae zurück, weil der Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK nicht eröffnet sei; er beurteilte die Beschwerde auf der Grundlage der Magyar Helsinki Bizottság-Rechtsprechung betreffend den Zugang zu Informationen und kam zum Ergebnis, dass die dort aufgestellten Kriterien nicht erfüllt seien; der Zugang zu (nicht bzw. weniger anonymisierten) Entscheidungen bzw. ein früherer Zugang zu strafgerichtlichen Entscheidungen sei nicht instrumentell für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, zumal die Fragen nicht abstrakt beurteilt werden können: nicht alle Entscheidungen der Gerichte zB würden Angelegenheiten von legitimem öffentlichem Interesse betreffen; es ist nicht Aufgabe des EGMR, abstrakte Aussagen darüber zu treffen, wie ein nationales Gericht Zugang zu seinen Akten zu gewähren habe oder wie die Entscheidungen bei einer Veröffentlichung im Internet zu anonymisieren seien. 
  • 28. Februar 2023, İsmail Koşum gegen Türkei (Appl. no. 22916/20);  
  • Unzulässigkeitsentscheidung; Disziplinarstrafe des Ausschlusses von bestimmten Aktivitäten über einen Strafgefangenen; Zurückweisung, da dem Beschwerdeführer "kein erheblicher Nachteil" entstanden ist (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK).
  • 28. Februar 2023, Mehmet Şirin Tekmenüray und Suat İncedere gegen Türkei (Appl. nos.  35527/19 und 16853/20); Unzulässigkeitsentscheidung; Disziplinarstrafe der Kommunikationsbeschränkung über einen Strafgefangenen; Zurückweisung, da den Beschwerdeführern "kein erheblicher Nachteil" entstanden ist (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK).
  • 23. Februar 2023, Rustamzade gegen Aserbaidschan (Nr. 2) (Appl. no. 22323/16; Pressemitteilung); Aktivist, wurde u.a. wegen eines von ihm produzierten und auf YouTube hochgeladenen Harlem Shuffle-Videos zu einer Haftstrafe verurteilt; Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Februar 2023, Eric Mauvoisin Delavaud gegen Frankreich (Appl. no. 47064/20); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 14. Februar 2023, Halet gegen Luxemburg (Appl. no. 21884/18; Pressemitteilung; legal summary); Urteil der Großen Kammer; "Luxleaks"; ehemaliger Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers hatte 14 Steuererklärungen von Klienten seines Dienstgebers an einen Journalisten geleakt, die in einer TV-Sendung (zur Problematik der "Advance Tax Agreements") verwendet wurden, und erhielt dafür eine Geldstrafe; Verletzung des Art. 10 EMRK (12:5 Stimmen; gemeinsame abweichende Meinung der Richter:innen Ravarani, Mourou-Vikström,  Chanturia und Sabato; Statement of Dissent von Richter Kjølbro); siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Inforrm's Blog.
  • 9. Februar 2023, C8 (Canal 8) gegen Frankreich (Appl. nos. 58951/18 und 1308/19; Pressemitteilung); TV-Sender, wurde von der französischen Regulierungsbehörde (CSA) mit einer Sanktion belegt (keine Werbeausstrahlung 15 Minuten vor und nach der Sendung für zwei Wochen), weil in der Sendung "Touche pas à mon poste" am 7.12.2016 eine Szene gezeigt wurde, in der der Moderator die Hand einer Teilnehmerin auf sein Geschlechtsregion gelegt hatte (Video); die Entscheidung des CSA wurde vom Conseil d`Êtat bestätigt (Pressemitteilung; Entscheidung); die gezeigte Szene sei eine Trivialisierung unakzeptablen Benehmens, habe die Betroffene in einer herabwürdigende Situation gebracht und sie auf den Status als Sexualobjekt reduziert; in einem weiteren Fall hatte ein Präsentator eine Annonce auf einer Dating-Website aufgegeben, in der er sich als bisexuell darstellte, und sprach live in der Sendung mit Personen, die sich auf diese Anzeige hin gemeldet hatten, wobei die Stimmen der Anrufenden nicht verändert wurden; über den TV-Sender wurde eine Geldstrafe von 3.000.000 € verhängt, die wiederum vom Conseil d`Êtat bestätigt wurde; der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass mit diesen Entscheidungen keine Verletzung des Art. 10 EMRK erfolgte; er betont, dass in den beiden Sendungen negative und stigmatisierende Stereotypen von Frauen und Homosexuellen bestärkt wurden, dass der Sender gerade wegen dieser Sendung schon mehrfach zuvor sanktioniert worden war, dass die Sendung besonders von jungen Personen gesehen wurde und dass die Sanktionen zwar hart waren, aber hier besonders gut geeignet waren, da der Sender mit dieser Sendung rein kommerzielle Motive verfolgt hatte; siehe dazu den Beitrag von Alberto Godioli auf Strasbourg Observers.
  • 9. Februar 2023, Shendakov u.a. gegen Russland (Appl. nos. 6493/18 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Februar 2023, Kenareva u.a. gegen Russland (Appl. nos. 71779/17 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Februar 2023, Maria Clara Pereira de Sousa de Santiago Sottomayor gegen Portugal (Appl. no. 29238/22); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 2. Februar 2023, Aliyev gegen Aserbaidschan (Appl. nos. 34717/10 and 8791/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 31. Jänner 2023, Abdullah Kılıç gegen Türkei (App. n. 43979/17); Untersuchungshaft über einen Journalisten wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der FETÖ/PDY (der Verdacht gründete sich auf sechs Artikel in einer Zeitung, sieben Tweets und dass der Beschwerdeführer ein Konto bei einer bestimmten Bank hatte und auf einen Tweet, den er auf einem Account publiziert hatte, der angeblich den Führern der FETÖ/PDY zuzuordnen war); Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 31. Jänner 2023, Milshteyn gegen Russland (Appl. no. 1377/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Herausgeber eines Magazins einer Sekte von Sonnenanbetern, in dem auch zur Eigenbehandlung mit "Aktivtee" bei zahlreichen Krankheiten aufgerufen wurde; sieben Ausgaben des Magazins wurden als extremistische Literatur behördlich eingezogen und die religiöse Gruppe wurde aufgelöst; Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig). 
  • 31. Jänner 2023, Sinitsyn and Alekhin gegen Russland (Appl. no. 39879/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verbot von Publikationen der Falun Gong Gruppe; Verletzung des Art. 10 EMRK im Lichte des Art. 9 EMRK (einstimmig).
  • 24. Jänner 2023, Svetova u.a. gegen Russland (Appl. no. 54714/17; Pressemitteilunglegal summary); Durchsuchung der Wohnungen von AktivistInnen und JournalistInnen, die nicht Verdächtige der untersuchten strafbaren Handlungen (die Michail Chodorkowski und dessen Geschäftspartnern vorgeworfen wurden) waren; Verletzung des Art. 13 in Verbindung mit Art. 8 EMRK und hinsichtlich der Journalistin Zoya Svetova auch Verletzung des Art. 10 EMRK (jeweils einstimmig).
  • 23. Jänner 2023, Macatė gegen Litauen (Appl. no. 61435/19; Pressemitteilung, legal summary); Große Kammer; Kinderbuchautorin; ihr Kinderbuch mit Märchen, in denen in zwei Märchen Liebe zwischen Personen gleichen Geschlechts vorkam, wurde zunächst vom Verlag der Pädagogischen Hochschule veröffentlicht, dann aber nicht weiter verbreitet, und musste schließlich mit der Warnung versehen werden, dass es nicht für Kinder unter 14 Jahren geeignet sei [die Beschwerdeführerin ist - nach Einbringung der Beschwerde - verstorben, das Verfahren wurde von ihrer Mutter fortgesetzt]; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); keine Notwendigkeit, über die auch behauptete Verletzung des Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 10 EMRK zu entscheiden (12:5 Stimmen, dissenting opinion der Richter:innen Zünd), siehe dazu auch den Beitrag von Greif und Greuter auf dem Verfassungsblog und den Beitrag von Ingrida Milkaitė auf Strasbourg Observers.
  • 19. Jänner 2023, Khural and Zeynalov gegen Aserbaidschand (Nr. 2) (Appl. no. 383/12)
  • 17. Jänner 2023, Axel Springer SE gegen Deutschland (Appl. no. 8964/18; Pressemitteilung); Verpflichtung zu einer Gegendarstellung nach einem Artikel über eine Politikerin und deren frühere Beziehungen zum DDR-Ministerium für Staatssicherheit; keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 17. Jänner 2023, OOO Mediafokus gegen Russland (Appl. no. 55496/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschwerde gegen Website-Sperre betreffend die Website ej2015.ru, Nachfolge-Website von ej.ru, deren Sperre Gegenstand des Verfahrens OOO Flavus ua gegen Russland (Appl. no. 12468/15 ua) war; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 17. Jänner 2023, Ashirov and International Memorial gegen Russland (Appl. no. 25246/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Oberster Gerichtshof verbot Hizb ut-Tahrir als-Islami; Memorial ersuchte den Obersten Mufti des asiatischen Teils Russlands um ein Gutachten zur Literatur dieser Organisation, das veröffentlicht wurde; sowohl der Mufti als auch Memorial wurden deshalb verwarnt - Beschwerde richtet sich gegen diese Verwarnungen; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 10. Jänner 2023, Novaya Gazeta u.a. gegen Russland (Appl. nos. 83662/17 und 46808/20); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung zu Entschädigungen wegen Kreditschädigung durch Zeitungsartikel (betreffend Rosneft und den FSB); Verletzung des Art. 10 EMRK
  • 10. Jänner 2023, Novaya Gazeta u.a. gegen Russland (Appl. nos. 35023/13 and 25657/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung, weil durch einen Artikel über führende Personen der Nashi-Bewegung der Eindruck erweckt worden sei, dass diese die Privatsphäre anderer verletzt hätten; 
  • 10. Jänner 2023, Shenderovich gegen Russland (Appl. no. 77086/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 10. Jänner 2023, Kuzmin gegen Russland (Appl. no. 33513/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Fotojournalist, wurde aus einem Wahllokal (bei der Präsidentenwahl) weggewiesen, weil er nicht vom vorgesehenen Platz aus gefilmt und auch seinen Presseausweis nicht vorgezeigt habe; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 10. Jänner 2023, Privezentsev gegen Russland (Appl. no. 29131/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 10. Jänner 2023, Ekayev gegen Russland (Appl. no. 29396/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Journalist/Anwalt und Menschenrechtsaktivist hatte über Korruption an einem Kreisgericht geschrieben und insbesondere den Gerichtspräsidenten als bestechlich bezeichnet; in der Folge kritisierte er auch einen weiteren Richter als kleinen Despoten, weshalb gegen ihn ein Verfahren wegen Herabwürdigung des Gerichts eingeleitet wurde, bei dem er in zweiter Instanz vom Kreisgericht (dessen Präsidenten und Richter er kritisiert hatte) verurteilt wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 10. Jänner 2023, Isakov gegen Russland (Appl. no. 21226/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 10. Jänner 2023, Khalid Dunyamali oglu Agaliyev gegen Aserbaidschan (Appl. no. 8135/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; Anwalt und Mitarbeiter einer Informationsfreiheits-NGO begehrte Informationen von einem staatlichen TV-Anbieter AzTV , ohne aber zunächst seine Rolle als NGO-Mitarbeiter und den Zweck seiner Anfrage offenzulegen; er erhielt nur einen Teil der Informationen und legte erst im Rechtsmittelverfahren seine NGO-Zugehörigkeit offen; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) ratione materiae als unzulässig zurück, schon weil der Beschwerdeführer Angaben zum Zweck seiner Anfrage und zu seiner Rolle erst im Rechtsmittelverfahren machte, was nicht ausreichend ist; ob der Staat überhaupt für AzTV einstehen musste, konnte daher offenbleiben.
  • 10. Jänner 2023, Cristian Ene gegen Rumänien (Appl. no. 50303/16);  Unzulässigkeitsentscheidung; Strafe wegen Missachtung des Gerichts gegen einen Anwalt aufgrund von Äußerungen in Schriftsätzen, die er als Rechtsvertreter eingebracht hat; die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
2022
  • 20. Dezember 2022, Zemmour gegen Frankreich (Appl. no. 63539/19; Pressemitteilung); der politische Journalist und spätere Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour hatte als Gast in einer TV-Talkshow, um sein Buch zu promoten, u.a. Islam mit Terrorismus gleichgesetzt und war wegen Aufstachelung zu Diskriminierung und religiösem Hass zu einer Geldstrafe von 3.000 € verurteilt worden; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Catherine Arnold auf Inforrm's Blog.
  • 20. Dezember 2022, Bakoyanni gegen Griechenland (Appl. no. 31012/19); die Beschwerdeführerin, eine Parlamentsabgeordnete, hatte aufgrund eines sie beleidigenden Tweets des damaligen Verteidigungsministers Strafanzeige erstattet und Urteilsveröffentlichung beantragt; das Verfahren konnte nicht durchgeführt werden, da das Parlament die parlamentarische Immunität des Verteidigungsministers (und Abgeordneten) nicht aufhob; die Beschwerdeführerin konnte zwar zivilrechtlich eine Entschädigung einklagen, aber in diesem Verfahren bestand keine Möglichkeit, Urteilsveröffentlichung zu beantragen; der EGMR stellte diesbezüglich (einstimmig) eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK fest; siehe dazu den Beitrag von Andy Jousten auf Strasbourg Observers.
  • 15. Dezember 2022, Henry de Lesquen du Plessis Casso gegen Frankreich (Appl. no. 34385/20); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 15. Dezember 2022, Henry de Lesquen du Plessis Casso gegen Frankreich (Appl. no. 34383/20); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 13. Dezember 2022, RTBF gegen Belgien (Nr. 2) (Appl. no. 417/15; Pressemitteilung); Verurteilung des belgischen Rundfunkveranstalters zu einer (symbolischen: 2 €) Entschädigung wegen Verletzung der Privatsphäre eines Paares durch einen Bericht über dessen Aktivitäten im Zusammenhang mit Frauenringkampf-Veranstaltungen, bei denen der Verdacht der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger im Raum stand; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest. 
  • 13. Dezember 2022, Yashar Vagif oglu Agazade gegen Aserbaidschan (Appl. no. 12328/12); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 13. Dezember 2022, Azer Seyfali oglu Mehtiyev gegen Aserbaidschan (Appl. no. 42845/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Recht auf Zugang zu Informationen; mehrere Fälle, in denen Vertreter von NGOs und Journalisten Auskunft von staatlichen Einrichtungen oder staatlichen/staatsnahen Unternehmen begehrten und nicht erhielten.
  • 13. Dezember 2022, Marin Ţuluş gegen Rumänien (Appl. no. 39685/16); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 6. Dezember 2022, Pannon Plakát Kft u.a. gegen Ungarn (Appl. no. 39859/14; legal summary); die beschwerdeführenden Werbeunternehmen beschwerten sich aufgrund des durch mehrere Novellen zur ungarischen Straßenverkehrsordnung eingeführten Verbots (mit nur wenigen Ausnahmen) von Plakatwerbung in der Nähe von Straßen; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 1 1. ZPEMRK fest und sah es deshalb als nicht mehr erforderlich an, den Fall auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 10 EMRK zu beurteilen.
  • 6. Dezember 2022, Mnatsakanyan gegen Armenien (Appl. no. 2463/12); Entlassung eines Richters durch den Präsidenten Armeniens aufgrund einer Empfehlung des Justizrats, wegen  einer angeblich schweren Verletzung des Verfahrensrechts; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK fest, wies aber die Beschwerde insoweit ratione materiae zurück, als sie sich auch auf eine Verletzung des Art. 10 EMRK stützte; anders als in den Fällen Kudeshkina und Baka war hier das vorgeworfene Disziplinarvergehen nämlich keine öffentliche Äußerung, sondern eine bestimmte Form der Ausübung der dienstlichen Pflichten.
  • 29. November 2022, Godenau gegen Deutschland (Appl. no. 80450/17; legal summary); die Beschwerdeführerin ist eine überregional bekannte Rechtsextreme; sie war u.a. von 1993 bis Anfang 2006 Mitglied der Republikaner, wurde dann für das "Bürgerbündnis Pro Schwalm-Eder", das zahlreiche Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen hatte, in den Kreistag von Schwalm-Eder gewählt, und hat sich auch öffentlich immer wieder einschlägig geäußert; von 2004 - bis 2006 arbeitete sie als Lehrerin an einer öffentlichen Schule in Hessen, wurde dann aber wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue entlassen; nach einer gegen die Entlassung gerichteten Klage wurde der Dienstvertrag mit Vergleich einvernehmlich beendet; in der Folge wurde sie auf eine "schwarze Liste" von ehemaligen Lehrer:innen gesetzt, die als ungeeignet für eine Wideraufnahme in den Schuldienst angesehen wurden; die gegen die Aufnahme in diese Liste gerichtet Klage wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde ebenfalls (einstimmig) abgewiesen.
  • 15. November 2022, Marcinkevičius gegen Litauen (Appl. no. 24919/20; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer ist ein wesentlicher Aktionär des größten litauischen Konzerns; in einem auf delfi.lt veröffentlichten Beitrag wurde er mit Aussagen zitiert, die einem anderen Aktionär - der reichsten Person Litauens - u.a. persönliche Bereicherung und Steuerhinterziehung vorwarfen; in einem von diesem anderen Aktionär angestrengten Verfahren wurde er verurteilt, (nur) die Behauptung, dass dadurch andere Aktionäre, aber auch der litauische Staat einen enormen Schaden erlitten hätten, zurückzunehmen; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; eine Steueraffäre der reichsten Person Litauens ist ein Angelegenheit von öffentlichem Interesse; die nationalen Gerichte hatten die Frage, ob es sich bei den Äußerungen um Werturteile oder Tatsachenbehauptungen handelte, nicht korrekt beantwortet, weil sie jede Antwort des Beschwerdeführers im Interview gesondert und nicht im Zusammenhang beurteilt hatten.
  • 15. November 2022, Poienaru gegen Rumänien (Appl. no. 43744/17); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Mitarbeiter einer öffentlichen Stelle, die mit der Verwaltung von Agrarförderungen befasst war; außerdem betrieb er privat einen Blog; in fünf E-Mails informierte er seine Vorgesetzten über von ihm wahrgenommene Unregelmäßigkeiten bzw. Rechtswidrigkeiten bei den Förderungen; daraufhin wurde sein Zugang zu seinem dienstlichen Computer vom Arbeitgeber ;gesperrt; in der Folge veröffentlichte er auf seinem privaten Blog Beiträge zu den von ihm wahrgenommenen Unregelmäßigkeiten in der Förderungsverwaltung; daraufhin wurde er entlassen, weil er das Ansehen und die Autorität des Direktors der Förderstelle mit den Blogbeiträgen untergraben habe; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; die nationalen Gerichte hatten sich darauf beschränkt, ohne nähere Untersuchung eine Rufschädigung anzunehmen; außerdem hatten sie nicht zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen des Beschwerdeführers unterschieden und auch nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer vor der Veröffentlichung seine Vorgesetzten informiert hatte und die Veröffentlichung eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betraf.
  • 10. November 2022, Lyparis gegen Griechenland (Appl. no. 6047/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Politiker und war wegen eines Artikels in einer Lokalzeitung, in dem er einem anderen Politiker Verfehlungen seiner politischen Partei vorgeworfen hatte, zu einer Entschädigung verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 10. November 2022, Nagoyev u.a. gegen Russland (Apll. no. 6328/16 u.a. ); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; "Sammelurteil", in dem mehrere gleichartige Beschwerden zusammengefasst und in mehreren Fällen Verletzungen des Art. 10 EMRK - aufgrund etablierter Rechtsprechung - festgestellt wurden (es betraf hier Verfahrensmängel im Zusammenhang mit Verwaltungsstrafverfahren wegen "Solo-Demonstrationen").
  • 10. November 2022, Akhtyamov u.a. gegen Russland (Appl. no. 17105/18 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; "Sammelurteil", in dem mehrere gleichartige Beschwerden zusammengefasst und in mehreren Fällen Verletzungen des Art. 10 EMRK - aufgrund etablierter Rechtsprechung - festgestellt wurden (es betraf hier Festnahmen wegen "Solo-Demonstrationen").
  • 10. November 2022,  Nino Bolkvadze u.a. gegen Georgien (Appl., no. 17354/19); Unzulässigkeitsentscheidung; den BeschwerdeführerInnen war der Zutritt zu einem Fußball-Länderspiel verwehrt worden, weil sie Regenbogenfahnen mitführten und Regenbogen-Armbänder trugen; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück, weil die BeschwerdeführerInnen nur strafrechtliche Vorwürfe durchzusetzen versucht hatten, nicht aber auch die ihnen zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hatten.
  • 8. November 2022, Ayuso Torres gegen Spanien (Appl. no. 74729/17; legal summary); spanischer Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und zugleich Militärrichter, der im Zuge einer im TV übertragenen akademischen Diskussion die spanische Verfassung als Pseudo-Verfassung und als Bastard bezeichnet hatte, wurde wegen dieser Aussagen in seiner Funktion als Angehöriger des Militärs disziplinär zur Verantwortung gezogen, es kam allerdings wegen Verjährung zu keiner Entscheidung; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; er betonte, dass die Aussagen in einem wissenschaftlichen Kontext gefallen waren und seine persönliche Meinung darstellten; die gleichzeitige Ausübung der Funktion eines Universitätsprofessors war zulässig, der Beschwerdeführer hatte sich auch schon früher in ähnlicher Weise geäußert und in der Diskussion war mehrfach seine Funktion als Universitätsprofessor (und nicht seine Aufgabe als Militärrichter) erwähnt worden.
  • 8. November 2022, Saure gegen Deutschland (Appl. no. 8819/16; Pressemitteilung; legal summary); Bild-Reporter Saure hatte Zugang zu den Akten des deutschen Bundesnachrichtendienstes zum Tod des früheren Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, in der Badewanne eines Genfer Hotels beantragt; er scheiterte mit diesem Begehren vor den deutschen Gerichten (Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2013); er erhielt allerdings aufgrund einer Vereinbarung mit dem BND schließlich Informationen über den Inhalt der der BND-Akten zu diesem Fall; der EGMR stellte (mit 4:3 Stimmen, abweichende Meinung der Richter Pavli, Ravarani und Zünd) keine Verletzung des Art. 10 EMRK wegen der Verweigerung des Zugangs zu den physischen Akten ab, da Saure nicht ausreichend dargelegt habe, weshalb er - trotz Kenntnis des Inhalts der Akten - noch unbedingt Zugang zu den physischen Akten haben wollte; siehe zu diesem Urteil auch den Beitrag von David Werdermann auf dem Verfassungsblog.
  • 8. November 2022, Yüksekdağ Şenoğlu u.a. gegen Türkei (Appl. no. 14332/17 u.a.); Abgeordnete der Oppositionspartei HDP zum türkischen Parlament; die Beschwerde richtete sich gegen die Untersuchungshaft, in der die Beschwerdeführer aufgrund von politischen Reden angehalten wurden; der EGMR stellte in allen Fällen Verletzungen der Art. 5 Abs. 1, 3 und 4 sowie des Art. 10 EMRK, des Art. 3 1. ZPEMRK und des Art. 18 in Verbindung mit Art. 5 EMRK fest (in unterschiedlichen Stimmverhältnissen, mit teilweise abweichender Meinung des Richters Kjølbro und der Richterin Yüksel).
  • 8. November 2022, Savitsky gegen Russland (Appl. no. 35839/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte in der Debatte eines Regionalparlaments einen anderen Abgeordneten als Lakai einer Person bezeichnet, die wegen gerichtlich strafbarer Handlungen verfolgt wurde, und war deshalb wegen Verleumdung verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 8. November 2022, Bajer u.a. gegen Polen (Appl. no. 55212/15); Unzulässigkeitsentscheidung; die BeschwerdeführerInnen sind (ehemalige) Organe des polnischen Medien-Ethik-Rats; nach dem Freispruch eines Ministers, der aufgrund von Recherchen zweier Investigativjournalisten wegen Korruption angeklagt worden war, hatten sie in einem Statement von einer Schande für den investigativen Journalismus gesprochen und dass die beiden Journalisten den Minister verleumdet hätten; aufgrund einer Klage der beiden Journalisten wurden sie zu einer Entschuldigung verurteilt; der EGMR wies die Beschwerden einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 18. Oktober 2022, Stancu u.a. gegen Rumänien (Appl. no. 22953/16); Verurteilung einer Journalistin und eines Journalisten wegen eines Berichts über einen angeblichen Justizfehler der Vizepräsidentin des Obersten Justizrates; Verletzung des Art. 10 EMKR (4:3 Stimmen).
  • 18. Oktober 2022, Odílio Freitas Nóbrega gegen Portugal (Appl. no. 24955/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Entlassung eines Arbeitnehmers durch ein privates Unternehmen, nachdem er in den Medien behauptet hatte, er werde wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten verfolgt, was von den nationalen Gerichten als tatsachenwidrig beurteilt worden war. Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 18. Oktober 2022, Artur Mas Gavarró (Appl. no. 26111/15; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Regierungschef der autonomen Provinz Katalonien; er ging strafrechtlich gegen eine Reihe von Artikel in der Zeitung El Mundo vor, die ihn mit Korruption im Zuge des "Palau"-Skandals in Verbindung brachten; die strafgerichtlichen Verfahren wurden eingestellt; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück, weil der Beschwerdeführer sich nur auf die strafrechtlichen Mittel gestützt hatte und nicht auch die ihm offenstehenden zivilrechtlichen Wege eingeschlagen hatte, um eine Entschädigung für die Verletzung seiner Ehre zu erreichen.
  • 13. Oktober 2022, Bouton gegen Frankreich (Appl. no. 22636/19; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin hat als Aktivistin von FEMEN im Zuge einer Protestaktion gegen die Position der katholischen Kirche zur Abtreibung in einer Pariser Kirche ihren Oberkörper entblößt (siehe zB diesen Bericht) und wurde dafür zu einer bedingten Haftstrafe von einem Monat und zu einer Entschädigung von 2.000 € verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (siehe auch dazu den Beitrag von Zuzana Vikarská auf Verfassungsblog).
  • 13. Oktober 2022, Chernozub gegen Russland (Appl. no. 8777/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 13. Oktober 2022, Matskevich gegen Russland (Appl. no. 25622/21); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 13. Oktober 2022, Saloidy u.a. gegen Russland (Appl. no. u.a. 4973/18); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 11. Oktober 2022, Verein Gegen Tierfabriken Schweiz (VgT) und Kessler gegen Schweiz (Appl. no. 21974/16); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; dem VgT und seinem Vorsitzenden war die Verletzung von Persönlichkeitsrechten eines Mitglieds des Freiburger Staatsrats untersagt worden (siehe das Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 08.09.2015); Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 11. Oktober 2022, Irina Georgiyevna Grebneva gegen Russland (Appl. no. 22835/11); Unzulässigkeitsentscheidung; Chefredakteurin einer Zeitung; wurde von einem Geschäftsmann geklagt, der in ihrer Zeitung in einem von einem anderen Redakteur verfassten Artikel des Betrugs und illegaler Aktionen bezichtigt worden war; im Verfahren konnte die Chefredakteurin keinerlei Beweis für den Wahrheitsgehalt der Behauptungen erbringen und stützte sich darauf, dass nur der Redakteur die Unterlagen habe; der EGMR kam zum Ergebnis, dass sie sich als Chefredakteurin hätte davon überzeugen müssen, dass die schwerwiegenden Behauptungen zutreffen und sie hätte auch Zugang zu den entsprechenden Beweisen haben müssen. Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 6. Oktober 2022, Khural und Zeynalov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 55069/11; Pressemitteilung); keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 22. September 2022, Kitsos gegen Griechenland (Appl. no. 21793/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte im nationalen Fernsehen Vorwürfe gegen die Sachwalter einer (in Korfu) prominenten Person erhoben und wurde deshalb wegen Verleumdung verurteilt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; er berücksichtigte dabei, dass es ein Fall von allgemeinem Interesse war und dass die Sachwalter tatsächlich später wegen Unterschlagung verurteilt wurden.
  • 22. September 2022, Sergiy Mykolayovych Rybiy gegen Ukraine (Appl. no. 11899/17); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 20. September 2022, McCann and Healy gegen Portugal (Appl. no 57195/17; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführer (die Eltern des während eines Urlaubs in Portugal verschwundenen Kleinkindes Madeleine McCann) waren mit einer Zivilklage gegen einen ehemaligen Ermittler in diesem Fall gescheitert; der Ermittler hatte ein Buch veröffentlicht, in der er seine These zu diesem Kriminalfall darlegte, wonach die Eltern selbst für das Verschwinden des Kindes verantwortlich wären und wahrscheinlich die Leiche des vielleicht nach einem Unfall verstorbenen Mädchens beseitigt hätten; der EGMR stellte keine Verletzung der positiven Verpflichtungen Portugals nach Art. 8 EMRK fest (einstimmig); selbst wenn der Ruf der Beschwerdeführer, die vor und nach der Buchveröffentlichung selbst offensiv an die Presse getreten waren, beeinträchtig worden sei, sei dies nicht Folge der Buchveröffentlichung, sondern schon der Ermittlungsakte, die schon vor der Buchveröffentlichung den Medien bekannt war und über die ausführlich berichtet worden war.
  • 20. September 2022, Orishchenko und Region-36 gegen Russland (Appl. no. 50690/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. September 2022, Zhvavyy gegen Ukraine (Appl. no. 6781/13).
  • 20. September 2022, MGN Limited gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 72497/17; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; das beschwerdeführende Medienunternehmen wurde nach diversen Vorwürfen des "phone hacking" zu Entschädigungen verurteilt; die Beschwerde betrifft die Verpflichtung des Medienunternehmens, auch hohe Anwaltskosten der Gegenseite zu tragen, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin gegen das Urteil MGN Limited verstoßen (Entscheidung des EWHC; Entscheidung des UKSC).
  • 20. September 2022, Saúl Jorge López gegen Spanien (Appl. no. 54140/21); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 15. September 2022, Yeremenko gegen Ukraine (Appl. no. 22287/08); Journalist, Artikel "Schwarze Troika" mit Kritik an den Handelsgerichten in Donetsk, geklagt von den betroffenen Richtern; keine Verletzung des Art. 10 EMRK im Hinblick auf das Verfahren der einstweiligen Verfügung; Verletzung des Art. 10 EMRK im Hinblick auf das Hauptverfahren (jeweils einstimmig).
  • 15. September 2022, Rabczewska gegen Polen (Appl. no. 8257/13; Pressemitteilung; legal summary); bekannte polnische Sängerin ("Doda") wurde wegen Verletzung religiöser Gefühle zu einer Geldstrafe verurteilt,weil sie in einem Interview die Bibel als "the writings of someone wasted from drinking wine and smoking some weed" bezeichnet hatte (im Interview war ihr die damalige Beziehung zu einem Death Metal-Musiker, der anti-christliche Stimmung verbreite, vorgehalten worden); Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1 Stimmen; gemeinsames zustimmendes Sondervortum der Richter Felici und Ktistakis; abweichende Meinung des Richters Wojtyczek); siehe dazu den Beitrag von Tommaso Virgili auf Strasbourg Observers.
  • 13. September 2022, Timur Sharipov gegen Russland (Appl. no. 15758/13; legal summary);
  • 13. September 2022, Başer and Özçelik gegen Türkei (Appl. nos. 30694/15 and 30803/15):
  • 6. September 2022, Gaši ua gegen Serbien (Appl. no. 24738/19); Hate Speech; Journalisten, die sich für Transparenz bei großen Bauprojekten ausgesprochen haben und Änderungen in einem Rundfunksender kritisierten, wurden in der Folge von regierungstreuen Medien als "ausländische Agenten" bezeichnet, die Konflikte provozieren und Chaos schaffen wollten; gerichtliches Vorgehen gegen diese Meldungen blieben erfolglos; die Beschwerdeführer machten eine Verletzung der positiven Verpflichtungen des Staates aus Art. 10 EMRK geltend; der EGMR kam zum Ergebnis, dass keine Verletzung das Art. 10 EMRK vorlag (einstimmig, mit Sondervotum der finnischen Richterin Koskelo, die sich nur mit "beträchtlichem Zögern" der Mehrheitsmeinung angeschlossen hat).
  • 6. September 2022, Bodalev gegen Russland (Appl. no. 67200/12); Aktivist, hatte u.a. an einer "performance" zur Wiederbelebung der russischen Verfassung teilgenommen, bei der ein Sarg, gefüllt mit Broschüren des Verfassungstextes verwendet und eine Rede gehalten wurde; er wurde danach festgenommen; Verletzung des Art. 10 EMRK (5:2 bzw. 4:3 Stimmen im Hinblick auf zwei verschiedene Events) und des Art. 11 EMRK (5:2 Stimmen - im Hinblick auf andere Events); abweichende Voten des russischen Richters Lobov und der spanischen Richterin Elósegui sowie einem teilweise abweichenden Sondervotum des schweizer Richters Zünd).
  • 6. September 2022, Ete gegen Türkei (Appl. no. 28154/20; legal summary); die Beschwerdeführerin war zu einer - später ausgesetzten - zehnmonatigen Haftstrafe wegen Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt worden, weil sie bei einer Demonstration zur Feier des Geburtstags des Anführers der PKK eine Geburtstagstorte angeschnitten und auf Teller verteilt hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. September 2022, Teleradiokompaniya Era, Tov, gegen Ukraine (Appl. no.24064/13); Unzulässigkeitschentscheidung; die beschwerdeführende Partei hatte eine analoge TV-Lizenz und ging bei der Vergabe der digitalen Lizenzen leer aus; allerdings wurde die Geltungsdauer der analogen Lizenz verlängrt und die beschwerdeführende Partei hatte auch eine Satellitenlizenz; der EGMR verweist auch darauf, dass mehr Einwohner TV über Sat empfangen als digital terrestrisch, und er hält fest, dass die beschwerdeführende Partei jedenfalls nie gehindert war, Informationeen mitzuteilen; die Beschwerde wurde daher (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 1. September 2022, Miska Teleradiokompaniya Chernivtsi, Tov, gegen Ukraine (Appl. no.55592/13); Unzulässigkeitschentscheidung; die beschwerdeführende Partei hatte eine analoge TV-Lizenz und ging bei der Vergabe der digitalen Lizenzen leer aus; allerdings wurde die Geltungsdauer der analogen Lizenz verlängrt und sie erhielt zum Ende der analogen Lizenz dann doch eine digitale Lizenz; der EGMR wies die Beschwerde daher mangels Opfereigenschaft der beschwerdeführenden Partei zurück (einstimmig).
  • 30. August 2022, Ibragimova gegen Russland (Appl. no. 68537/13); die Beschwerdeführerin hatte in Murmansk eine "Solo-Demonstration" abgehalten um gegen die Verurteilung von Mitgliedern der Punk Band Pussy Riot zu protestieren; dabei hatte sie eine grüne Balaclava (Mütze, die den ganzen Kopf bis zum Kinn verhüllt, nur mit Augenlöchern) getragen; zum Ende der Demonstration nahm sie di Balaclava ab; Polizisten, die dabei gestanden hatten, waren nicht eingeschritten; in der Folge wurde sie wegen Verhüllung bei einer öffentlichen Veranstaltung zu einer Verwaltungsstrafe (von umgerechnet ca. 242 €) verurteilt; der EGMR hielt fest, dass das Verhüllungsverbot bei öffentlichen Veranstaltungen ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung ist, das auch gesetzlich vorgesehen war; er lässt offen, ob damit auch ein legitimes Ziel verfolgt wurde, da der Eingriff jedenfalls "nicht notwendig" gewesen sei: die nationalen Gerichte haben die symbolische Bedeutung der Verhüllung nicht berücksichtigt, der Protest war vollkommen friedlich und wurde auch von den Behörden so wahrgenommen, und die Gerichte hatten sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Absicht bestanden habe, sich der Identifizierung zu entziehen; der Eingriff war daher unverhältnismäßig und der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (6:1, mit ausführlichem zustimmenden Sondervotum der spanischen Richterin Elósegui und teilweise abweichendem Votum des russischen Richters Lobov).
  • 30. August 2022, Sergey Sorokin gegen Russland (Appl. no. 52808/09; legal summary); der Beschwerdeführer war Journalist und Chefredakteur einer Nachrichten-Website; nach Veröffentlichung eines Interviews mit einem hochrangigen Beamten des regionalen Innenministeriums über mögliche "Leaks" und Versuche, Telefondaten zur Aufklärung dieser Leaks zu bekommen, wurde eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers und die Sicherstellung von elektronischen Geräten angeordnet und durchgeführt, um Unterlagen zum Gespräch mit dem Interviewpartner zu finden; die Durchsuchung führte zur beschlagnahme von Computern und Festplatten, blieb aber ergebnislos; im Verfahren über die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung wurde der Beschwerdeführer von der Teilnahme ausgeschlossen, weil er sich weigerte, eine Vertraulichkeitserklärung zu unterzeichnen; der EGMR stellte fest, dass ein Eingriff vorlag, der "allgemein" im Gesetz vorgesehen war, wobei er festhielt, dass er nicht überzeugt sei, dass das Gesetz - wegen des Fehlens prozessualer Garantien zum Schutz journalistischer Quellen - die nach der Rechtsprechung erforderliche Qualität aufweise; diese Frage ließ der EGMR aber offen, weil der Eingriff jedenfalls "nicht notwendig" gewesen sei; zwar liege ein legitimes Ziel vor (Verhinderung von Verbrechen; hier im Zusammenhang mit der gerichtlichen Untersuchung des möglichen Verrats von Staatsgeheimnissen durch den Interviewpartner des Beschwerdeführers), aber das Gericht, das die Durchsuchung genehmigte, keine Abwägung im Hinblick auf den Schutz journalistischer Quellen vorgenommen und auch keine Auflagen für die Durchsuchung sichergestellter Geräte erteilt, um den Zugriff auf nicht verfahrensrelevante Daten zu verhindern; da die Durchsuchung daher ohne Verfahrensgarantien zum Schutz der journalistischen Quellen durchgeführt worden war, liegt eine Verletzung des Art. 10 EMRK vor (einstimmig; mit zustimmendem Sondervotum des Schweizer Richters Zünd, dem sich die deutsche Richterin Seibert-Fohr anschloss); im Sondervotum hält Richter Zünd fest, dass abstrakt gesehen eine "sifting procedure" (ein Durchsehn der sichergestellten Daten und "Aussieben" der für das verfahren nicht relevanten Daten) notwendig sein kann, wenn es um die Durchsuchung von Datenträgern eines Journalisten geht; allerdings seien im konkreten Fall nicht einmal die Voraussetzungen für die Durchsuchungsanordnung vorgelegen, sodass diese von Grund auf mit Art. 10 EMRK nicht vereinbar waren, woran auch ein späteres "sifting" der sichergestellten Datenträger nichts hätte ändern können.
  • 30. August 2022, Welsh und Silva Canha gegen Portugal (Appl. no. 58106/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Journalisten einer kleinen satirischen Zeitschrift (Auflage 500 Stück) in Madeira, die - nach entsprechenden Artikeln in überregionalen Zeitungen in einem Artikel über den Hafen von Madeira schrieben, sie hätten erfahren, dass die Kriminalpolizei eine CD sichergestellt hätte, auf der zwei Bilanzen der Gesellschaft des Hafenbetreibers enthalten gewesen seien, eine für das Finanzamt und eine für den internen Gebrauch; außerdem schrieben sie, dass das Entladen eines Schiffes im Hafen dasselbe sei wie eine Palette Geld in die Stiftung einer bestimmten politischen Partei zu entladen; sie wurden nach einer Klage eines Vorstandsmitglieds des Hafenbetreibers zu einer Entschädigung an diesen wegen Rufschädigung in der Höhe von 15.000 € verurteilt, der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da die Debatte um das Monopol im Hafen von Madeira eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse sei, das Vorstandsmitglied sei eine "public figure", die zudem nur im Hinblick auf das berufliche Leben betroffen gewesen sei; für die Behauptung betreffend die CD mit unterschiedlichen Bilanzen hatten die Beschwerdeführer keinen Wahrheitsbeweis erbringen können, sie hätten sich aber im guten Glauben auf Veröffentlichungen durch verlässliche Dritte (nationale Zeitungen) stützen können; zudem seien die Maßstäbe, die zur Beurteilung der politischen Aktivitäten einer Person in moralischer Hinsicht angewendet werden, anders als jene, die für den Nachweis eines gerichtlich strafbaren Tat anzulegen seien.
  • 12. Juli 2022, Kotlyar gegen Russland (Appl. no. 38825/16; legal summary); Menschenrechtsaktivistin im Migrationsbereich, hatte aus absichtlich über hundert Personen in ihrer Wohnung angemeldet; sie wurde nach einem Gesetz, das erst nach der Anmeldung beschlossen worden war, wegen dieser Scheinmeldungen verurteilt; der EGMR stellte (mit 6:1 Stimmen) eine Verletzung des Art. 7 EMRK fest; soweit die Beschwerde auf Art. 10 EMRK gestützt war, wurde sie aber (einstimmig) als unzulässig zurückgewiesen, da das Meldegesetz nicht als Einschränkung der Äußerungsfreiheit zu beurteilen ist und der Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK daher nicht eröffnet war.
  • 7. Juli 2022, Inès De Pracomtal und Fondation Jérôme Lejeune gegen Frankreich (Appl. nos. 34701/17 und 35133/17); Unzulässigkeitsentscheidung; die Erstbeschwerdeführerin war in einem - von der zweitbeschwerdeführenden Stiftung mitfinanzierten - Kurzfilm ("Dear Future Mom") zu sehen, in dem Kinder und Jugendliche mit Down Syndrom sich an eine fiktive "zukünftige Mutter" wandten, die überlegt, ob sie ihr Kind mit Down Syndrom zur Welt bringen will; der Film wurde im Werbeprogramm dreier TV-Sender am Welttag des Down-Syndroms ausgestrahlt; der CSA (Medienregulierungsbehörde) richtete aufgrund von Publikumsbeschwerden ein Schreiben an die TV-Sender, dass dieser Film weder Werbung noch eine Einschaltung im öffentlichen Interesse sei und dass sie in Zukunft sorgsamer bei der Ausstrahlung von Material sein sollten, das Kontroversen auslösen könnte; schließlich entscheid der CSA, dass der Film nicht Teil des Werbeprogramms sein könne; Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos; der EGMR wies die Beschwerde mangels Opferstatus der Beschwerdeführerinnen zurück; der Film war wie geplant gezeigt worden, die Entscheidung des CSA hatte keine Auswirkungen mehr.
  • 5. Juli 2022, Drousiotis gegen Zypern (App. no 42315/15; legal summary); Verurteilung eines Journalisten wegen übler Nachrede zu Lasten des stv. Justizministers; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. Juli 2022, Rainer Edmund Maria Lanzerath gegen Deutschland (Appl. no. 1854/22); Unzulässigkeitsentscheidung; AfD-Kommunalpolitiker, der auf einem Poster den Holocaust mit Kritik an der AfD verglich (eine Abbildung des Posters, die er auch auf Twitter verbreitet hatte, ist hier zu sehen) und deshalb wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden war; die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 30. Juni 2022, Azadliq und Zayidov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 20755/08; legal summary); Verurteilung eines Zeitungsherausgebers und der Medieninhaberin wegen eines Artikels über die "Korruptionsmaschine" eines Vertrauten des Präsidenten. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 28. Juni 2022, M.D. u.a. gegen Spanien (Appl. no. 36584/17; Pressemitteilung, legal summary); die BeschwerdeführerInnen sind RichterInnen, die das "Manifest für das Recht zu entscheiden" unterzeichnet hatten, in dem sie ihre positive Rechtsansicht über die Abhaltung eines Referendums über die Selbstbestimmung Kataloniens äußerten; in der Folge veröffentlichte eine Zeitschrift einen Bericht mit dem Titel "Die Verschwörung der 33 souveränistischen Richter", der mit Fotos von deren Personalausweisen und weiteren Informationen, die aus einer polizeilichen Datenbank stammen dürften, illustriert war; das von den Betroffenen angestrengte Strafverfahren wegen Verletzung amtlicher Geheimnisse wurde eingestellt; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig), wegen der ohne gesetzliche Grundlage geführten Polizeidatenbank; Zurückweisung im Hinblick auf Art. 10 EMRK, da das wegen der Unterzecihnung desManifests eingeleitete Disziplinarverfahren ohne Sanktion weider eingestellt wurde; dadurch sei kein "chilling effect" gegeben gewesen.
  • 23. Juni 2022, Rouillan gegen Frankreich (Appl. no. 28000/19; Pressemitteilung; legal summary); Verletzung des Art. 10 EMRK (im Hinblick auf die Strafhöhe; einstimmig)
  • 16. Juni 2022, Żurek gegen Polen (Appl. no. 39650/18; Pressemitteilung; legal summary); polnischer Richter, Pressesprecher eines Regionalgerichtes, Funktionär einer Richterorganisation, Mitglied des nationalen Rats der Gerichtsbarkeit; durch die sogenannte "Justizreform" in Polen wurde sein Mandat als Mitglied des Rats der Gerichtsbarkeit vorzeitig beendet, außerdem wurde er von seiner Funktion als Pressesprecher seines Gerichts enthoben und die Steuer- und Sicherheitsbehörden begannen Untersuchungen gegen ihn; einer von zahlreichen Fällen, in denen sich Richter der polnischen Justiz gegen Maßnahmen der sogenannten Justizreform wehren; hier auch gestützt auf Art. 10 EMRK, weil der Beschwerdeführer geltend macht, dass die Maßnahmen auch wegen seiner öffentlichen Kritik an der "Justizreform" getroffen wurden; Verstoß gegen Art. 6 (5:1 Simmen) und 10 EMRK (einstimmig); teilweise abweichendes, teilweise zustimmendes Sondervotum des Richters Wojtyczek.
  • 14. Juni 2022, Ecodefence u.a. gegen Russland (Apl. no. 9988/13; Pressemitteilung; legal summary);
  • 14. Juni 2022, Ponta gegen Rumänien (Appl. no. 44652/18; Pressemitteilung); Ex-Parteiobmann, wurde zu einer Entschädigung verurteilt, weil er auf seiner Facebook-Seite einem Amtsträger unterstellt hatte, an Korruption beteiligt zu sein; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; zustimmendes Sondervotum der Richter Grozev und Haryutyunyan).
  • 14. Juni 2022, Algirdas Butkevičius gegen Litauen (Appl. no. 70489/17; Pressemitteilung; legal summary); keine Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 7. Juni 2022, Patrício Monteiro Telo de Abreu gegen Portugal (Appl. no. 42713/15; Pressemitteilung; legal summary); Stadtrat, wurde wegen einer in seinem Blog veröffentlichten Karikatur eines politischen Gegners, die bereits in einer Zeitung erschienen war, verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Sofia Balzaretti auf Strasbourg Observers.
  • 7. Juni 2022, Taganrog LRO u.a. gegen Russland (Appl. nos. 32401/10 7 u.a.; Pressemitteilung);
  • 7. Juni 2022, Fariz Namazli gegen Aserbaidschan (Appl. no. 28203/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Informationszugang; Anwalt einer NGO, hatte erfolglos ein Auskunftsverlangen über Budgetzahlen einer Bezirksbehörde gestellt; wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, da nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer die Information mit dem Ziel begehrt hat, eine ernsthafte Untersuchung einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse zu betreiben und dass er als "public watchdog" gehandelt habe.
  • 2. Juni 2022, Straume gegen Lettland (Appl. no. 59402/14; Pressemitteilung; legal summary); Fluglotsin, Vorsitzende der Fluglotsen-Gewerkschaft, beschwerte sich - in dieser Funktion - über das staatliche Luftverkehrskontrolle-Unternehmen beim Ministerium und wurde in der Folge vom Dienst bei diesem Unternehmen suspendiert.
  • 31. Mai 2022, Taner Kılıç gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 208/18; Pressemitteilung); Untersuchungshaft über den Vorsitzenden des türkischen Zweigs von Amnesty International, wegen des Verdachts, Mitglied der gülenistischen Organisation FETÖ/PDY zu sein; das wurde unter anderem darauf gestützt, dass er den Messager-Dienst ByLock verwendet hatte; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 5 Abs. 1, 3 und 5 EMRK sowie des Art. 10 EMRK fest; mit 5:2 Stimmen hielt der EGMR fest, dass es nicht erforderlich sei, die Beschwerde gesondert im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 18 EMRK zu prüfen (dazu dissenting opinion der RichterInnen Kūris und Koskelo); siehe dazu den Beitrag von Tobias Mortier auf Strasbourg Observers.
  • 24. Mai 2022, Pretorian gegen Rumänien (Appl. no. 45014/16; Pressemitteilung); Journalist (Chefredakteur einer regiuonalen Wochenzeitung), wurde wegen zweier Artikel in einer Zeitschrift, deren Überschriften (in Bezug auf einen Politiker) "Fangt den liberalen Bastard!" bzw. "Hau ab, Majestät!" lauteten, zu einer Entschädigung von 3.200 € und zur Urteilsveröffentlichung verurteilt; die nationalen Gerichte hatten die Aussagen in den beiden Artikeln als Werturteile beurteilt, denen jedes Tatsachensubstrat fehlte; der Politiker hatte diese Angriffe auch nicht provoziert; der EGMR sah keinen Grund, von der Beurteilung der nationalen Gerichte abzugehen; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 24. Mai 2022, ZAO Informatsionnoye agentstvo "Rosbalt" gegen Russland (Appl.no. 16503/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung eines Informationsdienstes wegen eines Berichts über Äußerungen eines Duma-Abgeordneten, der Untersuchungen gegen unethisches Vorgehen eines anderen Duma-Abgeordneten betreffend dessen Dissertation begonnen habe; der EGMR verwies darauf, dass es nach seiner Rechtsprechung (Couderc und Hachette Filipacchi Associés gegen Frankreich, Abs. 142) ganz besonders starke Gründe geben müsse, wenn JournalistInnen bzw. Medien für den bloßen Bericht über Äußerungen Dritter verantwortlich gemacht werden sollen; dies war hier nicht gegeben; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 17. Mai 2022, Simić gegen Bosnien und Herzegowina (Appl. no. 39764/20; Pressemitteilung); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer machte in einer Rechtsmittelschrift einen Witz über den in der Vorinstanz entscheidenden Richter und wurde dafür mit einer Strafe wegen Missachtung des Gerichts von rund 510 € belegt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Natalie Alkiviadou auf Strasbourg Observers.
  • 17. Mai 2022, AMIS Telekom DOO gegen Serbien (Appl. no. 40234/16); Unzulässigkeitsentscheidung; Rundfunkunternehmen, hatte 2005 um eine Lizenz angesucht und noch immer keine inhaltliche Entscheidung dazu bekommen; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück, da die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf eine Lizenzerteilung unter neuen rechtlichen Rahmenbedingungen gestellt hatte.
  • 5. Mai 2022, Mesić gegen Kroatien (Appl. no. 19362/18; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerdeführer war der frühere kroatische Präsident Stjepan Mesić; er war in Frankreich wegen Beihilfe zum Mord und versuchter Erpressung durch eine kriminelle Organisation angezeigt worden; von kroatischen Medien darauf angesprochen, richtete er dem Anwalt des Anzeigers aus, dieser könne sich, wenn er das nächste Mal in Zagreb sei, in eine bestimmte Klinik begeben, wo er und seinesgleichen wirksame psychiatrische Behandlung erhalten könnten; der Anwalt klagte daraufhin wegen Rufschädigung und erhielt eine Entschädigung von rund 6.660 € zugesprochen; der EGMR berücksichtigte, dass der Beschwerdeführer damals Staatspräsident war, dass der Anwalt nicht die Öffentlichkeit gesucht hatte und keine public figure war und dass er aus prozessrechtlichen Gründen keine Angaben zum tatsächlichen Inhalt der Anzeige machen durfte und sich damit nicht gegen die Vorwürfe verteidigen konnte; außerdem hätten die Aussagen des Beschwerdeführers einen "chilling effect" gehabt, der Anwälte von der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten abhalten könnte; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Anna Wallace auf Inforrm's Blog.
  • 3. Mai 2022, Bumbeș gegen Rumänien (Appl. no. 18079/15; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer, Aktivist der "Spirituellen Miliz", hatte sich nach einem spontanen Entschluss gemeinsam mit drei weiteren AktivistInnen an der Absperrung eines Parkplatzes vor einem Regierungsgebäude mit Handschellen angeschlossen, um gegen einen Gesetz betreffend ein Bergbauvorhaben in einem (mittlerweile) Unesco-Welterbe-Gebiet zu protestieren; er wurde nach kurzer Zeit auf eine Polizeistation gebracht, dort von der Absperrung losgeschnitten und erhielt schließlich eine Geldstrafe wegen Störung der öffentlichen Ordnung von umgerechnet rund 113 €; der EGMR behandelte die auf Art. 10 und Art. 11 EMRK gestützte Beschwerde nach Art. 10 EMRK, da es vor allem darum ging, einen Protest auszudrücken, aber nicht eine Versammlung abzuhalten; die nationalen Gerichte hatten nur die Störung der Ordnung und die Nichtanmeldung einer Versammlung berücksichtigt, aber nicht die tatsächlichen Auswirkungen des Protests auf die öffentliche Ordnung geprüft und keine Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vorgenommen; der Eingriff war daher nicht ein einer demokratischen Gesellschaft notwendig; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 26. April 2022, Mediengruppe Österreich GmbH gegen Österreich (Appl. no. 37713/18; legal summary); in einem Artikel in der Tageszeitung "Österreich" am 20. Juli 2016 war über ein Treffen des damaligen Bundespräsidentschaftskandidaten N.H. mit der Bild-Zeitung berichtet worden, an dem auf Seiten des Präsidentschaftskandidaten auch ein gewisser R.S. teilgenommen hatte, der wiederum der Bruder von H.J.S. war; R.S. und H.J.S. waren wiederum gemeinsam auf einem Foto zu sehen, dass bei einer Neonazi-Demo 1987 aufgenommen worden war (siehe zu alldem auch den Bericht auf derstandard.at); im "Österreich"-Artikel wurde H.J.S. auch als "verurteilter Neonazi" bezeichnet; H.J.S. klagte deshalb erfolgreich auf Unterlassung und Entschädigung (Beschluss im Provisorialverfahren: OGH 30.01.2017, 6 Ob 2016/16g; Beschluss im Hauptverfahren: OGH 21.12.2017, 6 Ob 222/17s); der EGMR wies die Beschwerde der Medieninhaberin ab (mit 4:3 Stimmen, Dissenting Opinion von Richterin Guerra Martins, der sich Richter Vehabović und Richterin Motoc anschlossen), der OGH habe eine Abwägung in Übereinstimmung mit dem Urteil Österreichischer Rundfunk vorgenommen.
  • 26. April 2022, Wojciech Krysztofiak gegen Polen (Appl. no. 15355/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist und Blogger für Newsweek, hatte Beiträge zur Warschauer Kunstschule - einer privaten, nicht-öffentlichen Universität - veröffentlicht; er beurteilte diese Art von Bildungseinrichtungen als “educationally or scientifically worthless"; daraufhin wurde ihm mit einstweiliger Verfügung für die Dauer eines Jahres untersagt, Inhalte zu veröffentlichen, die den guten Ruf der Warschauer Kunstschule schädigen könnten; der EGMR akzeptierte diese einstweilige Verfügung als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig (im Übrigen wurde der Beschwerdeführer dann im Hauptverfahren auch zur Unterlassung verurteilt): Zurückweisung der Beschwerde als offensichtlich unbegründet (einstimmig).
  • 12. April 2022, Lings gegen Dänemark (Appl. no. 15136/20; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung eines Arztes wegen Beihilfe zum Selbstmord durch Verschreibung von Medikamenten bzw. ausdrückliche Ratschläge; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. April 2022, NIT S.R.L.gegen Republik Moldau (Appl. no. 28470/12; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; Entzug einer Fernsehlizenz wegen mangelnder Vielfalt, Parteilichkeit (zugunsten einer Oppositionspartei) und verzerrter Nachrichten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (14:3 Stimmen; gemeinsame abweichende Meinung der RichterInnen Lemmens, Jelić und Pavli); auch keine Verletzung des Art. 1 1. ZPEMRK (15:2 Stimmen).
  • 5. April 2022, Teslenko ua gegen Russland (Appl. no. 49588/12 ua; legal summary); Festnahmen/Anhaltungen und Geldstrafen nach wahlrechtlichen Vorschriften (gegenüber Privatpersonen) wegen Aufrufen, eine bestimmte Partei (Einiges Russland) nicht zu wählen; der EGMR ließ die Frage, ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorlag, offen, da sie nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind; Verletzung des Art. 10 EMRK (und des Art. 5 Abs. 1 EMRK, jeweils einstimmig; zustimmendes Sondervotum des Richters Pavli).
  • 5. April 2022, Murat Türk gegen Türkei (Appl. no. 20686/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschlagnahme eines Drehbuch-Manuskripts, das dem inhaftierten Beschwerdeführer von seinem Bruder zugeschickt worden war, durch die Verwaltung der Haftanstalt; Eingriff war nicht "gesetzlich vorgesehen", daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. April 2022, Kostova und Apostolov gegen Nordmazedonien (Appl. no. 38549/16); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; JournalistInnen einer Wochenzeitung, wurden in einem zivilgerichtlichen Verfahren verurteilt, weil sie in einem Artikel über den Chef des Geheimdienstes Aussagen eines Beamten zitierten, der dem Geheimdienstchef Missbrauch seiner Amtsgewalt in einer privaten Angelegenheit vorwarf, angeblich ohne dass sie zuvor versucht hätten, diese Aussagen zu verifizieren; der EGMR hielt fest, dass im Artikel deutlich gemacht wurde, dass sich die JournalistInnen die Aussage des zitierten Beamten nicht zu eigen gemacht hatten und dass auch ein Versuch zur Verifizierung der Aussage erfolgt war; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig)
  • 5. April 2022, Semenov gegen Russland (Appl. no. 39696/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Teilnehmer einer genehmigten Demonstration, wurde wegen eines Transparents mit der Aufschrift "Russland ohne Putin" zu einer Geldstrafe und - weil er sich der Festnahme entgegengestellt hatte - zu einer Verwaltungshaft von vier Tagen verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 29. März 2022, Chirikov und Nekrasov gegen Russland (Appl. nos. 47942/17 and 58664/17); zwei politische Aktivisten hatten ein Kreuz an einer Büste des ersten sowjetischen Geheimdienstchefs Felix Dzerzhinsky in Krasnodar angebracht und waren dafür zu einer Verwaltungsstrafe von 15 Tagen Haft verurteilt worden; das Kreuz war nur wenige Stunden verblieben und hatte das Denkmal nicht beschädigt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 29. März 2022, Waldemar Stanisław Śliwczyński und Tomasz Szternel gegen Polen (Appl. no. 2244/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalisten einer Wochenzeitung; erhielten nach einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Strafverfahren gegen einen Unternehmer wegen sexuellen Missbrauchs vom Gerichtsvorsteher Zugang zum Akt und veröffentlichten daraufhin einen Bericht, in dem der Unternehmer (nicht aber die Missbrauchsopfer) namentlich genannt wurden; wurden wegen der Verbreitung von Informationen aus einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verfahren verurteilt; der vom Gericht gewährte Zugang zum Akt ändere nichts am Verbot der Veröffentlichung; Beschwerde (mehrheitlich) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 29. März 2022, Mehmet Şirin Tekmenüray gegen Türkei (Appl. no. 30024/20); Unzulässigkeitsentscheidung; wegen Teilnahme an einem Hungerstreik als Häftling Disziplinarstrafe des Entzugs des Rechts auf Arbeit für einen Monat; Beschwerde wurde (einstimmig) für unzulässig erklärt, weil dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden sei.
  • 29. März 2022, Edibe Şahin gegen Türkei (Appl. no. 23521/20); Unzulässigkeitsentscheidung; kurdische Aktivistin, wegen Teilnahme an einem Hungerstreik im Gefängnis als Disziplinarstrafe Entzug des Rechts auf Teilnahme an sportlichen und kulturellen Aktivitäten für einen Monat; Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet für unzulässig erklärt.
  • 29. März 2022, Hasan Yıldız gegen Türkei (Appl. no. 29152/20); Unzulässigkeitsentscheidung; Häftling, wegen Teilnahme an einem Hungerstreik im Gefängnis als Disziplinarstrafe Entzug des Rechts auf Teilnahme an sportlichen und kulturellen Aktivitäten für einen Monat; Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet für unzulässig erklärt.
  • 24. März 2022, Zayidov gegen Aserbaidschan (Nr. 2) (Appl. no. 5386/10; Pressemitteilung); Chefredakteur einer Oppositionszeitung; wurde aufgrund des Vorwurfs von Hooliganismus 2008 zu vier Jahren Haft verurteilt; das während der Haft verfasste Manuskript über seine Erfahrungen und Gedanken im Gefängnis und zu den politischen Entwicklungen wurde von der Gefängnisverwaltung konfisziert und vernichtet; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; außerdem Verletzung des Art. 6 EMRK, weil der in Haft befindliche Beschwerdeführer nicht an der Verhandlung teilnehmen konnte).
  • 15. März 2022, OOO Memo gegen Russland (App. no. 2840/10; Pressemitteilunglegal summary); Websitebetreiber; kritischer Bericht über lokale Verwaltung; Verletzung des Art. 10 ERMK (einstimmig; zustimmendes Sondervotum der Richter Ravarani, Serghides und Lobov); siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 1. März 2022, Kozan gegen Türkei (Appl. no. 16695/19; Pressemitteilung); disziplinäre Maßnahme (Verweis) gegen einen Richter, weil er einen Presseartikel, in dem Kritik an Entscheidungen des Rats der Gerichtsbarkeit geübt wurde, in einer Facebook-Gruppe (in der vor allem Richter*innen und Staatsanwält*innen waren) geteilt hatte; keine Beurteilung ob Tatsachenmitteilung oder Werturteil, keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. März 2022, I.V.Ț. gegen Rumänien (Appl. no. 35582/15; Pressemitteilung); TV-Interview mit einer elfjährigen Schülerin nach einem tödlichen Sturz ihrer Schulfreundin aus dem Zug bei einem Schulausflug; das Interview wurde ohne Zustimmung oder Verständigung der Obsorgeberechtigten geführt und ohne Unkenntlichmachung der Identität im nationalen Fernsehen ausgestrahlt, es führte zu Bullying gegenüber der interviewten Schülerin; die nationalen Gerichte hatten eine Schadenersatzklage abgewiesen, wobei sie nur eine oberflächliche Abwägung zwischen dem Recht des Rundfunkveranstalters auf Meinungsäußerungsfreiheit und dem Recht der Betroffenen auf Achtung ihres Privatlebens durchgeführt und dabei die Minderjährigkeit der Betroffenen nicht berücksichtigt hatten. Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig); siehe dazu auch den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog.
  • 1. März 2022, Rusu gegen Rumänien (Appl. no. 68373/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung zu einer Entschädigung wegen übler Nachrede aufgrund von kritischen Artikeln in einer Regionalzeitung betreffend die Tätigkeit einer Schulinspektorin; Höhe der Entschädigung überstieg ein Monatsgehalt, hatte einen "chilling effect", nationale Gerichte hatten keine Beurteilung vorgenommen, ob eine Tatsachenmitteilung oder ein Werturteil vorlag;  Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig)
  • 1. März 2022, Moseyev gegen Russland (Appl. no. 78618/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte einen Artikel über Pomoren (laut Wikipedia eine Untergruppe der russischen Ethnie) geschrieben, der auf einer Website zugänglich war; darunter hatte jemand einen kritischen Kommentar gepostet, in dem dem Autor "Größenwahn" vorgeworfen wurde, weil es in der Region nur zweitausend Pomoren, aber eine Million Russen gäbe; das Wort "Pomoren" werden zu einem Schimpfwort werden; der Beschwerdeführer postete dazu eine Antwort, in der erschriebe, es gäbe "Millionen von Euch, быдло [Abschaum/Knechte], und zweitausend von uns, Menschen". Daraufhin wurde er strafrechtlich wegen Herabwürdigung einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, zumal die nationalen Gerichte nicht auf den Kontext Bedacht genommen hatten und auch nicht analysiert hatten, ob sich der Begriff auf den Kommentator oder alle Russen bezogen hatte.
  • 1. März 2022, Wikimedia Foundation, Inc. gegen Türkei (Appl. no. 25479/19; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Sperre der Wikipedia in der Türkei auf Grund einer behördlichen Anordnung; die Sperre wurde nach einem Rechtsmittel an das Verfassungsgericht von diesem als rechtswidrig erklärt und vom erstinstanzlichen Gericht aufgehoben; die Beschwerde wurde wegen fehlendem Opferstatus zurückgewiesen; siehe dazu den Beitrag von Yaman Akdeniz auf Strasbourg Observers.  
  • 1. März 2022, Sergey Nikolayevich Nemchinov gegen Russland (Appl. no. 76022/14); Unzulässigkeitsentscheidung); der Beschwerdeführer betrieb ein Bewertungsportal für Immobilienmakler; dort postete ein User Namen und Telefonnummer einer Maklerin, der er Beteiligung an einem Betrug vorwarf; die Maklerin ersuchte den Beschwerdeführer mehrfach um Löschung, was er ignorierte; erst nach Klageeinbringung wurde das Posting gelöscht; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 22. Februar 2022, Regional Air Services S.R.L. and Ivașcu gegen Rumänien (Appl. nos. 76549/17 und 76756/17; Pressemitteilung). 
  • 22. Februar 2022, Ahmet Akkurt gegen Türkei (Appl. no. 41726/20); Unzulässigkeitsentscheidung; dem Beschwerdeführer wurde in der Haft ein Exemplar der von ihm abonnierten Tageszeitung (wegen inhaltlicher Beanstandung durch die Gefängnisverwaltung) nicht ausgehändigt; der EGMR wies die Beschwerde gemäß Art. 35 Abs. 3b EMRK zurück, da der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, dass ihm ein "erheblicher Nachteil" entstanden sein.
  • 8. Februar 2022, Dicle gegen Türkei (Nr. 3) (Appl. no. 53915/11); der Beschwerdeführer war Abgeordneter einer später gerichtlich aufgelösten Partei, wurde wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer Haftstrafe von 20 Monaten verurteilt; er durfte daher auch das in einer neuerlichen Wahl erzielte Abgeordnetenmandat nicht annehmen; in der Sache ging es um Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber einer Nachrichtenagentur, in denen er Angriffe einer als terroristisch angesehenen Organisation auf Sicherheitskräfte als "Selbstverteidigung" bezeichnete; der EGMR kam zum Ergebnis, dass es um Aussagen gehandelt habe, die in ihrer Gesamtheit als Aufruf zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder Aufruhr beurteilt werden konnten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. Februar 2022, Šeks gegen Kroatioen (Appl. no. 39325/20; Pressemitteilung; legal summary); Zugang zu Informationen; der Beschwerdeführer - ein früherer Parlamentspräsident und stellvertretender Ministerpräsident - wollte für ein Buch Zugang zu Dokumenten aus dem Staatsarchiv (betreffend Dokumente aus dem Büro des Staatspräsidenten), der ihm - aufgrund einer Stellungnahme des Nationalen Sicherheitsrates - teilweise verwehrt wurde; auch die unabhängige Informationsfreiheitsbeauftragte bestätigte - nach Einsicht in die Dokumente - die teilweise Verweigerung des Zugangs; der EGMR kam zum Ergebnis, dass ausreichende Verfahrensgarantien eingehalten wurden und dass sich die Zugangsverweigerung auf legitime Interessen der nationalen Sicherheit stützen konnte; zudem war die Entscheidung sowohl von der Informationsfreiheitsbeauftragen und dem Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof überprüft worden; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), 
  • 1. Februar 2022, Manannikov gegen Russland (Appl. no. 9157/08; legal summary); Menschenrechtsaktivist, mischte sich mit zwei Kollegen unter eine Pro-Putin-Kundgebung mit einem Transparent, auf dem stand "Putin ist besser als Hitler"; er wurde von der Polizei dazu aufgefordert, das Transparent herunterzunehmen, was er verweigerte; nach der Kundgebung wurde er auf ein Wachzimmer gebracht und wegen Störung der Kundgebung angezeigt; er erhielt eine Verwaltungsstrafe von rund 14 €; der EGMR stellte (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; wesentlich war dabei, dass der Beschwerdeführer mitten in der Kundgebung seiner Gegner gestanden war (und nicht etwa am Rand dagegen demonstriert hatte); siehe dazu den Beitrag von Valentina Golunova auf Strasbourg Observers.
  • 1. Februar 2022, Encu u.a. gegen Türkei (Appl. no. 56543/16 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Abgeordnete der oppositionellen HDP, denen die Immunität entzogen worden war; gleichgelagerte Fälle, wie sie dem Urteil Kerestecioğlu Demir gegen Türkei zugrunde lagen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); 
  • 25. Jänner 2022, İlker Deniz Yücel gegen Türkei (Appl. no. 27684/17; Pressemitteilung); türkischer Korrespondent der deutschen Tageszeitung Die Welt, wurde wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation und des illegalen Besitzes persönlicher Daten in Untersuchungshaft genommen (und blieb rund ein Jahr in U-Haft); das türkische Verfassungsgericht stellte später die Rechtswidrigkeit der U-Haft fest und gewährte eine geringe Haftentschädigung; der EGMR stellte (jeweils mit 5:2 Stimmen) Verletzungen des Art. 5 Abs. 1 und 5 sowie des Art. 10 EMRK fest; mit 5:3 Stimmen wurde eine Verletzung des Art. 5 Abs. 4 verneint; und wiederum mit 5:2 Stimmen wurde beschlossen, eine ebenfalls gerügte Verletzung des Art. 18 EMRK nicht zu prüfen; in einem teilweise zustimmenden Sondervotum erklärt der slowenische Richter Bošnjak, weshalb er - offenbar eher gegen seine Überzeugung, aber im Lichte der Rechtsprechung der Großen Kammer - auch gegen eine Verletzung des Art. 5 Abs. 4 stimmte, in einem teilweise abweichenden Sondervotum erklären die finnische Richterin Koskelo und der litauische Richter Kūris, weshalb aus ihrer Sicht eine Prüfung nach Art. 18 EMRK geboten gewesen wäre (es sei schwer, nicht zum Schluss zu kommen, dass die Verhaftung und Anhaltung des Beschwerdeführers nicht im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Druckausübung auf deutsche Behörden für einen Gefangenenaustausch gestanden sei), und in einem weiteren teilweise abweichenden Sondervotum erklären der tschechische Richter Pejchal und die türkische Richterin Yüksel, dass sie angesichts der Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts der Auffassung sind, dass kein Opferstatus mehr vorgelegen sei.
  • 25. Jänner 2022, Bonnet gegen Frankreich (Appl. no. 35364/19; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 18. Jänner 2022, Karuyev gegen Russland (Appl. no. 4161/13; Pressemitteilung); Verurteilung des Beschwerdeführers zu 15 Tagen Haft wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung, weil er auf ein Porträt von Präsident Putin gespuckt hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1; zustimmendes Sondervotum von Richter Pavli; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov)
  • 18. Jänner 2022, Mehmet Çiftçi und Suat İncedere gegen Türkei (Appl. nos. 21266/19 und 21774/19; Pressemitteilung); Disziplinarstrafe von einem Monat Kommunikationssperre für zwei Gefangene wegen des Absingens von Hymnen und Rezitieren von Gedichten zur Erinnerung an Verstorbene bei einer Polizeioperation in türkischen Gefängnissen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 11. Jänner 2022, Freitas Rangel gegen Portugal (Appl. no 78873/13; Pressemitteilung; legal summary); strafgerichtliche Verurteilung eines Journalisten wegen Beleidigung zweier juristischen Person (Gewerkschaften von Richtern und Staatsanwälten) in einer Aussage vor einem Parlamentsausschuss zum Thema Meinungsfreiheit; der (inzwischen verstorbene) Beschwerdeführer hatte dabei auch weitreichende Verletzungen von Vertraulichkeitspflichten durch diese Standesvertretungen behauptet; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 11. Jänner 2022, Ekimdzhiev u.a. gegen Bulgarien (Appl. no. 70078/12; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerde zweier Anwälte und zweier NGOs betreffend die Rechtsvorschriften über besondere Überwachungsmethoden und die Vorratsdatenspeicherung; in beiden Fällen stellte der EGMR einstimmig Verletzungen des Art. 8 EMRK fest; siehe dazu den Beitrag von Diana Dimitrova auf Strasbourg Observers.
  • 11. Jänner 2022, Vinnik gegen Russland (Appl. no. 79310/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer ist Betreiber der Website www.demagogy.ru; er schrieb kritisch über einen offenen Brief von Kulturschaffenden an den Präsidenten und den Premierminister Russlands, in dem nach seiner Ansicht Zensur und "Klerikalismus" gefordert wurden, und stellte u.a. auch die wichtigsten Unterzeichner dieses offenen Briefs kurz vor, u.a. auch mit einem Foto; einer der Betroffenen (Nikolai Burlyaev) fühlte sich dadurch - wegen seines Fotos auf einer mit "Demagogie" bezeichneten Website - beleidigt und klagte auf Unterlassung und Entschädigung; der Beschwerdeführer wurde zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 248 € verurteilt; Verletzung des Art. 1 EMRK (einstimmig).
  • 11. Jänner 2022, Marques dos Reis gegen Portugal (Appl. no. 61147/14); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer ist Richter am Berufungsgericht in Lissabon; an diesem Gericht ging ein Verfahrensakt verloren, der ein von ihm als Kläger gegen gegen ein Eisenbahnunternehmen (nach dem Unfalltod seines Vaters) geführtes Zivilverfahren betraf; in einem Zeitungsinterview sagte er unter anderem, dass das Justizsystem nicht mehr nur eine Peinlichkeit sei, sondern ein Hindernis für die Entwicklung des Landes, und auf die Frage, ob das Risiko bestehe, dass die Akten verschwinden, wenn man ein Verfahren einleitet, sagte er: (in der Übersetzung des EGMR): "If someone does not like you and it involves powerful  companies, unfortunately I cannot guarantee that it will not happen." Aufgrund dieses Interviews wurde über ihn eine Disziplinarstrafe verhängt (Geldstrafe von rund 1.800 €); der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
2021
  • 21. Dezember 2021, Banaszczyk gegen Polen (Appl. no. 66299/10); Journalist, Artikel über Missstände in Krankenhaus; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Dezember 2021, Mukhin gegen Russland (Appl. no. 3642/10; legal summary); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Dezember 2021, Ilıcak gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 1210/17; Pressemitteilung); frühere Aktivistin einer aufgelösten politischen Partei, Präsentatorin in einem TV-Programm, das nach dem gescheiterten Putschversuch behördlich eingestellt wurde; Verletzung des Art 10 EMRK (und des Art 5 Abs 1 EMRK, jeweils 6:1, abweichende Meinung der Richterin Yüksel).
  • 14. Dezember 2021, Samoylova gegen Russland (Appl. no. 49108/11; legal summary); Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 8 EMRK (einstimmig; hinsichtlich eines Faktums wurde mit 4:3 Stimmen keine Verletzung des Art. 8 festgestellt, abweichende Meinung dazu von Lemmens, Serghides und Elósegui) 
  • 14. Dezember 2021, Church of Scientology Moscow u.a. gegen Russland (Appl. nos. 37508/12 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK in Verbindung mit Art. 9 EMRK (einstimmig).
  • 14. Dezember 2021, Novaya Gazeta u.a. gegen Russland (Appl. Nos. 11971/10 and 48557/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung der Medieninhaberin einer Zeitung und eines Journalisten wegen zweier Artikel über die Entführung eines Freundes des Vaters des tschetschenischen Präsidenten (vom EGMR "anonymisiert" als "Mr. K."), der in diesem Bericht eine Beleidigung seiner selbst sah; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Dezember 2021, Yordanov gegen Bulgarien (Appl. no. 79709/13); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 14. Dezember 2021, Mumolin gegen Russland (Appl. no. 60566/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Polizist, postete ein Video mit Kritik u.a. an der Unterbesetzung der Polizei und an sinnlosen Verwaltungsaufgaben, erhielt eine Disziplinarstrafe und wurde entlassen; als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 14. Dezember 2021, Saure gegen Deutschland (Appl. no. 4550/15); Unzulässigkeitsentscheidung; "Bild"-Journalist, Zugangsverweigerung zu Informationen des BND über Adolf Eichmann; Zurückweisung wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs (der Beschwerdeführer hatte nicht schon gegen die Entscheidung des BVerwG im In-Camera-Verfahren, sondern erst gegen die Hauptsacheentscheidung das BVerfG angerufen. 
  • 9. Dezember 2021, Rovshan Hajiyev gegen Aserbaidschan (Appl. nos. 19925/12 and 47532/13; legal summary); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Dezember 2021, Wojczuk gegen Polen (Appl. no. 52969/13); keine Verletzung des Art. 10 EMRK (5:2; abweichende Meinung der Richter Felici und Ktistakis).
  • 7. Dezember 2021, Standard Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich (Appl. no 39378/15; Pressemitteilung; legal summary); Herausgabe der Nutzerdaten von Postern im derstandard.at-Forum; OGH-Urteile vom 15.12.2014, 6 Ob 188/14m (Kläger war H.K., Nationalratsabgeordneter und Generalsekretär einer politischen Partei; es ging um Postings unter diesem Artikel) sowie vom 19.02.2015, 6 Ob 145/14p (Kläger waren Ing. K.S., damals Klubobmann einer politischen Partei im Landtag, sowie diese politische Partei; es ging um Postings unter diesem Artikel). Verletzung des Art. 10 EMRK; siehe dazu den Beitrag von Meri Baghdasaryan auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Ruaridh Owens auf UK Human Rights Blog.
  • 7. Dezember 2021, Yefimov und Youth Human Rights Group gegen Russland (Appl. nos.  12385/15 and 51619/15legal summary); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Dezember 2021, Yasin Özdemir gegen Türkei (Appl. no. 14606/18; Pressemitteilung); Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 7. Dezember 2021, Daneş u.a. gegen Rumänien (Appl. no. 44332/16 u.a.; Pressemitteilung); keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
  • 7. Dezember 2021, Pronyakin u.a. gegen Russland (Appl. no. 74389/10 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK.
  • 7. Dezember 2021, Lee gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 18860/19Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer ist ein QueerSpace-Aktivist, der bei einem Bäcker in Belfast eine Bestellung eine Torte mit der Aufschrift "support gay marriage" in Auftrag gab; die Bäckerei lehnte es aus religiösen Gründen ab, diesen Auftrag zu erfüllen, die Klage wegen Diskriminierung blieb vor den UK-Gerichten erfolglos (siehe zu diesem Fall auch näher hier); die Beschwerde an den EGMR war auf Art. 8, 9, 10 und 14 EMRK gestützt; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichterschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel als unzulässig zurück, da der Beschwerdeführer die Frage der Verletzung in Konventionsrechten vor den nationalen Gerichten nicht thematisiert hatte; siehe dazu den Beitrag von Rosalind English im UK Human Rights Blog.
  • 7. Dezember 2021, Funke Woman Group GmbH gegen Deutschland (Appl. nos. 25845/17 and 34929/18); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war als Herausgeberin des Magazins "die aktuelle" zu mehreren Richtigstellungen nach einer Schlagzeile über den Musiker Herbert Grönemeyer ("Neue Liebe - die ersten Fotos", wobei das Foto nicht seine Freundin zeigte), die zunächst nur halbherzig berichtigt worden war und nach einer Schlagzeile über den Moderator Günter Jauch ("Erwischt! Nachts in Potsdam ...", mit einem Foto, das Jauch beim Verlassen eines Museums zwischen 18 und 19 Uhr mit der Frau eines Politikers zeigt, der dabei - aber nicht im Bild - war); Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 2. Dezember 2021, Szél u.a. gegen Ungarn (Appl. no. 5078/16); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 30. November 2021, Pal gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 44261/19); freiberufliche Medizinjournalistin, gegen die eine Verfügung erlassen wurde, dass sie die Belästigung eines Anwalts und Medizinjournalisten unterlassen sollte, dem sie zahlreiche E-Mails geschickt hatte; nachdem sie drei Jahre später einen Artikel und mehrere Tweets über diese Person veröffentlichte, wurde sie festgenommen und nach sieben Stunden auf Kaution freigelassen (das Verfahren wurde später eingestellt, aber die Festnahme als rechtmäßig erklärt); siehe den Beitrag auf Inforrm's Blog.
  • 30. November 2021, Țiriac gegen Rumänien (Appl. no. 51107/16; Pressemitteilung);
  • 30. November 2021, Genov und Sarbinska gegen Bulgarien (Appl. no 52358/15; legal summary);
  • 30. November 2021, Mătăsaru gegen Republik Moldau (Appl. no. 53098/17); Aktivist, der vor der Antikorruptionsbehörde protestierte, indem er sich mit heruntergelassener Hose auf eine mitgebrachte WC-Schüssel setzte; wurde festgenommen (aber schließlich nicht verurteilt); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 30. November 2021, Coliban gegen Republik Moldau (Appl. no. 5216/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;
  • 30. November 2021, Bul gegen Türkei (Appl. no. 48072/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK.
  • 30. November 2021, Liviu Harbuz u.a. gegen Rumänien (Appl. no. 73064/17 u.a.); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 30. November 2021, Zembol gegen Deutschland (Appl. no. 20160/16); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war Zuhörerin beim Prozess gegen den SS-Mann Oskar Gröning; ihr wurde aus sitzungspolizeilichen Gründen untersagt, einen Schreibstift in die Verhandlung mitzubringen, sodass sie keine Notizen machen konnte; der EGMR wies die Beschwerde insoweit ratione materiae zurück, als sie sich auf das Recht auf Zugang zu Informationen berief (sie hatte nicht geltend gemacht, "public watchdog" zu sein, und zudem gewährt Art 10. EMRK kein Recht darauf, die - der Beschwerdeführerin durch die Möglichkeit er Teilnahme am Prozess als Zuseherin zugänglich gemachte - Information auch aufzuzeichnen), und auch insoweit als sie sich darauf berief, durch die Unmöglichkeit, sich Notizen zu machen, könne sie die Information nicht verbreiten (die hatte sich vor den nationalen Gerichten nicht darauf berufen, der Presse anzugehören oder auch nur die Informationen veröffentlichen zu wollen); letztlich hatte die Beschwerdeführerin auch noch vorgebracht, durch das Verbot handschriftlicher Aufzeichnungen sei es ihr unmöglich gemacht worden, einen Meinung zu bilden; dazu verweist der EGMR darauf, dass es ihr möglich war, in Pausen Aufzeichnungen zu machen, auf die Medienberichterstattung und schließlich auf das Urteil; insofern sei nicht erkennbar, dass es ihr ohne handschriftliche Aufzeichnungen im Prozess nicht möglich gewesen wäre, sich eine Meinung zu bilden.
  • 25. November 2021, Biancardi gegen Italien (Appl. no. 77419/16; Pressemitteilung; legal summary); Recht auf Vergessenwerden; der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer eines Online-Mediums, in den über eine Messerstecherei in einem Restaurant berichtet wurde; war zu einer Entschädigung an das Restaurant verurteilt worden; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blogden Beitrag von Andrea Monti auf Inforrm’s Blogden Beitrag von Jacob van de Kerkhof auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Christopher Docksey auf dem Verfassungsblog.
  • 18. November 2021, Marinoni gegen Italien (Appl. no. 27801/12; Pressemitteilung); Historiker,  hatte ein Buch über seinen Geburtsort Rovetta im 2. Weltkrieg veröffentlicht (insbesondere über die Ereignisse vor dem Massaker von Rovetta), in dem er auch persönliche "Erinnerungen" über politische Spannungen mit einem Ehepaar, das im gleichen Haus wohnte, schilderte (der Autor war bei Kriegsende 6 Jahre alt); zwei Sätze in diesem Buch (der Mann sei eine "Marionette" gewesen und die Frau habe den Namen des Großvaters des Beschwerdeführers auf die Liste der  Geiseln gesetzt, die von den Faschisten dann erschossen wurden) sahen Nachkommen dieses Ehepaars als diffamierend; im gerichtlichen Strafverfahren wurde der  Beschwerdeführer freigesprochen, in einem nachfolgenden zivilrechtlichen Verfahren jedoch zu einer Entschädigung von 16.000 € verurteilt; der EGMR sah keine Verletzung der Unschuldsvermutung durch das zivilrechtliche Verfahren nach strafrechtlichem Freispruch, und hielt im Hinblick auf Art. 10 EMRK fest, dass der Vorwurf, jemanden auf die Liste der zu erschießenden Geiseln zu setzen, ein besonders schwerwiegender Vorwurf sei (und der "Marionetten"-Vorwurf sei in diesem Zusammenhang zu sehen), für den der Beschwerdeführer keinerlei Beweis erbracht habe; die nationalen Gerichte hatten das sorgfältig analysiert und auch eine ausreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (zustimmendes Sondervotum des Richters Wojtyczek, der darin aber anmerkt, dass der EGMR im Hinblick auf Art. 10 EMRK von der ständigen Rechtsprechung abweicht, da er auf die Frage der Wahrheit der Behauptung abstellt, nicht auf die Sorgfaltspflicht des Autors, obwohl der Gerichtshof anerkennt, das es um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse geht). 
  • 16. November 2021, Assotsiatsiya NGO Golos u.a. gegen Russland (Appl. no. 41055/12; legal summary); NGO mit dem Ziel, kurz- und langfristige Wahlbeobachtung zu leisten; erstellte eine Website mit Link zu einer "Landkarte der Verstöße [gegen Wahlrechtsbestimmungen]"; erhielt eine Verwaltungsstrafe wegen Veröffentlichung von wahlbezogenem Material während der  fünftägigen "Ruhefrist" vor dem Wahltag; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte nicht festgestellt hatten, welche konkreten Veröffentlichungen bzw. Links Gegenstand der Verwaltungsübertretung waren; auch waren diese Veröffentlichungen offensichtlich nicht im Einzelnen beurteilt worden; die Anwendung der Bestimmungen über die „Ruheperiode“ vor den Wahlen führte im Ergebnis dazu, dass eine schon vor der Ruheperiode erstellte automatisierte Darstellung von Wahlrechtsverletzungen auf einer interaktiven Landkarte , die auf der Basis von User Generated Content laufend weiter aktualisiert wurde, rechtswidrig wäre, womit die NGO gehindert wäre, auf diese Weise Informationen von öffentlichem Interesse zu verbreiten; damit lagen keine relevanten und ausreichenden Gründe für die Einschränkung vor; die übermäßig breite Auslegung der „Ruhepause“ auf alle Materialien, bei denen ein Bezug zu Wahlen hergestellt werden konnte, griff damit in unverhältnismäßiger Weise in die Freiheit zur Verbreitung von Informationen ein und bewirkte einen ungerechtfertigten „chilling effect“; Verletzung des Art. 10 EMRK hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin (einstimmig).
  • 16. November 2021, Mehmet Çiftci gegen Türkei (Appl. no. 53208/19); dem Beschwerdeführer, der in einem Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert war, wurden fünf Exemplare einer Tageszeitung, die er per Post erhalten sollte, nicht ausgehändigt, da sie unter anderem Propaganda für eine terroristische Organisation enthielten; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Entscheidung der nationalen Behörden nicht ausreichend begründet waren und die sich aus der Rechtsprechung des EGMR und auch des türkischen Verfassungsgerichts ergebenden Kriterien nicht angewandt worden waren; er stellte daher einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (abweichendes Sondervotum der Richterin Yüksel im Hinblick auf die zugesprochene Entschädigung von 1.000 €; sie hält unter Verweis auf frühere Entscheidungen eine Höchstgrenze von 300 € für angemessen).
  • 16. November 2021, Văcean gegen Rumänien (Appl. no. 47695/14; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Musikprofessor und in einem Auswahlverfahren für die Leitung eines philharmonischen Orchesters erstgereiht worden; kurz vor der Bestellung in diese Funktion wurden auf mehreren News-Webseiten ein Interview mit dem Vorsitzenden der Musikergewerkschaft veröffentlicht, in dem er dem Beschwerdeführer unterstellte, vor einigen Jahren einen Diebstahl begangen zu haben; der Beschwerdeführer wurde trotzdem bestellt, weil es tatsächlich keine Verurteilung und auch kein Ermittlungsverfahren gegeben hatte; er begehrte vom Gewerkschaftsvorsitzenden eine Entschädigung, die ihm in erster Instanz zugesprochen, in zweiter Instanz aber verwehrt wurde; der EGMR hielt fest, dass die News-Webseiten den Beschwerdeführer als Verdächtigen dargestellt hatten, obwohl es außer der Behauptung des Gewerkschaftsvorsitzenden keinen Hinweis darauf gegeben habe, und dass das nationale Gericht nicht einmal versucht habe zu überprüfen, ob die journalistische Sorgfalt eingehalten worden war; damit waren die Kriterien der EGMR-Rechtsprechung für die Abwägung der nach Art. 8 bzw. Art. 10 EMRK geschützten Interessen nicht eingehalten worden; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 16. November 2021, Yıldırım Demir gegen Türkei (Appl. no. 16363/19); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verhängung von Einzelhaft über einen Häftling wegen des Inhalts einer Nachricht an einen Mitgefangenen, in der der Präsident der Republik beleidigt wurde; für dieses Sanktion fehlte eine gesetzliche Grundlage, daher Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 16. November 2021, Emin Aydın gegen Türkei (Appl. no. 57092/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung des Chefredakteurs einer Tageszeitung zu einer Entschädigung wegen eines Artikels, der aus einzelnen Worten bestand und für sich unverständlich war, aber Namen der Kläger enthielt und u.a. das Wort "Hund", was als Beleidigung der Kläger angesehen wurde; er EGMR kam zum Ergebnis, dass nach den Entscheidungen der nationalen Gerichte nicht nachvollziehbar war, warum überhaupt die Kläger gemeint gewesen seien; zudem war keine Abwägung der nach Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Kläger mit dem nach Art. 10 EMRK geschütztem Recht des Beschwerdeführers und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen worden; Verletzung des Art. 10 EMRK. 
  • 9. November 2021, Aleksandrov gegen Russland (Appl. no. 44414/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Mitglied des Regionalparlaments von Tambov, hatte sich bei der Generalprokuratur über Unregelmäßigkeiten am Wahltag (Verteilung bereits vorausgefüllter Stimmzettel) beschwert; der Vorfall wurde zwar untersucht, das Verfahren eingestellt, dann nach Entscheidung der vorgesetzten Staatsanwaltschaft wieder eröffnet, und letztlich wieder eingestellt; der Beschwerdeführer nahm in einem Zeitungsinterview dazu Stellung und warf dem Vorsitzenden der regionalen Wahlkommission vor, versucht zu haben, die Verfälschung des Wahlergebnisses zu verheimlichen; dafür wurde er auf Antrag des Wahlkommissionsvorsitzenden zu einem Widerruf und einer Entschädigung verurteilt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte keine ausreichende Abwägung im Sinne der in der EGMR-Rechtsprechung aufgestellten Kriterien vorgenommen hatten und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.     
  • 19. Oktober 2021, Miroslava Todorova gegen Bulgarien (Appl. no. 40072/13; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin ist Richterin und war wegen einer Lehrverpflichtung zur Richterausbildung überwiegend freigestellt; zudem war sie Vorsitzende einer Richtervereinigung und kritisierte in dieser Funktion u.a. Entscheidungen des Obersten Justizrats zur Ernennung von Gerichtspräsidenten, insbesondere auch im Hinblick auf den neuen Präsidenten jenes Gerichts, an dem sie tätig war (wegen Interessenskonflikten; dieser Gerichtspräsident war zudem ein enger Freund des Innenministers); in der Folge wurde eine Revision der Tätigkeit dieses Gerichts vorgenommen und festgestellt, dass (u.a.) die Beschwerdeführerin in mehreren Fällen mit der Ausfertigung von Entscheidungen säumig war; in einem Interview des Innenministers in einer Zeitung warf ihr dieser vor, ein Verfahren gegen die Drogenmafia zu verzögern (Untertitel des Interviews: "Dient die Richterin Todorova dem organisierten Verbrechen?"); die Richterin brachte eine Verleumdungsklage ein, das Verfahren wurde danach zweimal unterbrochen (weil der Minister zum Abgeordneten gewählt wurde und Immunität genoss) und schließlich wegen Verjährung eingestellt; die Richterin wurde vom Obersten Justizrat ihres Amtes enthoben, was im Instanzenzug schließlich aufgehoben und im zweiten Rechtsgang zu einer Versetzung ans Bezirksgericht umgewandelt wurde; der EGMR kam zum Ergebnis, dass das Disziplinarverfahren vor allem der Pönalisierung und Einschüchterung wegen der öffentlich erhobenen Kritik gedient habe; Verletzung des Art. 10 EMRK und des Art. 18 in Verbindung mit Art. 10 EMRK (einstimmig; eine Verletzung des Art. 6 EMRK wurde mit 5:2 Stimmen verneint). Siehe dazu auch den Beitrag von Radosveta Vassileva auf  dem Verfassungsblog und den Beitrag von Tobias Mortier auf Strasbourg Observers
  • 19. Oktober 2021, Vedat Şorli gegen Türkei (Appl. no. 42048/19; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer wurde aufgrund des Inhalts zweier von ihm geteilter Facebook-Posts wegen Beleidigung des Präsidenten der Republik zu einer Haftstrafe von 11 Monaten und 20 Tagen verurteilt (nachdem er bereits mehr als zwei Monate in U-Haft war), der Strafausspruch wurde auf fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt; der EGMR beurteilte die U-Haft (schon angesichts des bedingt ausgesetzten Strafausspruchs) wegen Beleidigung des Staatsoberhaupts als unverhältnismäßig, ebenso die verhängte, wenn auch bedingt ausgesetzte Haftstrafe, und hielt insbesondere fest, dass eine Strafnorm, die das Staatsoberhaupt unter stärkeren Schutz gegen Beleidigung stelle und dafür insbesondere höherer Strafe vorsehe als für "gewöhnlihe" Beleidigungen, "in der Regel" nicht mit dem Geist der EMRK vereinbar sei; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Oktober 2021, A.M. gegen Türkei (Appl. no. 67199/17); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Disziplinarstrafe (dreijährige Suspendierung) gegen einen Yogalehrer, ausgesprochen vom Disziplinarausschuss der Sportorganisation, wegen Bemerkungen in einem (gegen den Willen des Beschwerdeführers von einer unbekannten Person hochgeladenen) YouTube-Video, die als Beleidigung des Propheten und damit als "Beleidigung der nationalen Ehre" beurteilt wurden; für diese Bemerkungen war der Beschwerdeführer auch erstinstanzlich wegen Herabwürdigung religiöser Werte zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden (diese Strafe war nicht Gegenstand der Beschwerde, da das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen war); der EGMR stellte fest, dass das angewendete Disziplinarstatut zum Zeitpunkt des Video-Uploads noch nicht in Geltung gestanden war und zudem die Auslegung des Disziplinarstatuts durch den Disziplinarausschusse nicht vorhersehbar war; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Oktober 2021, Saure gegen Deutschland (Appl. no. 6106/16; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; "Bild"-Journalist, hatte beim BND Auskunft über den Anteil hauptamtlicher und informeller Mitarbeiter des BND bzw. der Organisation Gehlen in bestimmten Jahren, die Mitglieder der NDSAP, SS oder Gestapo waren, beantragt; blieb innerstaatlich erfolglos (Urteil des BVerwG, Pressemitteilung des BVerwG; im Blog dazu hier; Beschluss des BVerfG; Pressemitteilung des BVerfG); der EGMR beurteilte die Beschwerde als ratione materiae unzulässig; die nachgefragten Informationen waren beim BND nicht "ready and available" und hätten erst umfassend nachgeforscht und analysiert werden müssen, aufgrund von Unterlagen, die auch beim BND als jener Behörde, von der Auskunft verlangt wurde, nicht vorhanden waren.
  • 14. Oktober 2021, M.L. gegen Slowakei (Appl. no. 34159/17; Pressemitteilung; legal summary); der Sohn der Beschwerdeführerin war ein Dorfpfarrer, der 1999 wegen einer Sexualstraftat und 2002 wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt worden war; die Verurteilungen waren 2003 erledigt (wegen Erfüllung der Bewährungsauflagen); der Pfarrer starb 2006; 2008 veröffentlichten drei Boulevardblätter Artikel über seine Sexualstraftat und seinen angeblichen Selbstmord, mit unverpixelten Fotos und unter Nennung des vollen Namens; seine Mutter machte eine Verletzung der postmortalen Persönlichkeitsrecht ihres Sohnes geltend und ihrer eigenen Persönlichkeitsrechte geltend; vor den nationalen Gerichten blieb sie erfolglos; der EGMR wies auf die notwendige Abwägung zwischen den nach Art. 8 und 10 EMRK jeweils geschützten Interessen hin; er ließ offen, ob es sich bei einem örtlichen Pfarrer wirklich, wie von den nationalen Gerichten angenommen wurde, um eine "public figure" handelte, betonte die sensationsgeile Aufmachung der Artikel, anerkannte aber, dass es sich bei dem Thema um eine Angelegenheit öffentlichen Interesses handelt; allerdings hätte darüber auch in weniger sensationsheischender Weise berichtet werden können, nämlich in dem man sich an die Fakten aus den Strafakten gehalten hätte und nicht schlüpfrige Andeutungen über das Privatleben des Toten gemacht hätte; die Veröffentlichung des besonders intrusiven Materials und vor allem der Fotos war daher nicht gerechtfertigt; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig). 
  • 14. Oktober 2021, Staniszewski gegen Polen (Appl. no. 20422/15; legal summary); Herausgeber eines Newsletters und Mitglied einer Wahlkommission wurde von Bürgermeisterkandidat erfolgreich verklagt und musste Aussagen im Newsletter widerrufen/zurückziehen und eine Geldzahlung leisten; alle inkriminierten Äußerungen waren tatsachenwidrig, was im - summarischen - Verfahren nach dem Wahlgesetz auch belegt worden war; der Beschwerdeführer hatte auch nicht die erforderliche journalistische Sorgfalt angewandt und weder den Wahrheitsbeweis noch den Beweis des guten Glaubens angetreten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). Der EGMR anerkennt in diesem Urteil auch die Vereinbarkeit summarischer Verfahren im Zusammenhang mit Wahlen mit Art. 10 EMRK (hier zB Berufungsmöglichkeit nur binnen 24 Stunden), da sie dem legitimen Ziel der Fairness der Wahl dienen, er betont aber auch, dass diese Verfahren nicht zu einer unangemessenen Beschneidung der Verfahrensgarantien führen dürfen. 
  • 12. Oktober 2021, The Association of Investigative Reporters and Editorial Security of Moldova und Sanduța gegen Republik Moldau (Appl. no. 4358/19; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung zu einer Entschädigung wegen eines Artikels, in dem über eine Überweisung von 1,5 Mio. Euro von einer offshore-Firma in den Bahamas mit engen Verbindungen zu Russland an eine Gesellschaft in der Republik Moldau, deren Chef aus dem Dorf des späteren Präsidenten der Republik Moldau stammte, dessen Frau im Unternehmen beschäftigt und Mitglied dessen Partei war; das Geld war sechs Monate vor den Präsidentenwahlen überwiesen und später großteils in bar an verschiedene Mitglieder der Partei des Präsidenten übergeben worden; nach Mitteilung der Beschwerde an die Republik Moldau war es zu einer Wiederaufnahme gekommen, in der schließlich (der Sache nach) eine Verletzung des Art. 10 EMRK vom moldauischen Gericht festgestellt und das verurteilende Urteil aufgehoben wurde; der EGMR sah dennoch den Opferstatus weiter als gegeben an, weil das nationale Gericht trotz Aufhebung des Urteils keine Entschädigung zugesprochen hatte; daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Oktober 2021, TMMOB gegen Türkei (Appl. no. 10515/18); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerde der Vereinigten Architekten- und Ingenieurkammern wegen Verweigerung der Auskunft über die Kosten der beim Bau des neuen Präsidentenpalasts verwendeten Baumaterialien; der EGMR lässt die Frage offen, ob die beschwerdeführende Organisation überhaupt als nichtstaatliche Einrichtung anzusehen ist, die beschwerdeberechtigt wäre, da die Beschwerde schon ratione materiae zurückzuweisen ist: ein Recht auf Information über die Kosten fällt nämlich außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Kammer, der durch Gesetz abschließend geregelt ist. 
  • 12. Oktober 2021, Speer gegen Deutschland (Appl. no. 35244/15); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 12. Oktober 2021, Bild GmbH & Co KG gegen Deutschland (Appl. no. 45994/15); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 12. Oktober 2021, Suat İncedere und Hasan Yıldız gegen Türkei (Appl. nos.  65227/19 und 6465/20); Unzulässigkeitsentscheidung
  • 12. Oktober 2021, Emin Aydın gegen Türkei (Appl. no. 59976/14); Unzulässigkeitsentscheidung
  • 7. Oktober 2021, Hasanov und Majidli gegen Aserbaidaschan (Appl. nos. 9626/14 und 9717/14); Verurteilung zweier Aktivisten einer oppositionellen Jugendorganisation wegen Nichtbefolgung einer polizeilichen Anweisung zur Beendigung des Verteilens von Flugblättern in der U-Bahn zu 15 Tagen (Verwaltungs-)Haft; der Eingriff - der offensichtlich darin begründet war, dass es sich um "anti-government"-Flugblätter gehandelt hatte, hatte keine gesetzliche Grundlage; Verletzung des Art. !0 EMRK (einstimmig) und des Art. 6 Abs. 1 EMRK.
  • 28. September 2021, Novaya Gazeta u.a. gegen Russland (Appl. nos. 12996/12 und 35043/13); Verurteilung einer Medieninhaberin und zweier Journalisten wegen Kreditschädigung durch Artikel über ein Programm zur Installation von Wasserfiltern, an deren Qualität gezweifelt wurde, und durch Artikel, in dem Vorwürfe eines Dritten gegenüber einem Bauunternehmen wiedergegeben wurden; der EGMR betont, dass es jeweils um Ansprüche von privaten Unternehmen ging und die Artikel Fragen von öffentlichem Interesse betrafen; die russischen Gerichte hatten die Verantwortung der Beschwerdeführer, wonach die in den Artikeln geäußerten Vorwürfe von Dritten stammten, summarisch abgewiesen; er stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 28. September 2021, Shevelev gegen Russland (Appl. no. 46173/15); der Beschwerdeführer wurde wegen einer Rede, die er auf einer Demonstration betreffend den Zustand von Straßen  gehalten hatte, zu einer Geldstrafe verurteilt; er hatte gesagt, dass so wie "воры в законе" ("Diebe im Gesetz", Angehörige deiner kriminellen Organisation) ihre "смотрящего" (Aufseher) einsetzten, so sei der der Provinzgouverneur als Aufseher eingesetzt worden, was von den nationalen Gerichten als Verleumdung beurteilt wurde; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte die Grundsätze der Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK nicht beachtet hatten; sie hatten insbesondere den Gesamtzusammenhang der Äußerung nicht berücksichtigt und sie hatten dem Provinz-Regierungschef schon wegen dessen Funktion einen höheren Schutz zugemessen; der Vergleich mit Vertretern einer kriminellen Organisation sei zwar ein "brüskes Mittel der Meinungsäußerung", er gründe sich aber - als Werturteil - auf ein ausreichendes Tatsachensubstrat; daher stellte der EGMR eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 23. September 2021, Ringier Axel Springer Slovakia, a.s. gegen Slowakei (Nr. 4) (Appl. no. 26826/16; Pressemitteilung); Geldstrafe von 500 € gegen TV-Veranstalter wegen eines Interviews (in einer nur online abrufbaren Sendung), in dem ein bekannte Sänger sich für die Legalisierung von Marihuana ausspricht; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. September 2021, Dareskizb gegen Armenien (Appl. no. 61737/08; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin war Herausgeberin einer der Opposition nahestehenden Tageszeitung; nach Verhängung des Ausnahmezustandes am 1.3.2008 wurde der Druck der Zeitung von Sicherheitsbeamten ohne Angabe von Gründen verhindert; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), außerdem Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK, weil der Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung durch ein Gericht nicht möglich war); siehe dazu den Beitrag von Tobias Mortier auf Strasbourg Observers.
  • 21. September 2021, Milosavljević gegen Serbien (Nr. 2) (Appl. no. 47274/19); Chefredakteur eines Wochenmagazins, war wegen eines in dieser Zeitschrift erschienenen Beitrags über den Direktor der städtischen Bestattung ("Vom Schmuggler zum reichen Mann") zu einer Entschädigungszahlung von umgerechtet rund 955 € an den Betroffenen verurteilt worden; dieser verzichtete später auf die Eintreibung der Entschädigung; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. September 2021, Tuncer Bakırhan gegen Türkei (Appl. no. 31417/19; Pressemitteilung); Untersuchungshaft über einen Bürgermeister wegen angeblicher Verbreitung von Propaganda zugunsten einer terroristischen Organisation und Mitgliedschaft in dieser Organisation; die Dauer der Untersuchungshaft von zwei Jahren und 8 Monaten wurde als unverhältnismäßig beurteilt; Verstoß gegen Art. 10 EMRK (und gegen Art. 5 Abs. 3 EMRK; jeweils einstimmig).
  • 7. September 2021, Çilem İlaslan gegen Türkei (Appl. no. 21094/11); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war Chefredakteurin und Eigentümerin einer zweiwöchentlich erscheinenden Zeitschrift, die wegen eines Artikels, in dem zur Teilnahme am bewaffneten Kampf einer terroristischen Organisation aufgerufen wurde, beschlagnahmt wurde; der EGMR beurteilte die beschlagnahme im Zuge eines gegen die Beschwerdeführerin eingeleiteten Strafverfahrens als nicht unverhältnismäßig und wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 7. September 2021, Seyfullah Çakmak gegen Türkei (Appl. no. 45016/18); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Staatsanwalt, dem in einem Tweet unterstellt wurde, der - damals auch noch nicht verbotenen - Gülen-Bewegung anzugehören; er versuchte erfolglos, durch Anträge an das Strafgericht die Löschung des Tweets und die Ausforschung des Twitter-Users zu erreichen (was an der mangelnden Kooperation der US-Behörden mit den türkischen Strafverfolgungsbehörden scheiterte); der EGMR kam zum Ergebnis, dass die türkischen Behörden ihre aus Art. 8 EMRK resultierenden positiven Verpflichtungen eingehalten hatten, und wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 2. September 2021, Z.B. gegen Frankreich (Appl. no. 46883/15; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerdeführer ist der Onkel eines am 11. September 2009 geborenen Kindes, das den Namen "Jihad" trägt; zum dritten Geburtstag schenkte er diesem ein T-Shirt, das auf der Vorderseite die Aufschrift « je suis une bombe ! » und auf der Rückseite die Aufschrift « Jihad, né le 11 septembre » trägt; nachdem das T-Shirt im Kindergarten getragen wurde, wurde der Beschwerdeführer wegen Verherrlichung eines vorsätzlichen Angriffs auf das Leben zu einer Geldstrafe und zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Ignatius Yordan Nugraha auf Strasbourg Observers.
  • 2. September 2021, Sanchez gegen Frankreich (Appl. no. 45581/15; Pressemitteilung; legal summary); Hate Speech; Verurteilung eines Front-National-Politikers wegen Provozierens zu Hass oder Gewalt gegen eine Person oder Personengruppe aufgrund ihrer Herkunft oder ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit, aufgrund fremder Postings auf seiner Facebook-Seite, die er nicht bzw. erst verspätet entfernte; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag auf Inforrm's Blog, den Beitrag von Frederic Kupsch auf Völkerrechtsblog und den Beitrag von Natalie Alkiviadou auf Opinio Juris; mit Beschluss des Grand Chamber Review Panel vom 17.01.2022 an die Große Kammer verwiesen; das Hearing vor der Großen Kammer findet am 29. Juni 2022 statt; das (die Kammer-Entscheidung bestätigende) Urteil der Großen Kammer erging am 15. Mai 2023.
  • 31. August 2021, Üçdağ gegen Türkei (Appl. no. 23314/19; Pressemitteilung); Verurteilung zu einer (bedingten) Haftstrafe von 18 Monaten und 22 Tagen wegen Verbreitung von Propaganda  zugunsten einer terroristischen Organisation aufgrund zweier Facebook-Postings mit Fotos, auf denen Personen in einer Uniform zu sehen waren, die jener von PKK-Angehörigen ähnlich sah; Verletzung des Art. 10 EMRK und - wegen zu formalistischer Zurückweisung einer Beschwerde an das Verfassungsgericht des Art. 6 EMRK (jeweils einstimmig, mit zustimmendem Sondervotum des Richters Kjølbro und der Richterin Koskelo, sowie einem teilweise zustimmenden Sondervotum des Richters Ranzoni).
  • 31. August 2021, Associazione Politica nazionale Lista Marco Pannella und Radicali Italiani gegen Italien (Appl. no. 20002/13; Pressemitteilung; legal summary); die politischen Organisationen beschwerten sich über die Nichteinhaltung von Art. 4 der Legge n. 103 del 14 aprile 1975 über Sendungen mit politischem Inhalt ("tribune politiche"); keine Verletzung des Art. 10 EMRK, aber Verletzung dfes Art. 13 EMRK (einstimmig). 
  • 31. August 2021 Associazione Politica nazionale Lista Marco Pannella gegen Italien (Appl. no. 66984/14; legal summary; Pressemitteilung); die Rundfunk-Regulierungsbehörde AGCOM hatte, in Ausführung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils, die RAI verpflichtet, Mitglieder einer politischen Organisation in eine Reihe von Talk-Shows einzuladen; dies wurde aber nur teilweise durchgesetzt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 31. August 2021, Łabądź gegen Polen (Appl. no. 10949/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Gewerkschafter, wurde nach einer Protestaktion im Zusammenhang mit der möglichen Schließung eines Bergbaubetriebes, die vor dem Wohnhaus des stv. Vorstandsvorsitzenden stattgefunden hatte, wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte dieses Vorstandsmitglieds zu einer geringfügigen Entschädigung verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück (der Beschwerdeführer hatte im Verfahren vor den nationalen Gerichten nicht darlegen können, dass die Behauptungen über unrechtmäßige Aktionen des Managers zutreffend gewesen wären).. 
  • 31. August 2021, Ansion und Walczak gegen Polen (Appl. no. 71320/14 und 71360/14); Unzulässigkeitsentscheidung; der Herausgeber und Chefredakteur und ein Journalist einer Wochenzeitung wurden wegen eines Artikels, der dubiose Geldflüsse im Umfeld eines Politikers thematisierte, zunächst strafgerichtlich freigesprochen (weil die wesentlichen Fakten korrekt berichtet worden waren), dann aber zivilrechtlich wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Politikers zu einer Entschädigung (rund 3.750 €) verurteilt; der wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück (die Beschwerdeführer hatten die notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen und irreführende Behauptungen ohne Tatsachensubstrat aufgestellt).
  • 27. Juli 2021, SIC - Sociedade Independente de Comunicação gegen Portugal (Appl. 29856/13; legal summary); die beschwerdeführende TV-Gesellschaft hatte einen Regionalpolitiker in Zusammenhang mit einem Pädophilen-Ring gebracht und nach dessen Rücktritt fälschlich berichtet, dass er verhaftet worden sei, dies aber nach wenigen Stunden korrigiert; die beschwerdeführende Gesellschaft wurde dafür zu einer Entschädigung von rund 115.000 € verurteilt, was der EGMR als unverhältnismäßig hoch beurteilte; daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Mike Dodd auf Inforrm's Blog
  • 22. Juli 2021, Ani Gachechiladze gegen Georgien (Appl. no. 2591/19; legal summary); Kondomherstellerin, wurde wegen unethischer Werbung in vier Fällen zu einer Verwaltungsstrafe und zum Rückruf der betroffenen Produkte verurteilt ("According to the court, texts printed on the packaging and published on social media alluded to, respectively, the baptism of Christ; the Didgori battle between the armies of the Kingdom of Georgia and the Great Seljuk Empire, an important historical event; King Tamar of Georgia canonised by the Georgian Orthodox Church; and the fourth design contained an image of two fingers inserted in a condom, alluding, according to the court, to the 'blessing hand' - the hand gesture used by priests in sermons, and depicted in iconography."); Verletzung des Art. 10 EMRK (im Hinblick auf drei der Verpackungsdesigns; die Verwendung der heiliggesprochenen Königin Tamar konnte vertretbar als unnötiger Angriff auf eine religiös verehrte Person verstanden werden). 
  • 22. Juli 2021, Azer Ahmadov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 3409/10); Chefredakteur einer oppositionellen Zeitung; Überwachung seines Telefons im Zusammenhang mit einem Messerattentat auf einen Journalistenkollegen; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 20. Juli 2021, Yartsev gegen Russland (Appl. no. 16683/17); über den Beschwerdeführer war eine Verwaltungsstrafe verhängt worden, weil er bei einer angezeigten Versammlung Slogans (gegen Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung) gerufen hatte, die nicht vom Versammlungszweck (Solidarität mit Arbeitenden am Tag der Arbeit) gedeckt gewesen seien, außerdem habe er verbotene Slogans (zB "Nieder mit dem Polizeistaat") gerufen; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, schon weil der Bestrafung eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage fehlte.
  • 13. Juli 2021, Karatayev gegen Russland (Appl. no. 56109/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteur; Verurteilung wegen eines Editorials über  Hakenkreuze; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Juli 2021, Mammadov und Abbasov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 1172/12); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Juli 2021, Hasanov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 52584/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Juli 2021, Norman gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 41387/17; legal summary); Verurteilung eines Justizwachebeamten wegen Amtsmissbrauch (nach der Operation "Elveden"), weil er einer Daily Mirror- bzw. News of the World-Journalistin Informationen aus dem Gefängnis weitergegeben hatte; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Joanna Curtis auf UK Human Rights Blog.
  • 6. Juli 2021, Tepljakov gegen Estland (Appl. no. 47456/18); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden, weil er eine Polizeibeamtin angezeigt hatte, weil sie ihn (anlässlich einer Hausdurchsuchung) mehrfach gestoßen habe; das Beweisverfahren hatte ergeben, dass kein physischer Kontakt stattgefunden hatte; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück (das nationale Verfahren war nicht automatische Folge der zurückgelegten Anzeige gegen die Polizistin, und es war ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren unter Beiziehung aller vom Beschwerdeführer genannten Zeugen durchgeführt worden; die Strafe war auch nicht unverhältnismäßig).
  • 1. Juli 2021, Burestop 55 u.a. gegen Frankreich (Appl. no. 56176/18 u.a.; Pressemitteilung; legal summary); Umweltschutzverbände gegen ein Atommüll-Endlager, gingen vor Gericht erfolglos gegen die zuständige nationale Agentur für die Endlagerung vor, weil diese falsche Informationen veröffentlicht habe; Verletzung des Art. 6 EMRK, aber keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Juli 2021, Hájovský gegen Slowakei (Appl. no. 7796/16; legal summary); siehe dazu den Beitrag von Rebecca Moosavian auf Inforrm's Blog.
  • 29. Juni 2021, Yezhov u.a. gegen Russland (Appl. no. 22051/05; legal summary);
  • 29. Juni 2021, Güler und Zarakolu gegen Türkei (Appl. nos. 38767/09 et 52897/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK.
  • 22. Juni 2021, Hurbain gegen Belgien (Appl. no. 57292/16; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung des verantwortlichen Redakteurs der Zeitung Le Soir zur Anonymisierung eines Berichts über einen Mord im Jahr 1994 im elektronischen Archiv der Zeitung ("Recht auf Vergessenwerden"?); zum belgischen Urteil siehe den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's blog bzw. das Urteil selbst; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1, dissenting opinion von Richter Pavli); siehe den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog; und den Beitrag von Sarah de Heer auf Strasbourg Observers; Achtung: der Fall wurde an die Große Kammer verwiesen; das Urteil der Großen Kammer erging am 4. Juli 2023 und bestätigte das Kammerurteil.
  • 22. Juni 2021, Erkizia Almandoz gegen Spanien (Appl. no. 5869/17; Pressemitteilung; legal summary); baskischer Politiker, hatte bei einer Veranstaltung zum Gedenken an einen verstorbenen ETA-Führer das Publikum gebeten, darüber nachzudenken, welcher Weg der adäquate sei - sei es der, dem Staat den größten Schaden zuzufügen oder sei es der, das Volk zu einem neuen demokratischen Szenario zu führen. Er wurde dafür wegen Entschuldigung des Terrorismus zu einem Jahr Haft und sieben Jahren Verlust der Wählbarkeit verurteilt; die erste Frage des EGMR bezieht sich darauf, ob es sich hier um einen Akt der Aufstachelung zu Hass handle, wie das spanischer Verfassungsgericht angenommen hat; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 15. Juni 2021, Melike gegen Türkei (Appl. no. 35786/19; Pressemitteilung; legal summary); Kündigung einer Mitarbeiterin des Bildungsministeriums, weil sie auf Facebook bei verschiedenen (politischen) Beiträgen den Like-Button geklickt hatte.
  • 15. Juni 2021, Ömür Çağdaş Ersoy gegen Türkei (Appl. no. 19165/19; Pressemitteilung);
  • 15. Juni 2021, Kurnosova gegen Russland (Appl. no. 36072/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Veröffentlichung eines Aufrufs der verbotenen Nationalbolschewiken in einer Oppositionszeitung.
  • 15. Juni 2021, Anshakov gegen Russland (Appl. no 9266/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Obmann eines Konsumentenschutzvereins wurde wegen kritischer Aussagen in einem Zeitungsinterview betreffend Unregelmäßigkeiten in der Gebarung einer Stiftung verurteilt; der EGMR stellt auch die Frage, ob dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Funktion im Konsumentenschutzverein ein ähnlicher Schutz nach Art. 10 EMRK wie der Presse zukommen sollte.
  • 15. Juni 2021, Stolbunov und MOO Spravedlivost gegen Russland (Appl. nos. 30084/11, 3402/15 und 24922/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Menschenrechtsaktivist, wurde wegen einer Rede in denen er angeblich illegale Machenschaften eines Beamten aufdeckte, wegen übler Nachrede verurteilt; Auseinandersetzungen um die korrekte Veröffentlichung eines Widerrufs auf einer Website; Aufforderung zu Extremismus aufgrund der Reaktion eines Websitebetreibers auf ein Posting; Verurteilung eines Websitebetreibers, nachdem ein kreditschädigendes Posting trotz Verständigung nicht gelöscht worden war.
  • 8. Juni 2021, Bulaç gegen Türkei (App. no. 25939/17); Journalist bei Zaman, einer der Gülen-Bewegung nahestehenden Zeitung, die nach dem gescheiterten Putschversuch geschlossen wurde; er wurde nach dem gescheiterten Putschversuch festgenommen und war fast zwei Jahre in U-Haft; Verletzung des Art. 5 Abs. 1 und des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. Juni 2021, Francisco Marcolino de Jesus gegen Portugal (Appl. no. 2388/!5); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Richter am Berufungsgericht Porto und wurde vom Obersten Justizrat zum "Justizinspektor" (inspetor judicial) für die Region Bragança ernannt; nach zwei Hinweisen auf mögliche Interessenkonflikte wegen anhängiger Verfahren des Beschwerdeführers in dieser Region und im Hinblick auf Aussagen gegenüber der Presse betreffend eine Richterin, in deren Disziplinarverfahren er Untersuchungsrichter gewesen war, eröffnete der Justizrat ein Disziplinarverfahren und suspendierte den Beschwerdeführer von seiner Aufgabe als "Justizinspektor"; im Verfahren kam heraus, dass der Beschwerdeführer an acht Strafverfahren vor Gerichten der Region Bragança als Privatbeteiligter oder Privatankläger beteiligt war (was er dem Justizrat nicht mitgeteilt hatte), was auch zu Ablehnungsanträgen in einigen Verfahren geführt hatte, weil die Beteiligten Sorge hatten, dass die Richter*innen, die einer beruflichen Beurteilung durch den Beschwerdeführer unterliegen, nicht unbefangen urteilen könnten; außerdem hatte er mit Journalisten über ein Disziplinarverfahren gesprochen und dabei u.a. gesagt, dass diese Rache an ihm nehmen wolle, weil gegen sie ein Disziplinarverfahren eröffnet worden sei wegen einer falschen Aussage; er hoffe, dass sie aus der Justiz entlassen werde; der Justizrat als Disziplinargericht stellte eine Loyalitätsverletzung und einen Bruch der Vertraulichkeit fest, verhängte eine Geldstrafe und beendete die Funktion als Justizinspektor; ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof blieb erfolglos; im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Art. 10 EMRK (ebenso wie des Art. 6 EMRK) kam der EGMR zum Ergebnis, dass die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückweisen war.
  • 25. Mai 2021, Big Brother Watch ua gegeen Vereinigtes Königreich (Appl. nos. 58170/13, 62322/14 and 24960/15; Pressemitteilung; legal summary); siehe dazu die Beiträge von Constanze Kurz auf netzpolitik.org, von Marko Milanovic auf EJIL:Talk!, von Charlotte Gilmartin auf UK Human Rights Blog, von Graham Smith auf cyberleagle, von Juraj Sajfert auf European Law Blog, von Maximillian Shreeve-McGiffen auf ECHR Blog, von Monika Zalnieriute auf Verfassungsblog, von Monica Horten auf iptegrity von Dirk Voorhoof auf Inforrm's Blog, von Eliza Watt auf Strasbourg Observers und von Stephanos Stavros auf Oxford Human RIghts Hub.
  • 25. Mai 2021, Centrum för rättvisa gegen Schweden (Appl. no. 35252/08; Pressemitteilung; legal summary); siehe dazu auch die zu Big Brother Watch angeführten Blogposts, sowie - spezifisch zu Centrum för rättvisa - den Beitrag von Mark Klamberg auf Verfassungsblog.
  • 25. Mai 2021, Milosavljević gegen Serbien (Appl. no. 57574/14); siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog.
  • 25. Mai 2021, Erotocritou gegen Zypern (Appl. no. 15783/16); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 25. Mai 2021, Július Pereszlényi - Servis TV - Video gegen Slowakei (Appl. no. 25175/15); Unzulässigkeitsentscheidung; privater Regional-TV-Veranstalter in einer Region mit mehrheitlich ungarischsprachiger Bevölkerung, erhielt eine Geldstrafe, weil er ein Programm gesendet hatte, in dem ein Interview mit einem ungarischsprachigen Interviewpartner nicht - wie gesetzlich vorgesehen - mit slowakischen Untertiteln versehen war.
  • 20. Mai 2021, Amaghlobeli u.a. gegen Georgien (Appl. no. 41192/11; Pressemitteilung); Journalistinnen wurden - im Zuge einer Recherche über willkürliche Praktiken beim Zoll - Zeuginnen einer Auseinandersetzung zwischen einem Betroffen und Zollbeamten; wollten den Betroffenen interviewen, wurden aber weggewiesen und schließlich bestraft, weil sie der Anweisung nicht folgten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK; siehe dazu den Beitrag von Mike Dodd auf Strasbourg Observers.
  • 18. Mai 2021, İbrahim Tokmak gegen Türkei (Appl. no. 54540/16; Pressemitteilung; legal summary); Sperre eines Fußballschiedsrichters wegen Äußerungen in sozialen Medien; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 18. Mai 2021, Sedat Doğan gegen Türkei (Appl. no. 48909/14; Pressemitteilung, legal summary); Disziplinarstrafe gegen Fußballklub-Obmann durch den Disziplinarrat des türkischen Fußballverbands wegen Äußerungen im TV und in den sozialen Medien; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 18. Mai 2021, Naki et AMED Sportif Faaliyetler Kulübü Derneği gegen Türkei (Appl. no. 48924/10; Pressemitteilung; legal summary); sportliche und finanzielle Sanktionen gegen einen Profi-Fußballer wegen Äußerungen in sozialen Medien; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 18. Mai 2021, Öğreten und Kanaat gegen Türkei (Appl. nos. 42201/17 et 42212/17; Pressemitteilung)
  • 18. Mai 2021, OOO Informatsionnoye Agentstvo Tambov-Inform gegen Russland (Appl. no. 43351/12; Pressemitteilung); Geldstrafen wegen Verletzungen der Wahlgesetze durch Veröffentlichungen auf der Website (wahlwerbende Artikel und Online-Polls).; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 18. Mai 2021, Investigative Journalists gegenArmenien (Appl. no. 64023/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die NGO veröffentlichte (zunächst als Inserat in einer Zeitung, dann auch auf der eigenen Website) einen Artikel eines investigativen Journalisten über Geschäfte eines Bürgermeisters mit Sand, der auf im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstücken gewonnen wird, verurteilt wegen falscher ehrenrühriger Informationen über den Bürgermeister; Verletzung des Art. 10 EMRK:
  • 18. Mai 2021, Dareskizb gegen Armenien (Appl. no. 64004/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Medieninhaberin einer Zeitung, Verurteilung wegen Artikeln, in denen Parlamentsabgeordneten vorgeworfen wurde, auf einer Liste der russischen Strafverfolgungsbehörden mit Korruptionsverdächtigen zu stehen; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 18. Mai 2021, Boris Popović gegen Slowenien (Appl. nos. 35199/18 und 43635/18); Unzulässigkeitsentscheidung; Bürgermeister von Koper, wurde verurteilt wegen Beleidigung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde; beschwert sich, weil ihm verwehrt wurde, Zeugen zu benennen und zu befragen, um den Beweis zu erbringen, dass seine Vorwürfe eine ausreichende Tatsachengrundlage hatten.
  • 18. Mai 2021, Hatice Bozkurt und Sultan Güneş Ünsal gegen Türkei (Appl. nos. 46519/13 und 46548/13); Unzulässigkeitsentscheidung;
  • 11. Mai 2021, Kilin gegen Russland (Appl. no. 10271/12; legal summary); keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 11. Mai 2021, Halet gegen Luxemburg (Appl no. 21884/18; Pressemitteilung; legal summary); "Luxleaks"; ehemaliger Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers hatte 14 Steuererklärungen von Klienten seines Dienstgebers an einen Journalisten geleakt, die in einer TV-Sendung (zur Problematik der "Advance Tax Agreements") verwendet wurden, und erhielt dafür eine Geldstrafe; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (5:2 Stimmen); wurde an die Große Kammer verwiesen (Pressemitteilung), die das Urteil "umdrehte" (Urteil der Großen Kammer vom 14. Februar 2023).
  • 11. Mai 2021, RID Novaya Gazeta und ZAO Novaya Gazeta gegen Russland (Appl. no. 44561/11); Verurteilung nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Extremismus wegen eines (kritischen) Artikels über eine rechtsextremistische Organisation; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 4. Mai 2021, Akdeniz u.a. gegen Türkei (Appl. nos. 41139/15 und 41146/15; Pressemitteilung; legal summary); Rechtsprofessor, Politikwissenschaftler und Journalistin, hatten vor dem Verfassungsgericht Beschwerde gegen ein (allgemeines) Publikationsverbot für parlamentarische Materialien im Zusammenhang mit einer Korruptionsuntersuchung geführt und waren zurückgewiesen worden (weil nicht individuell betroffen; eine Minderheit von 6 der 16 Richter hätten hingegen eine Betroffenheit der Beschwerdeführer angenommen); der EGMR kam mehrheitlich zum Ergebnis, dass den beiden Wissenschaftlern kein Opferstatus nach der EMRK zukam, sodass deren Beschwerden zurückgewiesen wurden; der Opferstatuts der Journalistin wurde einstimmig bejaht; auch das Vorliegen einer Verletzung des Art. 10 EMRK (mangels gesetzlicher Grundlage für die Beschränkung) wurde einstimmig bejaht; Richter Kūris wendet sich in seinem teilweise abweichenden Sondervotum gegen die Versagung des Opferstatus hinsichtlich der beiden Wissenschaftler; dies sei auf eine "oberflächliche Unterscheidung der Berufe der Journalistin und des Rechtsprofessors gestützt worden; auch die Wissenschaftler, die ein Online-Portal unterhielten und auch Menschenrechtsaktivisten seien, seien in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit beschränkt worden; im Urteil sei zwischen den beiden Kategorien von watchdogs unterschieden worden; die Meinungsfreiheit von Journalisten werde als wertvoller angesehen und eines stärkeren Schutzes würdig als die von Vertretern der akademischen Lehre; dies sei "unhaltbar, unfair und einfach nicht überzeugend." Siehe dazu auch den Beitrag von Ayşe Bingöl Demir auf Strasbourg Observers.
  • 4. Mai 2021, Kerestecioğlu Demir gegen Türkei (Appl. no. 68136/16; Pressemitteilung); die Beschwerdeführerin war türkische Parlamentsabgeordnete der Oppositionspartei HDP, der durch eine Verfassungsänderung die Immunität entzogen wurde; wie auch im Fall Selahattin Demirtaş gegen Türkei (Nr. 2) wurde eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt (mit 6:1 Stimmen, teilweise abweichendes Sondervotum der türkischen Richterin Yüksel).
  • 27. April 2021, Tőkés gegen Rumänien (Appl. nos. 15976/16 und 50461/17; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer, Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien, war Mitglied des Europäischen Parlaments; er wurde in einem Fall wegen des Anbringens der Fahne der Region Partium, in einem weiteren Fall wegen Anbringung der Szekler-Fahne auf dem Gebäude seine Büros in Oradea verwarnt, weil er dadurch Rechtsvorschriften über die Werbung verletzt habe; der EGMR kam zum Ergebnis, dass der Eigriff zwar auf Gesetz beruhte und einem legitimen Ziel diente, dass die nationalen Gerichte aber nicht alle wesentlichen Fragen (u.a. Kontext und Art der Flaggen und die Art des Gebäudes als eines Bürogebäudes eines Abgeordneten) geprüft hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (aus prozeduralen Gründen; mit 5:2 Stimmen; abweichende Sondervoten der Richterinnen Motoc und Kucsko-Stadlmayer, die darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer sich durchgängig nur gegen die gesetzliche Bestimmung gewandt hatte; er habe mit der Beflaggung - nach eigenem Bekunden - keinen politischen Diskurs führen wollen; vor diesem Hintergrund sei die Beflaggung, ungeachtet des Status des Beschwerdeführers als Politiker, nicht als Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse anzusehen; die Gerichte seien daher auch nicht verpflichtet gewesen, auf mehr einzugehen, als der Beschwerdeführer vorgebracht hatte; dieser sei bloß verwarnt worden, weil er die notwendige vorherige Genehmigung nicht eingeholt habe, diese Genehmigung wäre auch einfach zu bekommen gewesen); siehe dazu den Beitrag von Xavier Farré Fabregat auf Strasbourg Observers.
  • 27. April 2021, Avcı gegen Türkei (Appl. no. 18377/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung (zu einer später ausgesetzten Haftstrafe von fünf Monaten) wegen der Verwendung des Wortes "sayın" für den inhaftierten PKK-Anführer; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), unter Hinweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 22. April 2021, Avaz Zeynalov gegen Aserbaidschan (Appl. nos. 37816/12 and 25260/14); Journalist und Chefredakteur einer Zeitung wurde festgenommen, in Untersuchungshaft genommen und schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er angeblich Bestechungsgeld von einer Abgeordneten erhalten habe, damit er Informationen über sie nicht veröffentliche; weiters wurde auf Telefondaten des Beschwerdeführers zugegriffen und seine Wohnung, sein Büro und sein Auto durchsucht; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen der Art. 5 Abs. 3, 6 Abs. 2; 8, 10 und Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. d EMRK fest; im Hinblick auf Art. 10 betraf das die Durchsuchungen, durch die der Quelleschutz beeinträchtigt war; der Durchsuchungsbeschluss war nur sehr vage ("drafted in broad terms without specifying the list of items or documents to be searched for or seized"), der Beschluss war daher unverhältnismäßig, da er es ermöglichte, nach Quellen des Journalisten zu suchen; dies wurde noch dadurch verstärkt, dass bei den Durchsuchungen auch zahlreiche Dokumente und Gegenstände sichergestellt worden waren, die offensichtlich keinen Bezug zu den laufenden strafrechtlichen Ermittlungen hatten, die aber geeignet waren, Quellen des Journalisten zu identifizieren; dies war geeignet, ein abschreckende Wirkung auf andere Journalisten und deren Quellen zu haben.
  • 20. April 2021, Çağdaş Kışlaoğlu gegen Türkei (Appl. no. 3636/17); Unzulässigkeitsentscheidung; Zahnarzt; hatte wegen werblicher Aussagen in einer Fernsehsendung eine Disziplinarstrafe von umgerechnet rund 500 € erhalten; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück: die Konventionsstaaten haben im Bereich kommerzieller Werbung einen grüößeren Beurteilungsspielraum; nationale Behörden und Gerichte hatten entsprechend geprüft, es lag auch kein Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, etwa über Zahngesundheit, vor, sondern eine Werbung für die Leistungen dieses Zahnarztes; schließlich ist die geringe Disziplinarstrafe auch nicht unangemessen (die türkische Regierung hatte auch vorgebracht, dass die Beschwerde nach Art. 35 Abs. lit. b zurückzuweisen wäre, weil dem Beschwerdeführer im Sinne dieser Bestimmung "kein erheblicher Nachteil entstanden" entstanden sei, angesichts des typischen Einkommens eines selbständigen Zahnarztes; der EGMR musste darauf nicht mehr eingehen).
  • 13. April 2021, Murat Aksoy gegen Türkei (Appl. no. 80/17; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Journalist, ua für die Zeitungen Millet und Yeni Hayat; er wurde am 30.8.2016 (nach dem versuchten Putsch vom 15.07.2016) festgenommen; wegen des Verdachts, absichtlich eine terroristische Organisation unterstützt zu haben, wurde über ihn die U-Haft verhängt; diese wurde im März 2017 kurzfristig aufgehoben, aber nach wenigen Stunden erneut verhängt, wegen des Verdachts des versuchten gewaltsamen Umsturzes der Regierung (die Richter, die seine Freilassung angeordnet hatten, wurden daraufhin suspendiert); er wurde schließlich am 24.10.2017 entlassen und im März 2018 zu zwei Jahren und einem Monat Haft verurteilt; g4egn die U-Haft hatte der Beschwerdeführer Beschwerden beim türkischen Verfassungsgericht erhoben, das ua Verletzungen des Rechts auf persönliche Freiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung feststellte; der EGMR hielt fest, dass die vom türkischen Verfassungsgericht zugesprochene Entschädigung offenkundig ungenügend war, sodass der Opferstatus noch gegeben war; er stellte (jeweils mit 5:1 Stimmen) eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 und des Art. 10 EMRK fest (dissenting oipinion der türkischen Richterin Yüksel).
  • 13. April 2021, Ahmet Hüsrev Altan gegen Türkei (Appl. no. 13252/17; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer war Journalist, ua für die Zeitung Taraf, und Autor; er wurde nach dem versuchten Putsch vom 15.07.2016 festgenommen, nach knapp zwei Wochen kurzfristig freigelassen, und am Tga danach in U-Haft genommen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der FETÖ/PDY; er wurde wegen des versuchten Umsturzes angeklagt und zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt; nach Aufhebung des Urteils durch den Kassationshof wurde er schließlich wegen wissentlicher Unterstützung einer terroristischen Organisation zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt; der EGMR stellte (mit jeweils 6:1 Stimmen) Verletzungen des Art. 5 Abs. 1 und des Art. 10 EMRK fest (disenting opinion der türkischen Richterin Yüksel), einstimmig auch eine Verletzung des Art. 5 Abs. 4 und 5 EMRK; mit 6:1 Stimmen stellte der EGMR auch fest, dass keine Verletzung des Art. 18 EMRK vorlag (dazu dissenting opinon des Richters Kūris, in der er auch eine gute Übersicht über die anhängigen und entschiedene Fälle betreffend die Beschwerden von türkischen Journalist*innen über die Verfolgung nach dem versuchten Putsch gibt).
  • 13. April 2021, Litwin gegen Polen (Appl. no. 42027/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Autor eines Fußball-Fan-Magazins; Verurteilung wegen Beleidigung des Premierministers und rassistisch motivierter Beleidigung in zwei Artikeln, einer davon war ausdrücklich als "Moja mowa nienawiści" ("Mon discours de haine", meine Hassrede) bezeichnet; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 6. April 2021, Handzhiyski gegen Bulgarien (Appl. no. 10783/14; Pressemitteilung, legal summary); der Beschwerdeführer, ein Oppositionspolitiker in Blagoevgrad, "verzierte" eine Statue des Gründers der Bulgarischen Kommunistischen Partei, Dimitar Blagoev, die im Zuge von Protesten am Weihnachtstag schon rot/weiß angemalt worden war, mit einer Santa Claus-Mütze und einem roten Santa-Claus-Sack; er wurde deshalb wegen Hooliganismus zu einer geringen Geldstrafe verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1 Stimmen, dissenting opinion von Richter Vehabović, unter Hinweis auf das Urteil Sinkova gegen Ukraine, das bei einem vergleichbaren Sachverhalt zu einem diametral anderem Ergebnis gekommen sei); siehe dazu den Beitrag von Mike Dodd auf Inforrm's Blog und von Juncal Montero Regules auf Strasbourg Observers.
  • 6. April 2021, Olga Kudrina gegen Russland (Appl. no 34313/06); die Beschwerdeführerin hatte an einer Protestaktion der nationalen bolschewistischen Partei im Hotel Rossiya teilgenommen, wo sie ein 11 m-Transparent mit der Aufschrift "Go away Putin" angebracht hatte und darauf mit Signalraketen aufmerksam machte; sie wurde deshalb und wegen der - von ihr dementierten - Teilnahme an einer (eher gewalttätigen) Protestaktion im Gesundheitsministerium zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt; der EGMR stellte hinsichtlich des Verfahrens betreffend die Aktion im Ministerium eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest und im Hinblick auf die Aktion im Hotel Rossiya eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig); der EGMR akzeptiert, dass eine Verurteilung im Hinblick auf die Art des Protests (die unter anderem zu einer Beschädigung des Hotels durch das Anbringen von Kletter-Equipment führte und eine Feuergefahr hervorrief durch die Verwendung von Signalraketen in der Nähe von brennbaren Objekten und das Werfen von Knallkörpern auf die Straße) auf "relevante und ausreichende Gründe" gestützt sein kann, aber die Höhe der Strafe war unverhältnismäßig.
  • 1. April 2021, Sedletska gegen Ukraine (Appl. no. 42634/18); die beschwerdeführende Journalistin war von einer Anordnung betroffen, nach der die Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Verkehrs- und Standortdaten ihres Mobiltelefons für einen Zeitraum von 16 Monaten erhalten sollten, um einen vermuteten Bruch der Amtsverschwiegenheit durch die Leiterin der Antikorruptionsbehörde aufzuklären; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK (Quellenschutz) fest.
  • 25. März 2021, Matalas gegen Griechenland (Appl. no. 1864/18; Pressemitteilung); neuer Geschäftsführer einer GmbH ersuchte (ua) eine als Rechtsberaterin des Unternehmens tätige Mitarbeiterin um Information betreffend anhängiger rechtlicher Verfahren, die das Unternehmen betreffen; nachdem er ihre Information anzweifelte, warf er ihr in einem im Zusammenhang mit ihrer Entlassung an sie gerichteten Schreiben unprofessionelles und unethisches Verhalten vor, das von böswilliger Absicht gegenüber den Interessen des Unternehmens getragen sei; die Betroffene brachte Privatanklage gegen ihn wegen Verleumdung ein, er wurde schließlich zu einer bedingten Haftstrafe von fünf Monaten verurteilt; der EGMR beurteilte die Aussagen des Beschwerdeführer als Werturteile (nicht als Tatsachen, wie die griechischen Gerichte) und betonte vor allem, dass diese nicht öffentlich gefallen waren, sondern in einem Schreiben nur an die Betroffene; er stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 25. März 2021, Diasamidze und Batumelebi gegen Georgien (Appl. nos. 49071/12 und 51940/12); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführer waren ein Journalist einer Wochenzeitung und deren Medieninhaber; der Journalist hatte ("acting in his individual capacity") vom Landwirtschaftsministerium statistische Daten über Anträge von Unternehmen zum Zuckerimport angefragt; außerdem wollte er (für die Zeitung) vom Parlament Informationen u.a. über Prämien- und Bonuszahlungen an Parlamentsmitarbeiter sowie über die Kosten von offiziellen Missionen und Klausuren von Abgeordneten; die Informationen wurden zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. weil sie nicht vorlagen, verweigert; der EGMR weist die auf Art. 10 EMRK gestützten Beschwerden ratione materiae als unzulässig zurück, da der Anwendungsbereich von Art. 10 EMRK nicht eröffnet sei: die Beschwerdeführer hätten vor der Stelle, von der sie Auskunft wollten, und vor den nationalen Gerichten, nicht dargelegt, warum die Kenntnis der begehrten Informationen für die Ausübung der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen notwendig war; damit war dem Kriterium "Zweck des Informationsbegehrens" im Sinne der Magyar Helsinki Bizottság-Rechtsprechung nicht entsprochen und der Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK nicht eröffnet; im Hinblick auf die Zucker-Importquoten sei zudem nicht dargelegt worden, dass das Kriterium "Art der nachgefragten Information" erfüllt worden sei (weil nicht erklärt worden war, warum die Kenntnis der Zucker-Import-Mengen für die Gesellschaft als Ganzes relevant sei).
  • 18. März 2021, Yuriy Chumak gegen Ukraine (Appl. no. 23897/10); Recht auf Zugang zu Informationen; der Beschwerdeführer - ein Journalist und Mitglied einer Menschenrechtsorganisation - stellte 2005 ein Auskunftsersuchen an den Präsidenten der Ukraine betreffend die Praxis, wonach der Zugang zu Rechtsakten des Präsidenten durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Klassifizierung ("nicht zur Veröffentlichung"/"nicht zum Druck") beschränkt wurde; er fragte nach den den Bezeichnungen, Nummern und Daten der Rechtsakte des Präsidenten (und seines Vorgängers), zu denen der Zugang beschränkt wurde; er erhielt darauf keine Antwort und blieb vor den nationalen Gerichten erfolglos. Der EGMR prüfte zunächst - obwohl die Ukraine keinen Einwand gegen die Zulässigkeit erhoben hatte - zur Zulässigkeit die Magyar Helsinki Bizottság-Kriterien: a) Zweck des Informationsbegehrens: zur Ausübung des Berufs als Journalist; b) Art der Information: "by its very nature the information requested – titles of legal acts issued by the head of State, which, apparently, were part of the law in Ukraine – was obviously of general public importance"; c) Rolle des Beschwerdeführers: Journalist; d) Verfügbarkeit der Information: kein Hinweis, dass es praktische Schwierigkeiten gäbe, die Information herauszugeben; daher ist die Beschwerde zulässig; in der Sache selbst bezieht sich der EGMR einerseits darauf, dass auch die ukrainische Regierung einräumt, dass es für die vorgenommenen Klassifizierungen keine gesetzliche Grundlage gab, und andererseits dass keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen worden war; der EGMR könne daher nicht beurteilen, ob die Einschränkung (die Nichtherausgabe der Information) rechtmäßig war und einem legitimen Ziel gedient habe; mit 5:2 Stimmen stellte der EGMR daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; in einem abweichenden Sondervotum kritisieren die Richterin O'Leary und der Richter Arnfinn Bårdsen vor allem, dass die Maßstäbe des Magyar Helsinki Bizottság-Urteils herangezogen werden, obwohl der Ausgangsfall sich deutlich vor diesem Urteil abgespielt hat und zu diesem Zeitpunkt die Rechtsprechung des EGMR ein Recht auf Informationszugang in dieser Art noch nicht anerkannt hatte; zudem kritisiert die dissenting opinion eher indirekt auch einige Aspekte des Magyar Helsinki Bizottság-Urteils (auch unter Hinweis auf die dissenting opinion in jenem Urteil) und es wird darin auch argumentiert, dass nur in sehr groben Umrissen dargelegt werden müsse, weshalb eine Information nicht zugänglich gemacht werde, da eine nähere Begründung häufig dem mit der Geheimhaltung angestrebten Ziel entgegenlaufen würde.
  • 18. März 2021, Bon gegen Kroatien (Appl. no. 26933/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war ein Umweltaktivist, der bei einem Vortrag vor ca. 50 Personen gesagt hatte, ein lokaler Politiker habe sich "wie eine richtige Kakerlake verhalten"; der Vortrag wurde ohne Wissen des Betroffenen aufgezeichnen und ohne seine Zustimmung auf der Website einer NGO veröffentlicht; aufgrund eines Antrags des Politikers wurde er strafgerichtlich zu einer Geldstrafe von ca. 3.500 € verurteilt; der EGMR hielt fest, dass der Vortrag über Umweltpolitik auf einer wissenschaftlichen Veranstaltung eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betroffen habe und der Politiker eine public figure gewesen sei; die nationalen Gerichte hatte sich nur mit der Bezeichnung als "Kakerlake" befasst, ohne eine adäquate Analyse des Kontexts vorzunehmen; es gab keine adäquate Verhältnismäßigkeitsprüfung; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 18. März 2021, Béchis gegen Frankreich (Appl. no. 10611/18); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer wurde wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 1.500 € und einer symbolischen Entschädigung von einem Euro verurteilt, weil er als Stadtrat einer Gemeinde dem Bürgermeister in einer öffentlichen Sitzung vorgeworfen hatte, er hätte "kriminelle Unregelmäßigkeiten begangen" beim Kauf eines Fahrzeugs für die Gemeinde und eines Fahrzeugs der selben Marke vom selben Händler für ihn privat; der EGMR hielt fest, dass die Wortmeldung grundsätzlich ein Thema von öfentlichem Interesse berührt, dass aber die nationalen Gerichte festgestellt hatten, dass für den Vorwurf keinerlei faktische Grundlage bestanden habe; auch wenn derartige Vorwürfe in einer hitzigen politischen Debatte vorkommen können, war auch berücksichtigt worden, dass sie in einer schriftlich vorbereiteten Rede enthalten waren und mit besonderer Animosität vorgetragen worden waren, sodass der EGMR keine Grund sieht, an der Beurteilung der nationalen Gerichte, wonach die Äußerung die Grenzen zulässiger Kritik überschritten habe, in Frage zu ziehen; auch die Strafe war so gering, dass sie nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann; Zurückweisung der Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet.
  • 16. März 2021, Meltem Şahin (Keleş) gegen Türkei (Appl. no. 58125/09); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war Lehrerin in einem provisorischen Dienstverhältnis; sie wurde entlassen, weil sie unerlaubt vom Dienst abwesend war und an einer Gedenkfeier für ein von den Streitkräften getötetes Mitglied einer verbotenen Partei teilgenommen hatte; ihre Beschwerde gegen die Entlassung blieb erfolgreich; von einer strafrechtlichen Anklage wegen der Teilnahme an der Gedenkfeier wurde sie freigesprochen; der EGMR sah aufgrund der Entlassung wegen der Teilnahme an der Gedenkfeier einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung als gegeben an, der allerdings gesetzlich vorgesehen war, einem legitimen Ziel diente und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 11. März 2021, Dimitriou gegen Griechenland (Appl. no. 62639/12); Eigentümer eines Fernsehsenders und einer Zeitung, hatte im Zuge einer Auseinandersetzung mit einem Politiker, der Zweifel an der Finanzierung seiner Medien geäußert hatte, u.a. ausgeführt, dass dieser Politiker ihn in den Schmutz ziehe, wofür er auf Antrag des Politikers zu einer Entschädigung verurteilt wurde; der EGMR sah in der Formulierung "in den Schmutz ziehen" mehr ein Werturteil als eine Tatsachenbehauptung, wobei im vorliegenden Fall auch eine ausreichende Tatsachengrundlage gegeben war; die Verurteilung beruhte nicht auf relevanten und ausreichenden Gründen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. März 2021, Eminağaoğlu gegen Türkei (Appl. no. 76521/12; Pressemitteilung); Staatsanwalt beim Kassationsgerichtshof und Funktionär einer Vereinigung von Richterin*innen und Staatsanwält*innen, wurde nach kritischen Äußerungen zu einer noch laufenden Angelegenheit, zum abgeschlossenen Verfahren betreffend Hrant Dink sowie zu allgemeinen justizpolitischen Themen aus disziplinären Gründen versetzt; Verletzung des Art. 10 EMRK sowie des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 8 EMRK (jeweils einstimmig); siehe dazu (und zum Fall Bilgen gegen Türkei) den Beitrag von Mathieu Leloup auf Strasbourg Observers,
  • 9. März 2021, Benitez Moriana and Iñigo Fernandez gegen Spanien (Appl. nos. 36537/15 und 36539/15); strafgerichtliche Verurteilung (zu einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen von je 8 €) nach Kritik an einer Richterin, die in einem Umweltverfahren entschieden hatte; der Richterin wurde in einem offenen Brief u.a. vorgeworfen, "you have demonstrated your partiality and lack of competence"; "You are unaware of the relevant case-law, and what is worse, you outrageously washed your hands of the affair"; "you ruled first and then came up with reasons", usw.); der EGMR beurteilte (mit 5:2 Stimmen) die strafgerichtliche Verurteilung als unverhältnismäßig (ausführliches abweichendes Sondervotum der Richterin Elósegui,und des Richters Serghides).
  • 16. Februar 2021, Gawlik gegen Liechtenstein (Appl. no. 23922/19; Pressemitteilung, legal summary); der Beschwerdeführer war als stellvertretender Chefarzt der einzigen öffentlichen Krankenanstalt in Liechtenstein entlassen worden, nachdem er zunächst mit einem Parlamentarier und auf dessen Anraten hin in einer Strafanzeige Anschuldigungen gegen den Chefarzt dieses Krankenhauses erhoben hatte, dieser würde aktive Sterbehilfe betreiben (siehe den Beschluss des Staatsgerichtshofs vom 03.09.2018; StGH 2018/074); der EGMR wies darauf hin, dass der Verdacht nur auf eine Einsicht in elektronische Patientenakten gestützt war und sich bei Einsicht in die (Papier-)Krankenakten - die dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre - gezeigt hätte, dass der Verdacht grundlos ist; daher keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Februar 2021, Budinova und Chaprazov gegen Bulgarein (Appl. no. 12567/13; legal summary); die Beschwerde betrifft die Verletzung staatlicher Schutzpflichten im Hinblick auf ein Vielzahl minderheitenfeindlicher Äußerungen des Obmanns der nationalistischen Partei Ataka, Volen Siderov; hier betreffend Roma; Verletzung des Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Emma Várnagy auf dem ECHR Blog; siehe dazu und zum Fall Behar und Gutman auch den Beitrag von Margarita S. Ilieva auf Strasbourg Observers.
  • 16. Februar 2021, Behar und Gutman gegen Bulgarien (Appl. no. 29335/13; legal summary); die Beschwerde betrifft die Verletzung staatlicher Schutzpflichten im Hinblick auf ein Vielzahl antisemitischer Äußerungen des Obmanns der nationalistischen Partei Ataka, Volen Siderov; Verletzung des Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK (einstimmig).
  • 16. Februar 2021, İltümür Ozan u.a. gegen Türkei (Appl. no. 38949/09); die Beschwerdeführerinnen waren beim Verteilen von Flugblättern festgenommen worden; hinsichtlich einer Beschwerdeführerin wurde eine Verletzung des Art. 3 EMRK festgestellt; soweit die Beschwerden auf Art. 10 EMRK gestützt wurden, wurden sie teilweise als verspätet zurückgewiesen, hinsichtlich zweier Beschwerdeführerinnen allerdings deshalb, weil sie zwar anlässlich des Flugblattverteilens, aber nicht deshalb, sondern aufgrund einer mit Steinschleudern geführten Auseinandersetzung mit der Polizei festgenommen worden waren.
  • 9. Februar 2021, Sağdıç gegen Türkei (Appl. no. 9142/16; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war hoher Militärangehöriger; er wurde in Zeitungen in Berichten über einen von der Staatsanwaltschaft aufgedeckten Plan, wonach Militärs Anschläge auf Minderheiten geplant hätten, um ein Umfeld für einen Putsch zu schaffen, namentlich genannt, auch Bilder von ihm wurden veröffentlicht; seine Klage gegen die Medieninhaber wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; der EGMR hielt fest, dass die Journalisten keinen Grund hatten, auf die ihnen vorliegenden nicht amtlichen Dokumente, die zudem dem Ermittlungsgeheimnis unterlagen, zu vertrauen, ohne deren Richtigkeit zu überprüfen; sie hatten daher die Standards eines verantwortungsvollen Journalismus verletzt; die nationalen Gerichte hatten auch kein ausreichende Abwägung der berührten Interessen vorgenommen; Verletzung des Art. 8 EMRK (5:2 Stimmen, gemeinsames abweichendes Sondervotum der Richter Kjølbro und Ranzoni).
  • 9. Februar 2021, Ramazan Demir gegen Türkei (Appl. no. 68550/17; Pressemitteilung; legal summary); Anwalt, war u.a. wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung in Untersuchungshaft; wollte Zugang zum Internet zu den Websites des EGMR, des Verfassungsgerichts und des türkischen Amtsblatts, um seine Verteidigung vorzubereiten und den Gang von Fällen seiner Mandanten zu verfolgen; der Zugang wurde ihm vom Gericht verwehrt; der EGMR hielt fest, dass in der Türkei der Zugang von Gefangenen zum Internet für Trainings- und Resozialisierungszwecke grundsätzlich möglich war; der Ausschluss des Beschwerdeführers vom Zugang zu diesen Websites konnte sich nicht auf relevante und zureichende Gründe stützen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 4. Februar 2021, de Carvalho Basso gegen Portugal (Appl. nos. 73053/14 and 33075/17; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Mitglied des Stadtrates von Estremoz und Vorsitzender eines örtlichen Denkmalschutzvereins; in einer Stadtratssitzung beschwerte er sich darüber, dass der Verein die zugesagten Subventionen noch nicht bekommen habe, was der Bürgermeister mit noch fehlenden Unterlagen begründete; in einem nachfolgenden Interview mit einer regionalen Zeitung sagte der Bürgermeister, dass er, anders als der Beschwerdeführer, nicht 95.000 € Steuerschulden habe, und dass man sich das anschauen müsse, weil man nicht wisse, ob das das Geld dem Verein zukommen würde oder zur Zahlung von Steuerschulden; der Beschwerdeführer zeigte den Bürgermeister wegen Verleumdung an und trat dem Verfahren bei; während der Bürgermeister in erster Instanz verurteilt wurde, kam es in zweiter Instanz zu einem Freispruch, wobei der Zwei-Richter-Senat auch ausführte, dass der Beschwerdeführer Steuerschulden hatte (die bereits im Vollstreckungsstadium waren) und dass dieser Umstand ausreichend sei, um Zweifel im Hinblick auf die Subvention zu wecken, sodass das Fordern von Sicherheiten kein Verbrechen sei; der Beschwerdeführer brachte daraufhin Privatanklage gegen die Richter ein, mit der er erfolglos blieb; der EGMR wies die (auf Art. 10 EMRK gestützte, aber vom EGMR unter Art. 8 EGMR geprüfte) Beschwerde im Hinblick auf die - straflos gebliebenen - Aussagen des Bürgermeisters als offensichtlich unbegründet, im Hinblick auf die erfolglose Klage gegen die Richter als ratione materiae unzulässig zurück.
  • 2. Februar 2021, Dickinson gegen Türkei (Appl. no. 25200/11); Künstler, hatte eine Collage angefertigt, die den Kopf von Recep Tayyip Erdoğan (damals Ministerpräsident) auf dem Körper eines Hundes mit einer Leine in den Farben der amerikanischen Flagge zeigte, als Protest gegen die Unterstützung der Besetzung des Irak; wurde wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten zu einer - auf Bewährung ausgesetzten - Geldstrafe verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig betreffend die Verletzung des Art. 10 EMRK; hinsichtlich der der zugesprochenen Entschädigung mit 6:1 Stimmen, teilweise abweichendes Sondervotum der türkischen Richterin Yüksel); siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh and Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers; mit Urteil vom 12. September 2023 wurde das Urteil dahingehend revidiert, dass die Rechtssache aus der Liste gestrichen wird, da die Türkei mitgeteilt hat, dass der Beschwerdeführer bereits vor Ergehen des Urteils verstorben war.
  • 21. Jänner 2021, Leshchenko gegen Ukraine (Appl. nos. 14220/13 und 72601/13); Journalist, Zugang zu Informationen; forderte vergebens Informationen über den Verkauf der Staatsresidenz Mezhyhirya und Zugang zu einer von Abgeordneten eingereichten Verfassungsbeschwerde; in beiden Fällen Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Jänner 2021, Atilla Taş gegen Türkei (Appl. no. 72/17; Pressemitteilung); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig);
  • 19. Jänner 2021, Mehdi Tanrıkulu gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 33374/10); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Jänner 2021, Lăcătuş gegen Schweiz (Appl. no. 14065/15; Pressemitteilung, legal summary); Verbot des stillen Bettelns im Kanton Genf; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig; mit 5:2 Stimmen sprach der EGMR aus, dass keine Notwendigkeit bestehe, gesondert eine Verletzung des Art. 10 EMRK zu untersuchen; zustimmendes Sondervotum der Richterin Keller; teilweise abweichende Sondervoten der Richter Lemmens und Ravarani); siehe dazu den Beitrag von Corina Heri auf Strasbourg Observers sowie den Beitrag von Dimitrios Kagiaros auf Strasbourg Observers (Der österreichische VfGH hat ein generelles Bettelverbot dagegen als Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK beurteilt, sah aber den Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK nicht eröffnet: VfGH 30.6.2012, G 132/11; dieses Erkenntnis wird auch im EGMR-Urteil erwähnt und ebenso im Urteil des Schweizer Bundesgerichts, das dem hier vom EGMR entschiedenen Fall zugrunde lag).
  • 19. Jänner 2021, Georgian Young Lawyers’ Association (GYLA) gegen Georgien (Appl. no. 2703/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; Menschenrechtsorganisation wollte Auskunft über die Namen von Polizisten, gegen die nach einer gewaltsamen Auflösung einer Versammlung disziplinär vorgegangen wurde; der EGMR meinte, über die Vorgangsweise der Polizei hätte auch ohne Kenntnis der Namen der Polizisten berichtet werden können, Art. 10 EMRK sei nicht betroffen; Zurückweisung als ratione materiae unzulässig.
  • 19. Jänner 2021, Mikiashvili gegen Georgien (Appl. no. 18865/11) und Studio Reportiori und Vakhtang Komakhidze gegen Georgien (Appl. no. 51865/11); Zugang zu Informationen; Journalistin, Verweigerung der Auskunft über den Ort des Strafvollzugs zweier verurteilter Mörder bzw. NGO und Journalist, Verweigerung der Auskunft über Bonuszahlungen und nicht monetäre Benefits für Angehörige des Justizministeriums; "the applicants have failed to show that the denial of their requests to access the relevant information impaired the exercise of their freedom to receive and impart information in a manner which undermined the very essence of their Article 10 rights (...). It follows that Article 10 does not apply." Zurückweisung als ratione materiae unzulässig.
  • 14. Jänner 2021, Société Éditrice de Mediapart u.a. gegen Frankreich (Appl. nos. 281/15 et 34445/15; Pressemitteilung; legal summary); die Tochter der mittlerweile verstorbenen Liliane Bettencourt, Mehrheitsaktionärin von L’Oréal, hatte CD-ROMs mit Aufnahmen privater Gespräche ihrer Mutter den Abgabenbehörden übermittelt; in der Folge wurden Ausschnitte dieser Konversationen auf der Mediapart-Website veröffentlicht, was die sogenannte Bettencourt-Affäre auslöste; in mehreren Verfahren wurde der Medieninhaberin der Website und einigen beteiligten Journalisten die Veröffentlichung untersagt und die Entfernung der bereits veröffentlichten Ausschnitte aufgetragen; dagegen erhoben die Journalisten und die Medieninhaberin Beschwerden an den EGMR; dieser hielt fest, dass der Eingriff eine gesetzliche Basis hatte und ein legitimes Ziel verfolgte; die Inhalte hätte auch ohne wörtliche Auszüge aus den illegal entstandenen Aufnahmen berichtet werden können; auch dass inzwischen andere Medien die Berichte übernommen hatten, stand der Anordnung zur Entfernung von der Website nicht entgegen; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Jänner 2021, Gheorghe-Florin Popescu gegen Rumänien (Appl. no. 79671/13; Pressemitteilung; legal summary); Journalist, wurde zu einer Entschädigung von rund 1.100 € verurteilt, weil er auf seinem Blog fünf Artikel gepostet hatte, in denen dem Kläger (einem Zeitungs-Chefredakteur und TV-Produzenten) die moralische Verantwortung für einen Mord und Selbstmord zugeschrieben wurde; die nationalen Gerichte hatten keine ausreichende Abwägung nach den Kriterien der EGMR-Rechtsprechung vorgenommen; daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Jänner 2021, L.B. gegen Ungarn (Appl. no. 36345/16 ); Veröffentlichung des Namens und der Wohnanschrift des Beschwerdeführers als Steuersünder (Rückstände von mehr als 10 Mio. HUF, etwa 27.800 €) auf der Website der Steuerbehörde; der EGMR sieht einen Eingriff in das Recht nach Art. 8 EMRK, der allerdings auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage beruhte, ein legitimes Ziel verfolgte (Schutz des wirtschaftlichen Wohlergehens des Staates und auch Schutz der Rechte anderer, nämlich Dritter vor Geschäften mit den Steuersündern) und auch verhältnismäßig war - wobei die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sehr vorsichtig und zurückhaltend ausfallen und sehr stark auf die konkrete ungarische Situation und den weiten nationalen Beurteilungsspielraum abstellen; keine Verletzung des Art. 8 EMRK (5:2 Stimmen, abweichende Meinung des Richters Ravarani und der Richterin Schukking, die zwar die Veröffentlichung des Namens als gerechtfertigt ansehen würden, aber nicht auch der Wohnanschrift und nicht im Internet); siehe dazu den Beitrag von Liesa Keunen auf Strasbourg Observers; dieser Fall wurde an die Große Kammer verwiesen (siehe die Pressemitteilung; mündliche Verhandlung war am 03.11.2021; die Große Kammer hat mit Urteil vom 9. März 2023 das Urteil der Kammer "umgedreht").
  • 12. Jänner 2021, Adır u.a. gegen Türkei (Appl. no. 40631/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung der Beschwerdeführer zu einer zehnmonatigen Haftstrafe wegen Verbreitung von Propaganda für eine verbotene Organisation aufgrund der bei einer Gedenkfeier für getötete Angehörige dieser Aktion gerufenen Parolen ("Martyrs are immortal", "The murderer State will pay the price" und "We have paid a price. We will make them pay a price"); eine Beschwerde wurde zurückgewiesen, weil der Rechtszug nicht ausgeschöpft worden war, hinsichtlich der drei anderen Beschwerdeführer wurde eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt (einstimmig).
  • 12. Jänner 2021, Kılınç gegen Türkei (Appl. no. 40884/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der (ursprüngliche) Beschwerdeführer wurde wegen Mitgliedschaft ind er PKK zu einer Haftstrafe von 6 Jahren und drei Monaten verurteilt; Grund dafür wr die Vorbereitung einer Petition bzw. eines offenen Briefes mit dem Wortlaut: “Ben bir Kürdistanlı olarak Kürdistanlı Sayın Abdullah Öcalan’ı bir siyasi irade olarak gö-rüyor ve kabul ediyorum.” (Übersetzung des EGMR: "As a person from Kurdistan, I consider and accept Mr/Esteemed Abdullah Öcalan of Kurdistan as a political actor."); der Beschwerdeführer starb im April 2010 im Gefängnis, dasd Verfahren wurde von den Hinterbliebenen fortgesetzt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Jänner 2021, Barna Váradi gegen Rumänien (Appl. no. 37885/18); Unzulässigkeitsentscheidung; Angehöriger der Bevölkerungsgruppe der Szekler und politischer Aktivist, wurde wegen Propagierung einer faschistischen, rassistischen oder fremdenfeindlichen Ideologie, Besitz und geplanter Verbreitung von faschistischen und rassistischen Symbolen, Benutzung faschistischer und rassistischer Symbole in der Öffentlichkeit zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt; die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
2020
  • 22. Dezember 2020, Selahattin Demirtaş gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 14305/17; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer war Vorsitzender der Oppositionspartei HDP, wurde - nach einer Verfassungsänderung, mit der ihm die parlamentarische Immunität genommen wurde, aufgrund von politischen Reden festgenommen und in U-Haft angehalten; der EGMR stellte Verletzungen von Art. 10 EMRK (mit 16:1 Stimmen), sowie weiters von Art. 5 Abs. 1, 3 und 4 sowie von Art. 18 in Verbindung mit Art, 5 EMRK und von Art. 3 1.ZPEMRK fest (zu Art. 10 abweichende Meinung der türkischen Richterin Yüksel); siehe dazu den Beitrag von Başak Çalı auf dem Verfassungsblog, den Beitrag von Ezgi Yildiz auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Hakan Kaplankaya auf Strasbourg Observers.
  • 22. Dezember 2020, Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft und publisuisse SA gegen die Schweiz (Appl. no. 41723/14; Pressemitteilung); die SRG hatte es abgelehnt, einen Werbespot des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) zu senden, in dem als Unterzeile zu sehen und als Kommentar aus dem Off zu hören war "[www.vgt.ch ...] was das Schweizer Fernsehen totschweigt"; die Ablehnung wurde damit begründet dass der Spot geschäfts- und imageschädigend sei; eine vom VgT dagegen erhobene Beschwerde wurde von der UBI abgelehnt, vom Bundesgericht jedoch gutgeheissen; das Bundesgericht sprach aus, dass die SRG bei ihrem privatrechtlichen Handeln im Werbebereich grundrechtsgebunden ist und dabei insbesondere (auch) dem ideellen Gehalt der Freiheitsrechte Rechnung zu tragen hat; die bloße Befürchtung, eine umstrittene (ideelle) Werbung könnte ihrem Ruf abträglich sein, stellt kein hinreichendes Interesse dar, die Ausstrahlung eines ihr gegenüber kritischen Werbespots zu verweigern, solange der Auftraggeber nicht widerrechtlich handelt (Urteil des Bundesgerichts); aufgrund der auf Art. 10 EMRK gestützten Beschwerde der SRG stellte der EGMR einstimmig fest, dass keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorliegt; besonders betont der EGMR darin die besondere Position der SRG als öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Schweizer Rundfunklandschaft, die dazu führt, dass es nicht möglich gewesen wäre, die Zielgruppe über Werbung im Privatfernsehen oder ausländischen Sendern zu erreichen.
  • 17. Dezember 2020, Sellami gegen Frankreich (Appl. no. 61470/15; Pressemitteilung); französischer Journalist, veröffentlichte ein von der Polizei erstelltes Phantombild eines mutmaßlichen Vergewaltigers (in drei Fällen) und verletzte damit die Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens, wofür er zu einer Geldstrafe von 3.000 € verurteilt wurde; das Phantom-Bild war nach den Angaben eines Opfers erstellt worden, entsprach aber nicht den Fotos des Verdächtigen, von dem die Polizei inzwischen mehrere (echte) Fotos hatte, es war in sensationsheischender Art veröffentlicht worden und hatte zudem zu eine Behinderung der Ermittlungsarbeit geführt, weil aufgrund des Phantombilds viele Anrufe mit Hinweisen bei der Polizei eingingen, die aber (weil das Phantombild ja nicht brauchbar war), nicht hilfreich waren und im Gegenzug die Ermittlungsbehörden dazu veranlassten, Fahndungsfotos zu veröffentlichen, worauf sich der Verdächtige nach Belgien absetzte; der EGMR hielt fest, dass der Journalist bewusst in der heikelsten Phase der Ermittlungen (dem Identifizieren und Aufspüren des Verdächtigen) das Ermittlungsgeheimnis verletzt und damit die Ermittlungen gefährdet hatte; die Verurteilung verletzte ihn nicht in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung nach 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Dezember 2020, Tölle gegen Kroatien (Appl. no. 41987/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Direktorin einer frauenrechtlichen NGO, die in einem Sorgerechtsfall eingeschritten war, sagte in einem Radio-Interview, dass der Mann die Frau belästigt habe (nachdem dieser der NGO vorgeworfen hatte, sie sei verantwortlich dafür, dass seine Tochter von ihrer Mutter gekidnapped worden sei); sie wurde dafür wegen Beleidigung verurteilt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte keine relevanten und ausreichenden Gründe für den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit gegeben hatten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof and Inger Høedt-Rasmussen auf Strasbourg Observers.
  • 10. Dezember 2020, Schiffer ua gegen Ungarn (Appl. no. 1318/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Ordnungsstrafen (Abzug vom Abgeordentengehalt) gegen Oppositionsabgeordnete im ungarischen Parlaments wegen des Hochhaltens von Transparenten während einer Sitzung; die Beschwerden wurden wegen Nichtausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig zurückgewiesen, da der neu eingeführte innerparlamentarische Rechtszug - Beschwerde an den Immunitätsausschuss und danach an das Plenum des Parlaments - nicht zur Gänze ausgeschöpft worden war; bloße Zweifel über den Erfolg eines nicht von vornherein völlig nutzlosen Rechtsbehelfs reichen nicht aus, um die Verpflichtung, sich dieser Rechtsbehelfe zu bedienen, entfallen zu lassen.
  • 8. Dezember 2020, Panioglu gegen Rumänien (Appl. no 33794/14; Pressemitteilung; legal summary);die Beschwerdeführerin ist Richterin, sie hatte in einer Tageszeitung und auf einer Website einen Artikel unter der Überschrift "Nichts darüber, wie eine Genossin Staatsanwältin Präsidentin aller Richter geworden ist" veröffentlicht, in dem sie über die Präsidentin des Kassationsgerichtshofs schrieb, die in der kommunistischen Zeit Staatsanwältin war; die Richterin beschrieb Vorfälle in ihrer Jugend unter dem Ceauşescu-Regime und setzt dies in Bezug zur Tätigkeit der nunmehrigen Präsidentin des Kassationsgerichtshofs, die damals eine aufstrebende Staatsanwältin gewesen sei; sie fragte rhetorisch: "How did the Comrade Prosecutor fight to root out the enemies of the socialist order and for the pursuit of the new man? Naturally, with her weapon, the case files. I started to imagine what could happen in the dungeons, from where some came out dishonoured, broken and scared, and many did not come out alive. Who was hurting them? ... How did the Comrade Prosecutor manage at that time, naturally still for the pursuit of the new man? ... For me, the world that had already taken shape consisted of severe poverty, the silence and terror from the earth’s surface, and the unknown hell from the dungeons from where screams were never heard. The prosecutors were somewhere above in an untouchable shining world, which made it impossible to see the sky for all those in my world. All these comrades, usurpers of Christ and His Law, sternly guarded the communist prison. The Comrade Prosecutor has also floated above us, omnipresent, for fourteen years, until 1994, when she transformed into a judge." Der Artikel war namentlich gezeichnet, mit dem Beisatz, dass die Verfasserin Richterin am Berufungsgericht ist; ein Disziplinarverfahren gegen die Richterin wurde eingestellt, aber der Oberste Rat der Gerichtsbarkeit stellte eine Verletzung des Verhaltenskodizes für Richter fest; die Richterin habe ihr Pflicht zur Zurückhaltung in öffentlichen Äußerungen verletzt; durch die Art der Äußerungen und die Wortwahl habe sie die moralische und berufliche Integrität einer Richterkollegin verletzt; die Äußerungen könnten zudem- in einem Umfeld, das ohnehin von mangelndem Vertrauen in die Integrität der Justiz geprägt sei - negative Auswirkungen auf den Ruf des Justizsystems haben; der Artikel hätte zu ungerechtfertigten Zweifeln an der moralischen und beruflichen Integrität der Präsidentin des Kassationsgerichtshofs geführt. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hatte diese Feststellung einer Verletzung des Verhaltenskodizes der Grund, warum sie nicht zum Kassationsgerichtshof befördert wurde bzw. weshalb sie an der Auswahlprüfung nicht teilnehmen konnte. Der EGMR sah eine wichtige Grundsatzfrage als gegben und verwarf daher das Argument der Regierung, deass die Beschwerdeführerin keinen bedeutenden Nachteil erfahren habe; der EGMR sah einen Eingriff als gegeben an, der auch eine ausreichende gesetzliche Grundlage gehabt habe und ein legitimes Ziel verfolgte; der EGMR erkannte auch an, dass der Artikel Angelegenheiten von allgemeinem Interesse im Hinblick auf das Funktionieren des Justizsystems betroffen habe; der EGMR betont dann die Position der Beschwerdeführerin als Richterin, die als solche zu "maximum discretion" (Verschwiegenheit bzw. Umsicht) verpflichtet sei; die nationalen Gerichte hatten eine sorgfältige Abwägung vorgenommen, die vom EGMR nicht verworfen wird; der EGMR stimmt den nationalen Gerichten zu, dass der Artikel suggeriert habe, dass die Präsidentin des Kassationsgerichtshofs in unmoralischer und illegaler Weise gehandelt habe, wobei aber keine der Informationen, auf die die Beschwerdeführerin vertraut habe, den Verdacht unterstützen würden, dass die Präsidentin des Kassationsgerichtshofs derartige Handlungen gesetzt habe; damit erweist sich der Eingriff als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; auch die Sanktion war nicht unverhältnismäßig: keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Dezember 2020, Mustafa Çelik gegen Türkei (Appl. no. 46127/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war zu einer Haftstrafe von 6 Jahren und drei Monaten wegen Vergehen zugunsten einer terroristischen Organisation verurteilt worden, und außerdem zu drei Mal zehn Monaten Haft, weil er bei einer angeblich von der PKK organisierten Demonstration diverse Parolen skandiert habe, ein Urteil wurde später aufgehoben, das zweite nicht vollstreckt, weil Verjährung eingetreten war; der Beschwerdeführer hatte aber bis zur Aufhebung ungefähr vier Jahre in Haft verbracht; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die gesetzliche Grundlage für die Verurteilung nicht ausreichend war.
  • 24. November 2020, Şık gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 36493/17; Pressemitteilung); Journalist der Cumhuriyet, wurde im Dezember 2016 wegen des Verdachts der Verbreitung von Propaganda für terroristische Organisationen (PKK und FETÖ/PDY und DHKP/C) festgenommen und bis 9. März 2018 in U-Haft gehalten; das Strafverfahren ist noch anhängig; der EGMR stellte einstimmig Verletzungen des Art. 5 Abs. 1 und 3 EMRK und mit 6:1 Stimmen eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die Festnahme und Anhaltung in U-Haft gegen Art. 5 EMRK verstieß und damit keine ausreichende rechtliche Grundlage für den damit verbundenen Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung bot ("It follows that a detention measure that is not lawful, as long as it constitutes interference with one of the freedoms guaranteed by the Convention, cannot be regarded in principle as a restriction of that freedom prescribed by national law."); dazu eine abweichendes Sondervotum der türkischen Richterin Yüksel.
  • 19. November 2020, Dupate gegen Lettland (Appl. no. 18068/11; Pressemitteilung); die Beschwerdeführerin war Anwältin und hatte eine Beziehung mit dem - in Lettland aufgrund zahlreicher Skandale öffentlich sehr bekannten - ehemaligen Leiter der staatlichen Privatisierungsagentur, der zum relevanten Zeitpunkt auch Chef einer (allerdings nicht im Parlament vertretenen) politischen Partei war; nach der Geburt des zweiten gemeinsamen Kindes berichtete eine Zeitschrift unter der Überschrift "Kinder von Prominenten" über die Geburt, teilweise basierend auf einem Telefonat mit dem Kindesvater, und illustrierte dies mit neun Fotos (davon eines auf dem Cover) der Beschwerdeführerin mit ihrem neugeborenen Baby beim Verlassen des Spitals nach der Entbindung (ein anderer Bericht dazu, mit unvollständigem Bild, ist hier noch zu sehen); die Beschwerdeführerin klagte die Medieninhaberin und die beteiligten Journalisten wegen Verletzung ihres Privatlebens, blieb aber vor den nationalen Gerichten erfolglos; die nationalen Gerichte hatten - jedenfalls im zweiten Rechtsgang eine Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz des Privatlebens vorgenommen und dabei unter anderem auch die Stellung des Kindesvaters als public figure und den Umstand berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin gegen einen Artikel im Jahr 2003, der sich mit der bevorstehenden Geburt des ersten Kindes befasste, nicht vorgegangen war; der EGMR legte sich nicht ausdrücklich fest, ob die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse leistete (und vermerkte nur zurückhaltend: "it did touch on a matter that had a public side"), betonte aber, dass die Beschwerdeführerin nicht selbst eine public figure war und die Veröffentlichung weit über jegliche Bekanntheit hinausging, die die Beschwerdeführerin von ihrem Partner allenfalls abgeleitet hatte; es gab außerdem keinerlei Grund für die Veröffentlichung der Bilder, um die Information über die Geburt glaubwürdig zu machen; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Hugh Tmlinson auf Inforrm's Blog und den Beitrag von Evangellos Orestis Vouvonikos auf Strasbourg Observers.
  • 10. November 2020, Sabuncu u.a. gegen Türkei (Appl. no. 23199/17; Pressemitteilung; legal summary); Journalisten und Manager der Tageszeitung Cumhuriyet waren Ende Oktober/Anfang November 2016 festgenommen und in U-Haft genommen worden, wegen des Verdachts auf Verbreitung von Propaganda für terroristische Organisationen (u.a. PKK und FETÖ); die U-Haft dauerte teilweise bis November 2019, Strafverfahren sind noch anhängig; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen von Art. 5 Abs. 1 und Art. 10 EMRK fest, verneinte (einstimmig) eine Verletzung von Art. 5 Abs. 4 EMRK und (mit 6:1 Stimmen) eine Verletzung des Art. 18 EMRK (teilwiese zustimmendes Sondervotum von Richterin Yüksel betreffend die Argumentation zu den Verletzungen von Art. 5 Abs. 1 und Art. 10 EMRK; teilweise - zu Art. 18 EMRK - abweichendes Sondervotum von Richter Kūris); siehe dazu den Beitrag von Matteo Mastracci auf Strasbourg Observers.
  • 10. November 2020, İmrek gegen Türkei (Appl. no. 45975/12); lokaler Funktionär einer politischen Partei (EMEP), wurde nach seiner Teilnahme an zwei Newroz-Feiern (wegen Handlungen von Teilnehmern an einer Feier und einer von ihm angeblich gehaltenen Rede) wegen Verbreitung von Propaganda zugunsten einer terroristsichen Organisation zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt (deren Vollzug ausgesetzt wurde); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; zustimmendes Sondervotum von Richter Kūris, der die Anwendung von Art. 10 EMRK hier für grenzwertig hält, da es einerseits um die Verantwortung für Taten Dritter geht und andererseits um eine Bestrafung für eine nach Angaben des Beschwerdeführers von ihm gar nicht gehaltene Rede; nach Ansicht von Kūris wäre der Fall eher unter Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuhandeln gewesen).
  • 5. November 2020, Balaskas gegen Griechenland (Appl. no. 73087/17; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung eines Journalisten zu einer dreimonatigen bedingten Freiheitsstrafe wegen Beleidigung aufgrund eines Artikels, in dem er einen Schuldirektor, der auf seinem Blog einen Artikel veröffentlicht hatte, in dem er den Aufstand der Schüler des Polytechnikums 1973 (der zm Sturz der Militärregierung beigetragen hatte) als "ultimative Lüge" bezeichnet hatte, als "bekannten Neo-Nazi-Direktor" und Theoretiker der "Goldenen Morgenröte" bezeichnet hatte; der EGMR befand, dass der Artikel zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beitrug, dass der Direktor als Beamter zwar einen gewissen Schutz genoss, aber selbst auf seinem Blog politische Äußerungen getätigt hatte, sodass er, auch wenn er vielleicht nicht als public figure anzusehen war, sich dennoch journalistischer Kritik ausgesetzt hatte aufgrund der Publicity, die er selbst seinen Ideen gab; der EGMR verwies auch auf seine Judikatur, dass die Begriffe "Neofaschist" oder "Nazi" nicht automatisch eine Verurteilung rechtfertigen, ähnlich wie allgemein beleidigende Worte wie "Idiot" oder "Faschist" unter bestimmten Umständen als akzeptable Kritik anzusehen sind; die nationalen Gerichte hatten die vom Beschwerdeführer verwendeten Begriff zwar richtigerweise als Werturteile angesehen, aber es unterlassen, das Vorliegen einer Tatsachengrundlage für diese Werturteile zu prüfen; der Stil des Artikels war zwar provokant und ätzend, aber nicht "manifestly insulting"; schließlich hatte auch die (bedingte) Freiheitsstrafe einen chilling effect; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Mike Dodd auf Inforrm's Blog.
  • 3. November 2020, Halkların Demokratik Partisi (HDP) gegen Türkei (Appl. no. 78850/16); Unzulässigkeitsentscheidung; die HDP wendet sich als Partei gegen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität ihrer Mitglieder im Parlament; Zurückweisung als unzulässig ratione personae (Beschwerden der direkt betroffenen Abgeordneten sind noch anhängig).
  • 27. Oktober 2020, Kılıçdaroğlu gegen Türkei (Appl. no. 16558/18; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer ist Vorsitzender der Oppositionspartei CHP und wurden nach Klagen des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan wegen zweier kritischer Reden an seine Fraktion innerhalb des Parlamentsbereichs zu Entschädigungen an Erdoğan verurteilt; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (die an den Beschwerdeführer zu leistende Entschädigung wurde mit 5:1 Stimmen festgesetzt, die Richterin Yüksel verfasste ein teilweise abweichendes Sondervotum, in dem sie meint, die bloße Feststellung einer Verletzung des Art. 10 EMRK wäre ausreichende Genugtuung).
  • 20. Oktober 2020, Kaboğlu und Oran gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 36944/07; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführer waren Universitätsprofessoren und Vorsitzender des Menschenrechtsbeirats der Regierung bzw. Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Minderheitenrechte dieses Beirats; nach der Veröffentlichung eines Berichts des Menschenrechtsbeirats über die Situation des Schutzes von Minderheiten in der Türkei, wurde darüber in zahlreichen Presseartikeln berichtet; die Beschwerdeführer erhielten in der Folge Todesdrohungen; ein Abgeordneter bezeichnete sie in einer Rede in der Nationalversammlung unter anderem als Verräter; das von den Beschwerdeführern angestrengte Strafverfahren gegen den Abgeordneten wurde aus formalen Gründen (Immunität) eingestellt, die Zivilklage abgewiesen; der EGMR stellte diesbezüglich keine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, die Grenzen zulässiger Kritik waren durch den Abgeordneten nicht überschritten worden; die Staatsanwaltschaft leitete aber ein Verfahren gegen die Beschwerdeführer wegen Aufrufs zu Hass und Herabwürdigung staatlicher Gerichte ein; die Beschwerdeführer wurden vom Vorwurf des Aufrufs zu Hass freigesprochen, das Verfahren über den restlichen Vorwurf wurde in der Folge (nach mehr als drei Jahren) vom Instanzgericht eingestellt; der EGMR stellte dennoch (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die Strafverfolgung die Meinungsäußerung - die zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beigetragen hatte - kriminalisierte, und die Eröffnung und Aufrechterhaltung des Strafverfahrens über eine längere Zeit hindurch nicht verhältnismäßig war.
  • 20. Oktober 2020, Bilan gegen Kroatien (Appl. no. 57860/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Notarin, übte in einem internen Forum der Notariatskammer starke Kritik an Mitgliedern des Verwaltungsrats dieser Kammer und erhielt in der Folge einen schriftlichen Verweis des Präsidenten der Kammer, den sie ohne Erfolg vor den nationalen Gerichten bekämpfte; nach Ansicht der Gerichte handelte es sich nicht um einen bekämpfbaren Verwaltungsakt; der EGMR akzeptierte, dass es sich bei einem derartigen Verweis, der keine nachteiligen Rechtsfolgen nach sich zog, nicht um einen bekämpfbaren Akt handeln müsse; zudem waren es schwere Vorwürfe, die keine Tatsachengrundlage hatten und der Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK, sollte er überhaupt vorliegen, wäre jedenfalls nicht unverhältnismäßig; daher Zurückweisung der Beschwerde als offensichtlich unbegründet.
  • 15. Oktober 2020, Guz gegen Polen (Appl. no. 965/12); Richter, bewarb sich um eine andere Richterstelle; gegen kritische Bemerkungen in dem über ihn dazu verfassten Bericht (durch einen anderen Richter) gab er eine Stellungnahme ab, in der dem Berichter vorwarf, "oberflächlich, unfair und tendenziös" gearbeitet zu haben; er erhielt dafür die Disziplinarstrafe eines Verweises, weil er die Würde des richterlichen Amtes beschädigt habe; die Kritik sei nicht in Ausübung des richterlichen Amtes erfolgt, sondern in einem internen Verfahren; "While it may prove necessary to protect the judiciary against gravely damaging attacks that are essentially unfounded, this cannot have the effect of prohibiting other judges from expressing their views, through value judgments with a sufficient factual basis, on matters of public interest related to the functioning of the justice system, or of banning any criticism of the latter"; die Worte "unfair", "oberflächlich" und "tendenziös" waren Werturteile, wobei die nationalen Gerichte nicht geprüft hatten, ob sie auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhten; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 13. Oktober 2020, Gafiuc gegen Rumänien (Appl, no. 59174/13; Pressemitteilung; legal summary); Widerruf der Akkreditierung eines Journalisten, die ihm Zugang zu den Archiven der Securitate gab, nach der Veröffentlichung von Artikeln, die nach Ansicht des Archivs unzulässig in das Privatleben von Sportlern eingegriffen haben (der Journalist recherchierte über Sportler in der kommunistischen Zeit); der EGMR hielt fest, dass die veröffentlichten Informationen das Privatleben der Sportler betrafen, von diesen nicht öffentlich gemacht worden waren und die Wahrheit der Informationen auch nicht von anderer Seite überprüft werden konnte; der Journalist hatte die Informationen zudem "roh" veröffentlicht, ohne die Relevanz wissenschaftlich einzuordnen oder zu filtern; stattdessen hatte er private Informationen veröfentlicht, die nicht zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beitragen konnten; der Entzug der Akkreditierung hinderte ihn auch nicht, weiter seinen Beruf als Journalist auszuüben; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13.10.2020, Bakır gegen Türkei (Appl. no. 2257/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Bezirksvorsitzender einer politischen Partei; wurde - gestützt auf Aussagen anonymer Zeugen - verurteilt wegen Propaganda zugunsten einer terroristischen Organisation; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest; aufgrund dessen sei es nicht mehr notwendig, auch über die Verletzung des Art. 10 EMRK zu entscheiden.
  • 8. Oktober 2020, Goryaynova gegen Ukraine (Appl. no. 41752/09); Staatsanwältin, hatte sich beim Generalprokurator über Missstände in der Staatsanwaltschaft beschwert, insbesondere über gegen sie gerichtete ungerechtfertigte Untersuchungen und Druckausübung gegenüber Staatsanwälten; nachdem sie keine Antwort erhielt, veröffentlichte sie einem offenen Brief auf einer Internet-Nachrichtenseite; sie wurde schließlich wegen des offenen Briefes entlassen, nach einem Gerichtsurteil wieder eingestellt und dann - nach einer negativen Instanzentscheidung - neuerlich entlassen, wobei in der letztinstanzlichen Entscheidung die Auseinandersetzung der Unterinstanz mit Art. 10 EMRK ausdrücklich verworfen wurde, da Art. 10 EMRK für die einem besonderen Dienstrecht unterliegende Staatsanwältin keine Relevanz habe; der EGMR hielt unter anderem fest, dass sich die nationalen Gerichte nicht mit dem Verhältnis zwischen der Treuepflicht der Beamtin und dem öffentlichen Interesse, über Fehlverhalten und Korruption im Justizwesen informiert zu werden, auseinandergesetzt hatten; der zweitinstanzlichen Entscheidung sei zugrunde gelegt worden, dass Beamte grundsätzlich keine Statements abgeben dürften außer jene, die gesetzlich vorgeschrieben waren; die Gerichte hatten sich zudem nicht mit den mehrfachen Versuchen der Staatsanwältin auseinandergesetzt, die behaupteten Missstände an ihre Vorgesetzten heranzutragen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2020, Gelevski gegen Nordmazedonien (Appl. no. 28032/12); Journalist, kritisierte in einem Kommentar unter dem Titel "Megaphone aus der Straße des Führers" andere Journalisten und wurde auf Antrag eines betroffenen Journalisten wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 320 € verurteilt; der EGMR betont, dass der vor den nationalen Gerichten antragstellende Journalist ein öffentlich bekannte Chefredakteur eines Fernsehkanals und einer Tageszeitung war und daher als public figure ein größeres Maß an Toleranz zeigen muss, insbesondere auch bei der Frage, ob er den Rechten und Pflichten eines Journalisten und den Grundsätzen eines verantwortungsvollen Journalismus entsprochen hat; der Betroffene war nicht selbst als Faschist oder Führer bezeichnet worden, sondern es war ihm vorgeworfen worden, dass er ein (publizistischer) Unterstützer der Regierung sei; diese Kritik sei - so der EGMR - nicht über das akzeptable Ausmaß hinausgegangen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Oktober 2020, Jecker gegen Schweiz (Appl. no. 35449/14; Pressemitteilung); Quellenschutz; der Journalistin wurde in einem Strafverfahren kein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt; sollte Auskunft über Identität eines Dealers geben (siehe das letztinstanzliche Urteil des Schweizer Bundesgerichtshofs); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Oktober 2020, Karastelev ua gegen Russland (Appl. no. 16435/10; Pressemitteilung); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig, mit zustimmendem Sondervotum von Richter Lemmens).
  • 6. Oktober 2020, Demin gegen Russland (Appl. no. 66314/11); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Oktober 2020, Kristbjörn Gunnarsson gegen Island (Appl. no. 27768/17); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Angeklagter in einem Privatanklageverfahren wegen übler Nachrede, wurde aber freigesprochen; er sah in der Entscheidung, dass er seine eigenen Kosten (der Rechtsvertretung) zu tragen hatte, einen Eingriff in sein nach Art. 10 EMRK geschütztes Recht; der EGMR beurteilte die Beschwerde als offensichtlich unbegründet; der Beschwerdeführer hatte nicht geltend gemacht, dass die Kosten für ihn besonders belastend gewesen wären, oder dass er finanziell benachteiligt wäre oder ihm Zugang zu Verfahrenshilfe versagt worden wäre.
  • 1. Oktober 2020, Haji ua gegen Aserbaidschan (Appl. nos 3503/10 ua); Fälle körperlicher Misshandlung bzw. Angriffe auf Journalisten in Aserbaidschan; geltend gemacht wurden jeweils Verletzungen des Art. 3 EMRK (wegen mangelndem Schutz vor erniedrigender Behandlung bzw. mangelhafter Aufklärung in diesem Zusammenhang) sowie des Art. 10 EMRK; Verletzung (ua) des Art. 10 EMRK gegenüber dem Siebtbeschwerdeführer (einstimmig).
  • 29. September 2020, Tretter u.a. gegen Österreich (Appl. no. 3599/10); Unzulässigkeitsbeschluss; BeschwerdeführerInnen waren mehrere AntragstellerInnen, die vor dem VfGH vergeblich mit Individualantrag die Aufhebung von Bestimmungen des SPG, insbesondere § 53 Abs 3a ud 3b, begehrt hatten (Zurückweisung durch VfGH mit Beschluss vom 01.07.2009); die auf Art. 8, 10 und 13 EMRK gestützte Beschwerde wurde wegen mangelndem Opferstatus der Beschwerdeführerinnen als unzulässig zurückgewiesen.
  • 29. September 2020, Olga Alvarez Juan gegen Spanien (Appl. no. 33799/16); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin nahm an einer Demonstration gegen die Kürzung von Sozialausgaben teil, die in der nähe des katalanischen Parlaments stattfand; die Demonstranten hinderten mehrere Parlamentarier am Zugang zum Parlament, die teilweise mit Hubschrauber eingeflogen werden mussten; der Slogan der Demo lautete "Das Parlament paralysieren!"; die Beschwerdeführerin wurde zusammen mit anderen festgenommen und angeklagt; nach einem Freispruch in der ersten Instanz wurde sie schließlich, zusammen mit den anderen Angeklagten, wegen eines Verbrechens gegen die Institutionen des Staates zu drei Jahren Haft verurteilt; ein Rechtsmittel an den Verfassungsgerichtshof ("amparo"-Rekurs) wurde von diesem zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführerin die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung - ein Formalerfordernis für den "amparo"-Rekurs - nicht dargelegt hatte; der EGMR wies die Beschwerde dher (mehrheitlich) wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück.
  • 29. September 2020, Bozan gegen Türkei (Appl. nos. 56816/10 und 4175/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschwerdeführer war zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen "Verbrechen für eine illegale Organisation, ohne deren Mitglied zu sein" und wegen Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt worden, weil er bei einer Demonstration Slogans gerufen bzw. eine Rede gehalten hatte; die Haftstrafe hatte er zum Teil verbüßt, bevor sie zunächst ausgesetzt und dann aufgehoben wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), weil die Verurteilung wegen Verbrechen für eine illegale Organisation keine gesetzliche Grundlage hatte (die Verurteilung wegen des zweiten Vorwurfs wurde vom EGMR deshalb nicht mehr geprüft).
  • 29. September 2020, Süer gegen Türkei (Appl, no. 77711/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen zweier SMS (an zwei Personen), in denen er den Führer der PKK positiv darstellte, zu einer - ausgesetzten - zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt worden; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; die nationalen Gerichte hatten nicht geprüft, weshalb diese zwei SMS, die nur an zwei Personen gegangen waren, als Aufruf zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder Aufstand zu verstehen gewesen sein sollten.
  • 22. September 2020, B.Z. Ullstein GmbH gegen Deutschland (Appl. no. 43231/16); Unzulässigkeitsentscheidung; der B.Z. war untersagt worden, das unverpixelte Foto eines zur Tatzeit minderjährigen Angeklagten zu veröffentlichen, der im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße einen Mann fast totgetreten hatte (siehe dazu zB hier, hier oder hier); der EGMR wies die Beschwerde des Medieninhabers als offensichtlich unbegründet zurück; die nationalen Gerichte hatten sorgfältig abgewogen und dabei insbesondere die Minderjährigkeit des Angeklagten berücksichtigt; zudem war die Sanktion - bloße Untersagung der Veröffentlichung - nicht schwer.
  • 22. September 2020, Marx gegen Deutschland (Appl. no. 52095/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Verweigerung der Zulassung des Beschwerdeführers, eines wegen Wahlbetrugs vorbestraften NPD-Politikers, zur Wahl des Bürgermeisters von Schwerin; vom EGMR (einstimmig) wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurückgewiesen, weil der Bf sich vor den nationalen Gerichten vor allem mit der Verfassungskonformität des Wahlrechts befasst hatte, aber nicht dargelegt hat, inwieweit dadurch ein unverhältnismäßiger Eingriff in sein nach art. 10 EMRK geschütztes Recht erfolgt sein sollte.
  • 17. September 2020, 
  • 11.01.2016: Mirgardirov gegen Aserbaidschan und Türkei (Appl. no. 62775/14; Pressemitteilung; legal summary); aserbaidschanischer Journalist, stationiert in Ankara, ihm wurde ohne Information über die Gründe die Akkreditierung entzogen; in der Folge wurde er festgenommen und abgeschoben und in Aserbaidschan wieder festgenommen (Verfahren wegen Spionage zugunsten Armeniens); Beschwerde vor allem wegen Art. 5 EMRK, aber auch nach Art. 10 EMRK wegen Entzugs der Akkreditierung; der EGMR stellte (einstimmig) zwar Verletzungen von Art 5 und 8 EMRK durch Aserbaidschan fest; die Beschwerde im Hinblick auf Art. 10 EMRK gegen die Türkei wurde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges zurückgewiesen.
  • 15. September 2020, Ragıp Zarakolu gegen Türkei (Appl. no. 15064/12); der Beschwerdeführer war nach einer Hausdurchsuchung im Zuge einer Kampagne gegen eine verbotene kurdische Organisation am 28.11.2011 festgenommen und danach in U-Haft genommen worden; er wurde beschuldigt, Mitglied einer verbotenen Organisation zu sein, im Wesentlichen wegen Vorträgen, die er bei Veranstaltungen einer Akademie, die als Vorfeldorganisation anzusehen sei, gehalten hatte; am 10.4.2012 wurde er aus der U-Haft entlassen; das Strafverfahren ist noch anhängig; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 5 Abs. 1 und 4 und des Art. 10 EMRK fest; zur Verletzung des Art. 10 EGMR hielt er fest, dass schon die Anhaltung in U-Haft wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung einen Eingriff darstellte und der Einwand der Nichterschöpfung des Instanzenzugs zu verwerfen ist; die Anhaltung in Haft war zudem mangels ausreichender gesetzlicher Grundlage nicht gesetzlich vorgesehen.
  • 15. September 2020, Čivinskaitė gegen Litauen (Appl. no. 21218/12); kein Verfahren nach Art. 10 EMRK, sondern ein Verfahren, in dem die Beschwerdeführerin, eine Staatsanwältin, im Hinblick auf ein gegen sie geführtes Disziplinarverfahren den Vorwurf einer Verletzung des Art. 6 EMRK erhob, u.a. weil ihre disziplinäre Verfolgung auf eine Kampagne von Politikern und Medien zurückging; der EGMR stellte (mit 6:1, abweichende Meinung von Richter Bošnjak) keine Verletzung des Art. 6 EMRK fest; die Medienkampagne sei selbst von Art. 10 EMRK geschützt, entscheidend sei nicht die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen, ob die Gerichte von dieser Medienkampagne beindruckt werden konnten, sondern ob unter den besonderen Umständen des Falles die Sorge der Befangenheit des Gerichts objektiv gerechtfertigt sei; bei Berufsrichtern sei es weniger wahrscheinlich, dass sie von einer Pressekampagne beeinflusst würden als bei einem Geschworenengericht.
  • 15. September 2020, Irena Spirovska und Igor Spirovski gegen Nordmazedonien (Appl. no. 52370/14); Unzulässigkeitsentscheidung; das beschwerdeführende Ehepaar hatte einen Streit über einen Zaun mit einem Nachbarn geführt und ihn dabei angezeigt, falsche Dokumente im Verfahren über die Errichtung des Zauns vorgelegt zu haben; der Nachbar hatte eingewendet, und dabei den Beschwerdeführern (darunter ein ehemaliger Verfassungsrichter) vorgeworfen, selbst "schwere Verbrechen" begangen zu haben; die daraufhin erhobene Klage wegen übler Nachrede wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; die Aussagen seien zwar Tatsachenbehauptungen gewesen (und nicht wie von den nationalen Gerichten angenommen Werturteile); es sei aber zu berücksichtigen, dass die Aussagen im schriftlichen Vorbringen des (unvertretenen) Angeklagten in einem gerichtlichen Strafverfahren erfolgt seien, in dem die Beschwerdeführer Privatankläger waren; sie wurden nicht verlesen und hatten auch nicht Eingang in die gerichtliche Entscheidung gefunden.
  • 15. September 2020, Oleksandr Yevgenovych Severyn gegen Ukraine (Appl. no. 50256/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Informationszugang; Antrag eines Menschenrechtsaktivisten an das ukrainische Verfassungsgericht, Informationen über die Anzahl von Individualbeschwerden sowie über die Anzahl der erfolgreichen Beschwerden herauszugeben; der EGMR wies die Beschwerde ratione materiae als unzulässig zurück; der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, dass die nationalen Behörden und Gerichte ausreichend über das Ziel seines Antrags auf Informationen in Kenntnis waren.
  • 15. September 2020, Dumitru Lăzărescu gegen Rumänien (Appl. no. 21556/14); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war zu einer Entschädigung an einen Forstdirektor verurteilt worden, weil er in zwei TV-Interviews Missstände bei der Holzvermarktung behauptet hatte, was zur Suspendierung des Forstdirektors führte; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; der Beschwerdeführer habe seine Behauptungen - die schwere strafrechtliche Verfehlungen gewesen wären - nicht belegen können und habe nicht in gutem Glauben gehandelt.
  • 10. September 2020, N.Š. gegen Kroatien (Appl. no. 36908/13); die Beschwerdeführerin hatte ihre Tochter und deren Mann in einem Autounfall verloren; das Sorgerecht für deren fünf Monate alte Tochter wurde in der Folge dem Bruder des Kindesvaters zunächst vorläufig und nach einem längeren Rechtsstreit endgültig übertragen; die Beschwerdeführerin war während dieses Rechtsstreits von einer nationalen Tageszeitung interviewt worden und hatte dabei den Namen des Kindes genannt; auch der Direktor des Jugendwohlfahrtsamts wurde interviewt und nannte den Namen des Kindes; in der Folge gab es weitere Interviews und Fernsehdiskussionen bzw. Beiträge über diesen Sorgerechtsstreit; in einem Fall wurden zB auch Akten gefilmt, wobei dabei der Name des Kindes zu sehen war; dabei wurde auch im Ministerium und im Jugendwohlfahrtsamt gefilmt; der Onkel des Kindes erstattete daraufhin Anzeige, dass die Vertraulichkeit des Sorgerechtsverfahrens verletzt worden sei; die Beschwerdeführerin wurde zu einer bedingten Haftstrafe von vier Monaten und einer geringen Geldstrafe verurteilt; der EGMR hielt zunächst fest, dass Art. 10 EMRK auf den Fall anwendbar ist, zumal die Beschwerdeführerin versucht hatte, Aufmerksamkeit für die ihrer Ansicht nach schlecht funktionierende Jugendwohlfahrt zu gewinnen; der EGMR äußert Zweifel, ob eine ausreichende rechtliche Grundlage für den Eingriff bestand, legt sich aber nicht fest, da er jedenfalls zum Ergebnis kommt, dass die nationalen Gerichte einen formalistischen Zugang gewählt hatten und keine entsprechende Abwägung vorgenommen hatten, insbesondere wurde nicht darauf eingegangen, dass nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin der Name des Kindes bereits vor ihren Aussagen öffentlich bekannt war (einstimmig, zustimmendes Sondervotum der Richterin Koskelo und des Richters Eicke).
  • 8. September 2020, OOO Regnum gegen Russland (Appl. no. 22649/08); elektronisches Nachrichtenmedium, verurteilt zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 28.425 € wegen Kreditschädigung zulasten eines Apfelsaftherstellers nach Artikeln über eine Quecksilber-Vergiftung nach Konsum des Safts; der EGMR ging davon aus, das ein Eingriff vorlag, der gesetzlich vorgeschrieben war und legitimen Zielen diente; er weist darauf hin, dass es einen Unterschied zwischen dem Schutz des guten Rufs einer juristischen oder einer natürlichen Person gibt; der Ruf einer natürlichen Person kann Auswirkungen auf die Würde haben, jener einer juristischen Personen ist dagegen "devoid of that moral dimension"; der EGMR prüft a) das öffentliche Interesse (klar gegeben, weil es um eine Gesundheitsgefahr durch ein am Markt erhältliches Produkt ging); b) Inhalt, Art und Konsequenzen der Veröffentlichung (kurze Meldungen mit Informationsgehalt; dass der klagende Hersteller einen Schaden erlitten hat, sei überhaupt nicht nachgewiesen worden); c) Quelle und Wahrheitsgehalt der Information (ein Bericht gab wörtlich ein Kommuniqué der staatlichen Konsumentenschutzeinrichtung wieder, die Berichte stützten sich daneben auch auf Mitteilungen der Polizei und des Katastrophenschutzministeriums; der EGMR kam dabei zum Ergebnis, dass alle Anforderungen des verantwortungsvollen Journalismus eingehalten worden waren) d) die Höhe der Strafe bzw. Entschädigung (hatte einen "chilling effect", die nationalen Gerichte hatten nicht zwischen den Interessen des betroffenen Herstellers und dem Interesse des Publikums auf Information über eine derartige schwerwiegende Gesundheitsgefährdung wie eine Quecksilbervergiftung durch im Handel erhältliche Säfte abgewogen); im Ergebnis liegt daher ein unverhältnismäßiger Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht vor (einstimmig; zustimmendes Sondervotum des Richters Serghides, der auf seine abweichende Meinung zum Fall Rashkin und die dort vorgeschlagene Methodik für die Abwägung zwischen Art. 8 und Art. 10 EMRK verweist; weiters ein Statement des Richters Dedov zur Kalkulation der Entschädigung); siehe dazu den Beitrag von Juncal Montero Regules auf Strasbourg Observers.
  • 8. September 2020, Timakov und OOO ID Rubezh gegen Russland (Appl. nos. 46232/10 und 74770/10); Journalist (und Mitglied des Regionalparlaments) veröffentlichte in einer Zeitung (des zweitbeschwerdeführenden Verlags) einen Artikel mit der Überschrift "Welche Note für Korruption würde der Gouverneur bekommen?" in der mit einigen rhetorischen Frage dem Gouverneur der Region Tula Korruption vorgeworfen wurde; er wurde dafür vom Gouverneur wegen übler Nachrede geklagt und - wie auch der Verlag - zu einer Entschädigung von je ca. 12.000 € verurteilt, weil er die Grenzen der zulässigen und akzeptablen Kritik überschritten habe; in einem zweiten Fall wurde der Journalist (als Mitglied des Regionalparlaments) am Telefon von einer Journalistin gefragt, welche Note er dem Gouverneur denn nun für Korruption geben würde, was dieser mit "5" (der Bestnote im russischen System) beantwortete; das Telefonat, von dem der Beschwerdeführer gemeint hatte, dass es vertraulich sei, wurde aufgezeichnet und das Statement auf einer regionalen Nachrichten-Website veröffentlicht; wegen dieser Äußerung, die vom Gericht als Tatsachenmitteilung beurteilt wurde, wurde der Erstbeschwerdeführer zu einer Entschädigung von rund 25.000 € verurteilt; schließlich wurde auf Antrag des Gouverneurs noch ein strafrechtliches Verfahren wegen Verleumdung eingeleitet, in dem der Beschwerdeführer zunächst die Auflage erhielt, die Region nicht zu verlassen, das aber schließlich eingestellt wurde. Der Gouverneur wurde später wegen Korruption angeklagt und rechtskräftig verurteilt; eine vom Beschwerdeführer beantragte Wiederaufnahme seiner Verfahren scheiterte aber. Der EGMR sah in beiden Zivilverfahren und in der strafrechtlichen Verfolgung Eingriffe in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht, für die es eine ausreichende gesetzliche Grundlage und legitime Ziele gab; die Verurteilung zu Entschädigungen in den Zivilverfahren waren in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig (von einer gesonderten Beurteilung der - mit Einstellung beendeten - strafrechtlichen Verfolgung sah der EGMR ab); die nationalen Gerichte hatten keine Abwägung vorgenommen, im Gegenteil: "Their reasoning appears to be based on the tacit assumption that interests relating to the protection of the honour and dignity of those vested with public powers prevail over freedom of expression in all circumstances"; außerdem hatten die nationalen Gerichte die besondere Rolle der Presse nicht berücksichtigt, die Frage der Abgrenzung zwischen Tatsachen- und Werturteil nicht ausreichend behandelt und besonders hohe Entschädigungssummen zugesprochen; die Gründe für die Eingriffe in die Freiheit der Meinungsäußerungen waren daher zwar relevant, aber nicht ausreichend: Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; mit 6:1 und einem dazu abweichenden Votum von Richter Lemmens stellte der EGMR auch eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest, weil die Verhandlung in erster Instanz unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatte).
  • 8. September 2020, Mihail Mihaylov Stefanov gegen Bulgarien (Appl. no. 51127/18); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte vor dem Justizpalast eine bulgarische Fahne angezündet und darauf uriniert und ein Video davon auf YouTube hochgeladen (hier zu sehen, "may be inappropriate for some users"), dazu schrieb er, dass das Gebäude zwei der größten Verbrecherbanden Bulgariens beherberge und er nannte den Präsidenten des Obersten Kassationshofs und den Obersten Staatsanwalt Schwerverbrecher; in der Folge fand eine Hausdurchsuchung bei ihm statt und er wurde festgenommen und später wurde Untersuchungshaft verhängt; schließlich wurde er wegen Entweihung der Fahne - noch nicht rechtskräftig - verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig zurück.
  • 28. Juli 2020, Monica Macovei gegen Rumänien (Appl. no. 53028/14; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung einer früheren Justizministerin, zum relevanten Zeitpunkt Mitglied des Europäischen Parlaments, wegen einer in zwei Zeitungen zitierten Behauptung, dass zwei nationale Parlamentsabgeordnete korrupt seien; sie hatte in einem Vortrag darauf hingewiesen, dass diese Abgeordneten als Anwälte arbeiteten und millionenschwere Verträge mit staatlichen Unternehmen in ihren Wahlbezirken abgeschlossen hatten, dies sei ein typischer Akt der Korruption durch politischen Einfluss; es sei nicht möglich, als Anwalt und Abgeordneter zur gleichen Zeit zu arbeiten und dies sollte gesetzlich verboten werden; der EGMR beurteilte die Aussagen als Mix aus Werturteil und Tatsachenbehauptung; auch wenn die Behauptung über die millionenschweren Verträge hinsichtlich eines Abgeordneten keine Tatsachengrundlage hatte, seien die Statements von eher allgemeiner Natur gewesen und hätten den beiden Abgeordneten keine Korruption im strafrechtlichen Sinne vorgeworfen; die Aussagen mögen zwar polemisch und etwas überzogen gewesen seien, aber keine unnötigen persönlichen Angriffe; das Ausmaß der zugesprochenen Entschädigung und die Verpflichtung zur Bezahlung der Urteilsveröffentlichung könnten einen chilling effect haben; insgesamt hätten die nationalen Gerichte daher keine faire Abwägung der betroffenen Interessen vorgenommen und die Verurteilung habe keinem dringenden sozialen Bedürfnis entsprochen, sodass der EGMR mit 5:2 Stimmen eine Verletzung des Art. 10 EMRK feststellte (zustimmendes Sondervotum von Richter Wojtyczek; abweichendes Sondervotum von Richter Ranzoni, dem sich Richterin Mourou-Vikström anschließt, sowie ein weiteres abweichendes Sondervotum von Richterin Mourou-Vikström allein); siehe dazu auch den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh and Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 7. Juli 2020, Rashkin gegen Russland (Appl. no. 69575/10); Oppositionspolitiker, wurde wegen einer Rede, in der er von Verbrechen gegen die russische Nation sprach, die u.a. "von den Yeltsins, Volodins, Sliskas ..." begangen worden seien, zu einer Entschädigung an den Abgeordneten Volodin verurteilt; der EGMR hielt fest, dass der Beschwerdeführer eher eine kollektive politische Verantwortung der genannten Politiker an der seines Erachtens gegebenen negativen Entwicklung des Landes seit 1991 ansprechen habe wollen und nicht dem Abgeordneten Volodin ein spezifisches Verbrechen angelastet habe; außerdem war die zugesprochene Entschädigung (mehr als umgerechnet 25.000 €) sehr hoch und nicht durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt; Verletzung des Art. 10 EMRK (4:3, abweichende Sondervoten der Richter Serghides und Dedov und der Richterin Elósegui.
  • 7. Juli 2020, Ali Abbas Yılmaz gegen Türkei (Appl. no. 41551/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen Tätigkeiten für eine illegale Organisation (Teilnahme an Demos, Anbringen von Plakaten u.ä.) zu einer Haftstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden, von der mehr als zwei Drittel vollzogen wurde; der EGMR hielt fest, dass die rechtliche Grundlage für die Verurteilung nicht ausreichend vorhersehbar war; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 7. Juli 2020, Ramazan Taş gegen Türkei (Appl. no. 42153/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen Tätigkeiten für eine verbotenen Organisation (u.a. Teilnahme an Demos) und wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu mehreren Haftstrafen verurteilt worden, von denen er - bevor sie aufgehoben wurden - mehr als drei Jahre abgesessen hatte; keine ausreichende (vorhersehbare) gesetzliche Grundlage - Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 7. Juli 2020, Privacy International u.a. [GreenNet, Chaos Computer Club, Media Jumpstart Inc., Riseup Networks Inc. und Korean Progressive Network Jinbonet] gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 46259/16); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführer glauben, Ziel von "Equipment Interference" durch den britischen Geheimdienst gewesen zu sein; die Beschwerde wurde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges zurückgewiesen (siehe dazu den Beitrag von Daniella Lock auf Strasbourg Observers).
  • 7. Juli 2020, Mahi gegen Belgien (Appl. no. 57462/19); Unzulässigkeitsentscheidung; belgischer Islamlehrer, wurde nach einem von ihm verfassten offenen Brief nach dem Angriff auf Charlie Hebdo, in dem er u.a. den Holocaustleugner "R.G." (wohl: Roger Garaudy) als seinen Mentor bezeichnete, aus disziplinären Gründen versetzt; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 30. Juni 2020, Cimperšek gegen Slowenien (Appl. no. 58512/16; legal summary); Ingenieur, der die Prüfung für die Eintragung als Gerichtssachverständiger absolvierte; vor der Eidesablegung wurde ihm aber die Eintragung verweigert wegen der Inhalte eines von ihm veröffentlichten Blogs, in dem er offensive Kritik an staatlichen Einrichtungen und politischen Repräsentanten übte; Verletzung des Art. 10 EMRK sowie des Art. 6 EMRK (einstimmig).
  • 30. Juni 2020, Petro Carbo Chem S.E. gegen Rumänien (Appl. no. 21768/12; Pressemitteilung); deutsches Unternehmen, das eine Minderheitsbeteiligung an einem mehrheitlich vom rumänischen Staat beherrschten Unternehmen erworben hatte, klagte aufgrund von Äußerungen des CEO des Unternehmens, die ihr Handeln in schlechtes Licht rückten; Gericht wies Klage ab und gab der Widerklage des Mehrheitseigentümers statt ("Wirtschaftskrieg" in diesem Unternehmen); der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da die rumänischen Gerichte die notwendige Abwägung zwischen dem Schutz der Ehre und des guten Rufs des CEO und der Freiheit der Meinungsäußerung des beschwerdeführenden Unternehmens unterlassen hatten.
  • 25. Juni 2020, Miljević gegen Kroatien (Appl. no. 68317/13; Pressemitteilung; legal summary); Angeklagter wegen Kriegsverbrechen, warf in seiner Verteidigung einem Veteranen und Aktivisten vor, Druck auf Zeugen auszuüben und ein kriminelles Vorhaben gegen ihn zu führen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des Richters Pastor Vilanova).
  • 25. Juni 2020 Bagirov gegen Aserbaidschan (Appl. nos 81024/12 und 28198/15; legal summary): Anwalt, Suspendierung für ein Jahr wegen Kritik an der Polizei und disziplinäre Verfolgung und Ausschluss von der Ausübung des Anwaltsberufs wegen einer Äußerung im Gerichtssaal: "Wie der Staat, so das Gericht ... wenn es Gerechtigkeit gäbe in Aserbaidschan, würde der Richter R.H. keine unfairen und parteilichen Urteile fällen noch wäre jemand wie er Richter"; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juni 2020, Kharitonov gegen Russland (Appl. no. 10795/14; Pressemitteilung; legal summary); Website-Sperre durch den Telekom-Regulator, die gegen eine andere Website gerichtet war, die vom selben Hostprovider unter derselben IP-Adresse abrufbar war; da kein illegales Material auf der Website des Beschwerdeführers enthalten war, war der Eingriff ohne gesetzliche Grundlage; Verletzung des Art. 10 EMRK und des Art. 13 iVm Art. 10 EMRK (einstimmig); zustimmendes Sondervotum der Richter Lemmens und Dedov und der Richterin Poláčková; siehe zu diesem Fall (vor dem Urteil) den Beitrag von Martin Husovec auf seinem Blog (mit Link zu einer Third Party Intervention des European Information Society Institute); siehe zu diesem und den weiteren Urteilen vom selben Tag den Beitrag auf Inforrm's Blog, den Beitrag von Atakan Güngördü auf Strasbourg Observers und den Beitrag von Martin Husovec auf Hutko's Tech Notes..
  • 23. Juni 2020, OOO Flavus ua gegen Russland (Appl. nos, 12468/15, 23489/15 und 19074/16; Pressemitteilung; legal summary); Websites von Oppositionsmedien wurden vom Telekom-Regulator auf Antrag des Generalprokurators (ohne gerichtliche Verfügung) wegen angeblich extremistischer Sprache gänzlich gesperrt, ohne dass das inkriminierte Material konkret benannt wurde; jede Sperre, die rechtmäßige Inhalte oder Websites als Kollateraleffekt einer gegen rechtswidrige Inhalte gerichteten Sperre betrifft, ist eine willkürliche Einschränkung der Rechte der Eigentümer solcher Websites; Verletzung des Art. 10 EMRK und des Art. 13 iVm Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juni 2020, Bulgakov gegen Russland (Appl. no. 20159/19; Pressemitteilung; legal summary); Website-Sperre durch den Provider aufgrund einer gerichtlichen Verfügung, über die der Betroffene nicht in Kenntnis war, wegen einer als extremistische Publikation eingestuften Datei; die Sperre wurde auch nach Löschung dieser Datei nicht aufgehoben, weil ursprünglich die Sperre der IP-Adresse angeordnet war; der EGMR beurteilte die Sperre als exzessiv und willkürlich; Verletzung des Art. 10 EMRK und des Art. 13 iVm Art. 10 EMRK (einstimmig); zustimmendes Sondervotum der Richter Lemmens und Dedov und der Richterin Poláčková.
  • 23. Juni 2020, Engels gegen Russland (Appl. no. 61919/16; Pressemitteilung; legal summary); gerichtlich angeordnete Website-Sperre wegen dort verfügbarer Informationen über Möglichkeiten, Contentfilter zu umgehen; der EGMR hielt fest, dass die gesetzliche Bestimmung, auf die die Anordnung gestützt war, zu unklar und weitreichend war und damit das Kriterium der Vorhersehbarkeit nicht erfüllt war; zudem war keines der Tools, die dort verfügbar waren, illegal und dass diese Tools verwendet werden könnten, um Zugang zu illegalen Inhalten zu erreichen, wäre so, als würde man Drucker und Kopierer verbieten, weil damit extremistisches Material vervielfältigt werden könnte; Verletzung des Art. 10 EMRK und des Art. 13 iVm Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 23.Juni 2020, Kommersant ZAO und Tirmaste gegen Russland sowie Nemtsov gegen Russland (Appl. nos. 37482/10 und 37486/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung des Medieninhabers und einer Journalistin sowie eines - mittlerweile ermordeten - Oppositionspolitikers wegen der in der Zeitung abgedruckten Bemerkung des Oppositionspolitikers, dass der damalige Moskauer Bürgermeister Luzhkov und er Männer von verschiedenem Kaliber seien: "I consider that Luzhkov is a corrupt official and a thief while I am neither!"; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juni 2020, Kommersant und Voronov gegen Russland (Appl. no. 422/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen einer Kunstaktion, in der ein Statement mit den Worten "Юрий Лужков уклюжий вор" ("Yuriy Luzhkov unclumsy thief", ein Anagramm mit dem Namen des Bürgermeisters) unterzeichnet wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Juni 2020, Mehmet Emin İnce gegen Türkei (Appl. no. 52772/08); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer wurde wegen seiner Weigerung, seinen Bart zu entfernen, von der Teilnahme an Kursen an der medizinischen Fakultät ausgeschlossen; mittlerweile ist das Bart- und Verschleierungsverbot an türkischen Universitäten längst aufgehoben, der Beschwerdeführer hat sein Studium abgeschlossen und ist Abteilungsleiter an einem öffentlichen Gesundheitszentrum; der EGMR beschränkte sich auf eine enge Prüfung anhand des Beschwerdevorbringens (in dem es nur um die Anerkennung eines Kurses ging, an dem der Beschwerdeführer teilnahm, aber wegen seines Bartes als nicht anwesend geführt wurde) und kam zum Ergebnis, dass es angesichts des vor den nationalen Gerichten behaupteten Umstands, dass der Bart nicht religiös begründet gewesen sei, nicht notwendig sei, die Sache gesondert unter dem Aspekt des Art. 9 und 10 EMRK zu untersuchen; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 23. Juni 2020, Fatullayev gegen Russland (Appl. no. 81080/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteur einer Zeitung, der wegen eines Berichts über einen Anti-Terroreinsatz in Dagestan, den er als Rache des dortigen Präsidenten beurteilte, zu einer Verwaltungsstrafe verurteilt wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 11. Juni 2020, Baldassi ua gegen Frankreich (Appl. no.15271/16; Pressemitteilung; legal summary); die BeschwerdeführerInnen sind AktivistInnen des "Collectif Palestine 68", das auf lokaler Ebene an der BDS-Kampagne ("Boycott, Désinvestissement et Sanctions") teilnahm; sie hatten vor Supermärkten mit Flugblättern (und drei Trolleys voller Waren aus Israel) zum Boykott von Produkten aus Israel aufgerufen und waren dafür zu bedingten Geldstrafen von je 1.000 € sowie zu Entschädigungszahlungen von insgesamt 6.000 € verurteilt worden; der EGMR differenzierte den Fall vom Fall Willem, in dem ein Bürgermeister städtische Betriebe zum Boykott aufgerufen hatte; demgegenüber waren hier private AktivistInnen ohne besondere öffentliche Stellung oder Plattform tätig; die nationalen Gerichte hatten keine Abwägung vorgenommen, sodass keine relevanten und ausreichenden Gründe für den Eingriff vorlagen; Verletzung des Art. 10 EMRK (diesbezüglich einstimmig; eine ebenfalls geltend gemachte Verletzung des Art. 7 EMRK wurde mit 6:1 Stimmen verneint); siehe dazu den Beitrag von Kai Ambos auf Verfassungsblog und den Beitrag von Robert Wintemute auf Strasbourg Observers.
  • 9. Juni 2020 Kalfagiannis und POSPERT gegen Griechenland (Appl. no. 74435/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerde wegen der Schließung des griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters ERT mit sofortiger Wirkung am 11.06.2013; Beschwerdeführer waren ein Mitarbeiter der Finanzverwaltung der ERT und eines Verbands von Gewerkschaften von Rundfunk-MitarbeiterInnen (dessen Vorsitzender der Erstbeschwerdeführer war, der im Oktober 2017 übrigens zum Verwaltungsratsvorsitzenden der unter der Syriza-Regierung wieder neu eingerichteten ERT bestellt wurde); diese hatten beim griechischen Verwaltungsgerichtshof erfolgreich die Aufhebung der Schließungsanordnung begehrt; der EGMR wies die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers als ratione personae unzulässig zurück, weil er als Mitarbeiter der Finanzverwaltung kein Journalist war und damit durch die Schließung der ERT zwar seinen Job verlor, aber dadurch nicht in der Übermittlung von Informationen im Sinne des Art. 10 EMRK beeinträchtigt war; auch die zweite Begründung seines Opferstatus - dass er als Bürger Griechenlands durch die Schließung der ERT am Empfang von Informationen gehindert war - akzeptierte der EGMR nicht: der Umstand, dass er die ERT-Programme nicht mehr sehen konnte, reicht nicht aus für die geforderte direkte Verbindung zur staatlichen Maßnahme; auch der Gewerkschaftsverband hat nach Ansicht des EGMR keinen Opferstatus, weil er - als Zusammenschluss von Gewerkschaften privater und öffentlicher Rundfunkunternehmen - nicht direkt Opfer der Schließung war; daher Zurückweisung der Beschwerde als ratione personae unzulässig.
  • 4. Juni 2020, Jezior gegen Polen (Appl. no. 31955/11); Blogger; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juni 2020, Tolmachev gegen Russland (Appl. no. 42182/11); Journalist, veröffentlichte einen Artikel "über einen Vorfall betreffend die Justiz" mit Kritik an zwei Richterinnen und wurde dafür in zwei Verfahren wegen übler Nachrede zu Entschädigungszahlungen von umgerechnet ca. 5.20 bzw. 25.000 € verurteilt; der EGMR hielt fest, dass die Vorgangsweise der nationalen Gerichte in beiden Fällen sehr ähnlich war, und dass diese nur festgestellt hatten, dass die im Artikel geäußerte Kritik die Ehre der Richterinnen verletzt und der Beschwerdeführer den Wahrheitsbeweis nicht erbracht habe; die Gerichte berücksichtigten nicht die Rolle des Beschwerdeführers als Journalist, nahmen keine sorgfältige Trennung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen vor und unterließen auch die notwendige Abwägung der Interessen; schließlich waren auch die hohen Entschädigungssummen nicht ausreichend begründet; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 26. Mai 2020, Mándli u.a. gegen Ungarn (Appl. no. 63164/16; Pressemitteilung; legal summary); Entziehung der Parlaments-Akkreditierung für JournalistInnen, die sich nicht an die vom Parlamentspräsidenten erlassene Hausordnung gehalten und versucht hatten, Abgeordnete und den Ministerpräsidenten auf den Gängen bzw. an anderen Orten im Parlament, die dafür nicht vorgesehen waren, zu interviewen und zu filmen; der EGMR hatte zwar gewisse Zweifel an der rechtlichen Grundlage, nahm sie aber als gegeben an, hielt die Zielsetzung für legitim, kam aber letztlich (einstimmig) zum Ergebnis, dass die Sanktion (der vorerst unbefristeten Entziehung der Akkreditierung) nicht verhältnismäßig war und Art. 10 EMRK verletzte.
  • 26. Mai 2020, Koulias gegen Zypern (Appl. no. 48781/12; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer - Anwalt und Parlamentsabgeordneter - äußerte sich in einem Rundfunkprogramm über einen anderen Politiker, dem er ua unterstellte, Geld von einem türkischen Unternehmen angenommen zu haben, Er wurde dafür wegen übler Nachrede verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde, soweit sie auf Art. 10 EMRK gestützt war, als wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück, stellte aber eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest, weil der Anwalt des Gegners, den dieser erst vor dem Obersten Gerichtshof neu bestellt hatte, Gründungspartner jener Anwaltskanzlei war, in der der Sohn des vorsitzenden Richters arbeitete.
  • 26. Mai 2020, Marina gegen Rumänien (Appl no. 50469/14; Pressemitteilung); in einer Rundfunksendung wurde ein Brief der Schwester des Beschwerdeführers verlesen, in dem diese unrichtige ehrenrührige Angaben zum Privatleben des Beschwerdeführers und dessen Ex-Frau machte (so sei er nicht zur Totenmesse nach dem Tod seines Vaters gekommen und habe finanzielle Forderungen gestellt); die Radiostation musste eine Berichtigung senden, die zivilrechtliche Schadenersatzklage des Beschwerdeführers blieb aber - anders als die Klage seiner Ex-Frau - erfolglos, weil es sich beim Beschwerdeführer als Leiter einer Polizeieinheit um eine public figure handle; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, weil auch die Funktion des Beschwerdeführers als Leiter einer Polizeieinheit nicht dazu berechtigt, ehrenrührige (und unrichtige) Informationen über ihn zu verbreiten, die nicht von öffentlichem Interesse sind; siehe dazu den Beitrag von Antonio Godioli auf Strasbourg Observers.
  • 26. Mai 2020, Fadime Akıncı und Bülent Kutlutürk gegen Türkei (Appl. nos. und 38764/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Chefredakteurin und Eigentümer einer lokalen Tageszeitung, wurden nach Veröffentlichung einer Zeugenaussage in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens zu Haftstrafen (ein Jahr bzw. drei Monate), deren Vollzug ausgesetzt wurde, verurteilt; der EGMR wies die Beschwerden als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 14. Mai 2020, Rodina gegen Lettland (Appl. nos. 48534/10 und 19532/15); über die Beschwerdeführerin, eine Ärztin (aber keine public fugure) wurde von einer Zeitung und später von einem Fernsehsender im Zusammenhang mit Vorwürfen ihrer Mutter berichtet; sie wurde nicht namentlich genannt, war aber leicht identifizierbar; das Vorgehen gegen die Zeitung und den TV-Sender blieb innerstaatlich erfolglos; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.
  • 12. Mai 2020, Ringler gegen Österreich (Appl. no. 2309/10); die Beschwerdeführerin hatte mit Individualantrag die Aufhebung von § 53 Abs 3a und 3b SPG - der die Auskunftspflicht von Telekomanbietern gegenüber Sicherheitsbehörden regelt - beantragt (vom VfGH mit Beschluss vom 01.07.2009 zurückgewiesen); die auf Art. 8 und 13 EMRK gestützte Beschwerde wrude vom EGMR (einstimmig) zurückgewiesen, da nach Ansicht des EGMR eine Beschwerde an die Datenschutzkommission (nun Datenschutzbehörde) ein wirksames Rechtsmittel gewesen wäre, wenn die Beschwerdeführerin den Verdacht gehabt hätte, dass sie von einer Auskunftserteilung an die Sicherheitsbehörden betroffen gewesen wäre.
  • 12. Mai 2020, Carl Jóhann Lilliendahl gegen Island (Appl. no. 29297/18; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte nach dem Beschluss seiner Heimatstadt, den Unterricht zu LGBT-Themen zu verbessern, zu einem Online-Artikel einen Kommentar verfasst. der einen LGBT-Aktivisten in herabwürdigender Weise bezeichnete; er wurde dafür zu einer Geldstrafe von umgerechnet rund 800 € verurteilt; der EGMR verwies auf die ausführliche Begründung und Abwägung durch den isländischen Obersten Gerichtshof, der zum Ergebnis gekommen war, dass hate speech vorlag; die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; siehe dazu den Beitrag von Giulio Fedele auf Strasbourg Observers.
  • 7. Mai 2020, Khadija Ismayilova gegen Azerbaidschan (Nr. 3) (Appl. no. 35283/14); Investigativjournalistin; blieb mit Vorgehen gegen Artikel mit Unterstellungen bzw. Beleidigungen gegen sie ohne Erfolg; Beschwerde war gestützt auf Art 8 und 10 EMRK; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 5. Mai 2020, Kövesi gegen Rumänien (Appl. no.3594/19; Pressemitteilung); Abberufung der Leiterin der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft; die Beschwerdeführerin stützt sich u.a. auch auf Art. 10 EMRK, da sie behauptet, wegen ihrer öffentlich geäußerten Ansichten zu legislativen Reformen im Justizbereich abberufen worden zu sein. Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Dragoș Călin auf Strasbourg Observers.
  • 5. Mai 2020, Mehdi Tanrıkulu v. Turkey (Appl. no. 9735/12); Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1 Stimmen, mit teilweise zustimmendem Sondervotum des Richter Bošnjak gemeinsam mit der Richterin Yüksel sowie teilweise abweichendem Sondervotum der Richterin Yüksel).
  • 5. Mai 2020, Csiszer und Csibi gegen Rumänien (Appl. nos. 71314/13 und 68028/14; Pressemitteilung); Verwaltungsstrafe gegen den Beschwerdeführer, einen Angehörigen der ungarischen Minderheit, wegen Teilnahme an einer öffentlichen, nicht genehmigten, Versammlung zu Ehren des Szekler-Bataillons (am rumänischen Nationalfeiertag), wobei der Beschwerdeführer auch Symbole dieses Bataillons (dessen Anführer später wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurde) trug (siehe Foto der Veranstaltung hier; Bericht auf dem Blog des Beschwerdeführers, in ungarischer Sprache, hier). Keine Verletzung des Art. 11 EMRK (einstimmig).
  • 5. Mai 2020, 02.05.2019, François Graner gegen Frankreich (Appl. no. 84536/17; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer, Physiker und Wissenschaftler am nationalen Forschungsinstitut, verfasste ein Buch über französische Offiziere und den Völkermord an den Tutsi in Ruanda; in diesem Zusammenhang wollte er auch Zugang zu Akten aus dem präsidentiellen Archiv von Mitterand, was ihm (teilweise) verweigert wurde; seine Klage auf Zugang blieb vor den nationalen Gerichten einschließlich des Verfassungsgerichts erfolglos; allerdings hatte er nach der (für ihn negativen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts (das nach der für ihn negativen Entscheidung des Verfassungsgerichts ergangen war) noch den Conseil d’État angerufen, der noch nicht darüber entschieden hatte; die Beschwerde wurde daher (einstimmig) wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurückgewiesen.
  • 28. April 2020, ATV ZRT gegen Ungarn (Appl. no. 61178/14; legal summary); Geldbuße wegen einer Verletzung journalistischer Regeln in TV-Programm; Nachrichtensprecher hatte Jobbik als "parlamentarische extreme Rechte" bezeichnet und damit - so die nationalen Behörden - eine Meinung geäußert, was nach dem ungarischen Mediendienstegesetz in einer politischen Nachrichtensendung unzulässig ist (siehe zum Vorfall hier); der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig war; Richter Pinto de Albuquerque legt in einem zustimmenden Sondervotum umfassend dar, weshalb aus seiner Sicht der Eingriff nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhte, da das Gesetz, das den Rundfunksendern die Verpflichtung auferlegt, in Nachrichtensendungen und politischen Sendungen zwischen Tatsachen und Meinung zu unterscheiden, in seiner Anwendung niht ausreichend vorhersehbar ist und keine ausreichenden Sicherungen gegen Missbrauch enthält; siehe dazu den Beitrag von Nina de Puy Kamp auf Strasbourg Observers.
  • 26. März 2020, Tête gegen Frankreich (Appl. no. 59636/16; Pressemitteilung); früherer Vizebürgermeister von Lyon, der als Anwalt auch Gegner des Stadionbaus von Olympique Lyonnais (OL) vertreten hatte, warf in einem offenen Brief an den Präsidenten der Finanzmarktaufsicht OL vor, im Basisdokument vor dem Börsegang irreführende Angaben zum damals geplanten Stadionbau gemacht zu haben, wurde dafür wegen Falschbeschuldigung (dénonciation calomnieuse) zu einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR verwies darauf, dass die nationalen Gerichte keine Abwägung der berührten Interessen mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vorgenommen hatten; der Brief war auch in einem Kontext geschrieben worden, der ein hohes Schutzniveau für die Freiheit der Meinungsäußerung verlangt: zum einen war ein bedeutendes Infrastrukturprojekt mit bedeutenden Umweltauswirkungen betroffen, und zum anderen war der Brief auch Teil einer politischen Kampagne des Beschwerdeführers; der Brief war zudem nur in Frageform, nicht in Form von Feststellungen oder Behauptungen verfasst; auch der Umstand, dass es sich um eine strafrechtliche und damit besonders schwerwiegende Verurteilung handelte, war zu berücksichtigen; der EGMR stellte daher einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest:
  • 26. März 2020, Centre for democracy and the rule of Law gegen Ukraine (Appl. no. 10090/16); Zugang zu Informationen (Biographien der Parteivorsitzenden, die im Zusammenhang mit einer Wahl bei der Wahlkommission eingereicht worden waren); der EGMR hielt fest, das die begehrten Informationen - Ausbildungsgang und beruflicher Werdegang - den public-interest Test bestanden (auch wenn Vieles davon schon in der Öffentlichkeit bekannt war, ging es hier vor allem auch darum, die von den Betroffenen selbst dargelegten Lebensläufe prüfen zu können), die beschwerdeführende Organisation war ein "watchdog" und die Information war leicht verfügbar; der EGMR akzeptierte, dass die Nichtherausgabe der Informationen einem legitimen Ziel - dem Schutz des Privatlebens - diente, betonte aber, dass die Veröffentlichung dieser Informationen zu einer größeren "public exposure" der Kandidaten geführt hätten, als sie bei ihrer Kandidatur vorhersehen hätten müssen (es ging im Wesentlichen um die Spitzenkandidaten); die Ablehnung der Herausgabe der Informationen war daher nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaig und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 26. März 2020, Pendov gegen Bulgarien (Appl. no. 44229/11); der Beschwerdeführer war Eigentümer eines Webservers, auf dem er unter anderem eine eigene Website über Anime-Kultur - mit Forum, Chatroom und Bildern - hostete; der Server wurde im Zuge von Ermittlungen wegen der Verletzung von Urheberrechten - ein Buch war (nicht vom Beschwerdeführer) hochgeladen worden - beschlagnahmt (wobei der davon betroffene Bereich weniger als 1% des Servers umfasste); er wurde erst rund 8 Monate später - nachdem das Urheberrechts-Verfahren eingestellt worden war, wobei der Server gar nie untersucht wurde - retourniert; der EGMR wies die Beschwerde im Hinblick auf die Beschlagnahme als verspätet zurück; soweit die Beschwerde auf Art. 8 EMRK gestützt war, wurde sie zurückgewiesen, weil sich der Beschwerdeführer im nationalen Verfahren nicht darauf bezogen hatte; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 1 1. ZPEMRK und des Art. 10 EMRK fest; die Beschlagnahme hatte zwar eine rechtliche Grundlage, war aber nicht verhältnismäßig (schon weil es möglich gewesen wäre, die Daten zu kopieren und den Server zurückzustellen.
  • 24. März 2020, Basok gegen Russland (Appl. no. 10252/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Journalist wurde bei einer Protestveranstaltung (bei der er als Journalist anwesend war) von einem Polizeibeamten angegriffen und geschlagen; seine Beschwerde wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 24. März 2020, Gürbüz gegen Türkei (Appl. no. 71772/11); Unzulässigkeitsentscheidung; Eigentümer einer Tageszeitung, hatte Erklärungen von Abdullah Öcalan abgedruckt, die dieser in Besprechungen mit seinen Anwälten abgegeben hatte; in einer dieser Erklärungen hatte er auch die Mitglieder seiner früheren, verbotenen Organisation aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen ("M. Öcalan a demandé aux guérilléros de prendre des mesures.") und sie insbesondere auch autorisiert zu kämpfen, wenn sie gewinnen können; der Beschwerdeführer wurde zunächst zu einer Geldstrafe verurteilt; nach Änderung der Rechtslage und Aufhebung der Entscheidung im Instanzenzug wurde er schließlich - rund sieben Jahre nach der Veröffentlichung - freigesprochen; der EGMR ließ ausdrücklich offen, ob das sieben Jahre dauernde Verfahren bis zum Freispruch als Eingriff zu sehen ist, da er zum Ergebnis kam, dass der abgedruckte Aufruf als Anstiftung zu einer terroristischen Tag verstanden werden kann (2une provocation publique à commettre une infraction terroriste au sens de l’article 5 de la Convention du Conseil de l’Europe pour la prévention du terrorisme"); auch wenn der Zeitungseigentümer sich diesen Aufruf nicht zu eigen gemacht habe, sei er doch nicht von jeglicher Verantwortung frei; unter Berücksichtigung des Umstands, dass er schließlich freigesprochen wurde, sei der (allfällige) Eingriff jedenfalls nicht unverhältnismäßig; Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig (einstimmig).
  • 24. März 2020, Andrushchenko gegen Russland (Appl. no. 33938/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Redakteur einer Lokalzeitung, wurde nach Artikeln in Zusammenhang mit Strafverfahren (in denen er unter anderem schrieb, es sei "Zeit, Schusswaffen zu kaufen", was als Drohung gegenüber den Geschworenen beurteilt wurde), festgenommen und verbrachte rund ein halbes Jahr unter widrigen Bedingungen in Haft; Verletzungen der Art. 3, 5, 10 und 13 EMRK (einstimmig).
  • 24. März 2020, Yayla gegen Türkei (Appl. no. 3914/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 24. März 2020, Żłobińska-Perlicka gegen Polen (Appl. no. 66018/16); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin wurde wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Kandidaten für den Aufsichtsrat einer Wohnungsgenossenschaft verurteilt; sie hatte ihm Verbindungen zu Amber Gold vorgeworfen (einem Unternehmen, das in einen Finanzskandal verwickelt und inzwischen insolvent war); der EGMR wies die Beschwerde (einstimmihg) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 17. März 2020, Zümrüt gegen Türkei (Appl. no. 27167/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Kolumnist für die Tageszeitung Haber, wurde wegen Beleidigung eines AKP-Abgeordneten in einer seiner Kolumnen zu einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die nationalen Gerichte keine Abwägung der berührten Interessen vorgenommen hatten.
  • 17. März 2020, Bakırhan gegen Türkei (Appl. no. 73783/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, damaliger Vorsitzender der Partei DEHAP, wurde wegen eines Statements, in dem er ein Ende der Ausgrenzung einer politische Organisation der PKK und eine Schließung des Gefängnisses von İmralɪ gefordert hatte, zu einer Haftstrafe verurteilt, die danach in eine Geldstrafe umgewandelt wurde; der EGMR hielt fest, dass in der Rede nicht zu Gewalt aufgerufen wurde; die Verurteilung habe keinem dringenden sozialen Bedürfnis gedient; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 17. März 2020, Seğmen gegen Türkei (Appl. no. 11314/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Student, war wegen Beleidigung zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden, aufgrund von Slogans, die er bei einer Demonstration gegen den Vorsitzenden des Rates für Höhere Bildung gerufen hatte; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte keine Abwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen hatten; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 12. März 2020, Aslan Ismayilov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 18498/15); der Beschwerdeführer war Anwalt und zivilgesellschaftlicher Aktivist, der auch oft in den Medien auftrat; in einem Disziplinarverfahren stellte die Anwaltskammer fest, dass er einen Richter in dessen Büro aufgesucht, unzulässigerweise die Rückgabe von Dokumenten gefordert und schließlich den Richter angeschrien und beleidigt habe; der Beschwerdeführer wurde daraufhin von der Anwaltskammer ausgeschlossen; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung von Art. 6 EMRK fest, wies die Beschwerde aber, soweit sie auf Art. 10 EMRK gestützt war, als offensichtlich unbegründet zurück, weil nicht belegt war, dass der Ausschluss von der Anwaltschaft in Zusammenhang mit Äußerungen des Beschwerdeführers stand ("He submitted that he had numerous followers on social media and benefited from wide support within society." reichte dem EGMR nicht).
  • 10. März 2020, Altıntaş gegen Türkei (Appl. no. 50495/08; Pressemitteilung); verantwortlicher Redakteur einer Wochenzeitung, erhielt eine Geldstrafe von ca. 430 € wegen eines Artikels in seinem Monatsmagazin, in dem Mitglieder einer illegalen Organisation, die bei einer Geiselnahme drei Geiseln erschossen hatten, als "Idole der Jugend" gefeiert wurden; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung von Art. 6 EMRK fest (weil gegen die geringe Geldstrafe keine Berufung aus rechtlichen Gründen möglich war), verneinte aber (mit 5:2 Stimmen) eine Verletzung von Art. 10 EMRK: der Artikel war in einem aufgeladenen sozialen Kontext veröffentlicht worden, hatte die Gewalttaten in zustimmender Weise als heldenhaftes Verhalten dargestellt und konnte gerechtfertigterweise als gewaltverherrlichend beurteilt werden; die Strafe war auch nicht unverhältnismäßig; im abweichenden Sondervotum von Richter Bårdsen, dem sich Richter Pavli anschloss, wird argumentiert, dass das nationale Gericht - gegen dessen Urteil keine Berufung aus rechtlichen Gründen möglich war - keine ausreichende Abwägung vorgenommen habe.
  • 03. März 2020, Centre for democracy and the rule of Law gegen Ukraine (Appl. no. 75865/11; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen (Stellungnahmen von Bildungseinrichtungen in einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht); der EGMR hält fest, dass die begehrten Informationen zwar leicht verfügbar gewesen seien, die beschwerdeführende Organisation als "watchdog" anzusehen sei und die Art der nachgefragten Informationen den "public-interest test" bestanden hätten; allerdings hätte die beschwerdeführende Organisation nicht aufgezeigt, dass der Zweck des Informationsbegehrens gewesen wäre, effektiv das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung auszuüben und dass der Zugang zu den begehrten Informationen dafür instrumentell gewesen wäre; die Beschwerde wurde daher ratione materiae zurückgewiesen; bemerkenswert ist, dass der EGMR in Rn 53 der Entscheidung festhielt, dass Transparenz helfen könne, die Legitimität verfassungsrechtlicher Kontrolle zu sichern, und dass die Öffentlichkeit unter bestimmten Umständen ein legitimes Interesse am Inhalt von Stellungnahmen Dritter haben könnte, die vom Verfassungsgericht angefordert wurden.
  • 27. Februar 2020, Khadija Ismayilova (Nr. 2) gegen Aserbaidschan (Appl. no. 30778/15; Pressemitteilung); Investigativjournalistin, hatte Artikel über die Verwicklung der Präsidentenfamilie in illegale Geschäfte publiziert; sie wurde wegen de Verdachts auf Unterschlagung und Steuerhinterziehung sowie des Aufrufs zum Selbstmord festgenommen und in Untersuchungshaft gehalten; der EGMR stellte Verletzungen von Art. 5 und Art. 6 EMRK fest, da es keinen ausreichenden Verdacht gegeben habe; zur ebenfalls geltend gemachten Verletzung von Art. 10 EMRK hielt der EGMR - unter Hinweis auf das Urteil Khadija Ismayilova- fest, dass eine gesonderte Entscheidung zu dieser Bestimmung nicht erforderlich sei.
  • 25. Februar 2020, Yartseva gegen Russland (Appl. no. 19273/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war Gründerin und Redakteurin einer von ihr finanzierten Gratiszeitung; sie wurde wegen dreier Artikel in dieser Zeitung verwaltungsstrafrechtlich verfolgt und mit einer Geldstrafe belegt, weil die Behörde die Artikel als Wahlkampfhandlungen außerhalb der zulässigen Wahlkampfzeiten beurteilte; der EGMR hielt fest, dass der Fall im Wesentlichen mit dem Fall Orlovskaya Iskra vergleichbar war und stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 20. Februar 2020, Religious Community of Jehovah’s Witnesses gegen Aserbaidschan (Appl. no. 5288409); Importverbot für religiöse Bücher der Zeugen Jehovas, weil diese "religöse Intoleranz" gegenüber anderen Religionen enthalten würden; der EGMR beurteilte den Fall unter Art. 10 EMRK im Lichte des Art. 9 EMRK (Religionsfreiheit); der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte keine ausreichende Abwägung vorgenommen hatten und dass daher eine Art. 10 EMRK verletzt war.
  • 13. Februar 2020, Ibrahimov und Mammadov gegen Aserbaidschan (Appl. nos. 63571/16 ua; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführer hatten Graffiti auf eine Statue des früheren Präsidenten Aserbaidschans gesprüht und waren daraufhin von Zivilbeamten festgenommen worden, die sie misshandelten und zu den Graffiti befragten; in der Polizeistation wurden bei den Beschwerdeführern (in darauffolgenden Hausdurchsuchungen auch in den Wohnungen) Drogen gefunden, die - zu dem Ergebnis kam der EGMR - von Polizisten untergeschoben worden waren; weiters wurden sie in Präventivhaft genommen und dort misshandelt; schließlich wurden sie wegen Drogendelikten zu zehn Jahren Haft verurteilt (und nach drei Jahren Haft begnadigt); der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 3, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4, Art. 18 in Verbindung mit Art. 5 sowie des Art. 10 EMRK fest; im Hinblick auf Art. 10 EMRK hielt der EGMR fest, dass die "in Vergeltung" für die Graffiti erfolgte Verfolgung wegen (untergeschobener) Drogendelikte nicht nur gesetzlos war, sondern grob willkürlich und mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.
  • 11. Februar 2020, Atamchuk gegen Russland (Appl. no 4493/11; Pressemitteilung; legal summary); Hate Speech; der Beschwerdeführer ist Geschäftsmann, Lokalpolitiker und Eigentümer einer kleinen Lokalzeitung; er hatte (in einer anderen Zeitung) einen Artikel (Warum ich bei der Präsidentenwahl nicht wählen werde" veröffentlicht, in dem er Bemerkungen über ethnischen Eigenschaften nichtrussischer Bevölkerungsgruppen machte und behauptete, dass für Verbrechen anfällig wären und morden, vergewaltigen, rauben und versklaven würde, in Übereinstimmung mit ihren barbarischen Vorstellungen; er wurde - gestützt auf ein linguistisch/psychologisches Gutachten - wegen Anstachelung von Hass und Verletzung der Menschenwürde einer Personengruppe aus Gründen ihrer ethnischen Herkunft zu einer Geldstrafe verurteilt und es wurde ihm die Ausübung jeglicher journalistischer oder publizistischer Tätigkeit auf die Dauer von zwei Jahren untersagt; der EGMR bestätigte, dass die Bestrafung auf einer gesetzlichen Bestimmung beruhte; der Artikel sei zwar der Wahl gewidmet, aber es sei zweifelhaft, ob er mit den umfassenden Bemerkungen über die nicht-russischen Bevölkerungsgruppen einer bestimmten Logik im Hinblick auf das Thema gefolgt sei und ob er überhaupt zu einer öffentlichen Debatte beigetragen habe; die Bemerkungen konnten Emotionen oder Vorurteilte wachrufen, insbesondere durch die Veröffentlichung in Zeitungen in einer multi-ethnischen Region; auch die Strafe sei nicht unverhältnismäßig gewesen, wobei berücksichtigt wurde, dass der Hauptberuf des Beschwerdeführers nicht im journalistischen Bereich lag; ob die ganze Beschwerde - wie von der Regierung vorgebracht - schon nach Art. 17 EMRK unbegründet war, musste der EGMR nicht mehr beurteilen; der EGMR stellte mit 6:1 Stimmen fest, dass keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorliegt (zustimmendes Sondervotum von Richter Lemmens zum Verhältnis von Art. 10 zu Art. 17; dissenting opinion von Richter Serghides).
  • 11. Februar 2020, Özer gegen Türkei (Nr. 3) (Appl. no.69270/12; Pressemitteilung); Verurteilung des Eigentümers und Chefredakteurs einer Zeitschrift wegen der Veröffentlichung von Propaganda zugunsten einer terroristischen Organisation (Artikel zur "kurdischen Frage") zu einer - später ausgesetzten - 15-monatigen Haftstrafe; der EGMR nutzte den Fall, um die in seiner Rechtsprechung schon entwickelten Grundsätze betreffend gerichtliche Strafverfahren nach der einschlägigen türkischen Strafbestimmung zu rekapitulieren; er stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 11. Februar 2020, Steen gegen Schweden (Appl. no. 62309/17); Unzulässigkeitsentscheidung; Krankenschwester, die eine Ausbildung zur Hebamme machte und wegen ihrer Weigerung, bei Abtreibungen zu assistieren, nicht als Hebamme angestellt und gegen ihren Willen wieder zu ihrem früheren Job als Krankenschwester transferiert wurde; wie im Fall Grimmark als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 11. Februar 2020, Grimmark gegen Schweden (Appl. no. 43726/17; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Krankenschwester, die eine Ausbildung zur Hebamme machte; wegen ihrer Weigerung, bei Abtreibungen zu assistieren, wurde ihr in zwei Fällen eine Anstellung in Frauenkliniken verwehrt; nachdem sie sich über die ihres Erachtens erfolgte Diskriminierung bei der Gleichbehandlungs-Ombudsperson beschwert hatte und dies publik wurde, wurde auch eine mündliche Einstellungszusage einer weiteren Klinik zurückgenommen; der EGMR wies die auf Art. 9, 10 und 14 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; der Eingriff hatte eine gesetzliche Grundlage, war durch das Ziel der Gewährleistung der Gesundheit der Frauen gerechtfertigt; der Eingriff war auch notwendig und verhältnismäßig: "The Court observes that Sweden provides nationwide abortion services and therefore has a positive obligation to organise its health system in a way as to ensure that the effective exercise of freedom of conscience of health professionals in the professional context does not prevent the provision of such services. The requirement that all midwives should be able to perform all duties inherent to the vacant posts was not disproportionate or unjustified." Siehe dazu und zum Fall Steen gegen Schweden den Beitrag von Niklas Barke auf Strasbourg Observers.
  • 4. Februar 2020, Abay gegen Türkei (Appl. no. 47455/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer wurde wegen Gutheißens von Verbrechen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er bei einer Demonstration in einer Gruppe war, die Slogans wie "Lang lebe Präsident Apo" gerufen hatte; Verletzung des Art. 6 EMRK (weil gegen das Urteil kein Rechtsmittel offenstand) und des Art. 10 EMRK.
  • 30. Jänner 2020, Studio Monitori u.a. gegen Georgien (Appl. nos. 44920/09 und 8942/10; Pressemitteilung; legal summary); Zugang zu Informationen; die erste Beschwerde wurde von einer NGO und einer für sie arbeitenden Journalistin erhoben und wendete sich gegen die Weigerung eines Gerichts, den - ohne weitere Begründung begehrten - Zugang zu einem Strafakt zu gewähren; auch auf Aufforderung gab die Journalistin nur - ohne weitere Details - bekannt, dass sie den Zugang für ein Investigativprojekt benötige; im Berufungsverfahren gab sie zu Protokoll, dass sie den Zugang nicht mehr benötige, weil das Projekt bereits abgeschlossen war und die Ergebnisse schon veröffentlicht worden waren; die zweite Beschwerde wurde von einem inhaftierten Anwalt gestellt, der ebenfalls ohne Begründung Zugang zu den Gerichtsakten in sechs Verfahren, die mit ihm nichts zu tun hatten, begehrte; der EGMR behandelte beide Beschwerden gemeinsam und nutzte die Gelegenheit, um - ausgehend vom Urteil der Großen Kammer im Fall Magyar Helsinki Bizottság - die Grenzen des Rechts auf Zugang zu Informationen näher zu umschreiben; dabei hielt er neuerlich fest, dass ein Recht auf Zugang zu Informationen nur dann von Art. 10 EMRK gedeckt ist, wenn dies durch gerichtliche Anordnung verfügt wurde oder wenn Umstände vorliegen, in denen der Zugang zur Information notwendig ("instrumental") ist, um das Recht des Einzelnen auf auf freie Meinungsäußerung ausüben zu können; dies muss anhand von vier Kriterien beurteilt werden: a) Zweck des Informationsersuchens b) Art der nachgefragten Information c) spezifische Rolle des Informations-Nachfragenden im Hinblick auf das erhalten und vermitteln von Informationen an die Öffentlichkeit und d) Verfügbarkeit der Information; im konkreten Fall kam der EGMR (einstimmig) zum Ergebnis, dass in beiden Fällen Art. 10 EMRK nicht verletzt wurde; hinsichtlich der ersten Beschwerde hielt er fest, dass in den besonderen Umständen des Ausgangsfalls der Zugang zur Information nicht notwendig war, um das Recht auf freie Meinungsäußerung effektiv auszuüben; hinsichtlich der zweiten Beschwerde hatte der Informationssuchende weder angegeben, wofür er die Information benötigte noch bestand die nachgefragte Information dem "public-interest test"; siehe dazu auch die Beiträge von Holger Hembach auf Telemedicus.info und von Dirk Voorhoof und Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers.
  • 30. Jänner 2020, Namazov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 74354/13); die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde wurde von einem Rechtsanwalt erhoben, der nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Richter während eines Verfahrens, in dem er als Verteidiger tätig war, bei der Anwaltskammer angezeigt wurde und schließlich von der Anwaltschaft ausgeschlossen wurde; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Sanktion jedenfalls unverhältnismäßig war und damit Art. 8 EMRK verletzt wurde.
  • 30. Jänner 2020, Breyer gegen Deutschland (Appl. no. 50001/12; Pressemitteilung; legal summary); die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde betrifft die Pflicht zur Speicherung von Daten der Nutzer von pre paid Sim-Karten (§ 111 deutsches TKG) nach Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2012, 1 BvR 1299/05; der EGMR sieht (mit 6:1; dissenting opinion von Richter Ranzoni) in der Verpflichtung der Telekomanbieter, die Daten der Nutzer (ua der Beschwerdeführer) nach § 111 dt. TKG zu speichern, keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht; siehe dazu den Beitrag von Judith Vermeulen auf Strasbourg Observers.
  • 21. Jänner 2020, Tokarev gegen Ukraine (Appl. no. 44252/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Zugang zu Informationen; Anwalt hatte im Zusammenhang mit der Verteidigung eines strafrechtlich Beschuldigten Zugang zum Posteingangsregister einer forensischen Untersuchungsstelle des Innenministeriums beantragt, was wegen gesetzlich vorgesehener Vertraulichkeit verweigert wurde; der EGMR hielt fest, dass der Zugang nicht begehrt wurde, um Informationen anderen zu vermitteln und daher nicht dem Zweck diente, seine Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen auszuüben, auch das 2. und 3. Kriterium des Urteils Magyar Helsinki Bizottság (public interest-Test betreffend die Art der nachgefragten Information bzw. public watchdog-Rolle) wurden nicht erfüllt; die Beschwerde wurde daher ratione materiae als unzulässig zurückgewiesen.
  • 20. Jänner 2020, Magyar Kétfarkú Kutya Párt gegen Ungarn (Appl. no. 201/17; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin ist eine politische Partei; sie hatte eine App entwickelt, mit der Fotos von ungültigen Stimmzetteln beim Referendum über das EU-Flüchtlings-Resettlement-Programm anonym hochgeladen und mit der Öffentlichkeit geteilt werden konnten. Die Nationale Wahlkommission entschied (in zwei Fällen), dass dadurch die Prinzipien der Fairness von Wahlen, der geheimen Stimmabgabe und der gesetzmäßigen Ausübung von Rechten verletzt worden sei; die Kúria änderte jeweils ab und hielt nur eine Verletzung der gesetzmäßigen Ausübung von Rechten als gegeben; außerdem wurde eine geringfügige Geldstrafe (rund 330 €) verhängt. Die Große Kammer entschied im Ergebnis wie zuvor die Kammer, stützte sich aber tragend darauf, dass die Anwendung des Gesetzes nicht vorhersehbar war; gerade Beschränkungen der Äußerungsfreiheit einer Partei im Umfeld einer Wahl oder eines Referendums müssen einer besonders strengen Prüfung unterzogen werden; Verletzung des Art. 10 EMRK (16:1 Stimmen, abweichende Meinung von Richter Dedov); siehe dazu den Beitrag von Maximilian Steinbeis auf Verfassungsblog und von Petra Gyöngyi auf Strasbourg Observers..
  • 16. Jänner 2020, Magosso und Brindani gegen Italien (Appl. no. 59347/11; Pressemitteilung); in einem 2004 veröffentlichten Artikel befassten sich der Erstbeschwerdeführer (der Zweitbeschwerdeführer war der Herausgeber der Zeitschrift) mit dem Mord am Journalisten Walter Tobagi im Jahr 1980 und brachten dazu ausführliche Statements eines früheren Brigadiers der Anti-Terror Einheit der Carabinieri; sie wurden von verschiedenen im Artikel genannten Personen wegen übler Nachrede geklagt und zu geringen Geldstrafen, aber hohen Entschädigungszahlungen (120.000 und 90.000 €) verurteilt; der EGMR hielt fest, dass es sich um ein Thema von öffentlichem Interesse handelte, und dass die nationalen Gerichte nicht ausreichend zwischen den Statements des Journalisten und jenen des von ihm zitierten Brigadiers unterschieden hätten; der Journalist hatte sorgfältig gearbeitet und zahlreiche Dokumente und Beweise beschaffte, die die berichtete Version als glaubwürdig erscheinen ließ; der Eingriff war unverhältnismäßig und die Gründe dafür waren weder relevant noch ausreichend; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 16. Jänner 2020, Agentstvo televideniya Novosti, OOO gegen Ukraine (Appl. no. 34155/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die beschwerdeführende Rundfunkanstalt hatte in mehreren Sendungen über einen Vorfall berichtet, bei dem ein Offizier aus einem fahrenden Bus gestürzt und lebensgefährlich verletzt worden war, sodass er einige Zeit im Koma lag; die Mutter des Offiziers klagte aufgrund einzelner Passagen in den Sendungen, in denen über eine mögliche Alkoholisierung oder ein Selbstverschulden des Offiziers, in dem er selbst die Tür geöffnet habe, spekuliert worden war, wegen übler Nachrede, und der Sender wurde zu einer Richtigstellung sowie einer Entschädigung verurteilt; der EGMR beurteilte die zwei Teile der aufgetragenen Berichtigung differenziert; denn in einem Teil (in dem aufgrund eines Statements der Verkehrsbetriebe der Sachverhalt so dargestellt wurde, als habe der Offizier die Türe selbst geöffnet), hatte der Sender diese Aussage unhinterfragt als Tatsache gebracht, ohne weiter zu recherchieren, sodass diesbezüglich keine Verletzung des Art. 10 EMRK festzustellen war; hinsichtlich des zweiten Teils jedoch war lediglich auf die Möglichkeit einer Alkoholisierung hingewiesen worden, was von den Behörden tatsächlich untersucht worden war; insofern waren die Gründe für die Entscheidung nicht relevant und ausreichend: Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 14. Jänner 2020, Chitic gegen Rumänien (Appl. no. 6512/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war am 15.1.2012 an großen Anti-Regierungsdemos in Bukarest vorbeigekommen und hatte diese mit dem Handy gefilmt; dabei wurde er von Gendarmen festgenommen, zu einer Polizeistation gebracht und schließlich mit einer Geldstrafe (in der Instanz herabgesetzt zu einer Ermahnung) wegen Störung der öffentlichen Ordnung durch das "Rufen von Parolen gegen die aktuelle Regierung" belegt; ein vom Beschwerdeführer eingeleitetes Strafverfahren gegen die Gendarmen wurde eingestellt; der EGMR lehnte die Zurückweisung nach Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK "kein erheblicher Nachteil") ab, weil der Beschwerde "clearly of personal importance" für den Beschwerdeführer war und wiederkehrende Fragen zum Umgang der Rumänischen Behörden mit Demonstranten betraf; in der Sache hielt der EGMR fest, dass die Parolen beleidigend oder ein Aufruf zu Gewalt o.ä. gewesen wären, sondern dass es nur darum gegangen sei, Unterstützung für die öffentliche Kritik an der politischen Führung zu zeigen; schließlich kann der EGMR auch nicht nachvollziehen, wie durch das Rufen von Parolen unmittelbar neben einer großen und lautstarken Demonstration die öffentliche Ordnung noch hätte gestört werden können; die Gründe für den Eingriff waren daher nicht relevant und ausreichend - Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 14. Jänner 2020, Pirogov gegen Russland (Appl. no. 27474/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, ein früherer Journalist, ist ein politischer Aktivist; nach einer Rede bei einer Demonstration, in der er den Präsidenten der Republik Mari El kritisiert und ihm vorgeworfen hatte, die Opposition mit kriminellen Methoden zu bekämpfen, wurde er auf Antrag des Präsidenten, zu einer bedingten Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt; in der Folge wurde er in einem Zivilverfahren zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 850 € verurteilt; die Beschwerde richtete sich aus Fristgründen nur mehr gegen die Verurteilung zur Entschädigung; der EGMR hielt den Eingriff an sich für gerechtfertigt, beurteilte aber die Entschädigung - unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer zuvor schon wegen derselben Äußerung strafrechtlich verurteilt worden war - für unverhältnismäßig und daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 14. Jänner 2020, Beizaras and Levickas gegen Litauen (Appl. no. 41288/15; Pressemitteilung); Hate Speech; die Weigerung der Staatsanwaltschaft, homophobe Hasspostings auf dem Facebook-Profil des Erstbeschwerdeführers (nach einem viral gegangenen Bild, das einen Kuss der Beschwerdeführer zeigte) strafrechtlich zu verfolgen, verletzte die Beschwerdeführer in ihren Rechten nach Art. 14 (Verbot der Diskriminierung) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Schutz des Privatlebens) sowie in den Rechten nach Art. 13 EMRK (weil kein effektives Rechtsmittel zur Verfügung stand), jeweils einstimmig; siehe dazu den Beitrag von Paul Johnson auf ECHRSO-Blog und von Ingrida Milkaite auf Strasbourg Observers.
  • 14. Jänner 2020, X u.a. gegen Russland (Appl. nos. 78042/16 und 66158/14; Pressemitteilung); durch die nicht anonymisierte Veröffentlichung eines Gerichtsurteils wurde bekannt, dass die zwei Kinder der BeschwerdeführerInnen adoptiert worden waren, dies entgegen den nationalen Bestimmungen, wonach Urteile in familienrechtlichen Verfahren nicht veröffentlicht werden dürften; erst nach etwa eineinhalb Jahren wurde das Urteil von allen öffentlich zugänglichen Websites genommen; Verletzung des Art. 8 EMRK und des Art. 13 EMRK (weil kein effektives Rechtsmittel zur Verfügung stand; jeweils einstimmig.
  • 7. Jänner 2020, Demir gegen Türkei (Appl. no. 324/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Eigentümer und Redakteur einer lokalen Wochenzeitung; wurde zu zweieinhalb Monaten Haft (ausgesetzt auf Bewährung) verurteilt wegen eines Artikels über einen Polizeikommandanten, der einen Bürger am Kragen gefasst und aus der Polizeistation geführt habe; Verletzung des Art. 10 EMRK, weil (unabhängig von der Frage, ob es eine ausreichende Tatsachengrundlage gab), die nationalen Gerichte keine Abwägung getroffen hatten.
  • 7. Jänner 2020, Kampaz u.a. gegen Türkei (Appl. no. 55760/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführer sind Redakteure und Eigentümer einer Zeitschrift, Beschwerde richtet sich gegen die Beschlagnahme und Zerstörung einer Ausgabe dieser Zeitschrift wegen Propaganda für eine terroristische Organisation; Verletzung des Art. 10 EMRK; der EGMR konnte aus den nationalen Gerichtsentscheidungen nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen der Inhalt der Artikel Propaganda für eine terroristische Organisation hätte sein sollen; die nationalen Gerichte hatten keine Analyse des Inhalts im Kontext der Publikation vorgenommen.
  • 7. Jänner 2020, Kampaz gegen Türkei (Appl. no. 13716/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschlagnahme eines vom Beschwerdeführer geschriebenen Buchs ("Die Tage Öcalans in İmralı"), das aus dem Ausland an einen Häftling in einem Gefängnis geschickt worden war, und darauf folgender Beschluss, den Vertrieb/Verkauf des Buches zu untersagen und alle Exemplare zu beschlagnahmen; der Beschluss wurde rund zwei Jahre später aufgrund einer Gesetzesänderung aufgehoben; der EGMR hielt fest, dass der Autor, auch wenn er nicht Partei des Beschlagnahmeverfahrens war, Opfer dieser Maßnahme war; Verletzung des Art. 10 EMRK, weil die nationalen Gerichte den Inhalt des Buches nicht analysiert und keine Abwägung vorgenommenen hatten.
2019
  • 17. Dezember 2019, Ataç gegen Türkei (Appl. no. 70607/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung eines Bürgermeisters wegen Beleidigung des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Feststellung einer Verletzung des Art. 10 EMRK, weil die nationalen Gerichte keine Abwägung im Sinne der EGMR-Rechtsprechung vorgenommen hatten.
  • 17. Dezember 2019, Büyükerşen gegen Türkei (Appl. no. 69975/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung eines Bürgermeisters wegen seiner Aussagen über einen politischen Konkurrenten (dem er Lügen vorwarf) in einer TV-Sendung; Feststellung einer Verletzung des Art. 10 EMRK, weil die nationalen Gerichte keine Abwägung zwischen den nach Art. 8 und den nach Art. 10 EMRK geschützten Rechten vorgenommen hatten.
  • 17. Dezember 2019, László Tőkés gegen Rumänien (Appl. no. 18037/15); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Präsident des Nationalen Rats der Ungarn Siebenbürgens und MEP, der für die territoriale Autonomie des Szeklerlandes eintrat; in einer Pressekonferenz im Jahr 2013 beschuldigte er die damalige Regierung, Nachfolger eines rückständigen kommunistischen Erbes zu sein; der damalige Ministerpräsident VP wurde in einem Interview darauf angesprochen und warf dem Beschwerdeführer vor, seit 20 Jahren ausländische, gegen Rumänien gerichtete Interessen zu vertreten und eine Sprache wie Horthy zu verwenden; die Klage von Tökés gegen den Ministerpräsidenten wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen; der EGMR hielt fest, dass der Ministerpräsident auf eine Aussage des MEP reagiert hatte und die Grenzen zulässiger Kritik bei Politikern weiter zu ziehen sind; die nationalen Gerichte hatten eine ordentliche Abwägung der betroffenen Interessen nach Art. 10 und Art. 8 EMRK vorgenommen, sodass der EGMR die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückwies.
  • 17. Dezember 2019, Marin Ţuluş gegen Rumänien (Appl. no. 23562/13); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte über einen Richter, der ihn - wegen eines gegen den Beschwerdeführer anhängigen Strafverfahrens - nicht als Rechtsvertreter in einem Verfahren zuließ - gesagt, dieser sei nicht auf der Seite der Gerechtigkeit und des Gesetzes, wofür er eine Ordnungsstrafe von umgerechnet rund 1.100 € erhielt; der EGMR hielt zunächst fest, dass es sich bei der gerichtlichen Ordnungsstrafe weder um eine zivilrechtliche Angelegenheit noch um eine Strafe nach Art. 6 EMRK handelt; der Beschwerdeführer habe nicht als Anwalt gehandelt und nicht das Funktionieren der Justiz kritisiert, sondern seine Bemerkungen sei Teil eines persönlichen Streits gewesen, der aus der Feindseligkeit gegenüber dem Richter seinen Ausgang nahm; er habe den Richter als Person treffen wollen und nicht eine allgemeine Debatte über die Justiz beginnen wollen; die Strafe war auch nicht als unverhältnismäßig zu beurteilen, die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 17. Dezember 2019, Valerian Stan gegen Rumänien (Appl. no. 29497/13); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war vor 1989 Berufssoldat und hatte danach für mehrere Menschenrechtsorganisationen gearbeitet und publiziert; 2010 hatte er in einer rumänischen Wochenzeitschrift in den USA eine Auseinandersetzung mit einem Universitätslehrer über die Beteiligung von Intellektuellen an der politischen Polizei im kommunistischen Regime; in einem Artikel warf er dem Universitätslehrer u.a. vor, dass er in den Dienst westlicher Staatskanzleien getreten sei, im Austausch für zahlreiche Stipendien und Reisen für ihn und seine Kinder, außerdem machte er sich über die universitäre Tätigkeit lustig; in einem vom Betroffenen eingeleiteten Verfahren wurde er zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 2.300 € verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück, u.a. weil der Universitätslektor keine public figure war und der Beschwerdeführer vor den nationalen Gerichten trotz Aufforderung keine Tatsachengrundlagen für die Behauptung der "Stipendien und Reisen" geliefert hatte.
  • 5. Dezember 2019, Tagiyev and Huseynov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 13274/08; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführer sind ein Schriftsteller/Kolumnist (der 2011 ermordet wurde) sowie der Chefredakteur einer Zeitschrift, in der der Kolumnist einen Artikel über "Europa und wir" veröffentlichte, in dem er sich mit Unterschieden zwischen Ost und West auseinandersetzte und sich dabei kritisch über den Islam äußerte; beide Beschwerdeführer wurden dafür zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Anstiftung zu religiösem Hass verurteilt (beide kamen nach mehr als einem Jahr Haft durch präsidentielle Begnadigung frei); der EGMR fand, dass der Artikel sich mit der Rolle der Religion in der Gesellschaft befasste und die nationalen Gerichte sich einfach einem Sachverständigengutachten angeschlossen hatten, ohne selbst zu beurteilen, welche konkreten Passagen des Artikels als Anstiftung zu Hass anzusehen waren; das Gutachten hatte sich bereits mit der rechtlichen Beurteilung befasst, die aber Sache des Gerichts sein muss; außerdem war keine kontext-bezogene Beurteilung vorgenommen worden; auch war die Haftstrafe jedenfalls unverhältnismäßig und es wurde daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt (siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 3. Dezember 2019, Scheiring und Szabó gegen Ungarn (Appl. no. 609/14); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführer - Abgeordnete zum ungarischen Parlament - waren wegen Störung der parlamentarischen Verhandlungen durch ein großes Transparent mit einer Geldstrafe belegt worden; unter Hinweis auf das Urteil Karácsony stellte der EGMR auch hier eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 3. Dezember 2019, Ciorhan gegen Rumänien (Appl. no. 49379/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Mitglied eines Fischer- und Jägervereins; hatte gegen (später vom Landwirtschaftsministerium bestätigte) Unregelmäßigkeiten in diesem Verband protestiert und später (wieder im Ergebnis erfolgreich) Anzeige gegen den Kassier dieser Organisation erstattet, wurde in der Folge in einem Zeitungsartikel mit Kritik am Verein zitiert und von diesem wegen übler Nachrede geklagt; der EGMR hielt fest, dass der Schutz der "Würde" einer juristischen Person nicht notwendigerweise gleich wie der Schutz des guten Rufes und der Rechte andere sein muss; die nationalen Gerichte hatten keine Abwägung vorgenommen, es war auch nicht festgestellt worden, dass die Aussagen falsch gewesen wären, und auch wenn der Beschwerdeführer übertrieben habe, aber nicht beleidigend war; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 3. Dezember 2019, Koç gegen Türkei (Appl. no. 46043/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteurin der Monatszeitschrift "Stimme der freien Frau"; wurde wegen mehrerer Artikel in dieser Zeitschrift wegen Gutheißung von Verbrechen zu Geldstrafen verurteilt; der EGMR kam nach Analyse der Artikel zum Ergebnis, dass die Verurteilung keinem dringenden sozialen Bedürfnis diente und jedenfalls unverhältnismäßig war; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 26. November 2019, Savenko (Limonov) gegen Russland (Appl. no. 29088/08; Pressemitteilung); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer ist Publizist und war Gründungsmitglied der nationalen bolschewikischen Partei sowie einer der Führer der Oppositionsbewegung "Anderes Russland", die die sogenannten "Dissidentenmärsche" organisierte; in einer Radiosendung nach der gerichtlichen Bestätigung des vom Moskauer Bürgermeister ausgesprochenen Verbots des Dissidentenmarsches 2006 sagte er unter anderem, dass die Moskauer Gerichte vom Moskauer Bürgermeister Luzhokv kontrolliert würden; er wurde daraufhin vom Bürgermeister wegen übler Nachrede geklagt und zum Widerruf und einer Entschädigung verurteilt; da er die Entschädigung nicht zahlen konnte und Ratenzahlung nicht bewilligt wurde, wurde der Beschwerdeführer in der Folge mit einem Ausreiseverbot belegt; der EGMR führte aus, dass das Statement in einem allgemeinen Zusammenhang einer Diskussion über Beschränkungen der Versammlungsfreiheit gefallen war und so zu verstehen war, dass der Beschwerdeführer Bedenken hatte, dass die regionalen Gerichte die notwendige Unabhängigkeit vermissen ließen; dies betraf eine Debatte von öffentlichem Interesse; der EGMR berücksichtigte auch, dass tatsächlich keine Entscheidungen in vergleichbaren Fällen gegen den Bürgermeister getroffen worden waren, sodass eine "gewisse faktische Basis" für das Statement gegeben war; die Höhe der Entschädigung und das Ausreiseverbot hatten zudem einen chilling effect. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 26. November 2019, Zarubin u.a. gegen Litauen (Appl. no. 69111/17 u.a.; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Ausweisung eines TV-Teams (Reporter, Chefredakteur, Kameramann, Tontechniker) des staatlichen russischen Rossiya-24-TV aus Litauen, nachdem dieses - obwohl nicht akkreditiert - Zugang an einer vom litauischen Außenministerium veranstalteten Tagung ("Russland Forum Vilnius") zu erhalten versuchten, um dort teilnehmende prominente russische Oppositionelle zu interviewen; die betreffenden Journalisten - die zu einem "President's Pool" gehörten, der regelmäßig über den russischen Präsidenten und russische Top-Politiker beichtete - wurden wegen provokanter Handlungen und Gefährdung der nationalen Sicherheit ausgewiesen und mit einem einjährigen Einreiseverbot belegt; der EGMR legte sich nicht fest, ob überhaupt ein Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht vorlag, weil die Ausweisung nicht wegen der Berichterstattung erfolgte, sondern wegen des provokanten/aggressiven Verhaltens, prüfte aber nach Art. 10 EMRK und hielt fest, dass der Auftrag an die Journalisten war, Informationen über Teilnehmer (russische Oppositionelle) des Forums zu erlangen, dass keine Akkreditierung vorlag, dass sie durch Täuschung der Sicherheitskräfte Zugang zu erhalten versuchten, dass sie Konfrontationen mit Sicherheitskräften und Teilnehmern des Forums provoziert hatten und dass sie Teilnehmer mit einem Handy filmen wollten und damit eine weitere Konfrontation provozierten; vor diesem Hintergrund kam der EGMR (mehrheitlich) zum Ergebnis, dass das Verhalten der Journalisten nicht mit den Grundsätzen eines verantwortungsvollen Journalismus vereinbar war und wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 19. November 2019, Nejdet Atalay gegen Türkei (Appl. no. 76224/12); der Beschwerdeführer wurde wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt, weil er bei einem Begräbnis von vier getöteten PKK-Mitgliedern anwesend war, bei dem verschiedene Slogans gerufen wurden (zB "Es lebe Präsident Apo!", "Zahn für Zahn, Blut für Blut, Rache Rache!" u.ä.), außerdem hatte er Fotos der Getöteten an seiner Jacke getragen; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Verurteilung allein aufgrund der Anwesenheit beim Begräbnis, ohne dass dem Beschwerdeführer der Vorwurf gemacht wurde, selbst Slogans gerufen zu haben oder an Gewalttaten beteiligt gewesen zu sein, und die von ihm getragenen Fotos der getöteten PKK-Mitgliedern als solches nicht als Aufruf zu Gewalt, bewaffneten Widerstand oder Aufruhr oder als Hate Speech beurteilt werden können, und stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig, zustimmendes Sondervotum der türkischen Richterin Yüksel).
  • 19. November 2019, Yurtdaş et Söylemez gegen Türkei (Appl. no. 9662/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschwerdeführer hatten bei einer öffentlichen Veranstaltung eine Presseerklärung verlesen; dabei riefen einige der Anwesenden (und auch einer der Beschwerdeführer) "Es lebe Präsident Apo [Öcalan]"; die Beschwerdeführer wurden aufgrund dieses Slogans wegen Verherrlichung von Verbrechen bzw Verbrechern zu Geldstrafen verurteilt, deren Vollzug später bedingt ausgesetzt wurde; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 19. November 2019, Man ua gegen Rumänien (Appl. no. 39273/07; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführer waren ein Journalist, der auch Eigentümer mehrerer Medienunternehmen war, seine Frau und drei Medienunternehmen; die Beschwerde betraf Haus- und Redaktionsdurchsuchungen, Beschlagnahmen und die vorübergehende Festnahme des Erstbeschwerdeführers aufgrund von strafrechtlichen Ermittlungen u.a. gegen die Beschwerdeführer wegen organisierter Kriminalität und Erpressung (Verdacht, dass negative Informationen über Lokalpolitiker und Geschäftsleute gesammelt wurden, um diese unter Hinweis auf die mögliche Veröffentlichung zu Werbeschaltungen zu bewegen); der Journalist wurde (mehr als zehn Jahre später) in der Folge freigesprochen; der EGMR wies die u.a. auf Art. 8 und Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; im Hinblick auf Art. 10 EMRK differenziert der EGMR hier den vorliegenden Fall, in dem aufgrund begründeter Verdachtsmomente gegen Journalisten wegen des Verdachts der Erpressung und organisierter Kriminalität ermittelt wurde, insbesondere von jenen Fällen, in denen Durchsuchungen von Redaktionen oder Journalisten-Wohnungen deshalb vorgenommen wurden, um deren Informanten zu ermitteln; ein weiterer teil der Beschwerde, der sich gegen die Veröffentlichung von Transkripten von Chats in Zeitungen richtete, wurde ebenfalls zurückgewiesen, zumal nicht bewiesen wurde, dass diese Transkripte von den Strafverfolgungsbehörden geleakt wurden.
  • 12. November 2019, Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft u.a. gegen Schweiz (Appl. no. 68995/13; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitschentscheidung; die SRG hatte in einem 33-Minuten-Beitrag in einem Reportagemagazin über Botox berichtet, ohne dabei zu erwähnen, dass für die Produktion dieses Nervengifts Tierversuche notwendig sind; dies wurde von Tierschutzaktivisten vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz gerügt; die UBI stellte fest, dass die& Sendung das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt hatte und hielt die SRG an, ihr innert 60 Tagen ab Rechtskraft des Entscheids mitzuteilen, welche Vorkehrungen sie getroffen habe, um den Mangel zu beheben bzw. dafür zu sorgen, dass sich die Verletzung nicht wiederholt; dieser Entscheid wurde vom Schweizer Bundesgericht bestätigt (Urteil vom 12.04.2013, 2C_1246/2012); der EGMR wies die von der SRG (und drei RedakteurInnen) erhobene Beschwerde (mit Mehrheit, aber ohne dissenting opinion) zurück, weil die drei RedakteurInnen den innerstaatlichen Instanzenzug nicht ausgeschöpft hatten und hinsichtlich der SRG kein Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung vorliegt: die SRG habe den Beitrag nicht aus der Mediathek nehmen müssen, ihn auch weiter verwenden können, es gab keine Vorgaben zur Frage, wie die Entscheidung der UBI zu veröffentlichen war und das Verfahren wurde von der UBI schließlich eingestellt.
  • 12. November 2019, Zevnik u.a. gegen Slowenien (Appl. no. 54893/18; Presemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Politiker, deren Wahlvorschlag nicht zugelassen worden war, weil er die gesetzliche Mindest-Geschlechterquote von 35% nicht erreichte, beschwerten sich einerseits (nach Art. 3 1. ZPEMRK, Freie Wahlen) über die Nichtzulassung und andererseits, dass sie an den Wahlsendungen von RTV Slowenien nicht teilnehmen konnten; die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 5. November 2019, Herbai gegen Ungarn (Appl. no. 11608/15; Pressemitteilung); Angestellter in der Personalabteilung einer Bank postete auf einer (nach den Feststellungen der nationalen Gerichte: von ihm betriebenen) Online-Plattform zu HR-Themen allgemeine Überlegungen zur Gehaltspolitik im Zusammenhang mit einer Steuerreform und wurde daraufhin entlassen, da er (im Sinne einer Bestimmung des ungarischen Arbeitsgesetzbuchs) legitime wirtschaftliche Interessen seines Arbeitgebers gefährdet habe; gerichtliche Anfechtung blieb erfolglos; der EGMR prüft die Zulässigkeit einer Einschränkung freier Meinungsäußerung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach vier Kriterien: 1. Art der Äußerung (es muss sich aber nicht um einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse handeln), 2. Motive des Äußernden (hier: allgemeiner Wissensaustausch unter HR-Experten; weniger streng geschützt wären Äußerungen mit Gewinnstreben oder aufgrund von persönlichen Beschwerden oder in einem persönlichen Streit), 3. das Ausmaß eines allfälligen Schadens für den Arbeitgeber, und 4. die Sanktion (hier: Entlassung als besonders strenge Sanktion); im konkreten Fall stellte der EGMR einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK durch Ungarn (wegen Verletzung der aus dieser Bestimmung resultierenden positiven Schutzpflichten) fest.
  • 5. November 2019, Lyudmila Nikolayevna Vladimirova gegen Russland (Appl. no. 33077/09); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin war Gewerkschaftsvorsitzende des akademischen Personals einer Universität; in einem Brief an den Bildungsminister und das Büro des Präsidenten beschwerte sie sich über verschiedene Vorkommnisse an der Universität, die sie als "anti-gewerkschaftlich" beurteilte; eine Kopie des Briefes postete sie auf der Website der Gewerkschaft; sie wurde daraufhin auf Antrag des Universitätspräsidenten wegen übler Nachrede zu einer symbolischen Entschädigung von einem Rubel verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde zurück, weil der Beschwerdeführerin kein signifikanter Nachteil entstanden ist.
  • 29. Oktober 2019, Hatice Çoban gegen Türkei (Appl. no. 36226/11; Pressemitteilung); Vorstandsmitglied einer politischen Partei (DTP), wurde aufgrund einer im Jahr 2006 gehaltenen Rede zum Weltfriedenstag wegen Propaganda zugunsten einer terroristischen Organisation im Jahr 2008 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt; 2014 wurde aufgrund einer neuen Rechtslage der Vollzug der - noch nicht angetretenen - Haftstrafe ausgesetzt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, im Wesentlichen weil die nationalen Gerichte kein faires Verfahren durchgeführt hatten und insbesondere keine angebotenen Beweise zum wahren Inhalt der Rede aufgenommen hatten, obwohl die Beschwerdeführerin argumentiert hatte, dass der Inhalt im Polizeibericht falsch wiedergegeben worden war.
  • 29. Oktober 2019, Bychkov gegen Russland (Appl. no. 48741/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK;^Student, hatte sich gemeinsam mit zwanzig anderen Studenten bei der Campusverwaltung über einen Lektor beschwert; dieser hatte daraufhin auf Entschädigung wegen übler Nachrede geklagt und - nachdem die Klage gegen mehrere andere Studenten abgewiesen worden war - gewonnen; der EGMR hielt fest, dass die Beschwerde auf dem dafür vorgesehenen Weg und nicht öffentlich erhoben wurde und dass außerdem die Feststellungen nicht entsprechend den Standards der EGMR-Rechtsprechung getroffen worden waren; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 29. Oktober 2019, Novaya Gazeta and Borodyanskiy gegen Russland (Appl. no. 42113/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Medieninhaberin und Redakteur einer Zeitung, wurden wegen eines Artikels über den Gouverneur von Omsk, in dem diesem ein luxuriöser Lebensstil zugeschrieben wurde, zur ungeteilten Hand zu einer Entschädigung verurteilt; die russische Regierung argumentierte, dass der Redakteur keinen signifikanten Nachteil im Sinne des Art. 35 EMRK erlitten habe, weil die Entschädigung allein von der Medieninhaberin geleistet worden war; der EGMR schloss sich dieser Ansicht nicht an, schon weil die Verurteilung zur ungeteilten Had erfolgt war und der Redakteur auch einen "chilling effect" erlebt hatte; in der Sache selbst kam der EGMR zum Ergebnis, das die nationalen Gerichte keine relevanten und ausreichenden Gründe für den Eingriff hatten (u.a. keine Abwägung vorgenommen, keine Berücksichtigung, ob es sich um Tatsachenmitteilungen oder Werturteile handelte).
  • 22. Oktober 2019, Libicki gegen Polen (Appl. no. 74002/13); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war zwischen 1991 und 2004 mehrfach Abgeordneter zum polnischen Parlament; 2007 veröffentlichte das Institut für Nationales Gedenken Informationen, wonach er als "operationaler Kontakt" des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes geführt worden sei; am Tag danach veröffentlichte das Institut auch Ansichten zweier beteiligter Forscher, die darauf hinwiesen, dass solches Material mit Vorsicht zu beurteilen sei; in der Folge wurde in Zeitungsartikeln über die Angelegenheit berichtet; der Beschwerdeführer gab eine "Lustrationserklärung" ab, wonach er nie für die Sicherheitsdienst in der kommunistischen Ära gearbeitet habe; ein regionales Gericht bestätigte auf Antrag des Beschwerdeführer, dass es kein ausreichendes Material gab, um zum Ergebnis zu kommen, dass er mit der Staatssicherheit kollaboriert habe; der Beschwerdeführer klagte daraufhin gegen den Chefredakteur und den Medieninhaber der Zeitung, die über die Angelegenheit berichtet hatten; die nationalen Gerichte kamen zum Ergebnis, dass die Berichte sich auf das Material des Instituts für Nationales Gedenken gestützt hatten und die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden waren; der EGMR hielt fest, dass der Beschwerdeführer eine public figure war und die Vorwürfe im Kontext einer Debatte von öffentlichem Interesse erhoben worden waren; die Artikel enthielte Werturteile auf ausreichender Tatsachengrundlage enthalten; das nationale (zweitinstanzliche) Gericht hat eine gründliche und detaillierte Analyse aller Artikel vorgenommen und in seiner Argumentation die Leitlinien der Rechtsprechung des EGMR eingehalten, sodass die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wurde.
  • 22. Oktober 2019, Piskorski gegen Polen (Appl. no. 80959/17); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer ist Politiker, Journalist, Publizist Universitätslehrer und Gründer eines geopolitischen Think Tanks; er wurde am 18.5.2016 festgenommen und angeklagt, weil er an Aktivitäten des russischen Geheimdienstes FSB teilgenommen habe; er habe an "information warfare" teilgenommen und dafür Geld erhalten; u.a. habe er auch Vandalismus-Aktionen in der Ukraine organisiert und koordiniert und Fotos davon den russischen Geheimdiensten übermittelt; außerdem wurde ihm auch die Beteiligung an Aktivitäten des chinesischen Geheimdienstes vorgeworfen; die U-Haft wurde mehrfach verlängert, zuletzt am 25.6.2018; am 20.4.2018 wurde der Beschwerdeführer in zwei Fällen der Beteiligung an Aktivitäten des russischen und des chinesischem Geheimdienstes angeklagt; am 16.5.2019 wurde er gegen Kaution aus der Haft entlassen; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde, die während des noch offenen Strafverfahrens erhoben wurde, vorzeitig und daher als unzulässig zurückzuweisen war.
  • 22. Oktober 2019, Vahap Akbaba und Barış Metin gegen Türkei (Appl. no. 38850/09); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführer hatten eine Geldstrafe wegen nicht genehmigten Anbringens von Plakaten erhalten; die Beschwerde wurde wegen Nichterschöpfung des nationalen Instanzenzugs zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführer sich vor den türkischen Gerichten nur auf nationales Recht gestützt und die Verletzung des Art. 10 EMRK nicht geltend gemacht hatten.
  • 22. Oktober 2019, Valentina Roșca gegen Republik Moldau (Appl. no. 36712/10); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin hatte sich mit einem Brief, der angeblich von "besorgten Bürgern" stammte und die Unterschrift und den Stempel des Bürgermeisters enthielt, an den Innenminister gewandt, weil sie Bedenken betreffend die Untersuchung eines (angeblichen) Selbstmordes hatte; in diesem Brief wurde die Schwägerin der Toten beschuldigt, am Tod schuld zu sein; die Schwägerin klagte wegen übler Nachrede und erhielt eine Entschädigung zugesprochen; die nationalen Gerichte stellten fest, dass der Brief von der Beschwerdeführerin verfasst und die Unterschrift des Bürgermeisters von ihr gefälscht worden war; der EGMR beurteilte - wie das moldauische Höchstgericht - den Brief als nicht in gutem Glauben geschrieben (schon wegen der Fälschung der Unterschrift), sodass sich die Beschwerdeführerin nicht darauf berufen konnte, nur die zuständigen Behörden über einen Verdacht informiert zu haben. Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 10. Oktober 2019, Lewit gegen Österreich (Appl. no. 4782/18; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer, ein 1923 geborener Überlebender des KZ-Mauthausen, hatte einen Antrag auf Entschädigung nach § 8a MedienG gegen die Medieninhaberin der Zeitschrift "Aula" und den Verfasser eines Artikels in dieser Zeitschrift gestellt, aufgrund eines Artikels, in dem über die 1945 aus dem KZ Mauthausen befreiten Häftlinge ua geschrieben wurde, diese hätten „raubend und plündernd, mordend und schändend“ das Land geplagt; der Antrag wurde vom OLG Graz (wie bereits zuvor vom das LG für Strafsachen Graz) abgewiesen, ua mit der Begründung, dass der Antragsteller kein „Betroffener“ iSd § 6 Abs 1 MedienG sei; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, weil sich die nationalen Gerichte nie mit dem Kern des Vorbringens des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hatten, wonach sich dieser durch die Aussagen persönlich betroffen und diffamiert fühlte, weil nur mehr sehr wenige Mitglieder der Gruppe der KZ-Befreiten am Leben sind (die Entscheidung erging nicht zu Art. 10 EMRK, sondern zu Art. 8 EMRK, wurde in diese Liste aber wegen des engen Zusammenhangs aufgenommen); siehe zu dieser Entscheidung die Anmerkung von Alexander Warzilek in medien und recht 2020, S. 19-22. Der nach dem Urteil des EGMR gestellte Erneuerungsantrag des Beschwerdeführers blieb erfolglos, da der OGH mit Beschluss vom 1. Juli 2020, 15 Os 36/20p, zum Ergebnis kam, dass der Beschwerdeführer zur Stellung des Erneuerungsantrags nicht legitimiert ist.
  • 8. Oktober 2019, Szurovecz gegen Ungarn (Appl. no. 15428/16; Pressemitteilung; legal summary); Journalisten wurde der Zugang zu einem Aufnahmezentrum für Asylwerber verweigert, Rechtsmittel wurden zurückgewiesen; EGMR beurteilte die Zugangsverweigerung (einstimmig) als Verletzung des Art. 10 EMRK: es lag ein Eingriff vor, weil mit der Verweigerung des Zugangs die journalistische Recherche gehindert wurde; die bestehende gesetzliche Regelung diente zwar legitimen Zielen (Schutz des Privatlebens der Flüchtlinge), die Maßnahme war aber nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, weil es sich bei der Frage nach der menschenwürdigen Unterbringung im Aufnahmezentrum um eine Angelegenheit von erheblichem öffentlichen Interesse handelte, keine erkennbare Abwägung zwischen den betroffenen grundrechtlich geschützten Interessen erfolgte, der Journalist zugesichert hatte, keine Fotos ohne Zustimmung zu machen und auch keine Sensationsberichterstattung geplant war; der EGMR befand schließlich auch, dass die Möglichkeit, mit Asylwerbern außerhalb des Lagers zu besprechen oder auf Informationen zB von NGOs zurückzugreifen, die im Aufnahmezentrum waren, die persönliche Vor-Ort-Recherche im Aufnahmezentrum nicht ersetzen könne; schließlich bezog der EGMR auch noch in seine Beurteilung ein, dass dem Journalisten kein Rechtsmittel gegen die faktische Zugangsverweigerung offenstand (siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof and Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers).
  • 8. Oktober 2019, L.P und Carvalho gegen Portugal (Appl. nos. 24845/13 und 49103/15; Pressemitteilung); der erste Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, hatte sich mit einer Beschwerde über eine Richterin - wegen "einer Atmosphäre großer Vertrautheit zwischen der Richterin und dem Gegenanwalt" - an den Obersten Justizrat gewandt; der Justizrat sah keinen Anlass zum Einschreiten, die Richterin klagte daraufhin wegen übler Nachrede und der Beschwerdeführer wurde zu einer Entschädigung von 5.000 € verurteilt; der zweite Beschwerdeführer, ebenfalls Anwalt, hatte Strafanzeige gegen eine Richterin erstattet, weil diese sich in einem Urteil in rassistisch-diskriminierender Weise über zwei von ihm vertretene Roma geäußert habe (das Strafverfahren wurde eingestellt); außerdem vertrat er die beiden Roma in einer - schließlich erfolglosen - Zivilklage gegen die Richterin aufgrund dieser Äußerungen; die Richterin klagte daraufhin den Anwalt wegen übler Nachrede und erhielt eine Entschädigung von 10.000 € zugesprochen; der EGMR kam in beiden Fällen zum Ergebnis, dass die Anwälte im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten gehandelt hatten; die Kritik des Erstbeschwerdeführers an der Richterin war von einer Art, wie sie Richter erwarten müssen, ohne dass ihre ehre oder ihr Ruf dadurch beschädigt würden; außerdem waren sie nicht öffentlich, sondern gegenüber der für solche Beschwerden zuständigen Stelle vorgetragen worden; der Zweitbeschwerdeführer hatte lediglich auftragsgemäß die Interessen seiner Mandanten vertreten, dies im Zusammenhang mit einem Urteil, das in den Medien Aufmerksamkeit erregt hatte; in beiden Fällen stellte der EGMR daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 8. Oktober 2019, Margulev gegen Russland (Appl. no. 15449/09; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer als Obmann einer NGO hatte in einem Zeitungsinterview Renovierungsarbeiten am Zarizyno-Schlosspark kritisiert und dem Moskauer Stadtrat "Entweihung eines historischen Denkmals" vorgeworfen; die Zeitungsredaktion wurde daraufhin vom Stadtrat verklagt und verurteilt; strittig war vor dem EGMR schon der Opferstatus des Beschwerdeführers, da er nicht selbst beklagt war; er hatte sich jedoch als Nebenintervenient am Verfahren beteiligt und wurde vom EMRK als Opfer anerkannt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, schon weil die nationalen Gerichte keine Abwägung vorgenommen hatten; der EGMR hob in seinem Urteil auch wieder einmal die besondere Rolle von NGOs als public watchdogs hervor.
  • 8. Oktober 2019, Nadtoka gegen Russland (Nr. 2) (Appl. no. 29097/08); Journalistin hatte ein Interview mit dem Führer einer Kosaken-Bewegung veröffentlicht, in dem der Bürgermeister von Nowotscherkassk und seine Entourage kritisiert wurde, u.a. wegen des Vorwurfs von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften; die Journalistin wurde (gemeinsam mit der Redaktion der Zeitschrift und dem Interviewpartner) zu einer Entschädigung wegen übler Nachrede verurteilt; der EGMR kritisierte, dass die nationalen Gerichte dem Bürgermeister allein aufgrund seiner Funktion einen höheren Ehrenschutz zugestanden, sodass der Eindruck entstand, sie hätten das Interesse des Bürgermeisters am Schutz seiner Ehre über jenes der Beschwerdeführerin gestellt; außerdem war nicht berücksichtigt worden, dass die Aussagen nicht von der Journalistin, sondern von ihrem Interviewpartner stammten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2019, Kapustin gegen Russland (Appl. no. 36801/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Anwalt, hatte am Tag eines Kongresses der Partei "Einiges Russland" eine "Solo-Demonstration" abgehalten mit einem Plakat auf dem gestanden sei "Partei Einiges Russland = Armut und Auslöschung"; wurde festgenommen und zur Polizeistation gebracht, und von dort nach Unterzeichnung eines Protokolls nach einer Stunde wieder freigelassen; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 5 und auch eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da es keine Hinweise gab, dass die Demonstration unrechtmäßig gewesen wäre.
  • 8. Oktober 2019, Gatt gegen Malta (Appl. no. 46466/16); Polizistin (in Teilzeitbeschäftigung), arbeitete auch als Privatdetektivin (ohne Lizenz, wofür sie auch verurteilt wurde) und gab in dieser Funktion mehrere Zeitungs- und TV-Interviews; im Disziplinarverfahren wurde sie als Polizistin entlassen, dabei wurde ihr auch vorgeworfen, dass sie entgegen den internen Regeln keine Genehmigung für die Interviews eingeholt hatte; Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (und keine Notwendigkeit, auch das Vorliegen einer Verletzung des Art. 10 EMRK zu beurteilen).
  • 3. Oktober 2019, Pastörs gegen Deutschland (Appl. no. 55225/14; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer hatte als damaliger Abgeordneter zum Landtag Mecklenburg-Vorpommerns in einer Rede (u.a.) ausgeführt, "dass der sogenannte Holocaust politischen und kommerziellen Zwecken dienbar gemacht" werde; er wurde dafür nach § 187 und 189 dt. StGB verurteilt; seine auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde vom EGMR als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; soweit die Beschwerde auf Art. 6 EMRK gestützt war und die Teilnahme eines befangenen Richters bemängelte, wurde mit 4 zu 3 Stimmen keine Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt (diesbezügliches Sondervotum der Richter Potocki, Grozev und Mits); siehe dazu den Beitrag von Joanna Curtis auf Inforrm's Blog.
  • 1. Oktober 2019, Yıldız u.a. gegen Türkei (Appl. no. 39543/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Propaganda für eine terroristische Vereinigung (anlässlich einer Beerdigung) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollzug später ausgesetzt wurde; die nationalen Gerichte hatten keine individuelle Zuordnung der Parolen zu den Beschwerdeführern vorgenommen und den Inhalt der Parolen nicht festgestellt, sodass nicht beurteilt werden kann, ob die Parolen als Aufstachelung zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede zu beurteilen waren; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Kalkan gegen Türkei (Appl. no. 21196/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Bürgermeister von Batman, er wurde wegen mehrerer öffentlicher bzw. in Zeitungen abgedruckter Aussagen wegen Unterstützung terroristischer Organisationen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollzug später ausgesetzt wurde; die Aussagen konnte, so der EGMR, insgesamt nicht als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede aufgefasst werden; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Aktaş u.a. gegen Türkei (Appl. no. 22112/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung zu - später ausgesetzten - Freiheitsstrafen wegen Propaganda für eine terroristische Organisation; der EGMR beurteilte die Aussagen nicht als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Cin gegen Türkei (Appl. no. 31605/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Bürgermeister von Viranşehir; er wurde aufgrund von Äußerungen bei einer Newroz-Feier wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer - später ausgesetzten - Freiheitsstrafe verurteilt; die nationalen Gerichte hatten keine Beurteilung vorgenommen, ob die Äußerungen als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede zu beurteilen waren. Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Aramaz gegen Türkei (Appl. no. 62928/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen Äußerungen zur Kurdenfrage in einer Talk-Show zu einer Geldstrafe wegen Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt worden; der EGMR beurteilte die Aussagen nicht als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede; er berücksichtige dabei auch, dass die Äußerungen als Antworten auf Fragen des Moderators erfolgten und dem Beschwerdeführer diese nicht mehr umformulieren konnte; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Yamaç gegen Türkei (Appl. nos. 69604/12 und 5642/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, ein Regionalpolitiker, wurde aufgrund von Reden bei der Beerdigung von PKK-Mitgliedern in zwei Fällen wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu zwei Jahren Haft bzw. zu 10 Monaten Haft verurteilt; der Vollzug der Strafen wurde später ausgesetzt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Reden nicht über das zulässige Maß an politischer Kritik hinausgegangen waren und insgesamt nicht als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede zu beurteilen waren; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 1. Oktober 2019, Kalkan gegen Türkei (Appl. no. 54698/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Bürgermeister von Batman, er wurde aufgrund einer in einer Zeitung abgedruckten Aussage wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollzug später ausgesetzt wurde; die Aussage konnte, so der EGMR, insgesamt nicht als Aufruf zur Anwendung von Gewalt, zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstand oder als Hassrede aufgefasst werden; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 24. September 2019, Antunes Emídio und Soares Gomes da Cruz gegen Portugal (Appl. nos. 75637/13 und 8114/14; Pressemitteilung); der erste Beschwerdeführer ist Journalist publizierte einen Kommentar mit der Überschrift "Only chickens were left" (englische Übersetzung des EGMR) mit Kritik an Politikern, in dem er einen Staatssekretär als den idiotischsten Politiker, den er kenne, bezeichnete; dafür wurde er wegen schwerer Beleidigung zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen und zu einer Entschädigung verurteilt; der EGMR beurteilt dies als Werturteil, das kein persönlicher Angriff auf den Staatssekretär gewesen sei, sondern im Kontext der politischen Situation gelesen werden müsse; die Verurteilung war daher nicht verhältnismäßig; der zweite Beschwerdeführer ist Arzt und Arbeitsmediziner, der einen offenen Brief in einer lokalen Zeitung veröffentlichte, nachdem seine Klinik nicht eingeladen worden war, an einer Ausschreibung der Stadt für arbeitsmedizinische Leistungen teilzunehmen; in diesem offenen Brief warf er dem Bürgermeister Mangel an Charakter und Ehrlichkeit sowie Feigheit vor; dafür wurde er wegen Beleidigung, begangen in einem Medium, zu 450 Tagessätzen sowie einer Entschädigung verurteilt, und zwar sowohl wegen Beleidigung des Bürgermeisters als auch Beleidigung einer juristischen Person (des Stadtrats); für die Verurteilung wegen Beleidigung einer juristischen Person fehlte schon die gesetzliche Grundlage; im Hinblick auf den Bürgermeister war eine "public figure" in ihrer öffentlichen Tätigkeit betroffen; die Statements des Beschwerdeführers waren "value-laden statements", die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage aufbauten; der EGMR stellte daher in beiden Fällen (einstimmig) eine Verletzung von Art. 10 EMRK fest.
  • 24. September 2019, Milinov gegen Russland (Appl. no. 51165/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer protestierte bei einer Feier anlässlich des 450-Jahr-Jubiläums der friedlichen Vereinigung von Adygeya mit Russland alleine mit einem Plakat, auf dem er der offiziellen Version eines freiwilligen Zusammenschlusses anzweifelte; er wurde vom Geheimdienst angesprochen, der ihm das Plakat wegnahm und vom Veranstaltungsort wegwies; daraufhin wurde er vor seiner Wohnung von Polizisten zu einem "vorbeugenden Gespräch" aufgefordert und mehr als drei Stunden auf der Polizeistation angehalten; der EGMR äußerte sich nicht abschließend zur Frage, ob das Vorgehen von Geheimdienst und Polizei eine ausreichende gesetzliche Grundlage hatte, da es jedenfalls als nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig beurteilt wurde (kein "pressing social need"): Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 24. September 2019, Vučina gegen Kroatien (Appl. no. 58955/13; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; ein Foto der Beschwerdeführerin, das bei einem Konzert aufgenommen worden war, wurde in einem nationalen Lifestyle-Magazin mit einer falschen Bildunterschrift veröffentlicht (die Beschwerdeführerin war mit der Frau des Bürgermeisters von Split - die in keine Skandale verwickelt war und über die auch sonst nicht negativ berichtet wurde - verwechselt worden); eine Klage auf Entschädigung blieb vor den nationalen Gerichten erfolglos; der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde zurück, weil die Angabe des falschen Namens unter ihrem Bild der Beschwerdeführerin zwar "some distress" verursacht haben mag, aber das erreichte nicht den notwendigen Schweregrad, um nach Art. 8 EMRK relevant zu sein.
  • 17. September 2019, Marković gegen Serbien (Appl. no. 53661/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist, hatte einen Artikel mit der Überschrift "Der geschwächte Mandarin" verfasst, in dem er über einen bekannten Politiker u.a. schrieb, dass er wegen Viagra-Einnahme in Spitalspflege aufgenommen worden war; in einem weiteren Artikel warf er diesem Politiker vor, in schmutzige Geschäfte seiner engsten Vertrauten verwickelt zu sein; der Politiker erhielt von den nationalen Gerichten eine Entschädigung zugesprochen; im Strafverfahren wurde der Beschwerdeführer freigesprochen; der EGMR; der EGMR wies die Beschwerde als unzulässig zurück, weil der Beschwerdeführer vor dem serbischen Verfassungsgericht die Konventionsverletzung nicht geltend gemacht und damit den nationalen Instanzenzug nicht ausgeschöpft hatte.
  • 17. September 2019, Shumskiy gegen Russland (Appl. no. 32200/09); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war rechtlicher Vertreter eines Unternehmens und behauptete im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Transaktion strafrechtliche Verstöße eines Geschäftspartners; die Staatsanwaltschaft fand jedoch keinen Anlass für Ermittlungen; in der Folge beschwerte er sich beim Generalprokurator über "korrupte Praktiken" des Staatsanwalts und machte schließlich auf der Website des Staatspräsidenten eine Eingabe, mit der er das "ungeheuerliche gesetzlose Vorgehen" des Staatsanwalts kritisierte; auf Antrag des Staatsanwalts wurde er zu einer Richtigstellung gegenüber den betroffenen Beamten und zu einer Entschädigung von umgerechnet 3 € verurteilt; der EGMR beurteilte die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, da die vom Beschwerdeführer erhobenen Korruptionsvorwürfe keine tatsächliche Grundlage hatten.
  • 17. September 2019, Lishnyak gegen Russland (Appl. no. 9964/09); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war 1985 zum "Volksrichter" ernannt worden; 1997 wurde er durch die regionale Gerichtsbehörde seines Amtes enthoben, von der Bundesbehörde aber wieder eingesetzt. 2000 wurde sein Ersuchen, das auf zehn Jahre befristete Dienstverhältnis zu einem unbefristeten umzuwandeln, abgewiesen; in der Folge bemühte sich der Beschwerdeführer um seine neuerliche Einsetzung und schrieb in diesem Zusammenhang einen Brief an den Obergerichtspräsidenten, in dem er den Präsidenten des regionalen Gerichtshofs als "stranger to justice" bezeichnete, dessen ethischen, geschäftlichen und beruflichen Werte ihn für ein Richteramt disqualifizieren würden; der Brief wurde auch dem russischen Präsidenten, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs und dem Gouverneur der Region geschickt; aufgrund einer Zivilklage des betroffenen Gerichtspräsidenten wurde der Beschwerdeführer zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 28 € verurteilt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keinen signifikanten Nachteil erlitten habe; da die Vorwürfe auch auf keinerlei Faken gestützt waren, wurde die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 10. September 2019, Pryanishnikov gegen Russland (Appl. no. 25047/05; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer ist Produzent erotischer Filme und hält Urheberrechte an mehr als 1500 solcher Filme, deren Vertrieb für ein Publikum im Alter von über 18 Jahren genehmigt war; sein Antrag auf eine Lizenz zur Vervielfältigung der Filme wurde abgewiesen, weil der Beschwerdeführer in Untersuchungen betreffend die illegale Herstellung pornografischer Filme verwickelt gewesen sei (die diesbezüglichen Strafverfahren wurden allerdings eingestellt); der EGMR hielt fest, dass die Entscheidungen der nationalen Gerichte nur auf Vermutungen hinsichtlich der strafgerichtlichen Untersuchungen beruhten, nicht aber auf irgendeinem Dokument aus dem Strafakt; außerdem sei nicht abgewogen worden, welche Auswirkungen die Verweigerung der Lizenz auf die Möglichkeit zur Verbreitung der Filme hatte; jedenfalls sei die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Eingriff und dem angestrebten legitimen Ziel des Schutzes der öffentlichen Moral und der rechte anderer hergestellt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; zustimmende Sondervoten der Richter Pinto de Albuquerque und Dedov); siehe dazu den Beitrag von Argyro Chatzinikolaou auf Strasbourg Observers.
  • 3. September 2019, Yıldız gegen Türkei (Appl. no. 66575/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin - Eigentümerin und Herausgeberin einer Zeitschrift - wurde wegen verschiedener in dieser Zeitschrift abgedruckter Aufrufe bzw. Äußerungen von politischen Organisationen zu zwei Jahren und 11 Monaten Haft verurteilt; die Vollstreckung des Urteils wurde schließlich (nach Rechtskraft) ausgesetzt; der EGMR sah trotz der Aussetzung der Vollstreckung den Opferstatus gegeben; er ließ offen, ob manche der Veröffentlichungen als Aufrufe zu Gewalt oder bewaffnetem Widerstand gesehen werden könnte, da die türkischen Gerichte die Verurteilung allein darauf gestützt hatten, dass die Äußerungen von bestimmten Organisationen stammten und daher keine Beurteilung des Inhalts vorgenommen hatten; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 3. September 2019, Ete gegen Türkei (Appl. no. 33575/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin wurde, weil sie in einer Petition "Abdullah Öcalan als Vertreter eines politischen Willens in Kurdistan" angesehen und anerkannt hat und für diese Petition Unterschriften sammelte, wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 8 Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafe wurde (erst einige zeit nach Rechtskraft des Urteils) schließlich ausgesetzt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Aussetzung der Vollstreckung nichts am Opferstatus ändert und die Verurteilung eine Verletzung des Art. 10 EMRK begründet hat.
  • 25. Juli 2019, Brzeziński gegen Polen (Appl. no. 47542/07; Pressemitteilung); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Regionalpolitiker wurde wegen einer Wahlbroschüre, in der er den Bürgermeister seiner Stadt kritisierte, zur Unterlassung der Weiterverbreitung der Broschüre und zu einer Richtigstellung auf der Titelseite zweier Zeitungen sowie zu einer Entschädigung verurteilt; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte nicht geprüft hatten, ob die ehrenrührigen Aussagen eine ausreichende Tatsachengrundlage hatten; zudem seien die Aussagen in der Broschüre im Rahmen zulässiger Übertreibung oder Provokation geblieben; die Verurteilung auch zur Richtigstellung auf zwei Titelseiten und zur Entschädigung könne einen abschreckenden Effekt haben; der EGMR beurteilte den Eingriff als unverhältnismäßig und stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers).
  • 23. Juli 2019, Gürbüz und Bayar gegen Türkei (Appl. no. 8860/13; legal summary); Eigentümer und Chefredakteur einer Tageszeitung, wurden wegen Veröffentlichung von Statements von Abdullah Öcalan (PKK-Vorsitzender) und Murat Karayılan (Kongra-Gel Vorsitzender) wegen der verbotenen Veröffentlichung von Statements einer Terrororganisation zunächst zu Geldstrafen verurteilt; das Verfahren wurde im Fall Gürbüz schließlich wegen Verjährung eingestellt, im Fall Bayar wurde die Strafe ausgesetzt; der EGMR beurteilte die einzelnen publizierten Statements und kam dabei zum Ergebnis, dass ein Statement von Öcalan als Aufruf zu Gewalt gesehen werden konnte; auch wenn sich die Beschwerdeführer die Aussagen nicht persönlich zu eigen gemacht haben, könnten sie nicht von jeder Verantwortung dafür enthoben sein, zudem sei der Eingriff im Hinblick auf die schließlich erfolgte Einstellung bzw. Aussetzung der Strafe nicht unverhältnismäßig; der EGMR stellte daher mit 6:1 Stimmen keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (zustimmendes Sondervotum der Richter Spano und Bårdsen - sie betonen, dass es nicht der Regelfall ist, dass der EGMR durch eine eigene Punkt-für-Punkt-Analyse der strittigen Aussagen den nationalen Gerichten gewissermaßen zur Hilfe kommen, wenn diese keine eigene Abwägung dieser Aussagen vorgenommen haben; abweichende Meinung des Richters Pavli - dieser hebt hervor, dass der EGMR sich unerklärlicherweise nicht an seine Rechtsprechung im Fall Gözel und Özer halte, wonach der Eingriff keine ausreichend gesetzliche Grundlage hatte, weil das nationale Gesetz [damals] ausschließlich auf die Herkunft der abgedruckten Statements und nicht auf deren Inhalt abstellte; das Ergebnis der Mehrheit beruhe auf einer "Dreifach-Pirouette", die mehrere grundlegende Aspekte der etablierten EGMR-Rechtsprechung ignoriere; mit dem Zugang der Mehrheit könne auch die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die das "Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung" beinhalte, als Pamphlet zur Verherrlichung von Verbrechen gesehen werden); siehe dazu den kritischen Beitrag von Ronan Ó Fathaigh and Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 18. Juli 2019, Rustavi 2 Broadcasting Company u.a. gegen Georgien (Appl. no. 16812/17; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerde betrifft eine gerichtliche Entscheidung, im Zuge einer Auseinandersetzung um die Eigentumsverhältnisse an einem Fernsehveranstalter die Vermögenswerte des Unternehmens einzufrieren; keine Verletzung des Art. 6 EMRK (6:1, abweichende Meinung von Richter De Gaetano).
  • 9. Juli 2019, Selahattin Demirtaş gegen Türkei (Nr. 3) (Appl. no. 8732/11; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer hatte sich in einem Interview auf Roj TV dahin geäußert, dass die Behörden die mögliche Rolle des PKK-Führers Öcalan bei der Suche nach einer friedlichen Lösung für das kurdische Problem berücksichtigen sollten; er wurde dafür zu zehn Monaten Haft verurteilt, wobei das Urteil auf fünf Jahre ausgesetzt wurde; drei Jahre später wurde das Urteil auf Grund einer Gesetzesänderung ausgesetzt und das Verfahren unterbrochen; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers nicht als Aufruf zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder zur Rebellion und auch nicht als hate speech zu beurteilen waren, und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 2. Juli 2019, Önal gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 44982/07); Verleger, wurde wegen der Veröffentlichung einer Biografie über einen kurdischen Geschäftsmann, der des Drogenhandels und der PKK-Mitgliedschaft verdächtig war, zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung des Präsidenten und Herabwürdigung der Republik verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Novaya Gazeta und Milashina gegen Russland (Appl. no. 4097/06); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; zum dritten Jahrestag des Untergangs des russischen Atom-U-Boots "Kursk" veröffentlichte die Novaya Gazeta einen von der zweitbeschwerdeführenden Journalistin verfassten Artikel unter der Überschrift "Der Fall Kursk muss wiederaufgenommen werden - die Träger militärischer Abzeichen sind unter den Verantwortlichen für den Untergang des U-Boots und den Tod der Crew"; darin wurde die Einstellung der Untersuchung kritisiert und insbesondere die Rolle des leitenden Forensikers; dessen Ergebnisse hätten keine wissenschaftliche Grundlage, und sein militärischer Rang gäben Anlass zur Annahme einer Voreingenommenheit; nach einer Klage des Forensikers wurde die Medieninhaberin und die Journalistin zu einer Entschädigung verurteilt; unter Hinweis insbesondere auf das erste Urteil Novaya Gazeta und Milashina vom 3.10.2017 kam der EGMR auch hier zum Ergebnis, dass die Gründe, die die nationalen Gerichte für die Verurteilung herangezogen hatten, nicht relevant und ausreichend waren; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Kok gegen Türkei (Appl. no. 32954/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; örtlicher Vertreter der DEHAP, zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt (das Urteil wurde später ausgesetzt) wegen Propaganda für eine terroristische Organisation, weil er die Beerdigung eines von türkischen Truppen getöteten PKK-Kämpfers organisiert und dort eine Rede gehalten hatte; Verurteilung diente keinem zwingenden sozialen Bedürfnis und war jedenfalls nicht angemessen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Kılınç gegen Türkei (Appl. no. 73954/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; örtliche Vertreterin der DTP, hielt bei einer Newroz-Feier eine Rede, wurde deshalb wegen Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt (das Urteil wurde später ausgesetzt); Verurteilung diente keinem zwingenden sozialen Bedürfnis und war jedenfalls nicht angemessen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Daş gegen Türkei (Appl. no. 36909/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Vorstandsmitglied eines Kulturvereins in Diyarbakır; wurde zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt, nachdem bei einer Hausdurchsuchung im Kulturverein Unterschriftenlisten für eine Petition zur Freilassung des PKK-Führers Öcalan gefunden wurden; Eingriff war nicht gesetzlich vorgeschrieben, daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Beșleagă gegen Republik Moldau und Russland (Appl. no. 48108/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschwerdeführer lebte in einem Ort, der formal unter der Kontrolle der Behörden in Moldau stand, aber in dem Vertreter der selbsterklärten transnistrischen Republik häufig intervenierten und insbesondere die Teilnahme an den Wahlen verhinderten; er kandidierte als Bürgermeister; vor der Wahl wurde er von Vertretern Transnistriens angehalten und seine Papiere wurden eingezogen; als er sie bei einer Milizstation abholen wollte, wurde er festgenommen und zu 15 Tagen Verwaltungshaft wegen rechtswidriger Wahlwerbung verurteilt; unter Hinweis auf Vorjudikatur hielt der EGMR fest, dass die Republik Moldau zwar Jurisdiktion, aber keine effektive Kontrolle über dieses Gebiet habe und ihre Verpflichtung zur Sicherung der Konventionsrechte daher beschränkt war; hingegen übt Russland wegen der anhaltenden Unterstützung der transnistrischen Republik, die ohne diese Unterstützung nicht existieren könnte, effektive Kontrolle aus; Verletzung des Art. 10 EMRK durch Russland, keine Verletzung des Art. 10 EMRK durch die Republik Moldau (einstimmig).
  • 2. Juli 2019, Teleradiokompaniya NBM (Appl. no. 35211/09); Unzulässigkeitsentscheidung; der beschwerdeführende Rundfunkveranstalter wurde wegen eines von ihm ausgestrahlten Programms, in dem ein Politiker der Korruption bezichtigt wurde, zum Widerruf und zu einer Entschädigung verurteilt; er berief sich darauf, dass das Programm von einem Vertragspartner zugeliefert wurde, außerdem Wahlwerbung bzw. Werbung bzw. überhaupt kein TV-Programm gewesen sein (der EGMR hielt dazu ausdrücklich fest, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft von Anfang an inkonsistent war); zum wesentlichen Einwand, dass gegen die eigentlichen Hersteller des Programms nicht vorgegangen worden war, führte der EGMR im Wesentlichen aus, dass dem Rundfunkveranstalter seine Verantwortung nach dem Gesetz bekannt war und diese nicht durch einen Vertrag mit einem Programmzulieferer beseitigt werden kann; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 2. Juli 2019, Telecompaniya Impuls, TOV gegen Ukraine (Appl. no. 51010/10); Unzulässigkeitsentscheidung; die beschwerdeführende Gesellschaft hatte eine Lizenz als Kabel-TV-Unternehmen beantragt und erhalten; dafür hatte sie eine Gebühr von umgerechnet rund 437 €zu bezahlen und unterlag bestimmten Auflagen betreffend die Zusammensetzung des Programmpakets; sie wandte sich gegen die Gebühr vor den Verwaltungsgerichten (zog dann aber ihr Rechtsmittel zurück) und bekämpfte die zugrunde liegende Regulierungsverfügung in einem abstrakten Normkontrollverfahren; nach Auffassung des EGMR hatte sie damit den innerstaatlichen Rechtsweg (trotz Zurücknahme eines Rechtsmittels im Administrativverfahren) erschöpft; in der Sache ging der EGMR von einem Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht aus, strittig war letztlich nur, ob dieser auf einer ausreichenden, insbesondere auch ausreichend vorhersehbaren, gesetzlichen Grundlage beruhte; der EGMR kam dabei zum Ergebnis, dass die Argumentation des nationalen Höchstgerichts zwar sehr knapp ("succint") war, dass aber keine willkürliche oder offensichtlich unangemessene Auslegung der Vorschriften erfolgte; die Beschwerde wurde daher als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 27. Juni 2019, Vajnai u.a. gegen Ungarn (Appl nos. 36358/14, 66792/14, 66798/14, 66889/14, 72826/14 und 4240/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilungen wegen öffentlichen Zeigens eines eines roten Sterns (verbotenes "totalitäres Symbol"); unter Hinweis auf das Urteil im Fall Vajnai stellte der EGMR in allen sechs Fällen Verletzungen des Art. 10 EMRK fest.
  • 25. Juni 2019, Zu Guttenberg gegen Deutschland (Appl. no. 14047/16; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; die Bunte hatte Fotos von Wohnsitzen des Beschwerdeführers (früherer deutscher Verteidigungsminister) veröffentlicht, was dieser untersagen wollte; die deutschen Gerichte sahen die Veröffentlichung jedoch als gerechtfertigt an, da es sich beim Beschwerdeführer um eine "public figure" handle und keine Gefährdung für ihn durch die Veröffentlichung hervorgerufen wurde (weil die Häuser kaum zu identifizieren waren und auch keine weiteren Details dazu veröffentlicht wurden); der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 25. Juni 2019, Glaisen gegen Schweiz (Appl. no. 40477/13; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der querschnittgelähmte, auf den Rollstuhl angewiesene Beschwerdeführer war von einem nicht barrierefreien Kino aus Sicherheitsgründen abgewiesen worden; er sah darin eine Diskriminierung, scheiterte aber vor den nationalen Gerichten: der EGMR sah keine Diskriminierung nach Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK, da die Unmöglichkeit, einen bestimmten Film in einem bestimmten Kino zu sehen, sein Leben nicht derart betroffen habe, dass damit sein Recht auf persönliche Entwicklung beeinträchtigt worden wäre; Art. 10 EMRK wiederum geht nicht so weit, dass daraus ein Recht abgleitet werden könnte, Zugang zu einem Kino für einen bestimmten Film zu bekommen; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet (siehe dazu den Beitrag von Morgane Ventura auf Strasbourg Observers).
  • 18. Juni 2019, Mehmet Reşit Arslan und Orhan Bingöl gegen Türkei (Appl. nos. 47121/06, 13988/07 und 34750/07; Pressemitteilung; legal summary); den Beschwerdeführern, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, wurde in der Haft die Nutzung eines Computers und der Zugang zum Internet - das sie zum zweck der Fortsetzung ihrer Ausbildung nutzen wollten, untersagt; der EGMR beurteilte den Fall unter Art. 2 1. ZPEMRK (Recht auf Bildung), berücksichtigte dabei aber auch die nach Art. 10 EMRK ergangene Rechtsprechung (insb Kalda); Verletzung des Art. 2 1. ZPEMRK.
  • 11. Juni 2019, Alternative für Deutschland (AFD) gegen Deutschland (Appl. no. 57939/18; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; die AFD hatte Beschwerde erhoben, weil sie sich durch Äußerungen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz in einer parlamentarischen Anhörung im Oktober 2018, wonach der Verfassungsschutz aktive Informationen sammle, um bis Ende des Jahres zu entscheiden, ob die AFD oder einzelne ihrer Mitglieder überwacht werden sollte ("Verdachtsfall"/"Prüffall") in ihren Rechten nach Art. 10 und 11 EMRK verletzt sah und keinen wirksamen innerstaatlichen Rechtsschutz dagegen habe; der EGMR beurteilte die Beschwerde einstimmig als unzulässig, weil der innerstaatliche Instanzenzug nicht ausgeschöpft worden war (in der Folge hatte das VG Köln ja auch über die Frage entschieden, ob die AFD rechtmäßig als Prüffall bezeichnet werden durfte).
  • 4. Juni 2019, Csibi gegen Rumänien (Appl. no. 16632/12); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer wollte die Wortfolge "Székelyföld nem Románia" (Szeklerland ist nicht Rumänien) als Wortmarke bzw Wortbildmarke für eine Reihe von Waren, u.a. für Papier und Druckwerke, Kleidung, Werbung, eintragen, was vom Markenamt wegen Verstoßes gegen die Verfassung abgelehnt wurde; der EGMR beurteilte die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet.
  • 28. Mai 2019, Dağtekin gegen Türkei (Appl. no. 33513/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, örtlicher Vorsitzender der DEHAP, war wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu zehn Monaten Haft (bedingt ausgesetzt) verurteilt worden, weil er das Begräbnis für zwei PKK-Mitglieder, die bei bewaffneten Kämpfen getötet worden waren, mitorganisiert und dort gesprochen hatte, wobei das Begräbnis zu einer Demonstration mit Plakaten und Slogans mit Propaganda für die PKK umfunktioniert worden sei; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 28. Mai 2019, Dağtekin gegen Türkei (Appl. no. 69448/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, örtlicher Vorsitzender der DEHAP, war wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu zehn Monaten Haft verurteilt worden (der Vollzug der Strafe wurde ausgesetzt), weil er während einer Demonstration eine Pressemitteilung verlesen hatte, in der dazu aufgerufen wurde, auf die Appelle für Frieden zu hören, die Abdullah Öcalan seit sechs Jahren gemacht habe; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 28. Mai 2019, Taş Çakar gegen Türkei (Appl. no. 73487/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Beschwerdeführerin war zu zehn Monaten Haft (bedingt ausgesetzt) verurteilt worden, weil sie bei einer Demonstration ein schwarzes Beret, ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und einen roten Schal getragen hatte, was als Zeichen einer terroristischen Organisation (und als Propaganda für diese) gewertet wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 21. Mai 2019, Savelyev gegen Russland (Appl. no. 42982/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Abgeordneter zur Duma und Obmann einer neu geschaffenen Partei beschwerte sich beim Justizminister über die zunächst verweigerte Registrierung der Partei; diesen Brief veröffentlichte er auch auf seiner Website; darin bezeichnete er den zuständigen Behördenleiter als Zyniker und Lügner, der seine Hoffnung darauf setze, dass seine ungesetzlichen und beschämenden Aktionen möglichst lange nicht ans Licht kommen sollten; dafür wurde er zum Widerruf und zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 10 € (sowie Gerichtskosten von umgerechnet rund 20 €) verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde zurück, weil dem Beschwerdeführer kein signifikanter Nachteil entstanden ist (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK).
  • 14. Mai 2019, Artemenko gegen Ukraine (Appl. no. 54574/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalistin hatte in einem Artikel über ein neues Fußballstadion eines Vereins, dessen Ehrenpräsident ein Abgeordneter war, geschrieben; dieser fühlte sich durch den Satz "Abgeordneter [B.] hat ein neues Spielzeug bekommen - fast sein eigenes Stadion im Stadtpark" angegriffen und klagte auf Entschädigung und Widerruf; die nationalen Gerichte wiesen den Entschädigungsantrag ab, verpflichteten die Zeitung und die beschwerdeführende Journalistin aber zu einem Widerruf ("retraction"); der EGMR beurteilte den angeordneten Widerruf als "Klarstellung"; auch wenn man annehme, dass dadurch ein Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht erfolgt sei, habe die Journalistin dadurch keinen signifikanten Nachteil erlitten (keine strafgerichtliche Verurteilung, auch keine zivilrechtliche Entschädigung; der "Widerruf" war tatsächlich bloß eine Klarstellung und widersprach nicht dem, was die Beschwerdeführerin im Artikel sagen wollte und betraf nicht das Ergebnis der Recherche und die zentralen Argumente, sondern bloß einen "off-hand comment on a secondary issue"; daher sei auch kein "chilling effect" anzunehmen); der EGMR wies die Beschwerde daher als unzulässig zurück.
  • 7. Mai 2019, Haber-Sen (Syndicat des travailleurs de la presse, de la communication et de la poste) gegen Türkei (Appl. no. 23891/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung einer Gewerkschaft zu einer Entschädigung wegen einer Veröffentlichung in einer Tageszeitung, in der Kritik der Gewerkschaft an einem Beschaffungsvorgang der Rundfunkanstalt TRT in irreführender Weise wiedergegeben worden war, wobei aber die Gewerkschaft keine Richtigstellung verlangt hatte; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, zumal die nationalen Gerichte keine Abwägung getroffen und sich nur auf den Text des Zeitungsberichts bezogen hatten.
  • 7. Mai 2019, Polat gegen Türkei (Appl. no. 64138/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer wurden wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu 10 Monaten Haft verurteilt, weil er bei einer Demonstration verschiedene Slogans gerufen und eine "PKK-Hymne" gesungen hatte; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, zumal die Slogans insgesamt nicht als Aufruf zu Gewalt oder zu bewaffnetem Widerstand oder als "hate speech" anzusehen waren und die nationalen Gerichte den Kontext der Äußerungen nicht analysiert hatten.
  • 7. Mai 2019, Akyüz gegen Türkei (Appl. no. 63681/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer wurde wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu 6 Monaten Haft verurteilt, weil er bei einer Demonstration Slogans gerufen, ein Bild von Öcalan und eine Fahne der PKK getragen hatte; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, die nationalen Gerichten hatte keinen Aufruf zu Gewalt oder bewaffneten Widerstand oder hate speech festgestellt.
  • 7. Mai 2019, Forcadell i Lluis u.a. gegen Spanien (Appl. no. 75147/17; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; die BeschwerdeführerInnen waren Mitglieder des Parlaments der Autonomen Region Katalonien; sie beschweren sich über die Suspendierung der Plenartagung des Parlaments der Autonomen Region Katalonien durch eine Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts; der EGMR beurteilte die auf Art. 10 und 11 EMRK (sowie auf Art. 6 EMRK und Art. 3. ^ZPEMRK) gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet.
  • 2. Mai 2019, Vesselinov gegen Bulgarien (Appl. no. 3157/16); der Beschwerdeführer warf in einem Brief an die Stadtverwaltung seinem Neffen vor, er habe auf der Grundlage gefälschter notarieller Urkunden Arbeiten an einem Gebäude durchgeführt, das den Eltern des Beschwerdeführers gehört habe; der Neffe erhob Klage und erhielt eine Entschädigung von rund 2.500 € zugesprochen, weil die Behauptung, es hätte sich um gefälschte Urkunden gehandelt, unzutreffend war; der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorlag.
  • 30. April 2019, Carpen gegen Rumänien (Appl. no. 17021/12); leitender Staatsanwalt, der wegen Bestechungsvorwürfen zunächst in U-Haft war, wurde bis zur Hauptverhandlung freigelassen, u.a. unter der Auflage, nicht an audiovisuellen Aussendungen teilzunehmen, der Presse keine Interviews zu geben und keine Artikel (zur Strafsache) in den Medien zu publizieren; er erachtete sich dadurch in seinem Recht nach Art. 10 EMRK verletzt; die Beschwerde wurde wegen Verspätung als unzulässig zurückgewiesen, da die Frist für die Beschwerde bereits mit der Entscheidung über die Verhängung des Publikationsverbot begann, nicht erst - wie der Beschwerdeführer meinte - mit der Entscheidung über die Aufhebung des Verbots nach einem darauf gerichteten Antrag.
  • 30. April 2019, Kablis gegen Russland (Appl. nos. 48310/16 und 59663/17; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer hatte eine Protestversammlung angekündigt, die sich mit der Verhaftung mehrerer Mitglieder der Regierung der Republik Komi befassen sollte; dies machte er auch auf seinem Blog bekannt; die Versammlung wurde am gewünschten Platz nicht genehmigt, daraufhin kündigte der Beschwerdeführer an, dass an diesem Platz eine "Volksversammlung" stattfinden werde; er postete das auch auf seinem öffentlichen VKontakte-Account. In der Folge wurde nach staatsanwaltschaftlicher Anordnung der VKontakte-Account (zur Gänze) und vom Bloghoster der Zugang zu mehreren Blogposts gesperrt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK (und wegen der nicht genehmigten Versammlung auch des Art. 11 EMRK) fest; zum einen gab es ein "overblocking", weil nur wegen eines gesetzwidrigen Inhalts der gesamte VKontakte-Account gesperrt wurde und auch in zwei der vier gesperrten Blogposts kein Aufruf zur Versammlung enthalten war; zum anderen ist das gesetzlich vorgesehene Verfahren unzureichend, weil eine gerichtliche Entscheidung über die Sperranordnung erst in einem Monat ergehen hätte müssen, was bei der Ankündigung der Versammlung zu spät gekommen wäre; schließlich hatte die Ankündigung auch keinen Aufruf zu Hass oder Gewalt enthalten und es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestanden hätte (siehe dazu auch den Beitrag von onan Ó Fathaigh and Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 30. April 2019, Dmitriyeva gegen Russland (Appl. nos. 60921/17 und 7202/18; Pressemitteilung); die Beschwerdeführerin wollte eine Protestversammlung gegen Korruption abhalten, die städtische Verwaltung lehnte aber alle von ihr gewünschten Plätze ab; daraufhin hielt sie eine Versammlung an einem für öffentliche Veranstaltungen vorgesehenen Platz in einem Park ab (ca. 1500 Teilnehmer laut ihr, 400 Teilnehmer laut Regierung, Dauer: eine Stunde und zwanzig Minuten), auf dem Heimweg wurde sie (vorübergehend) festgenommen und schließlich wegen zweier Verwaltungsübertretungen - Organisation einer nicht erlaubten Versammlung und Aufruf dazu auf ihrer VKontakte-Seite sowie Missachtung der polizeilichen Auflösung der Versammlung - zu Geldstrafen verurteilt; der EGMR hielt fest, dass die Verurteilung wegen des Aufrufs zur Versammlungsteilnahme einen Eingriff in das durch Art. 10 EMRK geschützte Recht auf feie Meinungsäußerung darstellte; selbst wenn man davon ausginge, dass es sich nicht bloß um Information, sondern um "campaigning" für die nicht genehmigte Versammlung gehandelt habe, was nach der nationalen Rechtsvorschrift unzulässig wäre, erweist sich der Eingriff als nicht gerechtfertigt, schon weil damit kein legitimes Ziel verfolgt wurde; die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei nicht in Gefahr gewesen; dass der Eingriff im konkreten Fall notwendig gewesen wäre, war auch nicht aufgezeigt worden; Verletzung u.a. des Art. 10 EMRK (und der Art. 5, 6, 11 und 13 in Verbindung mit 11 EMRK, jeweils einstimmig).
  • 23. April 2019, Grasser gegen Österreich (Appl. no. 37898/17); Unzulässigkeitsentscheidung; der ehemalige österreichische Finanzminister war gegen Unternehmer vorgegangen, die ein an Monopoly angelehntes Brettspiel unter dem Titel "KHG - Korrupte haben Geld" herausgebracht hatten; er sah dadurch sein Namensrecht verletzt, scheiterte aber vor den österreichischen Gerichten (Zurückweisung der ao. Revision durch den OGH mit Beschluss vom 25.10.2016, 4 Ob 209/16p); die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde wurde vom EGMR - in Abwägung mit den durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Rechten der Spiel-Herausgeber - einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen
  • 23. April 2019, Kwiatkowski gegen Polen (Appl. no. 58996/11; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war von 1998 bis 2004 Vorsitzender des Verwaltungsrats des staatlichen Fernsehens; im Zuge einer Korruptionsaffäre im Hinblick auf eine Änderung des Rundfunkgesetzes setzte der Sejm (polnisches Parlament) einen Untersuchungsausschuss ein; der Beschwerdeführer erachtetet sich durch den Bericht des Ausschusses in seinem guten Ruf verletzt und zu Unrecht verurteilt, scheiterte aber mit einer Klage vor den nationalen Gerichten; seine auf Art. 6, 8 und 13 EMRK gestützte Beschwerde wurde vom EGMR einstimmig zurückgewiesen: der Bericht war nicht als strafrechtliche Anklage anzusehen und im Hinblick auf die Rufschädigung hatten die nationalen Gerichte die Angelegenheit inhaltlich geprüft, es gab dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ergebnisse des Berichts willkürlich oder "manifestement contraires à la réalité" gewesen wären; für die auf dem Bericht aufbauenden Zeitungsberichte war der Sejm nicht verantwortlich.
  • 18. April 2019, Ifandiev gegen Bulgarien (Appl. no. 14904/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer, ein Journalist und Autor, hatte in einem Buch ("Der Schatten von Zion") geschrieben, dass Kommunisten und Personen, die mit der Staatssicherheit verbunden waren, nach dem Ende des kommunistischen Regimes Freimaurer geworden seien, unter anderem ein namentlich genannter Gewerkschaftsführer; dieser klagte und erhielt rund 16.000 € Entschädigung zugesprochen, wobei die nationalen Gerichte feststellten, dass der Gewerkschaftsführer weder Freimaurer noch mit der Staatssicherheit verbunden war; der EGMR ließ die Beschwerde zu, obwohl der Beschwerdeführer sich auf seinem persönlichen Blog abfällig über den EGMR und einzelne Richter geäußert hatte und die bulgarische Regierung - auch unter Hinweis auf den antisemitischen Charakter des Buches - eine Zurückweisung nach Art. 17 EMRK beantragt hatte; in der Sache selbst kam der EGMR (einstimmig) zum Ergebnis, dass der Eingriff eine gesetzliche Grundlage hatte, ein legitimes Ziel verfolgte und auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war; allerdings war ie Entschädigung mit rund 16.000 € exzessiv, sodass eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt wurde.
  • 16. April 2019, Editorial Board of Grivna Newspaper gegen Ukraine (Appl. nos. 41214/08 und 49440/08); Verurteilung der Medieninhaberin einer Zeitung wegen zweier Artikel über einen Richter, dessen Ernennung auf Lebenszeit (nach einer ersten zehnjährigen Periode) vom Parlament diskutiert wurde; im Artikel wurden Korruptionsvorwürfe angesprochen; der EGMR stellte (einstimmig) Verletzungen des Art. 6 EMRK (wegen Besorgnis der mangelnden Unbefangenheit des entscheidenden Gerichtes) und des Art. 10 EMRK (im Hinblick auf den Großteil der von den nationalen Gerichten als ehrverletzend beurteilten Aussagen der Artikel) fest.
  • 16. April 2019, Rebechenko gegen Russland (Appl, no. 10257/17); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte auf YouTube ein Video hochgeladen, in dem er eine Rede einer NGO-Vertreterin kommentierte; er wurde wegen Beleidigung dieser NGO-Vertreterin zu einer Entschädigung, zum Löschen des Videos und zum Widerruf verurteilt; der EGMR hielt fest, dass der Beschwerdeführer ein Blogger mit 2.000 Subscribern auf YouTube war; das Video war von mehr als 80.000 Personen gesehen worden: "In these circumstances, the interference must be examined on the basis of the same principles applied when assessing the role of a free press in ensuring the proper functioning of a democratic society"; bei den Äußerungen habe es sich um Werturteile gehandelt, die NGO-Vertreterin sei auch Vorsteherin eines Stadtbezirks und damit Politikerin gewesen, die mehr Kritik aushalten müsse; auch sei das Thema (Beziehungen Russland - Ukraine) von allgemeinem Interesse gewesen; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 9. April 2019, Navalnyy gegen Russland (No. 2) (Appl. no. 43734/14; Pressemitteilung; legal summary); Hausarrest gegen einen politischen Aktivisten während strafrechtlicher Ermittlungen, verbunden mit Einschränkungen seiner Kommunikation (Kontakt nur zu Familie und Anwälten, kein Zugang zum Internet, keine Äußerungen gegenüber Medien); der EGMR stellte einstimmig Verletzungen der Art. 5, 10 und 18 EMRK fest; die Kommunikationsbeschränkungen hatten teilweise keine gesetzliche Grundlage und dienten keinem legitimen Ziel.
  • 2. April 2019, Eye gegen Türkei (Appl. no. 52310/12); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer wurde wegen der Verteilung einer Zeitschrift mit Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; im konkreten Fall hatte der Beschwerdeführer keine Beweise vorgelegt, dass die Vorwürfe unrichtig seien; die Zeitschrift habe zustimmend über Aktionen einer verbotenen bewaffneten Bewegung berichtet und diese glorifiziert; der Inhalt stelle eine "apologie de la violence" dar.
  • 26. März 2019, Wysoczański gegen Polen (Appl. no. 27560/15); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer störte - gemeinsam mit ca. 100 weiteren Mitgliedern der rechtsextremen Partei Narodowe Odrodzenie Polski (NOP; Nationale Wiedergeburt Polens) - einen Vortrag des Soziologen Zygmunt Bauman an der Universität Wrocław/Breslau (hier ein Video dieser Störaktion; der Vortrag von Bauman - mit deutscher Übersetzung ist hier zu sehen); er wurde deshalb festgenommen, sechs Stunden festgehalten und seine Identität wurde festgestellt; er wurde schließlich wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu einer Geldstrafe von 250 € verurteilt; der EGMR wies die auf Art. 10 (sowie auf Art. 6 und Art. 14) EMRK gestützte Beschwere als offensichtlich unbegründet zurück; der Eingriff war gesetzlich vorgesehen, verfolgte ein legitimes Ziel, und war auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; die Bestrafung erfolgte nicht wegen der Meinungsäußerung als solcher, sondern wegen der Ordnungsstörung; es hatte sich nicht um eine spontane oder provozierte Reaktion gehandelt, sondern um eine vorbereitete, organisierte Aktion, die von Beginn an auf die Verhinderung des Vortrags ausgerichtet war; die Störer hatten Beleidigungen gegenüber dem Vortragenden skandiert und damit nicht zu einer allgemeinen Debatte beigetragen; die Strafe war zudem nicht unangemessen.
  • 19. März 2019, Høiness gegen Norwegen (Appl. no. 43624/14; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerdeführerin war eine Rechtsanwältin und frühere Talk-Show-Moderatorin, über die in zwei Printpublikationen und einem damit zusammenhängenden Internet-Portal Berichte über ein umstrittene Erbschaft veröffentlicht worden waren; in einem Online-Forum, das selbst keinen redaktionellen Inhalt hatte, das aber vom Internet-Nachrichtenportal zugänglich war, konnten User Debatten beginnen und Kommentare posten; in einem Thread auf diesem Forum wurde über die Berichterstattung über die Beschwerdeführerin diskutiert, dabei gab es drei Kommentare, die von der Beschwerdeführerin als sexuelle Belästigung gesehen wurden und deren Entfernung sie verlangte; zwei der Kommentare wurde binnen 13 Minuten gelöscht, der dritte Kommentar war bereits gelöscht worden, bevor die Beanstandung eintraf; die nationalen Gerichte gaben der Rufschädigungs-Klage der Beschwerdeführerin nicht statt, da sie - im Hinblick auf das konkrete System eines Forums, in dem ohne vorherige Zensur gepostet werden konnte, bei dem Moderatoren aus eigenem Löschungen vornahmen und bei Beanstandungen eine rasche Reaktion erfolgte - keine Haftung des Forum-Betreibers annahmen; die Kommentare hätten die Schwelle der strafrechtlichen Rufschädigung auch nicht erreicht (sie waren geschmacklos und unseriös, aber anonym in einem weitgehend anonymen Umfeld abgegeben worden und konnten die Ehre der Beschwerdeführerin nicht verletzen); die Beschwerdeführerin wurde auch zur Kostentragung (20.050 €) verurteilt; der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde - in Abwägung mit den nach Art. 10 EMRK geschützten Interessen - (einstimmig) als unbegründet ab; entscheidend in der Abwägung war, dass a) das nationale Gericht keine strafrechtlich relevante Herabwürdigung/Beleidigung durch die Kommentare angenommen hat b) jedenfalls - anders als im Fall Delfi - keine Hassrede bzw. kein Aufruf zu Gewalt vorlag c) großes, populäres Portal, aber die Debattenforen waren nicht besonders in die Präsentation der Nachrichten eingebettet d) es gab ein etabliertes System von Moderatoren und e) "Warn-Buttons" und f) die Moderatoren reagierten auch auf E-Mails; schließlich hatten die nationalen Gerichte den Fall in zwei Instanzen in der Sache geprüft und die Delfi-Kriterien berücksichtigt, sodass kein Grund vorlag, dass der der EGMR seine Wertung an die Stelle der nationalen Gerichte setzen sollte (siehe dazu auch den Beitrag von Samuel Rowe auf Inforrm's Blog).
  • 19. März 2019, Mart u.a. gegen Türkei (Appl. no. 57031/10; Pressemitteilung); die drei Beschwerdeführer waren wegen Propaganda zugunsten einer illegalen Organisation (der marxistisch-leninistisch-kommunistischen Partei MLKP) zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden; sie hatten Zeitschriften abonniert, die der MLKP zugerechnet wurden, bei Demonstrationen Parolen zugunsten der MLKP gerufen und Transparente von Organisationen getragen, die als Unterorganisationen der MLKP eingestuft wurden; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte die Inhalte der Artikel, Parolen und Plakate nicht geprüft hatten und auch nicht beurteilt hatten, ob die Handlungen der Beschwerdeführer Anstachelung von Gewalt, bewaffneten Widerstand oder Umsturz angesehen werden konnten und ob sie als "hate speech" einzustufen waren, was das wichtigste zu berücksichtigende Element sei; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. März 2019, Kommersant Moldovy gegen Republik Moldau (Appl. no. 10661/08); Unzulässigkeitsentscheidung; behördlich angeordnete Zeitungsschließung wurde vom Obersten Gerichtshof im Jahr 2002 bestätigt; in einem späteren, auf Antrag der Zeitung eröffneten Verfahren wurde die Schließung aber vom Obersten Gerichtshof als Artikel 10 EMRK-widrig und damit rechtswidrig beurteilt und der Zeitung eine Entschädigung zugesprochen; eine Wiederaufnahme des 2002 abgeschlossenen Verfahrens erfolgte jedoch nicht; gegen die Verweigerung der Wiederaufnahme richtete sich jetzt die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde der Medieninhaberin; der EGMR kam zum Ergebnis, dass es im Wiederaufnahmeverfahren nicht um die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit ging, sondern um die Beseitigung der Folgen einer früheren Verletzung; die Beschwerde wurde daher (einstimmig) ratione materiae als unzulässig zurückgewiesen.
  • 12. März 2019, Ali Gürbüz gegen Türkei (Appl. no. 52497/08 u.a.; Pressemitteilung; legal summary); der Beschwerdeführer war Eigentümer einer Tageszeitung; in sieben Fällen wurde er aufgrund von Artikeln über die PKK wegen Verletzung des Anti-Terrorgesetzes angeklagt und zunächst verurteilt; in der Instanz wurden die Urteile - nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts - schließlich aufgehoben; der EGMR stellte dennoch einen Eingriff in das durch Art. 10 EMRK geschützte Recht fest, da die systematische Verfolgung auch geringfügiger Artikel einen "chilling effect" haben konnte und die Verfahren zwischen fünf und sieben Jahre - und damit unangemessen lange - gedauert hatten; der Eingriff war auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig; die wiederholte Verfolgung von Zeitungseigentümern und Verlegern, bloß weil sie Statements von als terroristisch beurteilten Organisationen veröffentlicht hatten, ohne dass dabei der Inhalt berücksichtigt wurde, konnte den Effekt einer Teilzensur haben; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. März 2019, Golubenko gegen Ukraine (Appl. no. 46928/07); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Vorstandsmitglied einer Vereinigung zur Untersuchung von Verkehrsunfällen (und später als Journalist tätig); er veröffentlichte einen Artikel in einer Zeitschrift, in der er behauptete, eine für die Zulassung von Sachverständigen zuständige Abteilungsleiterin des Justizministeriums (die er nicht namentlich nannte, die aber identifizierbar war) habe u.a. den Marktzugang von privaten Sachverständigen zugunsten ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen beschränkt; diese und eine weitere Behauptung wurde von den nationalen Gerichten als unrichtige Tatsachenbehauptung gewertet, der Beschwerdeführer wurde zum Widerruf und zu einer Entschädigung von rund 1.450 € verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 12. März 2019, Teleradiokompaniya NBM gegen Ukraine (Appl. no. 17114/08); Unzulässigkeitsentscheidung; die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt einen TV-Kanal; wegen eines unrichtigen Beitrags zu einem gemeinnützigen Fonds wurde sie vom Handelsgericht wegen Kreditschädigung verurteilt; im Verfahren hatte sie nur die Zuständigkeit des Gerichts bestritten, aber kein inhaltliches Vorbringen zur konkreten Sendung gebracht; die auf Art. 6 und 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde im Hinblick auf Art. 6 als offensichtlich unbegründet, im Hinblick auf Art. 10 wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurückgewiesen.
  • 7. März 2019, Sallusti gegen Italien (Appl. no. 22350/13; Pressemitteilung); Chefredakteur einer Tageszeitung wurde für die Veröffentlichung von zwei - nicht von ihm verfassten - Artikeln zu einer 14-monatigen Haftstrafe (die in Hausarrest verbüßt werden konnte) wegen Verleumdung verurteilt; in den Artikeln war berichtet worden, dass ein 13-jähriges Mädchen von seinen Eltern und dem Pflegschaftsrichter zu einer Abtreibung gezwungen worden; dies war unrichtig, da sich das Mädchen tatsächlich selbst für die Abtreibung entschieden hatte; der EGMR hielt fest, dass tatsächlich die Ehre und das Recht auf Privatleben alle Betroffenen verletzt worden war; allerdings war de Haftstrafe für den Chefredakteur manifest unverhältnismäßig, sodass (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt wurde.
  • 5. März 2019, Skudayeva gegen Russland (Appl. no. 24014/07); Journalistin wurde aufgrund eines Artikels, in dem Sie über einen Korruptionsfall im Büro des regionalen Gouverneurs berichtete, vom Gouverneur auf Unterlassung und Entschädigung geklagt und zum Widerruf und einer (geringen) Entschädigung verurteilt; sie hatte geschrieben, dass der Gouverneur einen Mitarbeiter trotz schwerwiegender Vorwürfe (Missbrauch der Amtsgewalt und Körperverletzung) "um jeden Preis" zu schützen versucht habe; da die nationalen Gerichte keine ausreichende Abwägung (zwischen den berührten Interessen nach Art. 8 und 10 EMRK) vorgenommen hatten, und zudem der Eindruck entstehe, dass der Schutz der Ehre insbesondere bei Personen in öffentlicher Funktion in jedem Fall der Freiheit der Meinungsäußerung vorgehe, stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 5. März 2019, Uçar gegen Türkei (Appl. no. 53319/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Student hatte Petition für einen Kurs in kurdischer Sprache eingebracht und dazu Flugblätter verteilt, auf denen unter anderem "Viele Grüße nach İmralı" stand (Gefängnisinsel, auf der u.a. der PKK-Vorsitzende Öcalan inhaftiert ist); er wurde dafür wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu 10 Monaten Haft - deren Vollzug ausgesetzt wurde - verurteilt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, zumal die Flugblätter keinen Aufruf zu Hass oder Gewalt enthielten und nicht als "Hate Speech" zu beurteilen waren.
  • 26. Februar 2019, Augusté gegen Litauen (Appl. no. 65717/14); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerdeführerin ist Richterin; nach einer Beschwerde des Rechtsvertreters eines Klägers war eine Disziplinaruntersuchung gegen sie eingeleitet worden, die zum Ergebnis kam, dass sie ihre Pflicht zum fehlerfreien, zeitgerechten und professionellen Handeln ohne Verfahrensverzögerung nicht eingehalten hatte; eine Disziplinarstrafe wurde nicht verhängt; im darauffolgenden Jahr wurde neuerlich ein Disziplinarverfahren eingeleitet, in dem schließlich ein strikter Verweis ausgesprochen wurde; die Beschwerdeführerin habe in mehreren Zivilverfahren ("systematisch") Entscheidungen des Obergerichtes nicht befolgt (dies unter Berufung auf EuGH-Entscheidungen) und ihre vom Obergericht divergierende Rechtsansicht den Parteien mitgeteilt; das richterliche Ehrengericht kam zur Auffassung, die Beschwerdeführerin habe die Verfahren unangemessen verzögert, habe ihre richterlichen Pflichten nur sorglos erfüllt und sei nicht bereit, Fehler einzugestehen; vor dem EGMR machte sie geltend, sie sei wegen der von ihr in ihrer Rechtsprechung vertretenen Meinungen sanktioniert worden (außerdem erachtete sie sich im Vergleich zu einem anderen Richter ungleich behandelt); der EGMR kam zum Ergebnis, dass das Disziplinarverfahren im Wesentlichen wegen Verfahrensverschleppung und zur Frage, ob die Beschwerdeführerin ihre Pflichten als Richterin ordnungsgemäß erfüllen könne, geführt worden war; das ihr vorgeworfene Disziplinarvergehen habe keine Äußerungen von ihr im Zuge einer öffentlichen oder in den Medien geführte Debatte betroffen; damit hat, so der EGMR, kein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung stattgefunden; die Beschwerde wurde (einstimmig) wegen Unzulässigkeit ratione materiae zurückgewiesen.
  • 12. Februar 2019, Pais Pires de Lima gegen Portugal (Appl. no. 70465/12; Pressemitteilung); Rechtsanwalt hatte Disziplinaranzeige gegen einen Richter erstattet wegen dessen rüdem und parteilichem Verhalten und weil der Richter gemeinsam mit dem Prozessgegner zu dessen Vorteil gehandelt habe; der Anwalt wurde wegen der "haltlosen und böswilligen" Disziplinaranzeige zu einer Entschädigung von 50.000 € verurteilt; der EGMR sah zwar relevante und ausreichende Gründe für eine Haftung des Rechtsanwalts, zumal die Anschuldigungen unrichtig waren, beurteilte aber die Entschädigungssumme als exzessiv und nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; insbesondere waren die Anschuldigungen nur in einem Schreiben an den Hohen Rat der Gerichtsbarkeit enthalten; dass sie durch Leaks öffentlich wurden, war nicht dem Anwalt anzurechnen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Februar 2019, Grigoryev und Igamberdiyeva gegen Russland (Appl. no. 10970/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die zwei BeschwerdeführerInnen hatten "Solo-Demonstrationen" veranstaltet, bei denen sie jeweils alleine protestierten; sie konnten die Aktionen ungehindert durchführen, wurden aber danach von der Polizei angehalten, der Erstbeschwerdeführer auch vorübergehend in Haft genommen, die Zweitbeschwerdeführerin wegen eines Verwaltungsübertretung verfolgt (aber in der Folge - wie auch der Erstbeschwerdeführer - freigesprochen); Verletzung des Art. 10 (und Art. 5) hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers; die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wurde hingegen als unzulässig zurückgewiesen.
  • 12. Februar 2019, Nikolayev gegen Russland (Appl. no. 61443/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war von der Vorsitzenden des örtlichen Wahlausschusses (Direktorin einer Schule) als Mitglied dieses Ausschusses enthoben worden und protestierte dagegen vor der Schule anlässlich einer Schulfeierlichkeit und wurde einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 12. Februar 2019. Muchnik and Mordovin gegen Russland (Appl. nos. 23814/15 und 2707/16); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die BeschwerdeführerInnen hatten gegen die Nichtverlängerung der Rundfunklizenz für einen privaten regionalen TV-Veranstalter bzw. zur Unterstützung politischer AktivistInnen protestiert und wurden dafür einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt; Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin.
  • 12. Februar 2019, Ryklin und Sharov gegen Russland (Appl. nos.37513/15 and 37528/15); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführer waren wegen einer nicht angemeldeten Demonstration festgenommen worden; Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK.
  • 12. Februar 2019. Özbay gegen Türkei (Appl. no. ); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin wurde aufgrund zweier Artikel ("Die Märtyrer der Revolution sind unsterblich" und "Wir lassen Sie durch unseren Kampf leben!") wegen Propaganda für eine terroristische Organisation bzw. wegen Gutheißens von Verbrechen zu einer Haftstrafe und wegen eines weiteren Artikels zu einer - schließlich nachgesehen Geldstrafe verurteilt; Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK.
  • 12. Februar 2019, Campion gegen Frankreich (Appl. no. 35255/17; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte als Schausteller in den 1990er Jahren mit Dominique Strauss-Kahn, damals Bürgermeister von Sarcelles, im Hinblick auf die Übernahme eines Vergnügungsparks zu tun; 2011 - als Strauss-Kahn wegen eines Verfahrens in New York in den Medien war - hatte der Beschwerdeführer in einem Zeitungsinterview behauptet, Strauss-Kahn habe damals von ihm 5 Mio. Francs für eine Intervention verlangt, was als Vorwurf der Bestechlichkeit zu verstehen war; er wurde dafür zu einer bedingten Geldstrafe von 2.000 € und zu einer Entschädigung von 1.500 € verurteilt, da er seine Behauptung nicht belegen konnte; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 29. Jänner 2019, Cangı gegen Türkei (Appl. no. 24973/15); der Beschwerdeführer ist Anwalt und war Mitglied einer Initiative, die gegen die Zerstörung der antiken Stätten von Allianoi durch einen Dammbau kämpfte; gestützt auf ein Gesetz über den Zugang zu Informationen hatte er eine Kopie des Protokolls einer Sitzung des Rates für die Bewahrung des Kultur- und Naturerbes verlangt, in dem über Maßnahmen zum Schutz von Allianoi beraten und Maßnahmen beschlossen wurde; der Zugang wurde nicht gewährt, die Entscheidung wurde von den nationalen Gerichten bestätigt; der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Zugang zu Informationen keine ausreichende gesetzliche Grundlage hatte, da die Auslegung der Ausnahmebestimmung im Gesetz über den Zugang zu Informationen durch die nationalen Behörden und Gerichte den Grundsatz des Gesetzes (Zugang ist zu gewähren, wenn keine Ausnahme vorliegt) in sein Gegenteil verkehrt hatten
  • 22. Jänner 2019, Josip Šimunić gegen Kroatien (Appl. no. 20373/17; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; kroatischer Spieler der Fußball-Nationalmannschaft wurde wegen Anstachelung zu Hass aufgrund von Rasse, Nationalität oder Religion zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er bei einem Länderspiel mehrfach den Ustascha-Gruß "Za Dom - Spremni!" ("Für die Heimat - bereit!") machte, gemeinsam mit den Fans (siehe dieses Video); der EGMR wies die unter anderem auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (mehrheitlich) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 22. Jänner 2019, Taşkaya und Ersoy gegen Türkei (Appl. no. 72068/10); die Erstbeschwerdeführerin, eine Anwältin, hatte den aserbaidschanischen Generalkonsul angezeigt, weil er sie bedroht und beleidigt und ihren Schmuck gestohlen habe; in der Folge berichteten Medien über diesen Fall, in dem schließlich das Verfahren eingestellt wurde; der Generalkonsul wurde aber von seinem Posten entlassen, wobei in Medienberichten ein Zusammenhang mit der Beziehung zur Erstbeschwerdeführerin hergestellt wurde, wobei auch die behauptet wurde, gegen die Anwältin werde wegen Erpressung und Scheckfälschung ermittelt; die Anwältin brachte im eigenen Namen und im Namen ihres Sohnes (Zweitbeschwerdeführer) Klage auf Entschädigung wegen Rufschädigung ein; diese wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen, da die Fakten richtig berichtet wurden und die Bericht im öffentlichen Interesse gewesen seien; der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) - in Abwägung mit den nach Art. 10 EMRK geschützten Rechten der Presse - als unbegründet ab.
  • 22. Jänner 2019, Fatih Taş gegen Türkei (Appl. no. 51508/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Eigentümer und Chefredakteur eines Verlags, wurde aufgrund eines Buchs, in dem 18 PKK-Mitglieder je ein Kapitel über ihren bewaffneten Kampf schrieben, wegen Propaganda für eine terroristische Organisation angeklagt und in erster Instanz verurteilt; das Verfahren wurde in der Folge - nach einem Rechtsmittel des Beschwerdeführers - aber wegen Verjährung ohne Verurteilung eingestellt; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 22. Jänner 2019, Said Abdul Salam Mubarak gegen Dänemark (Appl. no. 74411/16); Unzulässigkeitsentscheidung; marokkanischer Staatsangehöriger, dessen Auslieferung u.a. wegen Mordes von Marokko beantragt worden war, wurde in Dänemark, wo er seit 1979 lebte, wegen Propaganda für terroristische Organisationen wie al-Qaeda verurteilt; außerdem wurde der Verlust der (zusätzlichen) dänischen Staatsbürgerschaft ausgesprochen und er wurde aus Dänemark ausgewiesen; der EGMR wies die auf Art. 3, 8 und 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück (im Hinblick auf Art. 10 EMRK mit sehr knapper Begründung unter Hinweis auf die Entscheidung vom 17. April 2018 im Fall ROJ TV A/S gegen Dänemark.
  • 22. Jänner 2019, Mehmet Aytunç Altay gegen Türkei (Appl. no. 10783/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerdeführer wurde wegen terroristischer Propaganda in fünf Artikeln für eine Zeitschrift angeklagt, aber in teilweise freigesprochen; teilweise wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt; der EGMR prüfte nicht, ob der Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft hatte und ihm noch Opferstatus zukam (beides von der türkischen Regierung bestritten), da - für den Fall, dass man einen Eingriff annehme - dieser gesetzlich begründet war und im Hinblick auf die den bewaffneten Kampf lobenden Passagen (die als Entschuldigung für Gewaltanwendung - une apologie de la violence - anzusehen waren) in den Artikeln auch als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden kann; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 22. Jänner 2019, Fatih Taş gegen Türkei (Appl. no. 33528/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Eigentümer und Herausgeber eines Verlags, wurde aufgrund einiger Passagen in einem von ihm veröffentlichten buch über das Leben eines PKK-Kämpfers wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zunächst verurteilt, in der Folge aber - nach einem Urteil des Verfassungsgerichts - freigesprochen; der EGMR sah den Eingriff - falls man einen solchen annehmen möchte (was er offen lässt) - als gerechtfertigt an, da der bewaffnete Kampf in zustimmenden und lobenden Worten geschildert worden war, was als Entschuldigung für Gewaltanwendung anzusehen ist; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 22. Jänner 2019, Fatih Taş gegen Türkei (Appl. no. 51512/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Eigentümer und Herausgeber eines Verlags, wurde wegen Propaganda für die PKK angeklagt und zunächst verurteilt, in der Folge wurde das Verfahren aber wegen Verjährung eingestellt; der EGMR sah den Eingriff - falls man einen solchen annehmen möchte (was er offen lässt) - als gerechtfertigt an, da in lyrischer Form eine illegale bewaffnete Organisation und deren Handlungen gepriesen worden waren, was als Entschuldigung für Gewaltanwendung anzusehen ist; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet.
  • 22. Jänner 2019, Barış Güllü gegen Türkei (Appl. no. 70769/11); Unzulässigkeitsentscheidung; Eigentümer und Herausgeber einer monatlich erscheinenden Zeitschrift; wurde zunächst wegen Propaganda für eine terroristische Organisation verurteilt, in der Folge wurde das Verfahren aber wegen Verjährung ohne Verurteilung eingestellt; außerdem wurde eine Ausgabe der Zeitschrift beschlagnahmt; die Beschwerde wurde vom EGMR hinsichtlich des Strafverfahrens wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs, hinsichtlich der Beschlagnahme wegen Verfristung als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen
  • 15. Jänner 2019, Mătăsaru gegen Republik Moldau (Appl. nos. 69714/16 und 71685/16; Pressemitteilung); Aktivist hatte vor dem Büro des Obersten Staatsanwalts zwei große hölzerne Skulpturen eines Penis und einer Vulva mit Bildern des Parlamentspräsidenten und hochrangiger Staatsanwälte aufgebaut, um damit gegen Korruption und politische Einflussnahme zu protestieren; wurde dafür zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt (siehe Medienberichte mit Fotos dazu hier und hier); der EGMR sah die Haftstrafe, auch wenn sie nur bedingt ausgesprochen wurde, als offenkundig unverhältnismäßig und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 15. Jänner 2019, Karatekin gegen Türkei (Appl. no. 21807/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Bauingenieur, Vorsitzender der Bauingenieurskammer in Diyarbakır und Mitglied einer Demokratieplattform; er wurde aus seiner Stellung im öffentlichen Dienst einer Regionalbank entlassen, weil er nach der Verhaftung Abdullah Öcalans eine Mitteilung der Demokratieplattform veröffentlichte, in der die Regierung (unter anderem) zur Einhaltung der Menschenrechte aufgefordert worden war; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), weil die nationalen Gerichte keine ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf freie Meinungsäußerung angegeben haben.
  • 15. Jänner 2019, Alınak gegen Türkei (Appl. no. 50868/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte in einem E-Mail an die Gemeinde vorgeschlagen, Parks und Straßen nach Personen des öffentlichen Lebens, die strafgerichtlich verurteilt worden waren, zu benennen und in einem TV-Interview gesagt, Abdullah Öcalan werde ungerecht behandelt; er wurde dazu wegen Gutheißung von Verbrechen zu Geldstrafen verurteilt, die wegen Nichtbezahlung in Haftstrafen umgewandelt wurden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), weil die nationalen Gerichte keine ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf freie Meinungsäußerung angegeben haben.
  • 15. Jänner 2019, Çiftçi gegen Türkei (Appl. no. 47871/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Lehrer und lokaler Gewerkschaftsführer; er hatte auf einem TV-Sender über Aktivitäten der Gewerkschaft zur Einrichtung kurdischer Sprachkurse gesprochen und wurde dafür vom Disziplinarrat entlassen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), weil die nationalen Gerichte keine ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf freie Meinungsäußerung angegeben haben.
  • 15. Jänner 2019, Baydemir gegen Türkei (Appl. no. 47884/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war Bürgermeister von Diyarbakır, wurde wegen Gutheißung von Verbrechen zu einer Geldstrafe verurteilt aufgrund zweier Reden, die er bei einer Demonstration nach dem Begräbnis von 14 Mitgliedern einer verbotenen Organisation, die von der Polizei getötet worden waren, gehalten hatte; der EGMR hielt fest, dass die Reden die Demonstranten beruhigen sollten und keine Aufrufe zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder Aufstand enthielten und auch nicht als Hassrede zu beurteilen waren; Verletzung des Art, 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Jänner 2019, Khadija Ismayilova gegen Aserbaidschan (Appl. nos. 65286/13 und 57270/14; Pressemitteilung; legal summary); Investigativjournalistin; publizierte Artikel über Korruption in der Präsidentenfamilie; wurde bedroht, in der Folge wurden intime Videos von ihr veröffentlicht und in Zeitungen wurde sie wegen unmoralischen Verhaltens und einer Voreingenommenheit gegen die Regierung beschuldigt; später entdeckte sie viele heimlich installierte Kameras in ihrer Wohnung; ihre Beschwerden und Anträge bei nationalen Behörden und Gerichten bleiben erfolglos; der EGMR kam einstimmig zum Ergebnis, dass der Staat seine positiven Verpflichtungen zum Schutz der Rechte der Journalistin nach Art. 8 und 10 EMRK verletzt habe (eine - von der Beschwerdeführerin vermutete - direkte staatliche Verantwortung für die Aktionen konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden).
  • 8. Jänner 2019, Williamson gegen Deutschland (Appl. no. 64496/17; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Mitglied der Priesterbruderschaft St. Pius X., er gab während eines Aufenthalts an einem Priesterseminar in Bayern einem schwedischen TV-Sender ein Interview, in dem er die Existenz von Gaskammern und die Ermordung von sechs Millionen Juden im Nazi-Regime leugnete; das Interview wurde in Schweden ausgestrahlt, war aber auch über Streaming abrufbar, zudem wurde es auch dem Spiegel zur Verfügung gestellt, der darüber berichtete; der Beschwerdeführer wurde wegen seiner Aussagen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1.800 € verurteilt; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; er hielt fest, dass der Beschwerdeführer sein Recht auf freie Meinungsäußerung mit der Absicht nutzen wollte, um Ideen zu fördern, die gegen den Wortlaut und Geist der EMRK sind, was bei der Beurteilung der "Notwendigkeit" des Eingriffs besonders in Gewicht fällt.
  • 8. Jänner 2019, Prunea gegen Rumänien (Appl. no. 47881/11; legal summary); der Beschwerdeführer, ein Universitätsprofessor und Publizist, hatte in einer Zeitung einen Artikel mit der Überschrift "Warnung! Auch er will ins Parlament" geschrieben, in dem er einem Kandidaten für die Parlamentswahl Hochstapelei vorwarf und dass er ein Darlehen nicht zurückgezahlt habe und auf die Immunität als Abgeordneter hoffe; er wurde dafür zu einer Entschädigung von 5.000 € verurteilt; der EGMR hielt zwar fest, dass der Kandidat für eine Parlamentswahl als "public figure" ein höheres Maß an Kritik tolerieren müsse, er kam aber mit 5:2 Stimmen zum Ergebnis, dass dennoch keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorliege, weil der Angriff auf den Kandidaten - mit dem Vorwurf, ein Hochstapler zu sein, der bereit sei, seine Wähler wegen finanzieller Vorteile zu betrügen - ein schwerer Angriff auf dessen Ehre ist und die nationalen Gerichte eine ausreichende Abwägung vorgenommen haben; dabei wurde berücksichtigt, dass der Vorwurf eine einseitige Sichtweise auf einen privaten Rechtsstreit unter Unternehmern gewesen sei und der Beschwerdeführer die Mindestanforderungen an (journalistische?) Sorgfalt nicht eingehalten habe; dem widersprechen die Richter De Gaetano und Vehabović in einem abweichenden Votum.
2018
  • 11. Dezember 2018, Brisc gegen Rumänien (Appl. no. 26238/10; Pressemitteilung; legal summary); Absetzung eines leitenden Staatsanwalts und Pressesprechers der Staatsanwaltschaft wegen eines TV-Interviews zu einem Ermittlungsverfahren von öffentlichem Interesse (Korruptionsverdacht gegen Haftrichterin, der zu einer verdeckten Polizeioperation geführt hatte, in deren Zug die Verdächtige auf frischer Tat betreten wurde); der Staatsanwalt hatte nur allgemeine Informationen gegeben, keine vertraulichen Infos preisgegeben, die Unschuldsvermutung nicht verletzt und Verdächtige nicht namentlich genannt (dass diese nach zusätzlichen Infos des TV-Journalisten doch identifiziert werden konnte, schadete nicht); der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (mit 5:2 Stimmen, abweichende Meinung des Richters Kūris, der die Richterin Yudkivska beitritt; er führt aus, dass der Fall unter Art. 8, nicht unter Art. 10 EMRK hätte beurteilt werden müssen; als staatliches Organ habe der Staatsanwalt nicht von der Freiheit der Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, sondern eine Pflicht erfüllt).
  • 11. Dezember 2018, Rodionov gegen Russland (Appl. no. 9106/09); Drogenhändler, beschwerte sich u.a. gegen die Beschlagnahme von Zeitungen, Zeitschriften und eines Radios während seiner Haft; der EGMR sah die Beschlagnahme des Radios als gerechtfertigt an (da den Häftlingen nach dem Gesetz ein Radio nicht erlaubt war und stattdessen ein fix verbautes Radio im Gefängnis vorhanden war), anders bei den Zeitschriften: es war nicht festgestellt worden, dass diese eine Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit darstellen, die Ordnung im Gefängnis stören oder zur Begehung von Straftaten dienen würden; allein der Umstand, dass sie nicht über die Anstaltsleitung erworben wurden, reicht nicht aus, um die beschlagnahme zu rechtfertigen; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Dezember 2018, Słomka gegen Polen (Appl. no. 68924/12; Pressemitteilung); ein Aktivist, der unter dem kommunistischen Regime inhaftiert war, protestierte bei der Urteilsverkündung im Verfahren gegen Mitglieder des Militärrats, der 1981 das Kriegsrecht verhängt hatte; er sprang hinter die Richterbank und rief Slogans wie zB "das ist eine Verhöhnung des Rechts"; dafür wurde er zu 14 Tagen Haft wegen Missachtung des Gerichts verurteilt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest, weil das Verfahren von den selben Richtern geführt worden war, die auch von der Missachtung des Gerichts betroffen waren, und damit in einem Verfahren, das mit einer Haftstrafe endete, die Ankläger- und Richterfunktion vereint war, was die objektive Vermutung der Befangenheit begründet; die Verurteilung stellte einen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit dar, und weil sie in Verletzung der Garantien des Art. 6 EMRK erfolgte, kann sie auch nicht als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erachtet werden; daher wurde auch (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt.
  • 4. Dezember 2018, Tosheva gegen Bulgarien (Appl. no. 32638/11); Chefredakteurin einer Lokalzeitung, wurde zu einer Entschädigung von 5.600 € an eine Ärztin verurteilt, wegen eines Artikels mit der Überschrift "Ärztin erschreckt Patienten mit fataler Diagnose", in dem über einen Krebs-Verdacht berichtet wurde, den die Ärztin nach einem Röntgenbild geäußert hatte; der vermeintliche Tumor war aber nur der Schatten eines Muttermals; im Verfahren vor den nationalen Gerichten stellte der beigezogene gerichtliche Sachverständige fest, dass die Ärztin korrekt und den Regeln des ärztliche Berufs gemäß gehandelt hatte; der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 4. Dezember 2018, Bild GmbH & Co KG und Axel Springer AG gegen Deutschland (Appl. nos. 62721/13 und 62741/13; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Veröffentlichung eines Fotos, das einen bekannten Journalisten und Wettermoderator zeigt, der wegen des Verdachts, er habe ein Sexualdelikt begangen (von dem er später freigesprochen wurde), in Untersuchungshaft genommen wurde; das Foto zeigte den Betroffenen mit nacktem Oberkörper im Gefängnishof und wurde verdeckt aufgenommen; auf Antrag des Betroffenen wurde Bild die Veröffentlichung des Bildes untersagt; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; der Abgebildete sei zwar eine public figure, aber das Foto wurde verdeckt aufgenommen, in einer Umgebung, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich war und damit auch in einer Situation, in der damit nicht zu rechnen war, und es hatte keinen weiteren Informationswert musste.
  • 4. Dezember 2018, Magyar Jeti Zrt gegen Ungarn (Appl. no. 11257/16; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführerin betreibt das Online- News-Portal www.444.hu; in einem Bericht über einen rassistischen Angriff auf eine überwiegend von Roma besuchte Schule verlinkte sie ein YouTube-Video mit einem Interview eines Roma-Vertreters, der die Jobbik-Partei für den Vorfall verantwortlich machte; Jobbik klagte unter anderem auch die Betreiber des News-Portals, die schuldig befunden wurden, kreditschädigende Statements verbreitet zu haben, wobei es auf den guten Glauben nicht ankomme; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da das ungarische Recht keine Möglichkeit bot, sich der strikten Haftung zu entziehen; das Posten eines Links könne nicht mit der Verbreitung kreditschädigender Inhaltre gleichgesetzt werden; die Frage der Haftung bedarf einer Einzelfallprüfung anhand von Kriterien, die der EGMR in Abs. 77 des Urteils wie folgt darlegt: "(i) did the journalist endorse the impugned content; (ii) did the journalist repeat the impugned content (without endorsing it); (iii) did the journalist merely put an hyperlink to the impugned content (without endorsing or repeating it); (iv) did the journalist know or could reasonably have known that the impugned content was defamatory or otherwise unlawful; (v) did the journalist act in good faith, respect the ethics of journalism and perform the due diligence expected in responsible journalism?" Ausführliches zustimmendes Sondervotum des portugiesischen Richters Pinto de Albuquerque (siehe dazu den Beitrag von Oliver Fairhurst auf Inforrm's Blog und von Carl Vander Maelen auf Strasbourg Observers).
  • 27. November 2018, Herman-Bischoff gegen Deutschland (Appl. no. 28482/13); Unzulässigkeitsentscheidung; deutsche Ex-TV-Moderatorin, hatte auf einer Pressekonferenz über ein von ihr verfasstes Buch unter anderem gesagt: "Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles was wir an Werten hatten – [...] – das wurde abgeschafft." In einem Artikel im Hamburger Abendblatt über diese Pressekonferenz findet sich die Passage: "In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, [...]". Herman-Bischoff sah sich falsch zitiert und klagte, bekam aber vom BGH (Urteil, Pressemitteilung) und vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss, Pressemitteilung) nicht recht; auch mit ihrer auf die Art. 6, 8 und 10 EMRK gestützten Beschwerde scheiterte sie: der EGMR wies sie (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück: zum einen habe die Zusammenfassung keinen Inhalt gehabt, der in der Pressekonferenz nicht vorgekommen wäre, zum anderen sei die Ironie für die Leser leicht erkennbar gewesen.
  • 27. November 2018, da Silva Vinhas gegen Portugal (Appl. no. 64620/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Lehrer, hatte nach einem gegen ihn geführten, aber schließlich eingestellten Disziplinarverfahren in zwei E-Mails an Kollegen, eine Elternvereinigung, einen Lehrerverband und eine Schülervereinigung Vorwürfe gegen den Direktor erhoben, die teilweise als - unwahre - Tatsachenbehauptungen beurteilt wurden; er wurde dafür zu einer Geldstrafe von € 1.620 verurteilt: der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 27. November 2018, Talu gegen Türkei (Appl. no. 63465/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Kolumnist einer Tageszeitung wurde zu einer Entschädigung an einen Staatsanwalt verurteilt, weil er - in einem Artikel, der sich mit Druck der Justiz auf Journalisten wegen der Berichterstattung über das "Malatya-Massaker" befasste - von einem "Hand in Hand"-Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und den Killern geschrieben hatte ("certains sont ‘main dans la main avec les tueurs’"); der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung fest, weil die nationalen Gerichte keine nachvollziehbare Abwägung vorgenommen hatten.
  • 27. November 2018, Gürbüz gegen Türkei (Appl. no. 41982/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Vorsitzende einer Vereinigung für soziale Solidarität und Kultur von Migranten, wurde aufgrund eines von dieser Vereinigung veröffentlichten Berichts über Zwangsabschiebungen wegen Aufrufs zu Hass und Gewalt aufgrund von Herkunft nach einem sieben Jahre dauernden Strafverfahren zunächst zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt, nach Erhebung eines Rechtsmittels wurde das Verfahren dann ein weiteres Jahr später wegen Verjährung eingestellt; der EGMR sah trotz letztlich erfolgter Einstellung des Strafverfahrens einen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit, weil das Verfahren so lange gedauert hatte; der Bericht war zudem kritisch, aber kein Aufruf zu Hass oder Gewalt, daher wurde einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt.
  • 20. November 2018, Galkin gegen Russland (Appl. no. 5497/18; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschränkung des Zugangs der Öffentlichkeit zu einer Gemeinderatssitzung; wurde vom EGMR (einstimmig) wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurückgewiesen.
  • 20. November 2018, Toranzo Gomez gegen Spanien (Appl. no. 26922/14; Pressemitteilung; legal summary); Aktivist, der sich gegen die Räumung eines Gebäudes zur Wehr setzte, hatte sich in einem dort gegrabenen Tunnel angekettet; die Polizei versuchte ihn mit Seilen herauszuziehen; der ärztliche Bericht stellte in der Folge eine Prellung am Handgelenk fest; der Aktivist bezeichnete das Vorgehen der Polizei mehrfach als "Folter" und wurde deshalb wegen Verleumdung verurteilt, da keine Folter im strengen strafrechtliche Sinn vorlag; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; der Begriff "Folter" sei umgangssprachlich verwendet worden, es handelt sich um ein Werturteil, das angesichts der von der Polizei angewandten Methoden eine ausreichende Tatsachengrundlage hatte; die Abwägung war von den spanischen Gerichten nicht ausreichend vorgenommen worden.
  • 20. November 2018, Günana u.a. gegen Türkei (Appl. nos. 70934/10, 6560/11, 23599/12, 39367/12 und 66687/12; legal summary); Beschlagnahme von Manuskripten, die von den - eine Freiheitsstrafe verbüßenden - Beschwerdeführern im Gefängnis geschrieben wurden; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da die Beschlagnahmen nicht auf ausreichender gesetzlicher Grundlage erfolgten und damit nicht im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK "gesetzlich vorgeschrieben" waren.
  • 13. November 2018, de Melo Champalimaud gegen Portugal (Appl. no. 77494/17); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer ist ein Geschäftsmann, Sohn eines bekannten Bankiers und Industriellen, der einmal reichster Mann Portugals war; eine Zeitung berichtete unter der Schlagzeile "Millionär einer Körperverletzung wegen 100 Euro beschuldigt", dass der Beschwerdeführer mit einer Hausangestellten wegen ihres Gehalts gestritten und sie tätlich angegriffen hatte; die Hausangestellte sei im Spital gewesen und habe Anzeige erstattet (das Verfahren wurde später eingestellt, nachdem die Hausangestellte ihre Beschwerde zurückzog); die nationalen Gerichte gaben der Klage des Beschwerdeführers gegen die Zeitung wegen dieses Berichts nicht statt (sprachen ihm aber eine Entschädigung von 500 € aufgrund der User-Kommentare unter dem Bericht zu); der EGMR wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde - unter Berücksichtigung der Abwägungsgrundsätze nach Art. 10 EMRK - einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 13. November 2018, Times Newspapers Ltd und Dominic Kennedy gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 64367/14); Unzulässigkeitsentscheidung; den Beschwerdeführern war der Zugang zu Informationen betreffend eine Untersuchung des "Mariam Appeal" verweigert worden, auf der Grundlage einer Bestimmung des UK Freedom of Information Act, wonach kein Zugang zu Dokumenten gewährt werden darf, die der Behörde nur im Zuge eines formelle Untersuchungsverfahrens ("inquiry") zugekommen ist; der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück, da es - wie der UK Supreme Court auch gesehen hatte - ein anderes effektives Rechtsmittel (Zugang nach dem Charities Act) gegeben hätte; dieses alternative Rechtsmittel sei zwar damals in der Rechtsprechung noch nicht klar gewesen, der zweite Beschwerdeführer habe es allerdings in der Folge auch gewählt, wobei er Zugang zu 624 von 775 beantragten Dokumenten erhielt und diese Entscheidung unbekämpft ließ; in diesen besonderen Umständen, so der EGMR, wäre hier noch der Rechtsmittelweg auszuschöpfen gewesen.
  • 13. November 2018, Dimitrov gegen Bulgarien (Appl. no. 69725/10); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte in einem Zeitungsinterview betreffend einen Verkehrsunfall, in dem er involviert war, Vorwürfe gegen einen an den Ermittlungen beteiligten Polizisten erhoben; dieser habe den Fall von einem eigentlich zuständigen Kollegen übernommen, weil er ein alter Freund des anderen Unfallbeteiligten sei; der Beschwerdeführer wurde deshalb wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt, da es sich um den Vorwurf eines Amtsmissbrauchs gehandelt und die Behauptung sich als falsch erwiesen habe; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; anders als im Fall Marinova hatte sich der Beschwerdeführer nicht zuerst an die Vorgesetzten des Polizisten gewandt, sondern von vornherein nur an die Presse, und hatte eine Publikation der Vorwürfe angestrebt.
  • 13. November 2018, La Présidence du Parti pour le Salut du Peuple (Halkın Kurtuluş Partisi Genel Başkanlığı) gegen Türkei (Appl. no. 47847/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verwaltungsstrafen wegen der Anbringung politischer Plakate; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die Entscheidungen der nationalen Gerichte weder erkennen ließen, wie die notwendige Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vorgenommen worden war, noch wie ein Missbrauch durch die Verwaltung hintangehalten werden sollte.
  • 8. November 2018, Narodni List gegen Kroatien (Appl. no. 2782/12; Pressemitteilung; legal summary); die Wochenzeitung Narodni List war zu einer Entschädigung von rund 6.870 € an einen Richter verurteilt worden, weil sie einen kurzen Artikel über einen Richter des Bezirksgerichts Zadar veröffentlicht hatte mit einem Bild dieses Richters und der Überschrift "Richter B. sollte an den Pranger"; der Artikel befasste sich mit der - nach Ansicht der Journalisten mit dem richterlichen Ethik-Kodex unvereinbaren - Teilnahme des Richters an der Eröffnungsfeier einer Zeitung, die von einem umstrittenen lokalen Unternehmer herausgegeben wurde (zur Vorgeschichte ist relevant, dass dieser Richter zwei Jahre zuvor eine Durchsuchung der Redaktionsräume von Narodni List und der Kameras ihrer Pressefotografen wegen angeblich unerlaubten Fotografierens einer Richterin des Gerichts genehmigt hatte); der EGMR kam zum Ergebnis, dass der Eingriff - insbesondere im Hinblick auf die Höhe der zugesprochenen Entschädigung - nicht "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war: Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. November 2018, Resuloğlu gegen Türkei (Appl. no. 13945/05); Unzulässigkeitsentscheidung; Richter, der wegen Amtsmissbrauch entlassen worden war, hatte erfolglos gegen mehrere Journalisten Klage erhoben, die über die der Verurteilung zugrundeliegenden Verfahren berichtet hatten; die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde wurde teilweise wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs bzw. wegen mangelnder Begründung zurückgewiesen; im Übrigen erwies sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet: die nationalen Gerichte hatten eine Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK und dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK vorgenommen und dabei berücksichtigt, dass die Berichterstattung über Korruption in der Justiz in öffentlichem Interesse lag.
  • 30. Oktober 2018, Kaboğlu und Oran gegen Türkei (Appl. nos. 1759/08, 50766/10 und 50782/10; Pressemitteilung); die Beschwerdeführer sind Universitätslehrer, die als Mitglieder eines Beirats für Minderheitenrechte einen Bericht über den Minderheitenschutz in der Türkei mit verantworteten; sie wurden daraufhin in Zeitungsartikeln angegriffen; die von den Beschwerdeführern gegen die Zeitungen und die Beitragsverfasser angestrengten Entschädigungsklagen wurden von den nationalen Gerichten verworfen; der EGMR hielt fest, dass einige Passagen in den Artikeln direkt oder indirekt zu Gewalt aufriefen oder diese rechtfertigten; außerdem wurden stigmatisierende Begriffe für die Autoren verwendet (wie "Verräter", "Spion" oder "subversive Elemente, die die Todesstrafe verdienen würden"); der EGMR kam zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte keinen fairen Ausgleich zwischen dem Recht der Beschwerdeführer auf Schutz ihres Privatlebens und der Pressefreiheit hergestellt hatten; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig). (Siehe dazu auch den Beitrag von Sophia Sideridou auf Strasbourg Observers)
  • 25. Oktober 2018, E.S. gegen Österreich (Appl. no. 38540/12; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung wegen Herabwürdigung religiöser Lehren aufgrund von Vorträgen über "Grundlagen des Islam" am Bildungsinstitut der FPÖ (siehe OGH vom 11.12.2013); keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig) (siehe dazu die Beiträge von Rosalind English auf UK Human Rights Blog, von Marko Milanovic auf EJIL: Talk!, von Steve Peers auf EU Law Analysis, von Andreas Th. Müller auf Verfassungsblog und von Stijn Smet auf Strasbourg Observers).
  • 23. Oktober 2018, Wanner gegen Deutschland (Appl. no. 26892/12; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war u.a. wegen schweren Raubes (mit drei unbekannten Mittätern) rechtskräftig verurteilt worden und danach im Verfahren gegen die noch unbekannten Mittäter als Zeuge befragt worden; wegen des Inhalts der Zeugenaussage wurde er in der Folge wegen unbeeideter Falschaussage verurteilt; der EGMR wies die auf Art. 6 und Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; selbst wenn man die Verurteilung als Eingriff sähe (was der EGMR offen ließ), wäre der Eingriff jedenfalls durch Art. 10 Abs. 2 EMRK gedeckt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig.
  • 18. Oktober 2018, Annen gegen Deutschland (Nr. 6) (Appl. no. 3779/11); Abtreibungsgegner, hatte in einer Presseaussendung die Tätigkeit eines namentlich genannten Stammzellenforschers mit dem Mord an Juden in der Nazizeit verglichen und war dafür wegen Beleidigung zu 30 Tagsätzen zu je 15 € verurteilt worden; der EGMR sah darin (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 16. Oktober 2018, Shkitskiy und Vodoratskaya gegen Russland (Appl. nos. 27863/12 und 66513/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die BeschwerdeführerInnen, Mitglieder des Vorstands der regionalen Anwaltskammer, wandten sich nach einem Rechtsstreit um die Wahl des/der Vorsitzenden der Anwaltskammer mit einem Beschwerdeschreiben an die Präsidenten des Handelsgerichts, des obersten Handelsgerichts und des "Supreme Judicial Qualifications Board" und übten darin Kritik an einer Richterin; die Beschwerde wurde auch auf der Website des russischen Präsidenten gepostet; in der Folge wurden sie aus der Anwaltskammer ausgeschlossen; der EGMR beurteilte dies - unter Hinweis auf das Urteil Kabanov - als unverhältnismäßig schwere Sanktion, insbesondere wegen des chilling effects; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Oktober 2018, Aktan gegen Türkei (Appl. no. 41839/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteurin einer Tageszeitung; Verurteilung, weil sie Abdullah Öcalan in zwei Artikeln als "Führer des kurdischen Volkes" bezeichnet hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Oktober 2018, Aydemir und Karavil gegen Türkei (Appl. no. 16624/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Unterzeichnung einer Petition in der Abdullah Öcalan als politischer Akteur anerkannt wurde; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Oktober 2018, Gül gegen Türkei (Appl. no. 14619/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung, weil er bei einer Newroz-Veranstaltung in einer Rede Abdullah Öcalan als "Sayın" bezeichnet hatte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Oktober 2018, Fedchenko gegen Russland (Nr. 3) (Appl. no. 7972/09); Fedchenko gegen Russland (Nr. 4) (Appl. no. 17221/13); Fedchenko gegen Russland (Nr. 5) (Appl. no. 17229/13); Redakteur einer Wochenzeitung; Verurteilungen wegen übler Nachrede (Nr. 3: Vorwurf gegenüber Regionalpolitiker, einen Dienstwagen privat verwendet zu haben; Nr. 4: Bezug eines stv. Gouverneurs zu Landbetrug; Nr. 5: Vorwurf der Begünstigung gegen Gouverneur zugunsten eines Shoppingcenters, das gegen Brandschutzvorschriften verstieß); in allen Fällen: Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Oktober 2018, Erkem gegen Türkei (Appl. no. 38193/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Rechtsanwältin und Mitglied des Komitees zur Verhütung von Folter, wurde wegen Äußerungen in einer Pressekonferenz zu Unruhen in einem Gefängnis unter Anklage gestellt, aber nach eineinhalb Jahren freigesprochen; der EGMR kam zum Ergebnis, dass kein Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht vorlag (die Anwältin war nicht festgenommen worden, das Verfahren dauerte nur eineinhalb Jahre, sie wurde bei der ersten Verhandlung freigesprochen und hat nicht dargelegt, dass das Verfahren für sei "inconvénient" gewesen wäre oder eine abschreckende Wirkung gehabt hätte); die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 2. Oktober 2018, Aydin gegen Türkei (Appl. no. 293/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Staatsanwalt, gegen den eine interne Untersuchung wegen einer Dienstpflichtverletzung durchgeführt worden war, hatte die Untersuchung gegenüber einer Tageszeitung auf eine persönliche Feindseligkeit des Justiz-Inspektors zurückgeführt; er wurde dafür zu einer Entschädigung verurteilt, ebenso für den in einer Beschwerde an das Ministerium enthaltenen Vorwurf des Amtsmissbrauchs durch den Inspektor; die Beschwerde wurde hinsichtlich der ersten Verurteilung wegen verspäteter Einbringung, hinsichtlich der zweiten Verurteilung als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, da die nationalen Gerichte eine detaillierte Abwägung vorgenommen hatten und kein Anhaltspunkt dafür vorlag, dass der Beurteilungsspielraum überschritten worden wäre (einstimmig).
  • 25. September 2018, Dybek gegen Polen (Appl. no. 62279/16); Unzulässigkeitsentscheidung; Präsident einer Wohnungsgenossenschaft, hatte sich in einem Interview kritisch über Geschäfte einer anderen Wohnungsgenossenschaft geäußert und den Vorwurf einer Schädigung deren Mitglieder erhoben; wurde zur Zurücknahme dieser Vorwürfe und zu einer Entschädigung von ca. 1.250 € verurteilt; der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet ab, da die nationalen Gerichte schon zum Ergebnis gekommen waren, dass die Vorwürfe, auch wenn man sie als Werturteile verstehen würde, keine faktische Grundlage hatten.
  • 25. September 2018, Polat und Tali gegen Türkei (Appl. no. 5782/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die BeschwerdeführerInnen hatten eine Ausstellung mit Bildern toter Mitglieder der PKK veranstaltet und wurden wegen Verbreitung von Propaganda für die PKK verurteilt (insbesondere weil sie vom Konflikt zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK als "Krieg" gesprochen hatten und Mitglieder der PKK als "Guerillas" bezeichnet hatten); der EGMR beurteilte dies nicht als Aufruf zu Gewalt und stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 25. September 2018, Ayaydın gegen Türkei (Appl no. 20509/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer war wegen der Teilnahme an einer Demonstration und der Verlesung einer Presseerklärung der DTP verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 25. September 2018, Yüksel gegen Türkei (Appl no. 30682/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war wegen einer Rede auf einer Newroz-Veranstaltung und Aufrufs zu einer Schweigeminute für "die Newroz-Märtyrer" verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 25. September 2018, Kınık gegen Türkei (Appl. no. 39047/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Bezirksvorsitzender der Partei DEHAP, wurde wegen der Verlesung einer Presseerklärung am Jahrestag der Verhaftung Öcalans verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 25. September 2018, Varhan gegen Türkei (Appl. no. 2433/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; verurteilt wegen Verbreitung von Propaganda für die PKK bei einer Newroz-Veranstaltung; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 25. September 2018, Düzel gegen Türkei (Appl no. 64375/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war wegen eiens Transparents, das sie auf einer Versammlung gehalten hatte ("Die Menschlichkeit wird vergiftet", anspielend auf Gerüchte, dass Öcalan vergiftet würde) verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. September 2018, Annen gegen Deutschland Nr. 2 (Appl. no. 3682/10), Annen gegen Deutschland Nr. 3 (Appl. no. 3687/10), Annen gegen Deutschland Nr. 4 (Appl. no. 9765/10), Annen gegen Deutschland Nr. 5 (Appl. no. 70693/11); (gemeinsame Pressemitteilung); Unterlassungsverfügungen gegen Anti-Abtreibungsaktivisten, der Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, mit Mördern und KZ-Kommandanten verglich und Abtreibungen mit dem Holocaust; der EGMR sah in allen vier Fällen zwar einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung, der aber in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, sodass keine Verletzung des Art. 10 EMRK festgestellt wurde (jeweils einstimmig).
  • 20. September 2018, Jishkariani gegen Georgien (Appl. no. 18925/09; Pressemitteilung); Psychiaterin und Vorsitzende einer NGO, die sich mit der Rehabilitation von Folteropfern befasst; ihr wurde vom Justizminister im TV und in einem Zeitungsinterview vorgeworfen, sie hätte gegen Geld falsche Atteste für Gefangene erstellt, so dass diese in Spitäler überstellt werden konnten; ihre Klage wegen übler Nachrede blieb vor den nationalen Gerichten erfolglos, da sich der Minister auf seine Meinungsäußerungsfreiheit habe berufen können, auch wenn seine Aussagen teilweise unrichtig gewesen sein mögen; der EGMR hielt fest, dass die Aussagen des Ministers zwar zu einer wichtigen Debatte von allgemeinem Interesse (ordnungsgemäße Verwaltung der Gefängnisse) ergangen waren und es sich bei der Psychiaterin um eine "public figure" handelte, aber auch wenn man die Aussagen des Ministers als Werturteile betrachtet, fehlte die Tatsachengrundlage; die EMRK biete keine Grundlage dafür, dass man schwere öffentliche unrichtige Anschuldigungen eines Regierungsmitglieds hinnehmen müsste; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 18. September 2018, Kurt gegen Türkei (Appl. no. 9763/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist einer Tageszeitung, veröffentlichte zwei Artikel über ein Ermittlungsverfahren gegen den Manager eines städtischen Betriebs, in denen u.a. auch Informationen aus Zeugenaussagen wiedergegeben wurden; er wurde wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens zu einer ausgesetzten Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren und 22 Tagen verurteilt; der EGMR beurteilte den Eingriff als gesetzmäßig, einem legitimen Ziel (Schutz der Effektivität des Ermittlungsverfahrens) dienend und auch nicht als unverhältnismäßig; die Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 13. September 2018, Big Brother Watch ua gegen Vereinigtes Königreich (Appl. nos. 58170/13, 62322/14 und 24960/15; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerden von Menschenrechts- und JournalistInnenorganisationen sowie von zwei Journalistinnen gegen das englische Überwachungssystem, das im Zuge der Enthüllungen von Edward Snowden bekannt wurde; der EGMR beurteilte das System der "bulk interception" (nicht spezifisches Abfangen des Datenverkehrs) als Verletzung des Art. 8 EMRK (5:2 Stimmen), insbesondere aufgrund mangelnder Kontrolle hinsichtlich der Auswahl der Daten und des Filterns; das Abfangen an sich würde noch nicht gegen Art. 8 verstoßen, wenn die notwendigen safeguards nach der EGMR-Rechtsprechung eingehalten werden; weiters verstieß das Regime, um Kommunikationsdaten von Telekomunternehmen zu erhalten gegen Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen) und schließlich verletzten beide Regeln auch Art. 10 EMRK im Hinblick darauf, dass es unzureichenden Schutz für vertrauliches journalistisches Material gab (ebenfalls 6:1) . Die Regelungen für den Austausch von nachrichtendienstlichen Daten mit ausländischen Regierungen verletzte weder Art. 8 noch Art. 10 EMRK (teilweise zustimmendes, teilweise abweichendes Sondervotum der Richterin Koskelo, dem sich die Richterin Turković anschloss, sowie gemeinsames teilweise zustimmendes und teilweise abweichendes Sondervotum der Richterin Pardalos und des Richters Eicke). (siehe dazu die Beiträge von Lorna Woods auf EU Law Analysis, von Maria Tzanou auf Verfassungsblog, von Marko Milanovic auf EJIL: Talk! von Graham Smith auf Cyberleagle, von Theodore Christakis auf European Law Blog, von Dominic Ruck Keene auf UK Human Rights Blog, von Tomaso Falchetta auf EJIL: Talk! und von Judith Vermeulen auf Strasbourg Observers); mit Beschluss der Grand Chamber Panel vom 05.02.2019 an die Große Kammer verwiesen (Pressemitteilung); siehe nun das Urteil der Großen Kammer vom 25. Mai 2021.
  • 6. September 2018, Sapundzhiev gegen Bulgarien (Appl. no. 30460/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Anrainer einer neu errichteten Druckerei, der von Lärm und anderen Emissionen gestört wurde, protestierte gegen die "systematische Vergiftung" durch die Druckerei auf Plakaten und wurde deshalb wegen übler Nachrede zu Lasten des Druckereibetreibers verurteilt; zwar hatte er die Plakate noch rund zwei Monate gezeigt, nachdem er von den Behörden informiert worden war, dass die Grenzwerte eingehalten wurden, sodass eine gewisse Sanktion dafür möglich gewesen wäre; für die strafgerichtliche Verfolgung sah der EGMR aber auch angesichts dieses Umstandes kein "pressing social need" und stellte daher eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 4. September 2018, Aysel Tuğluk ua und Türkan Aslan gegen Türkei (Appl. nos. 30687/05 und 45630/05; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; AnwältInnen von Abdullah Öcalan, nach ihren Besuchen bei ihrem Mandanten im Gefängnis wurden ihre dabei gemachten Aufzeichnungen in Tageszeitungen veröffentlicht, was den Anschein erweckte, es handle sich dabei um die Ansichten von Öcalan und dessen Anweisungen für das Handeln der PKK; den BeschwerdeführerInnen wurde deshalb (für einen Zeitraum eineinhalb Jahren) untersagt, Öcalan weiter zu vertreten; der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; die Pressekonferenzen der BeschwerdeführerInnen nach den Besuchen bei Öcalan hatten nicht der Information über das Funktionieren der Justiz oder das Verfahren betroffen, und die Maßnahme des Vertretungsverbots hatte darauf abgezielt, die Kommunikation von Öcalan mit der PKK zu unterbinden.
  • 4. September 2018, Fatih Taş gegen Türkei (Nr. 5) (Appl. no. 6810/09; Pressemitteilung); Bestrafung eines Verlegers wegen Herabwürdigung der Türkei durch Passagen eines von ihm veröffentlichten Buchs über die Umstände des Verschwindens eines Investigativ-Journalisten, der nach Ansicht des Buchautors von Sicherheitskräften entführt worden sei; Verletzung des Art. 10 EMRK (siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers).
  • 4. September 2018, Çetin und Gedik gegen Türkei (Appl. nos. 29899/07 und 33333/08), Çalağan und andere gegen Türkei (Appl. no. 46162/07 u.a.), Babayiğit gegen Türkei (Appl. no. 42728/08); jeweils Urteile eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Disziplinarstrafen gegen Häftlinge wegen Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) bzw. der Bezeichnung "Kürt Halk Önderi" (Führer des kurdischen Volks) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 4. September 2018, Çelik gegen Türkei (Appl. no. 25834/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Bestrafung wegen der Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan in einem Brief an die Staatsanwaltschaft; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 28. August 2018, Ibragim Ibragimov u.a. gegen Russland (Appl. nos. 1413/08 und 28621/11; Pressemitteilung; legal summary); Verbot der Veröffentlichung und Verbreitung islamischer Bücher; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 28. August 2018, Savva Terentyev gegen Russland (Appl. no. 10692/09; Pressemitteilung; legal summary); Blogger (auf livejournal.com), verurteilt wegen Beleidigung einer "sozialen Gruppe"; er bezeichnete Polizisten in einem Kommentar als Schweine und es wäre gut, so schrieb er, wenn es in jeder russischen Stadt Öfen wie in Auschwitz gäbe, in denen täglich unehrliche Polizisten verbrannt würden; Verletzung des Art. 10 EMRK. (siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 24. Juli 2018, Gherguț gegen Rumänien (Appl. no. 30343/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Journalistin, veröffentlichte Artikel über einen bekannten Strafgefangenen und dessen mögliche Entlassung, dabei stellte sie einen Bezug zu einem Richter her, der mehrfach Strafen gegenüber diesem Gefangenen reduziert hatte; auf Antrag des Richters stellte der Oberste Justizrat fest, dass die Artikel eine Medienkampagne gegen den Richter sei, die die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der gesamten Justiz beeinträchtige; in einem darauffolgenden Verfahren wegen übler Nachrede wurde dem Richter eine Entschädigung von ca. 2.300 € zugesprochen; die Artikel enthielten wahre Informationen, aber auch unrichtige Tatsachenbehauptungen bzw. Werturteile ohne ausreichende Tatsachengrundlage; der EGMR kam (einstimmig zum Ergebnis, dass der Eingriff nicht unverhältnismäßig war: keine Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 19. Juli 2018, Makraduli gegen FYROM (Appl. nos. 64659/11 und 24133/13); strafgerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers, eines hochrangigen Oppositionspolitikers, wegen Verleumdung des Geheimdienst-Chefs, weil er in einer Pressekonferenz Aufklärung darüber forderte, ob an Gerüchten etwas dran sei, wonach polizeiliche Abhöranlagen missbraucht worden seien, um Geschäfte an der Börse zu machen und in einer anderen Konferenz im Zusammenhang mit dem Verkauf von staatseigenen Grundstücken die Frage stellte, ob der Oscar für den korruptesten Politiker an den Premierminister oder an dessen Cousins gehen sollte. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; zustimmendes Sondervotum von Richter Wojtyczek, der sich mit der Frage der ausreichenden Tatsachengrundlage bei Werturteilen befasst und dabei den besonderen Standard bei Äußerungen von Politikern sowie das Akzeptieren von "öffentlichen Gerüchten" als Anlass für Äußerungen kritisiert, wobei er darauf hinweist, das solche Gerüchte ja gerade von den sich dann dazu Äußernden gestreut werden können).
  • 17. Juli 2018, Mariya Alekhina u.a. gegen Russland (Appl. no. 38004/12; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerde der Mitglieder der feministischen Punk Band "Pussy Riot" u.a. wegen der Verurteilung zu Haftstrafen aufgrund ihrer Performance in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale sowie wegen der Sperre des Zugangs zu den Videoaufnahmen dazu im Internet. Der EGMR stellte hinsichtlich der Bedingungen bei der Beförderung der Angeklagten zum Prozess und ihrer Behandlung im Gerichtssaal eine Verletzung des Art. 3 EMRK fest, hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal auch eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 lit. c EMRK und wegen der bloß "stereotypen" Begründung der Untersuchungshaft eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 EMRK (alles einstimmig); die Sperre des Zugangs zu den Internet-Videos wurde einstimmig als Verstoß gegen Art. 10 EMRK beurteilt, die Verurteilung zu Haftstrafen wurde mit 6:1 Stimmen als Verletzung des Art. 10 EMRK beurteilt, dissenting opinion dazu von der spanischen Richterin Elósegui (siehe zum Urteil auch den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 17. Juli 2018, Einarsson gegen Finnland (Nr. 2) (Appl. no. 31221/15; legal summary); gegen den Beschwerdeführer, einen bekannten Publizisten und Filmschauspieler, war nach Vergewaltigungsvorwürfen ein Ermittlungsverfahren geführt, aber eingestellt worden (siehe zu dieser Sache auch das Urteil Einarsson gegen Island, Appl. no. 25703/15); im hier entschiedenen Fall hatte jemand auf einer Facebook-Seite, auf der eine Zeitschrift dazu aufgefordert wurde, das Bild des Beschwerdeführers von der Titelseite zu nehmen, einen Kommentar gepostet, in dem der Beschwerdeführer als Vergewaltiger bezeichnet wurde; nach Aufforderung wurde der Kommentar gelöscht, der Beschwerdeführer ging dennoch vor Gericht und beantragte, den Kommentar als "null und nichtig" zu erklären (was das Gericht tat) und ihm immateriellen Schadenersatz und die Kosten des Gerichtsverfahrens zuzusprechen (womit er nicht erfolgreich war); gestützt auf Art. 8 EMRK beschwerte er sich wegen der Verweigerung einer Entschädigung und dem Nichtersatz seiner Prozesskosten; der EGMR sah darin (einstimmig) keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
  • 10. Juli 2018, Dündar and Aydınkaya gegen Türkei (Appl. no. 37091/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Rechtsvertreter von Abdullah Öcalan, wurden nach Zeitungsinterviews wegen Verbreitung von Propaganda zugunsten der PKK zu zehn Monaten (bedingter) Haft verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Juli 2018, Arslan u.a. gegen Türkei (Appl. no. 37/52/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Haftstrafen gegen Studenten, die bei einer Versammlung nach der Tötung von Angehörigen einer verbotenen politischen Gruppierung Slogans wie zB "Lang lebe die revolutionäre Solidarität" gerufen hatten; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 28. Juni 2018, M.L. und W.W. gegen Deutschland (Appl. nos. 60798/10 und 65599/10; Pressemitteilung; legal summary); die Beschwerdeführer waren 1993 wegen Mordes an einem bekannten Schauspieler verurteilt worden; nach erfolglosen Versuchen (zuletzt 2004), das Verfahren wiederaufnehmen zu lassen, wurden sie schließlich 2007 bzw 2008 enthaftet. 2007 beantragten sie Verfügungen gegen drei Medien (Deutschlandradio, Spiegel, Mannheimer Morgen), auf deren Webseiten Berichte über das Verfahren, unter Namensnennung, abrufbar waren; der BGH hat diesen Anträgen letztinstanzlich nicht stattgegeben. Vor dem EGMR machten die Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK geltend, blieben aber erfolglos; vor allem vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit ihren Wiederaufnahmeanträgen selbst die Öffentlichkeit gesucht hatten, führte den EGMR in der Abwägung zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information nach Art. 10 EMRK und dem Recht der Beschwerdeführer zum Ergebnis, dass der BGH seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat (einstimmig). Siehe dazu auch den Beitrag von Hugh Tomlinson and Aidan Wills auf Inforrm's Blog.
  • 28. Juni 2018, Paraskevopoulos gegen Griechenland (Appl. no. 64184/11); der Beschwerdeführer, ein Taxifahrer, hatte in einer Lokalzeitung einen Artikel ("Die Lächerlichkeit der Macht" veröffentlicht, in dem er ua schrieb, Lokalpolitiker, die vor allem ihre persönlichen Interessen verfolgen würden, würden sich öffentliches Land annektieren und dort Bäume pflanzen oder einen Pavillon bauen; die (nicht namentlich genannte, aber erkennbar gemeinte) Vorsitzende des Gemeinderats erstattete Anzeige wegen Beleidigung und klagte auf Entschädigung; der Beschwerdeführer wurde zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Monaten und zu einer Entschädigung von 5.000 € verurteilt; der EGMR sah zwar provokante, aber keine beleidigende Sprache; zu berücksichtigen war auch, dass die inhaltlichen Vorwürfe zutrafen und die Betroffene als Politikerin handelte; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig, Sondervotum der Richterin Koskelo, in dem sie größere strukturelle Klarheit anmahnt, um den nationalen Gerichten klare Leitlinien an die Hand zu geben).
  • 26. Juni 2018, Gîrleanu gegen Rumänien (Appl. no 50376/09; Pressemitteilung; legal summary); Journalist, der von einem auf Militär spezialisierten Journalisten eine CD mit geleakten Dokumenten zum Afghanistan-Einsatz des rumänischen Militärs erhalten hatte, versuchte diese Informationen durch Rückfrage beim Militär und - weil dieses nicht antwortete - bei zwei ehemaligen Polizisten und anderen Journalisten zu verifizieren; er wurde festgenommen und zwei Tage angehalten, sein Telefon wurde überwacht, die Festplatte seines Computers beschlagnahmt und schließlich wurde er zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt; die Informationen waren nie publiziert worden, der Staatsanwalt im nationalen Verfahren war auch zum Ergebnis gekommen, dass die Informationen nicht mehr aktuell waren und deren Veröffentlichung nicht zu einer Gefährdung der nationalen Sicherheit führen würde; der EGMR beurteilte den Eingriff als unverhältnismäßig und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 19. Juni 2018, Kula gegen Türkei (Appl. no. 20233/06; Pressemitteilung; legal summary); disziplinärer Verweis für Universitätsprofessor, weil er ohne Genehmigung seiner Universität an einer Fernsehsendung außerhalb seines Wohnortes teilgenommen hatte. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Juni 2018, Centrum för Rättvisa gegen Schweden (Appl. no. 35252/08; Pressemitteilung); Beschwerde einer NGO gegen die geheimdienstliche Telekommunikationsüberwachung (signals intelligence) in Schweden; der EGMR beurteilt die Beschwerde als zulässig (obwohl kein innerstaatliches Rechtsmittel ergriffen wurde), sieht aber (einstimmig) keine Verletzung des Art. 8 EMRK, weil es ausreichende gesetzliche Regeln gibt, die Bewilligungen zeitlich befristet sind (jeweils für sechs Monate) und gerichtlich (durch einen besonderen Foreign Intelligence Court) erteilt werden, nur Auslandsverbindungen überwacht werden, eine Art Rechtsschutzausschuss unter Vorsitz von (Ex)Richtern zur Aufsicht eingerichtet ist (und auch zusätzliche Beschwerdemöglichkeiten für Betroffen, zB bei der Datenschutzbehörde und beim Ombudsman bestehen) und schließlich in der Regel auch eine nachträgliche Information der Betroffenen erfolgt. Siehe dazu auch den Beitrag von Plixavra Vogiatzoglou auf Strasbourg Observers; die Beschwerdeführerin hat die Verweisung an die Große Kammer beantragt; ; mit Beschluss der Grand Chamber Panel vom 05.02.2019 an die Große Kammer verwiesen (Pressemitteilung); siehe nun das Urteil der Großen Kammer vom 25. Mai 2021.
  • 19. Juni 2018, Bayar gegen Türkei (Appl. no. 25548/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteur einer Tageszeitung, wurde wegen eines Artikels über die "kurdische Dynamik", die mit einem Bild Öcalans illustriert war, wegen Propaganda für eine terroristische Organisation zu einer Geldstrafe verurteilt, Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Juni 2018, Sarıtaş und Geyik gegen Türkei (Appl. no. 70107/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführer hatten bei einem Konzert Slogans gerufen (wie zB "revolutionäre Gefangene sind unsterblich") und wurden dafür wegen Propaganda für die verbotene DHKP/C zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Juni 2018, Mendrei gegen Ungarn (Appl. no. 54927/15); Unzulässigkeitsentscheidung; Lehrer und Gewerkschaftsfunktionär, wurde per Gesetz Pflichtmitglied in einer neuen Lehrer-Kammer, wobei das Gesetz nicht zulässt, dass Gewerkschaftsfunktionäre zugleich Kammerfunktionäre sein dürfen, was der Beschwerdeführer als Einschränkung seiner Meinungsäußerungsfreiheit ansah; der EGMR wies die Beschwerde mangels Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig zurück, weil der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel zum ungarischen Verfassungsgericht eingelegt hatte.
  • 14. Juni 2018, Rungainis gegen Lettland (Appl. no. 40597/08; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Aufsichtsratsvorsitzender einer (teilstaatlichen) Bank; er hatte dem Aufsichtsrat einen Bericht über Werbeausgaben der Bank an eine Agentur erstattet, zu denen es keine Belege gab; in der Folge wurde - nach einem Interview mit dem Beschwerdeführer - ein Artikel in einer Zeitung veröffentlicht, in dem der früherer Vorstandsvorsitzende der Bank verdächtigt wurde, Geld aus der Bank abgezogen zu haben, um damit Werbung für eine politische Kampagne zu bezahlen. Der Vorstandsvorsitzende klagte wegen übler Nachrede und erhielt 14.000 € Entschädigung zugesprochen; der EGMR stellte (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, zumal der Bericht des Beschwerdeführers keine ausreichende tatsächliche Grundlage gehabt hat.
  • 12. Juni 2018, Gough gegen Vereinigtes Königkreich (Appl. no.2153/15); Unzulässigkeitsentscheidung; zur Vorgeschichte siehe das Urteil vom 28. Oktober 2014, Gough gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 49327/11); nun wandte sich der "Naked Rambler" gegen seine Haftstrafen, die er wegen Verletzung einer "ASBO" (anti-social behaviour order) erhielt, mit der ihm verboten worden war, nackt in der Öffentlichkeit zu erscheinen); der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 5. Juni 2018, Ivanović und D.O.O. Daily Press gegen Montenegro (Appl. no. 24387/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist, war nach dem 10-Jahresfest seiner Zeitung (Vjesti) zusammengeschlagen worden, worüber mehrere Artikel in dieser Zeitung erschienen, u.a. vom Beschwerdeführer, der dabei einem hochrangigen Politiker (dem damaligen Premierminister Đukanović) vorwarf, seine "Höllenhunde" geschickt zu haben; er wurde dafür zu einer Entschädigung von 10.000 € verurteilt; der EGMR weist darauf hin, dass das letztinstanzliche nationale Gericht nur vier problematische Sätze als Tatsachenmitteilungen beurteilt hat und damit Raum für massive politische Kritik gelassen hat, die als Werturteile beurteilt wurden und unbeanstandet blieben (u.a. Ausführungen dazu, dass die Mafia und die Behörden in einem Ausmaß ineinander verwoben seien, dass es schwer sei, sie zu unterscheiden); zu den Tatsachenbehauptungen - u.a. dass der Premier selbst Leute ausgeschickt habe, um den Erstbeschwerdeführer körperlich anzugreifen - hätten die Beschwerdeführer nicht einmal versucht, die Wahrheit herauszufinden, es gäbe auch keine Indizien dafür, dass der Premier tatsächlich direkt verantwortlich sei für den Angriff auf den Erstbeschwerdeführer; die Beschwerde wurde daher - mehrheitlich - als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 15. Mai 2018, Unifaun Theatre Productions Ltd ua gegen Malta (Appl. no. 37326/13): Beschwerdeführer waren eine Theatergesellschaft, deren Geschäftsführer, der Regisseur und zwei SchauspielerInnen; sie wandten sich gegen die - zunächst unbegründete - Untersagung einer Aufführung des Stücks "Stichting" des schottischen Schriftstellers Anthony Neilson; als Begründung wurde später u.a. Blasphemie, obszöne Verachtung für Auschwitzopfer und Bezugnahmen auf Entführung, sexuellen Missbrauch und Mord von Kindern angegeben. Der EGMR kam einstimmig zum Ergebnis, dass das Gesetz, auf das sich die Untersagung stützte, nicht von ausreichender Qualität war und dass daher eine Verletzung des Art. 10 vorlag; Richter Kūris verfasste ein zustimmendes Sondervotum.
  • 9. Mai 2018, Stomakhin gegen Russland (Appl. no. 52273/07; Pressemitteilung; legal summary); Herausgeber eines monatlichen Newsletters über den Krieg in Tschetschenien, wurde wegen Verherrlichung des Terrorismus und Aufruf zu Hass zu einer fünfjährigen Haftstrafe und einem Verbot journalistischer Tätigkeit für drei Jahre verurteilt. Der EGMR beurteilte nicht alle der vom Beschwerdeführer verfassten Beiträge als Aufruf zu Gewalt und Verherrlichung des Terrors; er meint es sei von besonderer Bedeutung ("vitally important") für den Staat, einen vorsichtigen Zugang zu wählen, wenn den Umfang von "hate speech"-Verbrechen gehe; die Gesetze müsste dabei eng ausgelegt werden, um nicht unter dem Mantel des Vorgehens gegen hate speech eigentlich Kritik an der Regierung oder ihrer Politik zu treffen; zudem war die verhängte langjährige unbedingte Haftstrafe unangemessen, sodass der EGMR einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK feststellte und dem Beschwerdeführer mit 4:3 Stimmen eine Entschädigung von 12.500 € zusprach. Ein zustimmendes Sondervotum des Kammerpräsidenten Jäderblom, dem sich Richterin Keller anschloss, befasst sich mit der Frage, in welchem Kontext Überschriften zu stellen sind; ein weiteres zustimmendes Sondervotum von Richterin Keller wendet sich gegen die vorgenommene Einzelbeurteilung aller Statements, statt der eine zusammenschauende Beurteilung angebracht wäre; schließlich verfasste Richter Pastor Vilanova ein teilweise abweichendes Votum zur Frage der Entschädigung (er wendet sich darin gegen das Nichtzusprechen von Entschädigung für Anweltskosten); (siehe auch den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 24. April 2018, Fatih Taş gegen Türkei (Nr. 3) (Appl. no. 45281/08); Eigentümer und Chefredakteur eines Verlags, wurde nach Herausgabe eines Buchs mit den Memoiren von 17 PKK-Kämpfern strafgerichtlich verfolgt, das Verfahren wurde aber in der Folge als verjährt eingestellt; im Hinblick auf im Buch enthaltene Passagen, die die Anwendung von (tödlicher) Gewalt glorifizieren und - was aber nicht entscheidend war - weil das Verfahren schließlich ohne Verurteilung eingestellt wurde, stellte der EGMR (einstimmig) fest, dass keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorlag.
  • 24. April 2018, Fatih Taş gegen Türkei (Nr. 4) (Appl. no. 51511/08); Eigentümer und Chefredakteur eines Verlags, wurde strafgerichtlich wegen der Herausgabe zweier Bücher verfolgt und in einem Fall wegen Verbreitung von Propaganda zugunsten der PKK verurteilt (in einem Fall wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt); im Hinblick auf den Fall, in dem eine Verurteilung erfolgte, wurde die Beschwerde vom EGMR wegen Fristveräumnis zurückgewiesen, im anderen Fall stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, weil die nationalen Gerichte nicht darlegten, weshalb die strittigen Passagen des Buchs die PKK und deren Anführer verherrlicht hätten und als Aufruf zu bewaffnetem Widerstand oder Aufstachelung zu Gewalt und Hass zu verstehen gewesen wären; die über eine substantielle Zeitspanne hinweg erfolgte Strafverfolgung diente daher keinem "overriding social need" und war unverhältnismäßig (auch wenn das Verfahren schließlich als verjährt eingestellt wurde).
  • 24. April 2018, Benedik gegen Slowenien (Appl. no. 62357/14; Pressemitteilung; legal summary); kein Fall des Art. 10 EMRK, aber für dieses Blog relevant, weil die Frage erörtert wird, ob der Zugriff durch die Polizei auf den Nutzer hinter einer dynamischen IP-Adresse einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK darstellt, was der EGMR bejaht; im konkreten Fall stellte der EGMR (mit 6:1 Stimmen) eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, weil das slowenische Recht (zum Zeitpunkt des beschwerdegegenständlichen Vorfalls) nicht ausreichend bestimmt war; das slowenische Verfassungsgericht hatte argumentiert, dass der Umstand, dass der Nutzer beim Surfen seine IP-Adresse nicht verschleiert hatte, dazu führte, dass er sein Recht auf Achtung des Privatlebens insofern verloren habe, was vom EGMR deutlich abgelehnt wird (besonders in einem zustimmenden Sondervotum der ukrainischen Richterin Yudkivska und des slowenischen Richters Bošnjak; dagegen die abweichende Meinung des bosnisch-herzegowinischen Richters Vehabović).
  • 19. April 2018, Ottan gegen Frankreich (Appl. no. 41841/12; Pressemitteilung); Anwalt hatte eine disziplinäre Verwarnung erhalten, weil er nach dem Freispruch eines Gendarmen, der einen jungen Migranten im Zuge einer Autoverfolgungsjagd getötet hatte, gegenüber den Medien sagte, er habe immer gewusst, dass so ein Urteil möglich sei: "Eine weiße, ausschließlich weiße Geschworenenbank, auf der andere Gemeinschaften überhaupt nicht vertreten waren, eine extrem schwache Anklage, eine extrem zielstrebig geleitete Verhandlung ('des débats dirigés de manière extrêmement orientée'), der Weg zum Freispruch war wirklich offen, das ist keine Überraschung." Der EGMR hielt fest, dass die Bezugnahme auf die Herkunft bzw. die Hautfarbe der Geschworenen zwar einen Teil der Öffentlichkeit und das Gericht beleidigen könne, aber hier mehr eine allgemeine Kritik am Funktionieren der Strafjustiz darstellten als einen beleidigenden Angriff auf das Gericht or die Geschworenen; außerdem sei auf die gespannte Situation (unmittelbar nach der Urteilsverkündung) Bedacht zu nehmen. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. April 2018, Hajibeyli und Aliyev gegen Aserbaidschan (Appl. no. 6477/08 und 10414/08); Menschenrechtsaktivisten und Juristen, die wegen Kritik am schlechten Zustand der Rechtsberufe in Aserbaidschan (und weil sie die Auffassung äußerten, die Rechtsanwaltsvereinigung sei nicht dem Gesetz gemäß konstituiert worden) nicht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassen wurden. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 17. April 2018, Roj TV A/S gegen Dänemark (Appl. no. 24683/14; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung eines kurdischsprachigen TV-Veranstalters wegen Verletzung von Antiterror-Gesetzen (Geldstrafe und Lizenzentzug), weil auf diesem Sender nur Ansichten der PKK wiedergegeben worden seien, und es sich bei der PKK um eine Terrororganisation handle. Der EGMR beurteilte die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als unzulässig, weil das Programm Aufrufe zu Gewalt und Unterstützung für Terroraktivitäten enthielt, und die beschwerdeführende Gesellschaft daher nach Art. 17 EMRK nicht vom Schutz des Art. 10 EMRK profitieren kann (vgl. zu diesem Fall auch die vor dem EuGH ausgetragenen Rechtssachen C-244/10 Mesopotamia Broadcast und C-245/10 Roj TV (Vorlage des deutschen Bundesverwaltungsgerichts zur Sendestaatskontrolle nach der AVMD-RL; siehe dazu im Blog hier, hier und hier)..
  • 17. April 2018, Ergündoğan gegen Türkei (Appl. no. 48979/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; der Beschwerdeführer hatte einen Artikel in einer Tageszeitung veröffentlicht, der sich mit dem "wahren Gesicht" des Vorsitzenden einer Partei befasste und über Vorwürfe einer Gruppe ehemaliger "Schüler" des Vorsitzenden in Richtung sexueller Ausnützung berichtete; der EGMR hielt fest, dass der Parteiführer eine public figure war, die betroffenen Frauen (deren Foto auch abgedruckt worden war) jedoch nicht, und dass sich der Beschwerdeführer nur einer Website der ehemaligen "Schüler" bedient und damit die Grundsätze eines verantwortungsvollen Journalisten nicht beachtet hatte; allerdings hatten die türkischen Gerichte keine Abwägung zwischen den betroffenen Rechten nach Art. 10 und Art. 8 EMRK vorgenommen, sodass der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK feststellte.
  • 17. April 2018, Ostanina gegen Russland (Appl. no. 22169/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; die Beschwerdeführerin war wegen eines Artikels in einer regionalen Zeitung verurteilt worden, in dem sie "kickback-Zahlungen" von regionalen Mitteln an Moskau vermutet hatte und auch von "einigen korrupten Funktionären, einschließlich Abgeordneten der Regierungspartei" geschrieben hatte (ohne Namen zu nennen); Verletzung des Art. 10 EMRK, Überschreitung des margin of appreciation.
  • 17. April 2018, Angirov u.a. gegen Russland (Appl. no. 30395/06); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Mitglieder der bolschewistischen Partei, hatten sich im Verwaltungsgebäude des Präsidenten eingeschlossen und gegen den Präsidenten demonstriert; nach eineinhalb Stunden wurden sie von der Polizei festgenommen und kamen in U-Haft; nach knapp einem Jahr in Haft wurden sie schließlich zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt; der EGMR stellte unter Bezugnahme auf den Fall Taranenko fest, dass in jenem Fall die lange U-Haft und die Haftstrafen unverhältnismäßig und damit eine Verletzung des Art. 10 EMRK waren.
  • 10. April 2018, Köseoğlu gegen Türkei (Appl. no. 24067/05); Unzulässigkeitsentscheidung; Lehrer war wegen einer von ihm mitorganisierten Veranstaltung und den dort gehaltenen Reden zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden; danach wurde er wegen dieser Verurteilung aus dem Schuldienst entlassen; der EGMR wies die auf Art. 10 und 11 EMRK Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück: im Entlassungsverfahren war es nur mehr um die Frage des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Entlassung gegangen, nicht mehr um den Grund der Verurteilung; das Verfahren betraf daher nur mehr die - nicht von der EMRK geschützte - Rechtsstellung als Beamter und es lag kein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vor.
  • 3. April 2018, Matveyev gegen Russland (Appl. no. 44135/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verwaltungsstrafe (u.a. sieben Tage Haft) wegen unangemeldeter Versammlung gegen den Beschwerdeführer, der einen Hungerstreik vor der Staatsanwaltschaft begann (allein, mit einem Zelt und einem Schild: Hungerstreik, Aufruf zur Unterschrift); der EGMR verwies auf das Urteil Novikova, die Solo Demonstration ist keine Versammlung; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. März 2018, Altan gegen Türkei (Appl. no. 13237/17; Pressemitteilung); Ökonomieprofessor und Journalist, der vor dem Putschversuch am 15. Juli 2016 eine politische Diskussionssendung im Fernsehen präsentierte; der Sender wurde nach dem Putschversuch geschlossen, der Beschwerdeführer wurde am 10. September 2016 in Haft genommen auf Grund des Verdachts, er habe Verbindungen zur Medienorganisation der Gülen-Bewegung; das türkische Verfassungsgericht entschied am 11. Jänner 2018, dass eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung vorliege; dennoch wurde der Beschwerdeführer nicht freigelassen. Der EGMR stellte mit 6:1 Stimmen Verletzungen des Art. 10 EMRK (aufgrund der Haft) und des Art. 5 Abs. 1 EMRK (aufgrund der Fortsetzung der Haft nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts fest; der Einwand der türkischen Regierungen sie habe durch Notifikation nach Art. 15 EMRK (Außerkraftsetzen im Notfall) die Anwendung der EMRK ausgesetzt, wurde verworfen, da die Verhaftung ohne ausreichenden Verdacht nicht durch "die Lage unbedingt erfordert" worden sei; der türkische ad hoc-Richter Ergül verfasste eine dissenting opinion, die sich im Wesentlichen gegen die Auffassung der Mehrheit im Hinblick auf Art. 15 EMRK wendet; ein zustimmendes Sondervotum wurde von Kammerpräsident Spano abgegeben, dem sich die Richter Lemmens, Bianku, Vučinić und Griţco anschlossen. [Siehe dazu die Beiträge von Dilek Kurban im Verfassungsblog und von Senem Gurol auf Strasbourg Observers]
  • 20. März 2018, Alpay gegen Türkei (Appl. no. 16538/17; Pressemitteilung); Journalist bei Zaman, einer der Gülen-Bewegung nahestehenden Zeitung, die nach dem gescheiterten Putschversuch geschlossen wurde; der Beschwerdeführer wurde am 27. Juli 2016 festgenommen; gegen ihn wurde aufgrund des Verdachts, Mitglied einer terroristischen Organisation (der Gülen-Bewegung) zu sein, ermittelt; das türkische Verfassungsgericht entschied am 11. Jänner 2018, dass eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung vorliege; dennoch wurde der Beschwerdeführer nicht freigelassen. Der EGMR stellte mit 6:1 Stimmen Verletzungen des Art. 10 EMRK (aufgrund der Haft) und des Art. 5 Abs. 1 EMRK (aufgrund der Fortsetzung der Haft nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts fest; der Einwand der türkischen Regierungen sie habe durch Notifikation nach Art. 15 EMRK (Außerkraftsetzen im Notfall) die Anwendung der EMRK ausgesetzt, wurde verworfen, da die Verhaftung ohne ausreichenden Verdacht nicht durch "die Lage unbedingt erfordert" worden sei; der türkische ad hoc-Richter Ergül verfasste eine dissenting opinion, die sich im Wesentlichen gegen die Auffassung der Mehrheit im Hinblick auf Art. 15 EMRK wendet; ein zustimmendes Sondervotum wurde von Kammerpräsident Spano abgegeben, dem sich die Richter Lemmens, Bianku, Vučinić und Griţco anschlossen. [Siehe dazu die Beiträge von Dilek Kurban im Verfassungsblog und von Senem Gurol auf Strasbourg Observers]
  • 20. März 2018, Uzan gegen Türkei (Appl. no. 30569/09); der Beschwerdeführer war Vorsitzender der "gelben Partei" und wurde im Jahr 2008 verurteilt, weil er in einer Rede im Jahr 2003 den damaligen Premierminister Erdoǧan beleidigt hatte; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK und - wegen der Verfahrensdauer - des Art. 6 EMRK fest.
  • 20. März 2018, Falzon gegen Malta (Appl . no. 45791/13; legal summary); ehemaliger Abgeordneter und Minister hatte in einem Zeitungskommentar über einen Politiker gleichen Namens, der sich wegen eines anonymen Droh-E-Mails an die Polizei gewandt und darüber eine Rede gehalten hatte, geschrieben und dabei im Hinblick auf die Instrumentalisierung dre Polizei zu politischen Zwecken Parallelen zum Film "Das Leben der Anderen" gezogen; er wurde dafür wegen übler Nachrede verurteilt. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, da die Werturteile im Kommentar eine ausreichende Tatsachengrundlage in der Rede des Politikers hatten.
  • 20, März 2018, Öztop u.a. gegen Türkei (Appl. nos. 43587/07 u.a.); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Disziplinarstrafen gegen Häftlinge wegen Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 13. März 2018, Stern Taulats und Roura Capellera gegen Spanien (Appl. nos. 51168/15 und 51186/15; Pressemitteilung); Verurteilung wegen Anzündens eines Fotos des spanischen Königspaars im Rahmen einer Protestaktion; der EGMR beurteilt die Aktion als symbolischen Ausdruck der Unzufriedenheit, die nicht als Aufruf zu Hass oder Gewalt angesehen werden kann; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. März 2018, Nix gegen Deutschland (Appl. no. 35285/16; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung wegen Verwendung staatsfeindlicher Symbole aufgrund eines Blogbeitrags, in dem Kritik am Jobcenter geübt wurde und das mit einem Foto von Heinrich Himmler in Uniform mit Hakenkreuzarmbinde illustriert wurde; der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 6. März 2018, Mikhaylova gegen Ukraine (Appl. no. 10644/08); Nichtjuristin, die in mehreren Fällen vor Gericht als Klägerin oder Beklagte und auch als Vertreterin eingeschritten war, wurde aufgrund von Äußerungen gegenüber der Richterin in einem gegen sie geführten Verfahren wegen Missachtung des Gerichts zu einer Ordnungsstrafe (administrative Haft von fünf Tagen) verurteilt; sie hatte der Richterin u.a. vorgeworfen, nicht eine einzige richtige Entscheidung getroffen zu haben; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (Verletzung des Rechts auf ein unparteiliches Gericht, weil bei der Verhängung der Strafe kein Ankläger zugegen war), des Art. 2 7. Zusatzprotokoll zur EMRK (weil kein Rechtsmittel gegen die Verurteilung verfügbar war) sowie des Art. 10 EMRK fest, weil die verhängte Strafe unverhältnismäßig hoch war.
  • 27. Februar 2018, Sinkova gegen Ukraine (Appl. no. 39496/11; Pressemitteilung, legal summary); Aktivistin hatte auf der Ewigen Flamme am Grabmal des unbekannten Soldaten Spiegeleier gebraten und war dafür rund drei Monate vor der Verhandlung in Haft gesessen und wurde schließlich zu einer bedingt ausgesetzten Haftstrafe von drei Jahren verurteilt; Festnahme war keine Verletzung des Art. 5 EMRK, lange Haft vor der Verhandlung schon (einstimmig); die Verurteilung wegen des Spiegelei-Bratens wurde mit 4:3 Stimmen nicht als Verletzung des Art. 10 EMRK beurteilt (abweichende Meinung der RichterInnen Yudkivska, Motoc und Paczolay). [siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers]
  • 27. Februar 2018, Guja gegen Republik Moldau (Nr. 2) (Appl. no. 1085/10; Pressemitteilung); Pressesprecher des Generalprokurators, war als Whistleblower entlassen worden, der EGMR stellte in der Großen Kammer schon 2008 fest, dass der Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht nach Art. 10 EMRK verletzt worden war; nach diesem Urteil wurde der Beschwerdeführer wieder eingestellt, aber unmittelbar darauf wiederum entlassen; der EGMR stellte betreffend die neuerliche Entlassung einstimmig eine neuerliche Verletzung des Art. 10 EMRK fest (die Überwachung der Umsetzung des ersten EGRM-Urteils aus 2008 war zum Urteilszeitpunkt "still ongoing"!).
  • 27. Februar 2018, Petkevičiūtė gegen Litauen (Appl. no. 57676/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Tochter (und Erbin) eines während des nationalen Gerichtsverfahrens verstorbenen Schriftstellers, der in einem Buch Vorwürfe der Kollaboration mit den Nazis und mit den Sowjets gegenüber einem Politiker erhobenen hatte, die nicht erwiesen werden konnten; die nationalen Gerichte hatten im Zivilverfahren gegen den Vater der Beschwerdeführerin, in das sie (gemeinsam mit ihren Brüdern) als Erbin eingetreten war, festgestellt, dass bestimmte Passagen im Buch die Ehre des klagenden Politikers und dessen Vaters verletzt hatten; Entschädigungsansprüche wurden als verjährt abgewiesen. Der EGMR beurteilte den im Zivilverfahren geltend gemachten Entschädigungs- und Feststellungsanspruch nicht als höchstpersönlich nur gegen den Autor durchsetzbar; die Beschwerdeführerin ist auch Opfer im Sinn des Art. 34 EMRK, weil durch das Urteil in das - den Erben zustehende - Recht auf Neudruck oder Neuauflage des Buches eingegriffen wird; in der Sache selbst stellte der EGMR (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (vor allem angesichts der Schwere der nicht belegten Vorwürfe).
  • 27. Februar 2018, Aydoğan gegen Türkei (Appl no. 55828/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Geldstrafe wegen einer Rede, mit der die Beschwerdeführerin nach Ansicht der türkischen Gerichte eine Lobrede auf den PKK-Anführer Öcalan gehalten und dadurch Verbrechen gutgeheißen habe; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 22. Februar 2018, Alpha Doryforiki Tileorasi Anonymi Etairia gegen Griechenland (Appl. no. 72562/10; legal summary); Fernsehgesellschaft wurde vom Nationalen Rundfunkrat wegen der Ausstrahlung dreier heimlich gefilmter Videos mit einem Politiker, der Vorsitzender eines parlamentarischen Glücksspiel-Ausschusses war, bestraft (die Filme zeigten den Politiker beim Spielen an Slot-Maschinen in einer Spielhalle, dann als ihm das Video gezeigt wurde und schließlich in einem Gespräch mit einem TV-Moderator); es wurde eine Geldstrafe von insgesamt 200.000 € verhängt; ein Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos. Der EGMR stellte im Hinblick auf das erste Video eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (weil es an einem öffentlichen Platz gefilmt worden war, an dem der Politiker damit rechnen musste, dass sein Verhalten beobachtet werde), nicht aber im Hinblick auf die beiden anderen, in privaten Räumen heimlich gefilmten Videos (einstimmig); weiters auch eine Verletzung des Art. 6 EMRK wegen unangemessen langer Verfahrensdauer vor dem nationalen Gericht (knapp 7 Jahre, was freilich immer noch kürzer ist als die mehr als sieben Jahre, die der Fall beim EGMR bis zur Entscheidung brauchte); siehe dazu auch die Anmerkung von T. Mc.Gonagle und den Beitrag von Giovanni De Gregorio.
  • 20. Februar 2018, AS Dagbladet gegen Norwegen (Appl. no. 60715/14); Unzulässigkeitsentscheidung; ein Kommentar und Berichte in einer Tageszeitung befassten sich mit einem Vorfall, bei dem Rettungsfahrer einen verletzten somalischen Staatsangehörigen nicht mitgenommen hatten, nachdem er gegen das Rettungsfahrzeug gepinkelt hatte; dabei wurde eine rassistische Motivation unterstellt; ein betroffener Rettungsfahrer - der vom Vorwurf rassistisch motivierten Fehlverhalten und Diskriminierung freigesprochen worden war - klagte wegen übler Nachrede und erhielt eine Entschädigung von rund 21.000 € zugesprochen und hatte Anspruch auf Ersatz von rund 315.000 €(!) an Kosten; der EGMR kam zum Ergebnis, dass das nationale Höchstgericht relevante und ausreichende Gründe für die Haftung der Zeitung festgestellt und eine Abwägung in Übereinstimmung mit den vom EGMR entwickelten Kriterien vorgenommen hatte, sodass keine starken Gründe vorlägen, um die Beurteilung des nationalen Höchstgerichts durch jene des EGMR zu ersetzen; die Beschwerde wurde daher einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 20. Februar 2018, Avisa Nordland AS gegen Norwegen (Appl. no. 30563/15); Unzulässigkeitsentscheidung; eine Tageszeitung hatte in einer Artikelserie über eine Krebsoperation berichtet, nach der die Patientin schwere Langzeit-Komplikationen erlitt; dabei war in den Schlagzeilen von einem "Krankenhausskandal" oder von "Null Vertrauen" in das Krankenhaus die Rede bzw dass die Gesundheit einer gesunden Frau ruiniert worden sei; außerdem sei eine Arbeitsteilung zwischen Krankenhäusern nicht eingehalten worden, nach der derartige Operationen in einem anderen Krankenhaus hätten durchgeführt werden sollen; einer der - in der Zeitung genannten und auch abgebildeten - Chirurgen klagte die Medieninhaberin auf Entschädigung und erhielt 41.000 € zuzüglich Kosten von rund 172.000 € zugesprochen; der EGMR hielt fest, dass es sich zwar um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse handelte, aber die Berichte eindeutig unvollständig und irreführend waren und nicht in redlicher Weise nach den Grundsätzen eines verantwortlichen Journalismus erstellt worden waren; die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 20. Februar 2018, Gęsina-Torres gegen Polen (Appl. no. 11915/15); Unzulässigkeitsentscheidung; polnischer Journalist kubanischer Herkunft ließ sich, um eine Sendung über die Zustände in einem Anhaltelager für illegal Eingereiste zu machen, von der Polizei als "illegaler Migrant" festnehmen, um in das Lager zu kommen; gab dort einen falschen Namen an und unterschrieb unter diesem Namen alle Dokumente; wurde dafür zu einer (geringen) Geldstrafe verurteilt. Der EGMR verwies u.a. darauf, dass andere Möglichkeiten bestanden hatten, um zu Informationen über das Anhaltelager zu kommen, und beurteilte die Gründe für die Verurteilung als "relevant and sufficient"; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 20. Februar 2018, Wójcik gegen Polen (Appl. no. 19994/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Werbedesigner hatte eine Auftrag zur Gestaltung von Tankstellen; nachdem der Auftraggeber wegen Leistungsmängeln die Bezahlung zurückhielt, kontaktierte der Designer die Manager der Tankstellen und äußerte dabei Kritik am Unternehmen, wobei er falsche Tatsachen behauptete, wofür er zur Unterlassung, Entschuldigung und Tragung der Gerichtskosten verurteilt wurde. Der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 13. Februar 2018, Butkevich gegen Russland (Appl no. 5865/07; Pressemitteilung; legal summary); Journalist, war bei "Anti-Globalisierungs"-Protesten festgenommen und in einem Schnellverfahren am selben Tag noch verurteilt worden; Verletzungen der Art. 5 Abs. 1, 6 und 10 EMRK (einstimmig) [siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof und Daniel Simons auf Strasbourg Observers].
  • 13. Februar 2018, Aydoğan und Dara Radyo Televizyon Yayıncılık Anonim Şirketi gegen Türkei (Appl no, 12261/06; Pressemitteilung); Beschwerdeführerinnen waren die Vorstandsvorsitzende einer Fernsehgesellschaft (die in kurdischer Sprache senden wollte) und diese Gesellschaft selbst, weil die für eine Rundfunk-Lizenz notwendige Sicherheitsprüfung nicht erteilt worden war, ohne dass dafür Gründe bekannt gegeben wurden; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 13. Februar 2018, Belek und Özkurt gegen Türkei (Appl no. 10758/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung von Eigentümer und Herausgeber einer Zeitung wegen zweier Artikel über eine "außergerichtliche Exekution" und Foltermethoden beim Verhör, weil diese Artikel die Identität von Organen der Anti-Terror-Einheiten verraten hätten; der EGMR hält fest, dass die Artikel keine Namen genannt hatten und auch sonst nicht erkennbar sei, wie aufgrund dieser Artikel die Identität der Organe hätte bekannt werden können; da die nationalen Gerichte damit keine relevanten und hinreichenden Gründe für den Eingriff gegeben hatten, stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 13. Februar 2018, Zengin und Çakır gegen Türkei (Appl no, 57069/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen "Propaganda für eine terroristische Organisation" wegen der Verlesung einer Presseerklärung im Andenken einen früheren Vorsitzenden der TKP/ML; der EGMR kommt zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte keine relevanten und hinreichenden Gründe für die Verurteilung angegeben haben; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Februar 2018, Ivashchenko gegen Russland (Appl. no. 61064/10; Pressemitteilung); Fotojournalist wurde bei der Rückkehr aus Abchasien von Zollbeamten kontrolliert, dabei wurde - aufgrund des Verdachts, er könne "extremistische Inhalte" auf seinem Laptop haben, der Laptop untersucht; dabei wurden 34 Ordner mit mehr als 16.300 Dateien kopiert und auf DVDs gebrannt; mehr als zwei Jahre später wurden die DVDs zurückgegeben, da keine verbotenen Inhalte gefunden wurden; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, da keine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Untersuchung des Computers befand; auch begründete die Rückkehr aus einem umstrittenen Gebiet nicht automatisch einen Verdacht, der einen derart umfassenden Eingriff rechtfertigte; soweit isch die Beschwere (auch) auf Art. 10 EMRK stützte (Quellenschutz), wurde sie ebenfalls als zulässig beurteilt, allerdings sah der EGMR angesichts der Feststellung einer Verletzung des Art. 8 EMRK und des engen Zusammenhangs keine Notwendigkeit für eine gesonderte Prüfung nach Art. 10 EMRK.
  • 13. Februar 2018, Seferi Yılmaz gegen türkei (Appl no. 61949/08, 38776/09, 44565/09); Buchhändler, auf dessen Laden ein Bombenanschlag erfolgte, wurde in drei Zeitungsartikeln in in Zusammenhang mit diesem Anschlag und der PKK gebracht, wobei auch Auszüge von Telefonüberwachungs-Protokollen und Polizeiakten veröffentlicht wurden; tatsächlich wurde gegen den Beschwerdeführer ermittelt, er wurde aber von den hier relevanten Anklagepunkten freigesprochen; seine Klagen gegen die Zeitungen blieben allerdings erfolglos; der EGMR sah (in Abwägung mit der Pressefreiheit nach Art. 10 EMRK) in einem Fall (in dem der Beschwerdeführer abgebildet war mit der Schlagzeile, er habe das Blut von fünf Märtyrern auf seinen Händen) eine Verletzung des Art. 8 EMRK, in den anderen beiden Fällen hingegen nicht, im Wesentlichen weil die Zeitung auf Polizeiunterlagen vertraute; Richter Lemmens verfasste dazu eine dissenting opinion, in der er Kritik daran übt, dass sich die Journalisten bei derart gravierenden Fällen nur auf die Polizeiangaben gestützt hatten, ohne den Wahrheitsgehalt auch nur irgendwie zu prüfen.
  • 8. Februar 2018, Slava Jurišić gegen Kroatien (Appl. no. 79584/12); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; ehemalige Verwaltungsdirektorin der städtischen Kindergärten und mehrmalige Bürgermeisterkandidatin wurde wegen übler Nachrede zu Lasten ihrer Nachfolgerin als Verwaltungsdirektorin zu einer bedingten Haftstrafe von 60 Tagen verurteilt, weil sie in einer Pressekonferenz als Politikerin behauptet hatte, der Bürgermeister wäre in verschiedene Unregelmäßigkeiten in Personalangelegenheiten verwickelt, wie zB die Anstellung ihrer Nachfolgerin, obwohl diese falsche Dokumente benutzt hatte und nicht kroatische Staatsbürgerin gewesen sei; der EGMR kam zum Ergebnis, dass die (wenngleich bedingte) Haftstrafe jedenfalls unverhältnismäßig war und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 6. Februar 2018, Hanbayat u.a. gegen Türkei (Appl. no. 6940/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschlagnahme von Grabplatten, auf denen Angehörige verbotener Organisationen, die in Gefechten mit Militäreinheiten getötet worden waren, als "unsterblich" bezeichnet wurden; die Grabplatten wurden nach einem Strafverfahren (bei dem es zu keinen Verurteilungen kam) wieder zurückgegeben; der EGMR hat die Beschwerde dagegen zurückgewiesen, weil erstens nach der Rückgabe kein Opferstatus mehr vorlag und weil zweitens eine innerstaatliche Möglichkeit, für einen allfälligen immateriellen Schaden aufgrund der Beschlagnahme eine Entschädigung zu bekommen, nicht genutzt worden war; die Beschwerde zweier Personen, gegen die das Strafverfahren geführt wurde, wurde zurückgewiesen, weil bei einer (freigesprochenen) Person kein Eingriff vorlag und bei der zweiten Person innerstaatliche Rechtsmittel nicht ausgeschöpft worden waren.
  • 6. Februar 2018, Radyo Vatan Yayıncılık A.Ş gegen Türkei (Appl. no.46172/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Radioveranstalter hatte nach einer zweijährigen Unterbrechung wieder zu senden begonnen, was vom Rundfunkrat untersagt wurde; diese Entscheidung des Rundfunkrats wurde letztlich vom Verfassungsgericht aufgehoben; die diesbezüglich auf Art. 10 EMRK Beschwerde wurde vom EGMR mangels Opferstatus zurückgewiesen; soweit sich die Beschwerde im Hinblick auf wirtschaftliche Verluste aufgrund der Untersagung des Sendebetriebs stützte, wurde die Beschwerde zurückgewiesen, weil diesbezüglich kein Vorbringen vor dem nationalen Verfassungsgericht erhoben worden war. In der Folge wurden der Beschwerdeführerin zwar Frequenzen in mehreren Städten, nicht aber in Ankara und Istanbul zugeteilt; soweit die Beschwerde diesbezüglich eine Verletzung ihres nach Art. 10 EMRK geschützten Rechts geltend macht, weist der EGMR die Beschwerde als vorzeitig erhoben zurück, weil die nationalen Rechtsmittelverfahren noch nicht abgeschlossen sind.
  • 30. Jänner 2018, Sekmadienis gegen Litauen (Appl. no. 69317/14; Pressemitteilung; legal summary); Geldstrafe wegen Verletzung der öffentlichen Moral durch Werbeplakate für Kleidung mit Jesus und Maria; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum von Richter De Gaetano). [Siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog und den Beitrag von Ingrida Milkaite auf Strasbourg Observers]
  • 30. Jänner 2018, Aksoy gegen Türkei (Appl. no. 37546/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 30. Jänner 2018, Oktar gegen Türkei (Appl. no. 59040/08); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte die Sperre einer Website (Internet-Forum) wegen ehrenrühriger Eintragungen über ihn beantragt und im Provisorialverfahren Recht bekommen; im Hauptverfahren wurde sein Begehren abgewiesen, weil die Eintragungen nicht (mehr) nachgewiesen werden konnten (durften in der Zwischenzeit vom Seitenbetreiber entfernt worden sein); der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte, aber der Sache nach eine Verletzung des Art. 8 EMRK geltend machende Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 23. Jänner 2018, Magyar Kétfarkú Kutya Párt gegen Ungarn (Appl. no. 201/17; legal summary); die Beschwerdeführerin ist eine politische Partei; sie hatte eine App entwickelt, mit der Fotos von ungültigen Stimmzetteln beim Referendum über das EU-Flüchtlings-Resettlement-Programm anonym hochgeladen und mit der Öffentlichkeit geteilt werden konnten. Die Nationale Wahlkommission entschied (in zwei Fällen), dass dadurch die Prinzipien der Fairness von Wahlen, der geheimen Stimmabgabe und der gesetzmäßigen Ausübung von Rechten verletzt worden sei; die Kúria änderte jeweils ab und hielt nur eine Verletzung der gesetzmäßigen Ausübung von Rechten als gegeben; außerdem wurde eine geringfügige Geldstrafe (rund 330 €) verhängt. Der EGMR hielt zunächst fest, dass die App ein Mittel zur Informationsverbreitung war und daher ein Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführerin vorlag, auch wenn sie nicht selbst Informationen verbreitete; in der Sache kam der EGMR zum Ergebnis, dass kein Zusammenhang zwischen dem Verbot der App und einem legitimen Ziel im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgezeigt wurde und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest. Achtung: mit Beschluss der Grand Chamber Panel vom 28.05.2018 wurde der Fall über Antrag der ungarischen Regierung an die Große Kammer verwiesen, siehe Pressemitteilung; die Verhandlung fand am 21.11.2018 statt; das Urteil - das ebenfalls eine Verletzung des Art. 10 EMRK feststellte - erging am 20.01.2020].
  • 23. Jänner 2018, Faludy-Kovács gegen Ungarn (Appl. no. 20487/13); die Beschwerdeführerin ist Witwe des Schriftstellers György Faludy (der um 65 Jahre älter war als sie); sie meinte in einem Interview mit einer Boulevardzeitung, sie wolle ein Kind, das mit ihr und ihrem verstorbenen Mann blutsverwandt sei und dessen Eltern ihre Schwester und der Enkel ihres Mannes sein sollten; daraufhin erschien ein Artikel mit der Überschrift (Übersetzng des EGMR): "Trampling on the memory of Faludy. The widow does everything to stay in the limelight." Ihre Klage auf Unterlassung und Entschädigung gegen den Medieninhaber wegen diese Schlagzeile blieb erfolglos; der EGMR kam zum Ergebnis, dass allfällige negative Konsequenzen für die Beschwerdeführerin aus der Veröffentlichung jedenfalls nicht so schwerwiegend waren, dass sie eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung des Medieninhabers hätten rechtfertigen können und stellte daher (einstimmig) keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
  • 16. Jänner 2018, Čeferin gegen Slowenien (Appl. no. 40975/08; legal summary); Strafverteidiger, wurde wegen kritischer Aussagen über einen Sachverständigen in einem Mordprozess zweimal wegen Missachtung des Gerichts bestraft; Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1, zustimmendes Sondervotum des Richters Kuris; abweichendes Sondervotum des slowenischen ad hoc-Richters Galič).
  • 16. Jänner 2018, Saygılı und Karataş gegen Türkei (Appl. no. 6875/05); Eigentümer und Chefredakteur einer Zeitung wurden nach den Anti-Terror-Gesetzen bestraft (und die Zeitung vorübergehend geschlossen), weil sie im Zusammenhang mit Bericht über den gewaltsamen Tod eines Journalisten in Polizeigewahrsam die Namen zweier Sicherheitsorgane genannt hatten; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Jänner 2018, Çabuk gegen Türkei (Appl. no. 7886/08); Müslüm Yalçınkaya ua gegen Türkei (Appl. no. 51497/09), und Aydın ua gegen Türkei (Appl. nos. 43641/05, 41892/06 und 41893/06); Urteile eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 16. Jänner 2018, Smajić gegen Bosnien-Herzegowina (Appl. no. 48657/16; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung eines Anwalts zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr wegen Schürens von Hass, Zwietracht oder Intoleranz aus nationalen, rassischen und religiösen Gründen aufgrund von mehreren Postings auf einer öffentlichen Website, in denen er ein mögliches Vorgehen bei einer allfälligen Sezession der Republika Srpska erörterte; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet (einstimmig).
  • 9. Jänner 2018, GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus gegen Schweiz (Appl. no. 18597/13; Pressemitteilung; legal summary); Verurteilung einer NGO (Urteil des Schweizer Bundesgerichts) wegen eines unter der Kategorie "Verbaler Rassismus" veröffentlichten Berichts über die Rede eines SVP-Politikers (in der dieser meinte, es sei an der Zeit, der Ausbreitung des Islams Einhalt zu gebieten; und die Schweizer Leitkultur, welcher das Christentum zugrunde liege, dürfe sich nicht von anderen Kulturen verdrängen lassen) verletzte die NGO in ihrem durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Recht; es handelte sich bei der Äußerung um ein Werturteil auf ausreichender Tatsachengrundlage (einstimmig).
  • 9. Jänner 2018, Catalan gegen Rumänien (Appl. no. 13003/04; Pressemitteilung; legal summary); Entlassung eines Archivmitarbeiters des nationalen Rates zur Erforschung der Securitate-Aktivitäten, nachdem dieser (ausgewählte) Unterlagen zur Jugend des Patriarchen der rumänisch-orthodoxen Kirche an die Presse weitergegeben hatte, verletzte ihn nicht in seinem Recht nach Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Jänner 2018, Adıyaman gegen Türkei (Appl. no. 24211/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Verwendung des Wortes "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) in Bezug auf den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); Verweis auf das Urteil Yalçınkaya.
  • 9. Jänner 2018, Meslot gegen Frankreich (Appl. no. 50538/12; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; 1000 €-Geldstrafe gegen Abgeordneten wegen Missachtung des Gerichts, weil er bei einer öffentlichen Wahlveranstaltung unter anderem gesagt hatte, er respektiere weder Staatsanwalt noch Richter (die er namentlich nannte, und die gegen ihn ermittelten), weil diese zu Politkommissaren geworden seien, die es vorziehen würde, gegen gewählte rechte Abgeordnete vorzugehen als gegen Gauner; außerdem hätten sie zwei Räuber freigelassen und würden die Arbeit der Polizei blockieren; es sei genug der roten Richter, die gegen den Willen des Volkes arbeiteten. Der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde des Politikers einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
2017
  • 19. Dezember 2017, Szpiner gegen Frankreich (Appl. no. 2316/15; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Disziplinärer Verweis gegen Anwalt, weil er Staatsanwalt als "genetisch ein Verräter" bezeichnet hatte (der Vater des Staatsanwalts war Kollaborateur der Nazis gewesen); Beschwerde wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 12. Dezember 2017, Wrona gegen Polen (Appl. no. 68561/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Tochter des ehemaligen Vorsitzenden des polnischen Fischereiverbands, der nach einem Finanzskandal im Verband zurücktreten musste, postete in einem nur den Verbandsmitgliedern zugänglichen Internetforum ehrenrührige Äußerungen gegen den Nachfolger ihres Vaters; der EGMR kam zum Ergebnis, dass dieser zwar Direktor eines Vereins mit 6000.00 Mitgliedern, aber dennoch keine public figure war, dass die Äußerungen nicht öffentlich und nicht im Interesse der Öffentlichkeit (sondern im Interesse des Vaters der Beschwerdeführerin) gemacht wurden und daher keinen erhöhten Schutz genießen, und dass die polnischen Gerichte eine ausreichende Abwägung vorgenommen hatten; Zurückweisung als offensichtlich unbegründet (einstimmig).
  • 5. Dezember 2017, Frisk und Jensen gegen Dänemark (Appl. no. 19657/12; Pressemitteilung); Verurteilung von JournalistInnen von DR zu einer Geldstrafe (je 10 Tagsätze zu je rund 135 €) wegen Ehrverletzung durch eine Dokumentation über Krebsbehandlung im Universitätskrankenhaus Kopenhagen; dabei wurde der - unzutreffende - Eindruck erweckt, dass eine fehlerhafte Behandlung mit einem "experimentellen" Arzneimittel erfolge und dass dahinter finanzielle Interessen des verantwortlichen Arztes stünden; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 28. November 2017, MAC TV s.r.o. gegen Slowakei (Appl. no. 13466/12); Verurteilung eines slowakischen TV-Senders zu einer Geldstrafe durch den Rundfunkrat wegen eines sarkastischen Kommentars nach dem tödlichen Flugzeugabsturz des früheren polnischen Präsidenten Lech Kaczynski; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); (siehe dazu den Beitrag von Jonathan McCully auf Strasbourg Observers)
  • 28. November 2017, Mercan u.a. gegen Schweiz (Appl. no. 18411/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung wegen Leugnung des Genozids an Armeniern, Sach- und Rechtslage wie im Fall Perinçek; Schweiz hatte Vergleich inkl. Kosten- und Schadenersatz angeboten; Einigung und Streichung des Falls aus dem Register war aber nicht möglich, weil die Tilgung aus dem Strafregister nur bei einem Urteil des EGMR möglich ist; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); übrigens wurde vom EGMR ein geringerer Kosten- und Schadenersatz zugesprochen, als die Schweiz angeboten hatte.
  • 23. November 2017, Standard Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich (Appl. nos. 19068/13 und 73322/13); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Vorwurf, "Spiritus Rector" einer Bespitzelungsaktion zu sein, ist Tatsachenbehauptung; Verpflichtung zu Entschädigung und Unterlassung kein Verstoß gegen Art. 10 EMRK (siehe im Blog dazu hier).
  • 21. November 2017, NPD gegen Deutschalnd (Appl. no. 37054/17); Unzulässigkeitsentscheidung; NPD hatte mit Presseaussendung zu einer Podiumsdiskussion u.a. mit Thilo Sarrazin geladen, obwohl dieser eine Teilnahme ausdrücklich abgelehnt hatte; auf Antrag von Sarrazin erging eine Unterlassungsverfügung; der EGMR hielt u.a. fest, dass auch eine Presseaussendung Werbung sein könne (und insoweit geringeren Schutz nach Art. 10 EMRK genießt), und dass die Assoziation mit einer politischen Partei stärker in Persönlichkeitsrechte eingreifen könne als die Assoziation mit einem kommerziellen Produkt); die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 21. November 2017, Redaktsiya Gazety Zemlyaki gegen Russland (Appl. no. 16224/05); Lokalzeitung wurde zu einer symbolischen Entschädigung und zum Widerruf verurteilt, nachdem in zwei Artikeln Kritik am Chef der Bezirksverwaltung geübt worden war: einmal mit einem Vergleich mit einer Fabel, in der ein Affe einen Kredit aufnimmt und einmal durch Abbildung mit einem Turban und Bart im Zusammenhang mit der - im Hinblick auf die Abfallentsorgung getätigten - Aussage, man könne alles in die Luft jagen oder verbrennen; der EGMR sah die Äußerungen als sarkastische Werturteile, deren faktische Grundlagen (dubiose Darlehensgeschäfte und Vorschläge zur Abfallentsorgung des Verwaltungschefs) nicht in Zweifel gezogen wurden; er stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 21. November 2017, Tarman gegen Türkei (Appl. no. 63903/10); zwei nationale Tageszeitungen hatten Artikel über vier angeblich von der PKK entsandte SelbstmordattentäterInnen berichtet und als eine der vier die Beschwerdeführerin genannt und ein Foto von ihr abgedruckt (was u.a. zu Morddrohungen ihr gegenüber führte); ihre Klagen vor nationalen Gerichten gegen die Medieninhaber blieben erfolglos; der EGMR stellte eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, da die nationalen Gerichte keine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung zwischen den nach Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin und den nach Art. 10 EMRK geschützten Interessen der Zeitungen vorgenommen hatten.
  • 7. November 2017, Einarsson gegen Island (Appl. no. 25703/15; Pressemitteilung); gegen den Beschwerdeführer, einen bekannten Publizisten und Filmschauspieler war nach Vergewaltigungsvorwürfen ein Ermittlungsverfahren geführt, aber eingestellt worden; auch das von ihm angestrengte Verleumdungsverfahren gegen die Person, die ihn beschuldigt hatte, wurde eingestellt; in der Folge postete ein Instagram-User ein einer Zeitung entnommenes Bild des Beschwerdeführers mit dem Kommentar "Fuck you rapist bastard" (hier in einem Zeitungsartikel zu sehen); der Beschwerdeführer klagte u.a. auf Entschädigung, verlor aber vor den nationalen Gerichten, die das Posting in seiner Gesamtheit beurteilten und eine Reaktion auch auf provozierende bzw abwertende Äußerungen des Beschwerdeführers in einer von diesem begonnenen schonungslosen Debatte ansahen und als von der Meinungsäußerungsfreiheit geschütztes Werturteil beurteilten; der EGMR sah allerdings, mit 5:2 Stimmen, angesichts der Einstellung der Verfahren gegen den Beschwerdeführer kein ausreichendes Tatsachensubstrat für die Beschuldigung als "rapist"; durch die unterbliebene Verurteilung des Posters wurde der Beschwerdeführer in dem nach Art. 8 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt, die nationalen Gerichte haben keine ausreichende Abwägung zwischen den nach Art 8 EMRK geschützten Rechten des Beschwerdeführers und den nach Art. 10 EMRK geschützten Rechten des Posters getroffen; abweichende Meinungen des Richters Lemmens und der Richterin Mourou-Vikström. (Siehe dazu den Beitrag von Ingrida Milkaite auf Strasbourg Observers)
  • 24. Oktober 2017, Eker gegen Türkei (Appl. no. 24016/05; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer, Herausgeber einer Zeitung, veröffentlichte einen Leitartikel, in dem er die Journalistenvereinigung kritisierte; diese verlangte eine Gegendarstellung, zu der er schließlich gerichtlich verpflichtet wurde; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). (siehe dazu den Beitrag von Hempel im Journal of Media Law Vol 10 (2018), 1).
  • 24. Oktober 2017, Bayer gegen Türkei (Appl. no. 603/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Verurteilung des Chefredakteurs einer Tageszeitung wegen eines in dieser Zeitung erschienenen Artikels über die Festnahme von Personen, die sich als menschliche Schutzschilder vor PKK-Mitglieder gestellt hatten, um das Militär vom Zugriff aufzuhalten; der Artikel endete mit einem Statement des bewaffneten Arms der PKK. Der EGMR hielt fest, dass kein Aufruf zu Gewalt, Widerstand oder Aufstand enthalten war und es sich nicht um "hate speech" handelte und stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 19. Oktober 2017, Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG gegen Deutschland (Appl. no. 35030/13; legal summary); Verurteilung eines Verlagshauses zu einer Entschädigung an eine Person, von der in dem von diesem Verlag veröffentlichten Buch "Mafia" von Petra Reski vermutet wurde, das sie ‘Ndrangheta-Mitglied und in einen Mord involviert sei (beruhend auf Informationen aus dem Bundeskriminalamt); der EGMR sah - da die nationalen Gerichte eine Abwägung nach den Kriterien der EGMR-Rechtsprechung vorgenommen hatten - keine Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1, dissenting opinion der georgischen Richterin Tsotsoria). [siehe auch den Beitrag der betroffenen Buchautorin zu diesem Urteil in ihrem Blog]
  • 19. Oktober 2017, Fuchsmann gegen Deutschland (Appl. no. 71233/13; Pressemitteilung); Geschäftsmann war mit einer Unterlassungsklagen gegen die New York Times in Deutschland teilweise unterlegen; in einem Artikel der NYT war berichtet worden, dass er nach Berichten deutscher und amerikanischer Ermittlungsbehörden Teil der russischen organisierten Kriminalität sei; keine Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig). [Siehe dazu den Beitrag von Emma Foubister auf Inforrm's Blog]
  • 17. Oktober 2017, Gürbüz gegen Türkei (Appl. no. 43930/12); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war wegen eines in seiner Zeitung veröffentlichten Aufrufs an die kurdische Jugend, sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen, in erster Instanz verurteilt, aber nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Kassationsgerichtshof schließlich - nach sieben Jahren Verfahrensdauer - freigesprochen worden; der EGMR wies die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück; er ließ dabei offen, ob angesichts des letztlich erfolgten Freispruchs überhaupt ein Opferstatus angenommen worden könne, da auch die Verfolgung an sich nicht unverhältnismäßig war.
  • 10. Oktober 2017, Fatih Taş gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 6813/09); Eigentümer und Chefredakteur eines Verlags, wurde zu einer bedingten Haftstrafe von 10 Monaten verurteilt, weil ein in der von ihm verlegten Zeitschrift erschienener Artikel ("Über den kurdischen Intellektuellen") PKK-Propaganda sei; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 10. Oktober 2017, Balbal gegen Türkei (Appl. no. 66327/09); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Autor, zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wegen Herabwürdigung der Streitkräfte in einem Buch über einen regionalen Aufstand im Jahr 1930; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Oktober 2017, Çamyar c. Turquie (Appl. no. 16899/07); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Redakteurin eirne Zeitschrift und Eigentümerin eines Verlags, war mehreren Strafverfahren wegen des Inhalts von ihr publizierter Artikel und eines Buchs ausgesetzt (teilweise wegen Verjährung eingestellt, teilweise Geldstrafen); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Oktober 2017, Surat gegen Türkei (Appl. no. 50930/06); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Forscher und Kolumnist, wurde wegen Beleidigung der Streitkräfte in einem Zeitungsartikel festgenommen und zunächst zu einer Geldstrafe verurteilt, das Verfahren wurde später wegen Verjährung eingestellt; EGMR sieht dennoch einen Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht gegeben, weil durch das sieben Jahre hindurch offene Verfahren - mit der Gefahr einer Haftstrafe - tatsächliche und wirksame Beschränkungen ("contraintes réelles et effectives") seiner Tätigkeit als Forscher und Kolumnist bewirkt wurden und das Verfahren letztlich nur durch Verjährung geendet hat. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. Oktober 2017, Pax Pannoniae Kft gegen Ungarn (Appl. no. 77062/13); Unzulässigkeitsentscheidung; ein leitender Mitarbeiter der beschwerdeführenden Gesellschaft (im Besitz der Weltvereinigung der Ungarn) hatte Räumlichkeiten des Unternehmens für eine Filmvorführung vermietet; als sich herausstellte, dass der NS-Propagandafilm "Jud Süß" gezeigt werden sollte, wurde der Mitarbeiter entlassen und die Vorführung abgesagt; der Mitarbeiter klagte gegen seine Entlassung und bekam vor den nationalen Gerichten recht, im Wesentlichen weil er - entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin - es nicht (bzw nicht zumindest grob fahrlässig) unterlassen hatte, die notwendige Zustimmung zur Vermietung einzuholen. Der EGMR wies die auf Art. 6 und (im Ergebnis) auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück; das Urteil hatte lediglich arbeitsrechtliche Fragen entschieden und die beschwerdeführende Gesellschaft nicht in ihrem Recht nach Art. 10 EMRK nach "negativer Freiheit der Meinungsäußerung" betroffen (wie sich u.a. daran zeigte, dass sie die Vorführung ja tatsächlich auch absagen hatte können).
  • 5. Oktober 2017, Becker gegen Norwegen (Appl. no. 21272/12; Pressemitteilung; legal summary); Journalistin hatte aufgrund eines ihr zugespielten anwaltlichen Schreibens über einen möglichen Zusammenbruch einer börsenotierten Ölfirma geschrieben, der Aktienkurs brach daraufhin ein; in der Folge wurde ihr Informant nach einer Untersuchung der Finanzmarktaufsicht wegen Marktmanipulation verfolgt und verurteilt; die Journalistin hatte sich unter Berufung auf den Quellenschutz geweigert, in diesem Verfahren als Zeugin auszusagen und wurde dafür zu einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (zustimmendes Sondervotum der Richterin Tsotsoria). (Siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers)
  • 3. Oktober 2017, Novaya Gazeta und Milashina gegen Russland (Appl. no. 45083/06; Pressemitteilung); Journalistin der Novaya Gazeta hatte Artikel über die Untersuchung des Untergangs des U-Boots "Kursk" veröffentlicht und darin Statements eines Verwandten eines Opfers und dessen Anwalt gebracht, in denen bestimmten Beamten Fehlverhalten im Amt vorgeworfen wurde; die Journalistin und die Medieninhaberin wurden zu einer geringen Entschädigung verurteilt; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest: die Journalistin hatte lediglich die Ansichten anderer berichtet und dabei keine journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt.
  • 3. Oktober 2017, Dmitriyevskiy gegen Russland (Appl. no. 42168/06; Pressemitteilung; legal summary); Chefredakteur einer kleinen Regionalzeitung wurde wegen Veröffentlichung zweier Artikel, die von tschetschenischen Separatistenführern verfasst worden waren, zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Verurteilung stützte sich auf ein linguistisches Gutachten, das zum Ergebnis gekommen war, dass "hate speech" vorlag; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest, schon weil die Frage, ob "hate speech" vorliegt, nicht durch einen Sachverständigen zu beurteilen ist, und weil keine Beurteilung vorgenommen wurde, ob die Artikel z.B. der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit abträglich waren, und schließlich war auch die (wenn auch bedingte) zweijährige Haftstrafe unverhältnismäßig ("chilling effect").
  • 26. September 2017, Anthony France ua gegen Vereinigtes Königreicht (Appl. no. 25357/16 ua); Unzulässigkeitsentscheidung; vier Journalisten der Sun hatten über "Plebgate" berichtet, eine Auseinandersetzung eines Politikers mit einem Polizisten; in der Folge kam es zu einer Untersuchung, bei der offenbar wurde, dass Polizisten einer Sondereinheit Informationen geleakt hatten; die Sun verweigerte die Zusammenarbeit, um ihre Quellen zu schützen; später erhielt die Polizei die Genehmigung zum Zugriff auf bestimmte Kommunikationsdaten der Journalisten, um das Leak - und eine mögliche Verschwörung zum Sturz dieses Politikers durch die Polizei - aufzuklären; nach einer Beschwerde entschied das Investigatory Powers Tribunal im Hinblick auf drei Journalisten, dass es keine Abhilfe gebe, obwohl das Gesetz nicht den Anforderungen des Art. 10 EMRK genüge; im Hinblick auf den vierten Journalisten wurde eine Rechtsverletzung festgestellt; das Gesetz wurde in der Folge geändert; der EGMR wies die Beschwerde des vierten Journalisten zurück, da diesem kein Opferstatus mehr zukam; im Hinblick auf die drei anderen Journalisten wurde die Beschwerde nach Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK zurück, weil den Beschwerdeführern kein erheblicher Nachteil entstanden sei.
  • 21. September 2017, Axel Springer SE und RTL Television GmbH gegen Deutschland (Appl . no. 51405/12; legal summary; Pressemitteilung); Verfügung des vorsitzenden Richters, dass Fotos des wegen zweifachen Mordes Angeklagten aus der Verhandlung nur veröffentlicht werden dürfen, wenn der Angeklagte darauf nicht identifizierbar ist; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. September 2017, Tamiz gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 3877/14); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer fand sich durch ein Post und mehrere Kommentare dazu auf dem auf der Blogplattform blogger.com betriebenen "London Muslim"-Blog beleidigt; er nützte die "report abuse"-Funktion, und trat auch brieflich an Google (als blogger.com-Eigentümerin) heran; Google leitete, mit Zustimmung des Beschwerdeführers, die Beschwerde an den Blogger weiter, der das Posting und die Kommentare schließlich löschte; der Beschwerdeführer wollte aber gegen Google vorgehen und beantragte Zustellung in den USA, was letztlich vom Court of Appeal verweigert wurde (Rechtsmittel zum Supreme Court wurde nicht zugelassen); in der Beschwere an den EGMR machte der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 8 EMRK geltend; der EGMR verwies u.a. auf die Haftungsregeln der E-Commerce-Richtlinie und differenzierte den Fall von Delfi, in dem es um ein großes, professsionell gemanagtes Internet-News-Portal ging, auf dem eigene Artikel veröffentlicht und die Leser zu Kommentaren eingeladen wurden, nicht wie hier um eine Social Media Plattform, auf der der Plattform-Betreiber keinen Content bereitstellt; der EGMR kam zum Ergebnis, dass ein fairer Ausgleich zwischen den nach Art. 8 und nach Art. 10 EMRK geschützten Rechten erzielt wurde und wies die auf Art. 8 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück. (siehe dazu den Beitrag von Natasha Holcroft-Emmess auf Inforrm's Blog und den Beitrag von Ingrida Milkaite auf Strasbourg Observers).
  • 7. September 2017, Lacroix gegen Frankreich (Appl. no. 41519/12); Stadtrat (und Mitglied des Finanzausschusses der Stadt), wurde strafgerichtlich zu einer Geldstrafe von 1.000 € (und zu symbolischem Schadenersatz von 1 €) verurteilt wegen einer in der Zeitung zitierten Aussage (die er im Gemeinderat gemacht hatte), in der er dem Bürgermeister und dessen Stellvertreter Betrug im Zusammenhang mit einem Straßenbauvorhaben vorwarf; der EGMR beurteilt die Aussagen als eine Bewertung (appréciation) der Einstellung des Bürgermeisters zur Ausführung eines bestimmten öffentlichen Auftrags, und es sich um Beleidigungen handelt, die sich Politiker in solchen Debatten genehmigen ("invectives politiques que les élus politiques s’autorisent lors des débats"); es handelte sich um ein Werturteil auf ausreichender Tatsachengrundlage; zudem ist zu berücksichtigen, dass die strafgerichtliche Sanktion, auch wenn es sich umeine geringe Geldstrafe handelt, "chilling effects" habe; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. September 2017, Karzhev gegen Bulgarien (Appl. no. 60607/08); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; früherer leitender Staatsanwalt, wurde wegen in einem Zeitungsinterview geäußerter Kritik an Ex-Mitarbeitern, die nach seinem Abgang seine Arbeit evaluierten, verurteilt (Geldstrafe und Entschädigung); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 5. September 2017, Feza Gazetecilik Anonim Şirketi gegen Türkei (Appl. no. 9173/15); Beschluss über die Streichung des Falls aus dem Register - siehe dazu im Blog hier.
  • 5. September 2017, Çamyar gegen Türkei (Appl. no. 42900/06); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteurin einer "revolutionären proletarischen" Zeitschrift, wurde aufgrund eines Artikels zu 5 Monaten Haft wegen Beleidigung der Republik und der Streitkräfte verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 5. September 2017, Yurtsever gegen Türkei (Appl. no. 42320/10); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; kurdischer Aktivist, wurde wegen einer Rede zu 5 Monaten Haft wegen Beleidigung von Regierungsorganen verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 5. September 2017, Özer gegen Türkei (Appl. no. 47257/11); Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK; Chefredakteur einer Zeitschrift, wurde wegen eines regierungskritischen Artikels zu zehn Monaten Haft (umgewandelt in Geldstrafe) wegen Beleidigung der Republik und der Regierung verurteilt; Verletzung des Art. 10 EMRK.
  • 29. August 2017, Sioutis gegen Griechenland (Appl. no. 16393/14; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer, eine Privatperson, hatte auf einer Website über ein Urteil in einem privatrechtlichen Verfahren wegen übler Nachrede zwischen einem Abgeordneten und einem Geschäftsmann gelesen und, gestützt auf Art. 10 EMRK, eine Ausfertigung des Urteils verlangt; der EGMR wandte die Kriterien aus dem Urteil Magyar Helsinki Bizottság an und prüfte den Zweck des Informationsersuchens, die Art der nachgefragten Information und die Funktion des Informationssuchenden; er verwies darauf, dass der Beschwerdeführer das Urteil bei Gericht hätte einsehen können, dass die nachgefragte Information den "public interest test" nicht bestehe und schließlich der Beschwerdeführer auch keine Rolle als "watchdog" erfülle; die Beschwerde wurde daher ratione materiae als unzulässig zurückgewiesen (einstimmig).
  • 29. August 2017, Regina Ltd. gegen Ukraine (Appl. no. 55103/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Zeitung veröffentlichte einen Brief über gravierende Mängel an einer Schule; der Brief war von fünf angeblichen Lehrkräften unterzeichnet und nannte eine falsche Schulnummer und einen falschen Namen der Direktorin; durch die Anonymisierung des Briefes wurde zwar die Nummer der Schule und die Namen der angeblichen Lehrkräfte und der Direktorin weggelassen, es blieben jedoch persönliche Details enthalten, die auf eine einzige mögliche Direktorin verwiesen; die Zeitung wurde zu einer Entschädigung und zum Widerruf verurteilt; die Beschwerde an den EGMR wurde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, die Redaktion habe "evident lack of concern for the veracity of the information" gezeigt.
  • 18. Juli 2017, Özalp gegen Türkei (Appl. nos. 48583/07 und 53717/07; Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK); Chefredakteur und Eigentümer einer Zeitschrift; wurde wegen Veröffentlichung einer Erklärung einer illegalen (kurdischen) Organisation und eines Interviews mit einem führenden Mitglied dieser Organisation, jeweils in kurdischer Sprache, zu Geldstrafen verurteilt; die Zeitschriften wurden beschlagnahmt; da die Artikel keine Aufrufe zu Gewalt, bewaffnetem Widerstand oder zum Aufstand enthielten und nicht als "hate speech" zu beurteilen war, stellte der EGMR eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 4. Juli 2017, Dimitris und Voulgaris ua gegen Griechenland (Appl. nos. 59573/09 und 65211/09; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; die Beschwerde richtet sich gegen das in Griechenland gesetzlich verankerte Verbot, 15 Tage vor eine Wahl Umfragen zu veröffentlichen; die Beschwerdeführer waren "nur" Wähler und hatten selbst keine Umfragen veröffentlicht; der EGMR beurteilte sie daher als nicht von der Gesetzgebung betroffen und wies die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 4. Juli 2017, Bayar gegen Türkei (Appl. no. 47098/11); Unzulässigkeitsentscheidung; Chefredakteur einer Tageszeitung wurde zu einer Geldstrafe von rund 758 € verurteilt, weil er (ohne weiteren Kommentar oder Begleittext) einen Aufruf des verbotenen bewaffneten Arms der PKK veröffentlicht hatte, in dem die Jugend zur Teilnahme am bewaffneten Guerrillakampf aufgerufen wurde; der EGMR beurteilte dies als Aufruf zu Gewalt und wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 4. Juli 2017 Kącki gegen Polen (Appl. no. 10947/11); Journalist veröffentlichte ein Interview mit einem Mitglied der Samobroona-Partei im Zusammenhang mit einem Sex-Skandal; im Interview sagte sie, dass ihr im Gegenzug gegen sexuelle Gefälligkeiten ein Job im Büro eines Abgeordneten versprochen worden wäre; den Job habe aber nicht sie bekommen, sondern die Tochter eines (namentlich genannten) Abgeordneten zum Europäischen Parlament; das gegen sie daraufhin vom Abgeordneten zum EP angestrengte Strafverfahren wurde gegen Zahlung von umgerechnet 232 € an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt; festgestellt wurde, dass die Behauptung, der Job sei an die Tochter des Abgeordneten gegangen, schon deshalb nicht nicht ausreichend verifiziert worden sei, weil dieser Abgeordnete gar keine Tochter hatte. Der EGMR betonte, dass die Aussagen nicht vom Journalisten, sondern von seiner Interviewpartnerin stammten und dass der Abgeordnete keine Richtigstellung verlangt, sondern gleich Privatanklage erhoben hatte; die nationalen Gerichte hatten keine ausreichende Abwägung der Interessen unter Einbeziehung des Kontexts, in dem die Aussagen getätigt worden waren, vorgenommen; der EGMR stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 4. Juli 2017, Halldórsson gegen Island (Appl. no. 44322/13); Journalist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wurde nach einem Bericht über ein angeblich illegales Darlehensgeschäft mit einer off shore-Firma wegen übler Nachrede (zulasten eines involvierten Geschäftsmannes) verurteilt; der Journalist hatte erst während des Gerichtsverfahrens eine Bestätigung der Strafverfolgungsbehörde vorgelegt, wonach das Darlehen gemeldet worden sei und geprüft werde (allerdings ergibt sich auch daraus nicht, dass gegen genannten Geschäftsmann ermittelt würde), die Richtigkeit des im Bericht erhobenen Vorwurfs war daher nicht bewiesen; die nationalen Gerichte hatten eine sorgfältige Abwägung vorgenommen und waren zum Ergebnis gekommen, dass der Bericht zwar eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betraf, der Journalist aber seine Pflichten nach dem Rundfunkgesetz (wonach er sich hätte bemühen müssen, Information von beiden oder allen Parteien zu erhalten und deren Sichtweise darzustellen) verletzt habe; der EGMR sieht keinen Grund, die Beurteilung der nationalen Gerichte in Zweifel zu ziehen; er verweist auch darauf, dass die bloße Berufung des Journalisten auf den Quellenschutz ihn nicht der Verpflichtung enthebt, die Wahrheit der erhobenen Anschuldigungen zu beweisen oder sonst darzulegen, dass eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Vorwurf bestand; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 27. Juni 2017, Medžlis Islamske Zajednice Brčko ua gegen Bosnien und Herzegowina (Appl. no. 17224/11; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; NGOs hatten sich mit einer Beschwerde über ein angebliches Fehlverhalten einer Rundfunkredakteurin, die sich um die Direktorenstelle beim multi-ethnischen öffentlich-rechtlichen Radiosender des Bezirks Brčko beworben hatte, an lokale Behörden gewandt; dieses Schreiben wurde - ohne (festgestelltes) Zutun der NGOs - kurz danach in drei Tageszeitungen veröffentlicht. Die NGOs wurden aufgrund einer Klage der Redakteurin wegen übler Nachrede verurteilt, da das Schreiben nicht nur Werturteile, sondern auch unwahre und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen enthielt; der EGMR stellte mit 11:6 Stimmen keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest; die NGOS hätten - wie die Presse - ihre Vorwürfe verifizieren müssen; dass der Vorwurf nur in privater Korrespondenz geäußert wurde, ist zwar bedeutend, aber dieser Umstand gewährt den NGOs kein uneingeschränktes Recht auf Verbreitung nicht verifizierter Verleumdungen; gemeinsame abweichende Meinung der RichterInnen Sajó, Karakaş, Motoc und Mits, weitere abweichende Meinungen des bosnischen Richters Vehabović und des Richters Kūris. (Siehe dazu den Beitrag von Alex Bailin und Jessica Jones auf Inforrm's Blog und den Beitrag von Stijn Smet auf Strasbourg Observers).
  • 27. Juni 2017, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy gegen Finnland (Appl. no. 931/13; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer, Verbot der Massenveröffentlichung persönlicher Steuerdaten; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (15:2 Stimmen, gemeinsame abweichende Meinung des ungarischen Richters Sajó und der türkischen Richterin Karakaş); weiters stellte der EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK fest (mit abweichender Meinung von Nußberger und López Guerra). Siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers.
  • 27. Juni 2017, Ghiulfer Predescu gegen Rumänien (Appl. no. 29751/09); Investigativjournalistin wurde vom Bürgermeister von Constanţa geklagt, nachdem sie in einer live ausgestrahlten TV-Diskussion über gewaltsame Auseinandersetzungen (bei denen ein Hotel, an dem der Bürgermeister beteiligt war, beschädigt wurde) davon sprach, dass die Stadt zwischen zwei "Gangs" - eine davon die Leute des Bürgermeisters - aufgeteilt sei; sie wurde im Instanzenzug zu einer Entschädigung von rund 11.000 € zur Veröffentlichung in zwei Zeitungen und zur Entschuldigung verurteilt; der EGMR zog in Betracht, dass es um eine Debatte im öffentlichen Interesse ging und dass das Format der Live-Diskussion, an der auch der Bürgermeister teilnahm, den Austausch von Ansichten und Argumenten fördern sollte, sodass sich die geäußerten Meinungen ausgleichen würden; die verwendete Sprache sei in den annehmbaren Grenzen der journalistischen Freiheit geblieben; zudem sollten die Äußerungen als Meinungen (Werturteil) gesehen werden und es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Journalistin nicht gutgläubig gewesen wäre; schließlich sei auch die Entschädigung "extrem hoch" gewesen und habe einen "chilling effect" haben können; daher stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 27. Juni 2017, Belkacem gegen Belgien (Appl. no. 34367/14; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Der Beschwerdeführer, Anführer der - aufgelösten - Organisation "Sharia4Belgium", wurde aufgrund verschiedener Aussagen in YouTube-Videos (ua Aufrufe zum gewaltsamen Kampf gegen Ungläubige) wegen Aufrufs zu religiöser Diskriminierung und zu Hass zu einer bedingten Haftstrafe von eineinhalb Jahren und einer Geldstrafe verurteilt; der EGMR hielt (einstimmig) fest, dass der Beschwerdeführer sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu Zwecken nutzen wollte, die offensichtlich gegen den Geist der EMRK gerichtet sind und dass er sich daher gemäß Art 17 EMRK nicht auf den Schutz des Art 10 EMRK berufen kann; die Beschwerde wurde daher (als ratione materiae unzulässig) zurückgewiesen.
  • 27. Juni 2017, LM Basın Yayın Limited Şirketi und Çağçağ gegen Türkei (Appl. no. 75450/10); Unzulässigkeitsentscheidung; satirisches Magazin und dessen Karikaturist, wurden wegen einer Karikatur des damaligen Premiers Recep Tayyip Erdoğan zu einer Entschädigung verurteilt; Beschwerde wurde zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführer erst nach der Entscheidung über ein im konkreten Fall unzulässiges Rechtsmittel, das sie gegen die letztinstanzliche nationale Entscheidung erhoben hatten, die Beschwerde an den EGMR erhoben und damit die Beschwerdefrist versäumt haben.
  • 20. Juni 2017, Bayev ua gegen Russland (Appl. nos. 67667/09 ua; Pressemitteilung; legal summary); Beschwerde von drei "Gay Rights"-Aktivisten, die sich gegen ein russisches Gesetz wandten, das "homosexuelle Propaganda" verbietet; sie hatten vor einer Sekundarschule, einer Kinderbücherei und einem Verwaltungsgebäude demonstriert, mit Transparenten ("Homosexualität ist normal/natürlich" und "Homosexualität ist keine Perversion"); dafür wurden sie verwaltungsstrafrechtlich verurteilt; Beschwerden beim Verfassungsgericht blieben auch erfolglos; der EGMR kam zum Ergebnis, dass durch das Gesetz und seine Anwendung durch die Behörden Vorurteile und Stigmatisierung verstärkt sowie Homophobie gefördert wurden, was mit den Werten der Gleichheit, der Vielfalt und der Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar ist: Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1 Stimmen, abweichende Meinung des russischen Richters Dedov); s. dazu den Beitrag von Kushtrim Istrefi und Emma Irving auf EJIL und den Beitrag von Pieter Cannoot und Claire Poppelwell-Scevak auf Strasbourg Observers; zur dissenting opinion des russischen Richters Dedov siehe den Beitrag von Laurens Lavrysen auf Strasbourg Observers. Russland hat angekündigt, einen Antrag auf Verweisung an die Große Kammer zu stellen.
  • 20. Juni 2017, Ali Çetin gegen Türkei (Appl. no. 30905/09); Buchhalter einer Umweltorganisation, der wegen eines Berichts eines Steuerinspektors entlassen wurde, kritisierte dessen Bericht, wobei er ihm eine Mentalität wie Bekçi Murtaza (einer Romanfigur von Orhan Kemal, die ihre Prinzipien über alles stellt und sich in alles einmischt) vorwarf; er wurde daraufhin wegen Beleidigung eines staatlichen Organs zu einer geringen Geldstrafe verurteilt; der EGMR hält fest, dass es nicht um eine Debatte von öffentlichem Interesse ging und der Beschwerdeführer ein Werturteil geäußert habe, das als beleidigend angesehen werden könnte; im Hinblick auf den Zusammenhang - die Kritik war nicht öffentlich vorgebracht worden, sondern in einem Rechtsmittel gegen den Bericht, der nachteilige berufliche Auswirkungen auf den Beschwerdeführer hatte - sei die Verurteilung aber nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; daher: Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. Juni 2017, Bogomolova gegen Russland (Appl. no. 13812/09; Pressemitteilung); Veröffentlichung des Fotos eines Minderjährigen (sechsjähriges Kind) auf dem Cover einer Broschüre des psychologischen Dienstes eines Bezirks, in der es vor allem um Adoption und Pflegeeltern ging "Kinder brauchen eine Familie"), sodass der Eindruck entstehen konnte, das Kind sei Waise; das Foto war zwar mit Zustimmung der erziehungsberechtigten Mutter aufgenommen worden, allerdings gab es keine Zustimmung für die Veröffentlichung; Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig). (siehe dazu den Beitrag von Ingrida Milkaite auf Strasbourg Observers)
  • 20. Juni 2017, Metis Yayıncılık Limited Şirketi und Sökmen (Appl. no. 4751/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerdeführer waren eine Verlagsgesellschaft und deren Eigentümer; der Verlag hatte einen Roman veröffentlicht, in dem auch - in Dialogen der fiktiven Charaktere - die Massaker an Armeniern in den Jahren 1915-1916 thematisiert wurden; aufgrund einer Anzeige kam es zur Einleitung von Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft, die aber in der Folge eingestellt wurden; nach einem Rechtsmittel des Anzeigers kam es erneut zu einer förmlichen Einstellung des Verfahrens; das Strafverfahren hatte sich zudem nur gegen die Autorin und den Übersetzer gerichtet, der Verlagseigentümer war lediglich als Zeuge vernommen worden; die Beschwerdeführer fühlten sich dennoch in ihren Rechten nach Art. 10 EMRK verletzt, weil die Strafverfolgung zur Selbstzensur führe; der EGMR sah hingegen keinen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf freie Meinungsäußerung und wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 15. Juni 2017, Independent Newspapers (Ireland) Limited gegen Irland (Appl. no. 28199/15; Pressemitteilung; legal summary); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); s dazu Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers.
  • 13. Juni 2017, Arnarson gegen Island (Appl. no. 58781/13); keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2017, Cheltsova gegen Russland (Appl. no. 44294/06); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2017, Güllü gegen Türkei (Appl. no. 57218/10); (Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK); in einem Fall Verletzung des Art. 10 EMRK, im anderen Fall nicht (jeweils einstimmig).
  • 13. Juni 2017, Ali Gürbüz gegen Türkei (Appl. no. 14742/10); (Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2017, Çolak und Kasımoğulları gegen Türkei (Appl. nos. 29969/07 und 47462/07); (Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK); Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Juni 2017, Bayar gegen Türkeit (Appl. nos. 55060/07 und 55061/07); (Urteil eines Ausschusses nach Art. 28 EMRK); Verletzung (u.a.) des Art. 10 EMRK.
  • 13. Juni 2017, Moohan und Gillon gegen Vereinigtes Königreich (Appl nos. 22962/15, 23345/15; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerde zweier Strafgefangener wegen ihres Ausschlusses vom Stimmrecht beim Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands; Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (einstimmig): Art 10 EMRK schützt nicht das Recht der Stimmabgabe, egal ob in einer Wahl oder in einem Referendum.
  • 13. Juni 2017, Boudelal gegen Frankreich (Appl. no. 14894/14; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Verweigerung der Wiedereinbürgerung wegen Zweifeln an der Loyalität zur Republik Frankreich (wegen der Teilnahme an Demonstrationen und Verbindungen zu Organisationen, die der Hamas nahestehen); unter Hinweis auf den Fall Petropavlovskis als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (einstimmig).
  • 6. Juni 2017, Y gegen Schweiz (Appl. no 22998/13; Pressemitteilung); Verurteilung eines Journalisten zu einer Geldstrafe von 5000 SFR wegen der Veröffentlichung von Auszügen aus Dokumenten einer gerichtlichen Untersuchen; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig; zustimmendes Sondervotum des Richters López Guerra).
  • 1. Juni 2017, Kość gegen Polen (Appl. no. 34598/12); der Beschwerdeführer hatte als Vertreter einer Gemeindeversammlung eine Petition an den Bezirksbürgermeister gerichtet, um die Verwaltung der Gemeindefinanzen durch den früheren Ortsvorsteher - der gegen ihn kandidiert hatte - zu prüfen; er wurde dafür verurteilt, weil er die Anschuldigungen in der Petition nicht beweisen konnte. Da die nationalen Gerichte keine ausreichende Abwägung vorgenommen hatte, stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 1. Juni 2017, Giesbert ua gegen Frankreich (Appl. nos. 68974/11, 2395/12 et 76324/13; Pressemitteilung); Verurteilung des Chefredakteurs und Journalisten eines Magazins zu einer Entschädigung von 10.000 € wegen Veröffentlichung von Auszügen aus Vernehmungsprotokollen in der Strafsache Bettencourt, noch bevor diese in die mündliche Verhandlung eingeführt worden waren. Das entsprechende französische Gesetz war ausreichend bestimmt und verfolgte das legitime Ziel, ein faires Verfahren zu sichern und die Unschuldsvermutung zu achten. Auch wenn die nationalen Gerichte sich nicht sehr ausführlich mit der Abwägung der Interessen auseinandergesetzt hätten, bleibe dies im nationalen "margin of appreciation"; die Veröffentlichung zwei Monate vor dem Beginn der Verhandlung habe den Fortgang des Verfahrens und mögliche Zeugen beeinflussen können; die Journalisten hätten den wesentlichen Informationsgehalt auch ohne Zitierung der Akten vermitteln können; schließlich sei die Entschädigung auch nicht exzessiv gewesen; der EGMR stellte daher keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 23. Mai 2017, Zakharov gegen Russland (Appl. no. 13114/05); Unzulässigkeitsentscheidung; Kandidat für Gouverneur behauptete in einer TV-Diskussion, dass trotz Ausschreibung Kohle immer nur von einem Unternehmen gekauft werde und dieses teurer als andere Unternehmen sei; wurde nach Klage dieses Unternehmens und seines Direktors wegen Kreditschädigung zum Widerruf und zur Tragung der (sehr geringen) Gerichtskosten verurteilt. Der EGMR hielt fest, dass es sich um Tatsachenbehauptungen handelte, die der Beschwerdeführer nicht belegen konnte; auch hatte er die Behauptungen trotz Gelegenheit nicht weiter überprüft (was leicht möglich gewesen wäre) und sie zwei Tage nach der ersten Sendung wiederholt. Zurückweisung der Beschwerde als offensichtlich unbegründet.
  • 23. Mai 2017, Sarıgül gegen Türkei (Appl. no. 28681/05; Pressemitteilung; legal summary); Beschlagnahme eines Romanmanuskripts, das der in Haft befindliche Beschwerdeführer der Gefängnisverwaltung zur Weiterleitung an seinen Anwalt übergeben hatte. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig), weil keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Eingriff vorlag.
  • 18. Mai 2017, Petrie gegen Italien (Appl. no. 25322/12); Vorsitzender der Vereinigung ausländischer Lektoren in Italien, klagte erfolglos einen Beamten des Wissenschaftsministeriums und einen Vizekanzler einer Universität, weil sie ihm vorwarfen, er habe in einer Anhörung des Europäischen Parlaments behauptet, Italien werde von der Mafia regiert. Vor dem EGMR stützte er sich auf Art 8 EMRK (Verletzung der positiven Verpflichtung zum Schutz seines Privatlebens). Der EGMR kam zum Ergebnis, dass die nationalen Gerichte eine sorgfältige Abwägung der beteiligten Interessen - ua des Rechts der Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK - vorgenommen haben; es war eine Debatte von öffentlichem Interesse, der Vorsitzende war in Fachkreisen bekannt (sozusagen eine public figure in der hier relevanten Zielgruppe) und außerdem hätten seine Aussagen in der Parlamentsanhörung im Sinne eines "Mafia"-Vorwurfs verstanden werden können; daher keine Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig).
  • 16. Mai 2017, Çolak und Kasımoğulları gegen Türkei (Appl. no. 75484/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung zu Geldstrafen wegen Veröffentlichung einer Erklärung der Frauenorganisation der verbotenen PKK, mit einem Aufruf (ua) an die "Frauen in den Bergen der Freiheit" (womit die Kämpferinnen der PKK angesprochen werden sollten), Pionierinnen des Aufstands in den Straßen zu sein; Herr Kasımoğulları wurde letztlich nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts freigesprochen, die Strafe von Herrn Çolak wurde auf Bewährung ausgesetzt. Der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 4. Mai 2017, Traustason ua gegen Island (Appl. no. 44081/13); Zeitungsjournalisten, waren wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil sie berichtet hatten, dass gegen einen Wirtschaftsprofessor, der Vorstandsmitglied eines insolvent gewordenen Unternehmens war, polizeiliche Ermittlungen geführt würden; tatsächlich hatte die Polizei zwar eine Beschwerde über ihn überprüft, aber keine formellen Ermittlungen eingeleitet; der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (zustimmendes Sondervotum der Richterin Koskelo), vor allem weil die nationalen Gerichte keine ausreichende Abwägung der beteiligten Rechtspositionen vorgenommen hatten.
  • 4. Mai 2017, Chap LTD gegen Armenien (Appl. no. 15485/09; Pressemitteilung); kein Art. 10 EMRK-Fall, aber hier erwähnt, weil Beschwerdeführer Rundfunkveranstalter war (Gala TV; "widely recognised as one of the few independent voices in television broadcasting in Armenia" laut EGMR), und weil der Eindruck entsteht, das Steuerverfahren, um das es formal geht, könnte etwas mit der journalistischen Arbeit zu tun haben; Verurteilung wegen Steuerhinterziehung; der EGMR stellt einstimmig eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest, im Wesentlichen weil keine Möglichkeit eingeräumt wurde, wesentliche Zeugen (u.a. den Leiter der Regulierungsbehörde!) zu befragen.
  • 2. Mai 2017, Haupt gegen Österreich (Appl. no. 55537/10; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer, ehemaliger österreichischer Vizekanzler, behauptete eine Verletzung (ua) des Art. 8 EMRK, weil ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil, in dem ATV wegen eines satirischen Beitrags über ihn verurteilt worden war, nachträglich aufgehoben wurde (mehr dazu hier); die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 25. April 2017, Scozzafava ua gegen Italien (Appl. no. 20014/13); Unzulässigkeitsentscheidung; TV-Zuseher hatten sich beschwert, weil die dafür zuständige Medienkommission des Parlaments entgegen einer bestehenden gesetzlichen Verpflichtung der RAI nicht aufgetragen hat, bestimmte politische Informationssendungen ("tribune politiche") zu senden; sie sahen sich in ihrem Recht, Informationen zu empfangen und auch in ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt. Der EGMR beurteilte die Beschwerden in einer Komitee-Entscheidung als unzulässig, da die TV-Zuseher nicht Opfer im Sinne des Art. 34 der EMRK sind - es gibt keine "actio popularis".
  • 25. April 2017, OOO Izdatelskiy Tsentr Kvartirnyy Ryad gegen Russland (Appl. no. 39748/05); Medieninhaberin einer Zeitung, Bericht über die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Vorsitzender auch stv. Vorsitzender eines Moskauer Bezirksrats war; dieser klagte wegen Rufschädigung; der EGMR hielt fest, dass auch die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft keine reine private Angelegenheit sei, sondern von öffentlichem Interesse; die nationalen Gerichte hatten keine Abwägung zwischen dem Schutz des guten Rufs und der Meinungsäußerungsfreiheit vorgenommen und auch keine klare Beurteilung, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorlag; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 4. April 2017, Milisavljević gegen Serbien (Appl. no. 50123/06; Pressemitteilung); die beschwerdeführende Journalistin war aufgrund eines Artikels in der Zeitung Политика wegen Beleidigung verurteilt worden, weil sie in einem Artikel über die Menschenrechtsaktivistin Nataša Kandić geschrieben hatte, diese sei als Hexe und Prostituierte bezeichnet worden; für den EGMR war eindeutig, dass damit keine eigene Wertung zum Ausdruck gebracht wurde, auch wenn "Hexe und Prosituierte" nicht unter Anführungszeichen stand (was die serbischen Gerichte für entscheidend hielten); tatsächlich waren diese Worte in einem anderen Zeitschriftenbeitrag über Nataša Kandić verwendet worden. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 4. April 2017, Stoyanov gegen Bulgarien (Appl. no. 19557/05); Unzulässigkeitsentscheidung
  • 28. März 2017, Marunić gegen Kroatien (Appl. no. 51706/11; legal summary); Direktorin eines städtischen Versorgungsunternehmens, hatte nach einem Zeitungsbericht, in dem der Bürgermeister Kritik an ihrer Arbeit übte, ebenfalls in einem Zeitungsartikel repliziert und der Rechtsabteilung der Stadt vorgeworfen, von ihr rechtswidriges Handeln verlangt zu haben; sie wurde daraufhin fristlos entlassen, weil sie durch ihre Äußerung das Ansehen des Unternehmens geschädigt habe. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 28. März 2017, Savotchko gegen Republik Moldau (Appl. no. 33074/04); Weitergabe von Telefondaten einer Kundin des in staatlichem Besitz befindlichen Telefonanbieters an die Mutter der Kundin (die mit ihrer Tochter in einem Erbschaftsstreit verhanden war); Verletzung des Art. 8 EMRK (einstimmig), weil keine gesetzliche Grundlage dafür vorlag (der EGMR prüfte daher nicht mehr, ob die Weitergabe allenfalls notwendig gewesen sein könnte).
  • 21. März 2017, Ioniţă gegen Rumänien (Appl. no. 30655/09); Notarin, erhielt eine Disziplinarstrafe u.a. wegen Nichtentrichtung von Beiträgen, wurde daraufhin auch suspendiert und nach Nachzahlung der Beiträge wieder als Notarin eingesetzt; danach kritisierte sie in einer TV-Diskussion die Beitragspflicht und auch die Notarsvereinigung, wobei sie führenden Funktionären dieser Vereinigung - nicht durch Fakten belegtes Fehlverhalten vorwarf. Wegen dieser Äußerungen wurde sie neuerlich für vier Monate suspendiert. Der EGMR stellte (einstimmig) keine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 16. März 2017, Olafsson gegen Island (Appl. no. 58493/13; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Medieninhaber einer Web-Nachrichtenseite, wurde wegen übler Nachrede verurteilt, weil auf dieser Website eine Artikelserie mit Vorwürfen betreffend Kindesmissbrauch gegenüber einem Kandidaten für die verfassungsgebende Versammlung veröffentlicht worden waren. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig). [siehe dazu den Beitrag von Ed Klaris und Alexia Bedat auf Inforrm's Blog]
  • 9. März 2017, Makris gegen Griechenland (Appl. no. 55135/10); Ex-Bürgermeister und nun Oppositionsführer kritisierte den aktuellen Bürgermeister wegen eine Auftragsvergabe, was auch zu Presseberichten führte; wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. März 2017, Döner ua gegen Türkei (Appl. no. 2994/02; legal summary); Eltern schulpflichtiger Kinder hatte eine an die Schulbehörden gerichtete Petition unterschrieben, dass sie Unterricht für ihre Kinder in kurdischer Sprache möchten; aufgrund dieser Petition wurden sie festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht (wegen des Verdachts, dass sie der PKK angehörten oder diese unterstützten); schließlich wurden alle freigesprochen. Der EGMR stellt eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3, 4 und 5 fest (einstimmig) sowie hinsichtlich 19 von 20 Beschwerdeführern eine Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1, zustimmendes Sondervotum des Richters Lemmens, abweichende Meinung der Richterin Turković, die auch hinsichtlich des weiteren Beschwerdeführers die Zulässigkeit der Beschwere und die Verletzung des Art. 10 EMRK bejahte).
  • 28. Februar 2017, Jean-Marie Le Pen gegen Frankreich (Appl. no. 4516/16); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 21. Februar 2017, Dosamentes gegen Spanien (Appl. no. 20996/10; Pressemitteilung des EGMR); Ex-Manager der Beschwerdeführerin, einer bekannten Popsängerin, hatte im TV Bemerkungen über ihr Privatleben (u.a. zum angeblichen Drogenkonsum ihres Ex-Freundes und zu ihrer sexuellen Orientierung) gemacht; die Beschwerdeführerin hatte vor den nationalen Gerichten erfolglos geklagt; der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art. 8 EMRK fest, da die nationalen Gerichte keine sorgfältige Abwägung vorgenommen hatten. [Siehe dazu Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog]
  • 21. Februar 2017, Orlovskaya Iskra gegen Russland (Appl. no. 42911/08; legal summary); von der kommunistischen Partei gegründete Zeitung hatte Kritik am Kandidaten des "Einigen Russland" geübt und war von der Wahlkommission wegen falscher Informationen geklagt worden; Verletzung des Art. 10 EMRK (6:1; abweichende Meinung des Richters Dedov).
  • 9. Februar 2017, Selmani u.a. gegen FYROM (Appl. no. 67259/14; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Journalisten wurden bei Streit unter Abgeordneten im Parlament vom Sicherheitsdienst aus dem Parlamentsgebäude entfernt; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Februar 2017, Pihl gegen Schweden (Appl. no. 74742/14; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; im Blog einer kleinen Non-Profit-Organisation war der Beschwerdeführer beschuldigt worden, einer Nazi-Partei anzugehören; in einem anonymen Kommentar dazu behauptete jemand, er sei auch ein richtiger "Hasch-Junkie"; der (unrichtige) Blogpost und der Kommentar wurden einen Tag nachdem der Beschwerdeführer darauf hingewiesen hatte, gelöscht; das vom Beschwerdeführer eingeleitete gerichtliche Verfahren wegen des Kommentars blieb für ihn erfolglos; vor dem EGMR machte er geltend, Schweden habe seine positiven Verpflichtungen aus Art. 8 EMRK verletzt. Die Beschwerde wurde vom EGMR einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. [siehe dazu die Beiträge von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers, von Oleg Soldatov und von Andrés Guadamuz auf technollama].
  • 7. Februar 2017. Catalan gegen Rumänien (Appl. nos. 43826/05 und 837/06); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 7. Februar 2017, Bubon gegen Russland (Appl. no. 63898/09); Zugang zu Informationen; Anwalt, der auch für Juristische Zeitschriften schreibt, ersuchte den Polizeipräsidenten einer Region erfolglos um Daten zu Verurteilungen wegen diverser prostitutionsbezogener Delikte in dieser Region, aufgeschlüsselt u.a. nach Geschlecht, Wohnort und Staatsangehörigkeit der Verurteilten; der EGMR kam (einstimmig) zum Ergebnis, dass keine Verletzung des Art. 10 EMRK vorlag, da die Daten in dieser Form der Behörde nicht vorlagen ("The information he was seeking was therefore not only not 'ready and available', but did not exist in the form the applicant was looking for.").
  • 31, Jänner 2017, Dibirov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 4255/07); Unzulässigkeitschentscheidung; Beschwerdeführer rügte die Nichterteilung einer Rundfunklizenz; hatte aber an keiner Ausschreibung teilgenommen und konnte keinen Nachweis einer sonstigen korrekten Antragstellung erbringen, Beschwerde daher offensichtlich unbegründet.
  • 26. Jänner 2017, Terentyev gegen Russland (Appl. no. 25147/09): Musiker und Jazzkritiker; wurde verurteilt wegen Kritik an einem lokalen Jazzfestival und dessen Präsidenten auf seiner Website; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 24. Jänner 2017, Travaglio gegen Italien (Appl. no. 64746/14); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist hatte Artikel über "Abscheulichen Pakt zwischen Mafia und Forza Italia" veröffentlicht und darin durch ein unvollständiges Zitat einer Aussage eines Carabinieri-Oberst den Eindruck erweckt, ein Ex-Senator sei bei einer Besprechung über die Beeinflussung eines Strafverfahrens anwesend gewesen; der EGMR wies die Beschwerde wegen der deshalb erfolgten Verurteilung wegen übler Nachrede (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 24. Jänner 2017, Cieśla gegen Polen (Appl. no. 38652/15 ); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist hatte kritische Artikel zu Transparency International veröffentlicht und darin u.a. (unzutreffenderweise) behauptet, dass ein Assistent des Vorstands von TI, der auch "assistant judge" in einem nationalen Gericht war, gut bezahlte Workshops für ein Pharma-Unternehmen organisiert habe; die Beschwerde wegen der deshalb erfolgten Verurteilung wegen übler Nachrede wurde vom EGMR (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 19. Jänner 2017, Kapsis und Danikas gegen Griechenland (Appl. no. 52137/12; Pressemitteilung); Journalisten, bezeichneten in einem Artikel über die Besetzung eines Beratungsgremiums für die Subventionsvergabe durch das Kulturministerium eine zum Mitglied ernannte Schauspielerin als "völlig unbekannt"; wurden dafür zu einer Entschädigung an die Schauspielerin von 30.000 € verurteilt. Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig) [siehe dazu Alexia Bedat auf Inforrm's Blog].
  • 17. Jänner 2017, Jankovskis gegen Litauen (Appl. no. 21575/08; legal summary); Gefangener, wollte Internetzugang um zu studieren; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 17. Jänner 2017, Tavares de Almeida Fernandes und Almeida Fernandes gegen Portugal (Appl. no. 31566/13); Journalist veröffentlichte Editorial "Die Strategie der Spinne" mit Kritik an neu ernanntem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, der "die dunkle Seite der Justiz" repräsentiere; Verletzung des Art. 10 EMRK (betreffend Erstbeschwerdeführer; einstimmig; Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin - Ehefrau des Erstbeschwerdeführers - wurde als unzulässig beurteilt, da sie "nur" als Mithaftende für die Verbindlichkeit ihres Ehemanns herangezogen wurde).
  • 17. Jänner 2017, Zybertowicz gegen Polen (Appl. no. 59138/10); Publizist und Präsidentenberater, hatte Chefredakteur einer Tageszeitung vorgeworfen, wiederholt gesagt zu haben "I spent so many years in prison, so now I am right." - wurde vom nationalen Gericht als (nicht bewiesene) Tatsachenbehauptung beurteilt; EGMR stellte Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 17. Jänner 2017, Zybertowicz gegen Polen (Nr. 2) (Appl. no. 65937/11); Publizist und Präsidentenberater, Verurteilung wegen des Vorwurfs, dass Kläger in einem zivilrechtlichen Verfahren "2 Agenten und deren hartnäckiger Verteidiger" wären; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Jänner 2017, Lykin gegen Ukraine (Appl. no. 19382/08); Verurteilung eines Bezirkspolitikers, der bei einer Parteiversammlung vor rund 40 Anwesenden einen an ihn gerichteten Brief verlesen hatte, in dem ein anderer (bei der Versammlung anwesender) Bezirkspolitiker der selben Partei massiv kritisiert und ua korrupten Verhaltens bezichtigt wurde. Die nationalen Gerichte hatten die erforderliche Abwägung nicht vorgenommen, daher Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
2016
  • 15. Dezember 2016, M.P. gegen Finnland (Appl. no. 36487/12; Pressemitteilung); Mutter eines knapp dreijährigen Kindes äußerte gegenüber der Jugendwohlfahrtsbehörde Verdacht, dass ihr Kind bei Besuchen des Kindesvaters (mit dem die Mutter ein Verfahren über das Sorgerecht führte) sexuell missbraucht worden wäre, was in einer nachfolgenden polizeilichen Untersuchung nicht bestätigt wurde. Nach einer neuerlichen telefonischen Mitteilung der Mutter an die Jugendwohlfahrt (der darin geäußerte Verdacht bestätigte sich neuerlich nicht), wurde sie auf Antrag des Kindesvaters wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der EGMR erachtet es als wesentlich, dass die Äußerung in einem einzigen Telefonat mit einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Sozialarbeiterin gefallen war, und eine gerichtliche Bestrafung dafür nicht verhältnismäßig ist; er stellte daher (einstimmig) eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest.
  • 13. Dezember 2016, Kunitsyna gegen Russland (Appl. no. 9406/05); Journalistin, hatte einen Artikel über ein Altenpflegeheim geschrieben und darin einen Duma-Abgeordneten, dessen Mutter dort lebte, namentlich genannt; sie wurde verurteilt, weil sie anmerkte, dass einige angesehene Persönlichkeiten ihre kranken Verwandten dort untergebracht hätten, um unnötige Probleme zu vermeiden und wegen eines Zitats, in dem diesen Personen fehlendes Mitgefühl vorgeworfen wurde. Der EGMR beurteilte diese Aussagen als zulässiges Werturteil und stellte eine Verletzung des Art. 10 EMRK fest (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des Richters Dedov).
  • 8. Dezember 2016, Belge gegen Türkei (Appl. no. 50171/09); Verurteilung wegen Propaganda zur Unterstützung der PKK (Rede bei einer Versammlung, aber kein Aufruf zu Gewalt); Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig)
  • 22. November 2016, Kaos Gl gegen Türkei (Appl. no. 4982/07; Pressemitteilung; legal summary); Beschlagnahme eines Magazins eines Kultur- und Solidaritätsvereines für Schwule und Lesben wegen darin enthaltener, als pornographisch beurteilter Bilder verletzte Art. 10 EMRK (einstimmig); gelindere Mittel wären denkbar gewesen (zB Vertriebsbeschränkung bei Kiosken, Verpflichtung zu Verpackung mit Warnung, Verkaufsverbot an Minderjährige).
  • 22. November 2016, Grebneva und Alisimchik gegen Russland (Appl. no. 8918/05; legal summary); Journalisten wurden wegen eines satirischen Artikels über einen Staatsanwalt bestraft; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 17. November 2016, Karapetyan ua gegen Armenien (Appl. no. 59001/08; Pressemitteilung; legal summary); Entlassung von Mitarbeitern des Außenministeriums wegen einer offenen Erklärung, die nach der Präsidentenwahl Sorge um die Stabilität im Land ausdrückte; keine Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, zustimmendes Sondervotum der Richter Sicilianos und Mahoney, abweichende Meinung der Richterin Lazarova Trajkovska). [siehe dazu Stijn Smet auf Strasbourg Observers]
  • 15. November 2016, Savda gegen Türkei (Appl. no. 2458/12); Wehrdienstverweigerer, hatte vor dem israelischen Konsulat eine Presseerklärung verlesen ("Wir sind solidarisch mit israelischen Wehrdienstverweigerern"), wurde dafür zu 5 Monaten Haft wegen öffentlichen Aufrufs zur Umgehung des Wehrdienst verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 15. November 2016, Simić gegen Bosnien-Herzegowina (Appl. no. 75255/10; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung; Amtsenthebung eines Verfassungsrichters wegen Beschädigung des Ansehens der Verfassungsgerichts und eines Verfassungsrichters, nachdem ein Brief von ihm an einen Parteivorsitzenden bekannt wurde, in dem er die Arbeit am Gericht erörterte; außerdem hatte er nach Bekanntwerden des Briefs eine Pressekonferenz gegeben, in der er unter anderem einzelne Fälle erörterte und die Unparteilichkeit des Gerichts in Frage stellte. Der EGMR beurteilte die Beschwerde des vom Amt enthobenen Verfassungsrichters einstimmig als offensichtlich unbegründet.
  • 10. November 2016, Boykanov gegen Bulgarien (Appl. no. 18288/06); Verurteilung wegen Kritik an Richter in einem an diesen gerichteten Brief, Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. November 2016, Magyar Helsinki Bizottság gegen Ungarn (Appl. no. 18030/11; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; Zugang zu Information als nach Art. 10 EMRK geschütztes Recht; siehe im Blog dazu hier.
  • 8. November 2016, Szanyi gegen Ungarn (Appl. no. 35493/13); Geldstrafe gegen Oppositionsabgeordneten wegen anstößiger Geste im Parlament und Nichtzulassung von mündlichen Anfragen im Parlament; Verletzungen des Art. 10 EMRK (5:2 bzw 6:1, teilweise abweichendes Sondervotum des Richters Kūris, abweichendes Sondervotum des Richters Wojtyczek).
  • 25. Oktober 2016, Verlagsgruppe News GmbH gegen Österreich (Appl. no. 60.818/10); Verurteilung der Medieninhaberin eines Wochenmagazins zu einer Entschädigung wegen identifizierender Verdachtsberichterstattung über den Treasurer der Hypo Alpe-Adria Bank; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); im Blog dazu hier.
  • 4. Oktober 2016, Do Carmo de Portugal e Castro Câmara gegen Portugal (Appl. no. 53139/11); Universitätsprofessor, zuvor Vizepräsident des Meteorologischen Instituts, veröffentlichte einen Kommentar, in dem er auf Kritik reagierte, die der Präsident dieses Instituts an ihm geübt hatte; dabei nannte er den Präsidenten einen "armseligen Lügner" und "armen Teufel" und wurde dafür wegen übler Nachrede bestraft. Der EGMR stellte eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 4. Oktober 2016, Dorota Kania gegen Polen (Nr. 2) (Appl. no. 44436/13); Journalistin Journalistin, wurde verurteilt wegen eines Artikels über "Agenten im Hermelin", in dem sie dem Rektor der Danziger Universität vorwarf, Informant des Geheimdienstes gewesen zu sein; die Vorwürfe konnten nicht belegt werden und die Journalistin hatte die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 27. September 2016, Ausad Valimised MTÜ gegen Estland (Appl. no. 40631/14); Unzulässigkeitsentscheidung. Die Beschwerde wurde als unzulässig erklärt, weil die beschwerdeführende NGO Details aus dem Vorschlag des EGMR für eine gütliche Einigung in einer Aussendung gegenüber den Medien bekannt gegeben hat.
  • 20. September 2016, van Beukering und Het Parool B.V. (Appl. no. 27323/14); Unzulässigkeitsentscheidung. Zeitung hatte (in print und online) einen Artikel über einen Rapper, der in einer Messerattacke zwei Personen schwer verletzt und eine Person erstochen hatte, mit einem Bild illustriert, das einer (zwei Jahre alten) Fernsehdokumentation über diesen Rapper entnommen war. Der Rapper, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht verurteilt war, sah sich dadurch in seinem Privatleben verletzt und klagte; die Zeitung nahm das Bild umgehend vom Netz, wurde aber dennoch zu einer Entschädigung von 1.500 € verurteilt. Der EGMR wies die Beschwerde der Chefredakteurin und der Herausgeberin (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 13. September 2016: Le Pen gegen Frankreich (Appl. no. 52672/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung wegen Leugnens von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil er in einem Interview im Jahr 2005 behauptete hatte, die deutsche Besetzung in Frankreich sei nicht besonders unmenschlich gewesen.
  • 13. September 2016, Pskov News gegen Russland (Appl. no. 12424/04); Unzulässigkeitsentscheidung; Herausgeberin einer Zeitung, Beschwerde nach Urteil gegen die von ihr herausgegebene Zeitung (die eine gesonderte juristische Person ist); da das nationale Urteil nicht gegen die Beschwerdeführerin gerichtet war, wurde die Beschwerde als ratione personae unzulässig zurückgewiesen.
  • 13. September 2016, Semir Güzel gegen Türkei (Appl. no. 29483/09; Pressemitteilung; legal summary); Politiker war auf einem Parteikongress im Jahr 2004 nicht eingeschritten, als Delegierte Reden in kurdischer Sprache hielten (obwohl das damals gegen das Gesetz verstoß, das nur die türkische Sprache zuließ); er wurde dafür zunächst zu einem Jahr Haft verurteilt, das Urteil wurde aber in der Instanz aufgehoben und das Verfahren schließlich wegen Verjährung eingestellt. Der EGMR stellte dennoch (einstimmig) eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (er behjahte die Opfereigenschaft ua wegen der ursprünglichen Verurteilung und weil er weitere sieben Jahre der Gefahr einer Strafe ausgesetzt war); der Eingriff war gesetzlich nicht ausreichend klar vorgesehen, sodass es nicht erforderlich war, das legitime Ziel und die Notwendigkeit des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft zu prüfen.
  • 06. September 2016, Gaunt gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 26448/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Interviewer in einem Talk-Radio (der selbst als Kind in einem Pflegeheim gewesen war) beschimpfte den interviewten Stadtrat, der keine Pflegekinder in Familien mit Rauchern geben wollte, unter anderem als "health Nazi" und "ignorant pig"; die Regulierungsbehörde stellte eine Verletzung des Broadcasting Code fest und verpflichtete die den Sender zur Veröffentlichung der Entscheidung (zum Ausgangsfall im Blog hier); die Beschwerde des Interviewers wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 30. August 2016, Medipress-Sociedade Jornalística, Lda gegen Portugal (Appl. no. 55442/12); ein Magazin der Medipress hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem dem damaligen Premierminister (Pedro Santana Lopes) im Hinblick auf einen Gesetzesvorschlag ein "Delirium, hervorgerufen durch den Konsum harter Drogen" unterstellt wurde. Der Verfasser des Artikels und die Medipress wurden deshalb zu einer Entschädigung von 30.000 € verurteilt. Anders als die nationalen Gerichte sah der EGMR keinen Vorwurf einer Straftat, sondern eine kritische, ironische Äußerung des Journalisten über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und mehr als Werturteil denn als Tatsachenbehauptung, und stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 30. August 2016, Telegraaf Media Nederland Landelijke Media B.V. und van der Graaf gegen die Niederlande (Appl. no. 33847/11; legal summary); Streichung aus der Liste, nachdem die Niederlande die Verletzung des Art. 10 EMRK durch eine Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme von Unterlagen und Geräten bei einer Journalistin eingestanden und die Kosten übernommen hatten (Entscheidung vom 30.08.2016).
  • 21. Juli 2016, Shahanov und Palfreeman gegen Bulgarien (Appl. nos. 35365/12 und 69125/12); die Beschwerdeführer hatten als Strafgefangene in Schreiben an den Justizminister bzw an den Gefängnisdirektor Kritik an Gefängnisaufsehern geübt (Bevorzugung einzelner Insassen, grobes Benehmen gegenüber Besuchern, Wegnahme persönlicher Gegenstände) und wurden dafür disziplinär bestraft. Der EGMR hielt fest, dass es sich dabei zwar um schwerwiegende Anschuldigungen handle, die Sprache sei aber nicht "strong, vexatious or immoderate" gewesen und die Kritik sei auch nicht öffentlich gemacht worden. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Juli 2016, Dorota Kania gegen Polen (Appl. no. 49132/11); Journalistin publizierte Artikel mit dem Titel "Die Patin", in dem sie behauptete, dass die kommunistische Geheimpolizei die polnische Mafia geschaffen und durch die 1980er Jahre hin geschützt habe; auch die Auflösung der Geheimpolizei habe nicht das Ende dieses Netzwerks bedeutet. Ein im Artikel genannter früherer Oberst des Staatssicherheitsdienstes klagte die Journalistin wegen zweier Fehler im Artikel; sie wurde zu Geldleistungen von insgesamt rund 3.00 € verurteilt. Der EGMR stellte keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (6:1, abweichende Meinung des Richters Sajo).
  • 12. Juli 2016, Reichmann gegen Frankreich (Appl. no. 50147/11; Pressemitteilung); Radiojournalist berichtete zu Beginn einer Sendung kritisch über eine Versammlung im Zuge der der Übernahme des Senders nach dem Tod seines Gründers und äußerte auch Sorgen über die finanzielle Situation; er wurde zu einer bedingten Geldstrafe und einer Entschädigung von 1.500 € verurteilt. Der EGMR beurteilte die Aussagen als Werturteile, die auf eine ausreichende Faktenbasis gestützt waren, und stellte daher daher Verletzung des Art 10 EMRK fest (6:1 Stimmen, abweichende Meinung der Richterin Nussberger).
  • 12. Juli 2016, Marinova ua gegen Bulgarien (Appl. nos. 33502/07, 30599/10 und 61863/11); nach (nicht öffentlichen) Beschwerden über Beamte (Lehrer, Polizisten), die als unbegründet beurteilt wurden, klagten die Beamten wegen Rufschädigung; die Bürger wurden zu Geldstrafen und Entschädigungszahlungen verurteilt; der EGMR sah dies als "nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" an: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Juli 2016, Zdravko Stanev gegen Bulgarien (Nr. 3) (Appl. no. 18312/08); nach einer Beschwerde über einen Richter, den der Beschwerdeführer als befangen ansah, weil er sein Schüler gewesen war, wurde der Beschwerdeführer vom Richter geklagt und wegen einer Unrichtigkeit in seiner Beschwerde wegen Rufschädigung verurteilt; der EGMR stellte eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 5. Juli 2016, Ziembiński gegen Polen (Nr. 2) (Appl. no. 1799/07; legal summary); Journalist wurde verurteilt, weil er (nicht namentlich genannte) Gemeindefunktionäre im Zusammenhang mit einem Bericht über ein lokales Wirtschaftsprojekt als "Affen" und "Wichtigtuer" bezeichnet hatte, die begriffsstutzig, dumm und populistisch seien. Der EGMR beurteilte den Artikel als satirisch bzw. ironisch und als zulässige Übertreibung. Verletzung des Art 10 EMRK (5:2 Stimmen, abweichende Meinung der Richter Wojtyczek und Kūris). (siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers).
  • 5. Juli 2016, Kurski gegen Polen (Appl. no. 26115/10); ein atypischer Fall: eine Zeitung war gegen einen Politiker vorgegangen, der in einer Fernseh-Talkshow Kritik an einer Zeitung übte und ihr besessene Propaganda gegen seine Partei vorwarf; ein Inserat eines bestimmten Unternehmen diene nicht der Werbung, sondern nur der Finanzierung von Massenpropaganda. Die Zeitung klagte den Politiker, weil der Vorwurf, dass es Artikel auf Bestellung eines Sponsors veröffentlicht worden wären, ehrenrührig sei. Der Politiker wurde von den nationalen Gerichten verurteilt; der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK, da vom Politiker bei dieser Debatte von allgemeinem Interesse kein strenger Nachweis der Richtigkeit seiner Behauptungen, sondern nur die Einhaltung angemessener Sorgfalt verlangt werden kann (einstimmig; hinsichtlich der Nichtzuerkennung von Schadenersatz für immateriellen Schaden 6:1 mit insoweit abweichender Meinung des Richters Kūris). (Siehe dazu den Beitrag von Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers).
  • 28. Juni 2016, Radobuljac gegen Kroatien (Appl. no. 51000/11); Anwalt kritisierte in Rechtsmittel das Verhalten des erstinstanzlichen Richters als inakzeptabel, wurde dafür wegen Missachtung des Gerichts zu einer Strafe von rund 205 € verurteilt. Der EGMR betonte, dass die Kritik in einem Rechtsmittel enthalten und nicht öffentlich vorgebracht wurde; zudem sei die Kritik nicht beleidigend gewesen: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juni 2016, Baka gegen Ungarn (Appl. no. 20261/12; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; vorzeitige Beendigung der Amtsperiode des Präsidenten des ungarischen Höchstgerichts verletzte Art 6 und Art 10 EMRK (15:2 Stimmen; zustimmende Sondervoten der Richter Pinto de Albuquerque und Dedov bzw des Richters Sicilianos; abweichende Meinung des tschechischen Richters Pejchal und des polnischen Richters Wojtyczek). (Siehe dazu den Beitrag von Pieter Cannoot auf Strasbourg Observers).
  • 23. Juni 2016, Brambilla ua gegen Italien (Appl. no. 22567/09; Pressemitteilung); Verurteilung von Journalisten zu einer (auf Bewährung ausgesetzten) Freiheitsstrafe wegen Abhören des Polizeifunks ist keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des isländischen Richters Spano)
  • 21. Juni 2016, Soares gegen Portugal (Appl. no. 79972/13); ein Korporal der Guarda Nacional Republicana verdächtigte allein aufgrund eines Gerüchts einen Kommandanten des Missbrauchs öffentlicher Gelder und brachte dies der zentralen Inspektion für die Verwaltung zur Kenntnis. Die Vorwürfe wurden untersucht und bestätigten sich nicht, der Korporal wurde dafür in einem Strafverfahren zu einer Geldstrafe von 80 Tagsätzen (insgesamt 720 €) und einer Entschädigung von 1000 € verurteilt. Der EGMR sah darin (einstimmig) keine Verletzung des Art 10 EMRK, weil der Dienstweg für die Meldung verlassen worden war (abweichend insbesondere vom Fall Heinisch, in dem die Beschwerdeführerin zunächst interne Abhilfe gesucht hatte).
  • 14. Juni 2016, Jiménez Losantos gegen Spanien (Appl. no. 53421/10); Journalist war wegen Beleidigung des Madrider Bürgermeisters in einer Radiosendung zu einer Geldstrafe von 100 € pro Tag für 12 Monate hindurch (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag pro nicht bezahlten 200 €) verurteilt worden; der EGMR sah diese Strafhöhe als nicht mehr verhältnismäßig an: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Juni 2016, Koniuszewski gegen Polen (Appl. no. 619/12); Journalist eines Automagazins wurde wegen eines- auf einem Bericht der Konsumentenschutzbehörde beruhenden - Artikels über den Verkauf verfälschter Treibstoffe von einem in der Liste der "Treibstoff-Gauner" genannten Tankstellenbetreiber verklagt und wegen übler Nachrede zu einer Entschädigung von rund 500 € und einer Leistung an eine gemeinnützige Einrichtung von rund 125 € verurteilt; (außerdem vor wurde er vor dem Zivilgericht zu einer Entschädigung von rund 2.500 € wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Tankstellenbetreibers verurteilt, die Beschwerde richtete sich aber nicht gegen diese Entscheidung). Der EGMR stelle (einstimmig) einen Verletzung des Art 10 EMRK fest; der Journalist durfte sich auf den behördlichen Bericht verlassen. Auch die verhängte Strafe (500 € + 125 € "Spende" wurde als signifikant beurteilt
  • 9. Juni 2016, Madaus gegen Deutschland (Appl. no. 44164/14; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer hatte nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz die Rehabilitierung seines Vaters beantragt. Nachdem das Gericht eine mündliche Verhandlung angesetzt hatte, veröffentlichten seine Anwälte eine Pressemitteilung, in der wegen der anberaumten Verhandlung über eine mögliche Wende der Rechtsprechung spekuliert wurde. Daraufhin setzte das Gericht die Verhandlung ab, u.a. weil die Pressemitteilung angedeutet habe, dass die Verhandlung als öffentliches Forum genützt werden solle. Der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art 6 EMRK fest; im Hinblick auf Art. 10 EMRK wurde die Beschwerde aber wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig beurteilt.
  • 7. Juni 2016, CICAD gegen Schweiz (Appl. no. 17676/09); CICAD ("Coordination intercommunautaire contre l’antisémitisme et la diffamation") hatte einem Genfer Universitätsprofessor wegen eines Vorworts in einem Buch Antisemitismus vorgeworfen und war dafür verurteilt worden (Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 21.12.2007); der EGMR sah darin keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). (Siehe dazu den Beitrag von Calypso Blaj auf Inforrm's Blog).
  • 2. Juni 2016, Instytut Ekonomichnykh Reform, TOV gegen Ukraine (Appl. no. 61561/08); die beschwerdeführende Redaktionsgesellschaft, deren Zeitung 2007 eng mit der Politikerin Yuliya Tymoshenko verbunden war, wurde wegen übler Nachrede gegenüber einer Sprecherin von Victor Yanukovych zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 300 € verurteilt. Die Ausführungen im inkriminierten Artikel waren aber, so der EGMR, "not particularly serious in tone", sondern eher satirisch; der EGMR kam daher (einstimmig) zum Ergebnis, dass der Eingriff nicht auf ausreichende Gründe gestützt war, sodass eine Verletzung des Art 10 EMRK vorlag.
  • 31. Mai 2016, Nadtoka gegen Russland (Appl. no. 38010/05; Pressemitteilung); die Chefredakteurin einer Zeitung wurde wegen eines in dieser Zeitung veröffentlichten Kommentars zu einer Geldstrafe verurteilt. In diesem Kommentar wurde ein Bürgermeister als ein "diebischer Mann", der eine komfortable höhere Position erreicht habe, angesprochen. Der Bürgermeister wandte sich nicht gegen den Inhalt, sondern nur gegen die Form des Artikels, und das nationale Gericht hatte damit nur zu beurteilen, ob der Kommentar ungehörig ("indecent") war. Die nationalen Gerichte nahmen keine Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vor. Der EGMR stellte daher einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 31.Mai 2016, Yarushkevych gegen Ukraine (Appl. no. 38320/05); Nichtzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Gerichtsvollzieher, der wegen Amtsmissbrauchs und Bestechlichkeit zu einer Haftstrafe verurteilt wurde; der Oberste Gerichtshof hob die Strafe wegen Bestechlichkeit später auf, das Verfahren wurde diesbezüglich dann wegen Verjährung eingestellt. Der Beschwerdeführer ging gerichtlich gegen einen Journalisten vor, der über den Prozessausgang in erster Instanz unter Namensnennung berichtet hatte, blieb dabei aber ebenso erfolglos wie vor dem EGMR: der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück; die nationalen Gerichte hatten eine sorgfältige Abwägung nach Art 8 und Art 10 EMRK vorgenommen.
  • 24. Mai 2016, Sihler-Jauch und Jauch gegen Deutschland (Appl. nos. 68273/10 und 34194/11; Pressemitteilung); Sihler-Jauch und Jauch hatten sich gegen die Veröffentlichung eines Fotos ihres Hochzeitsempfangs in der Bunten gewehrt, scheiterten aber mit ihren diversen Begehren (Unterlassung, Schadenersatz, Kosten) vor den nationalen Gerichten; der EGMR attestierte den deutschen Gerichten, eine sorgfältige Abwägung vorgenommen zu haben und wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück (einstimmig).
  • 17. Mai 2016, Fürst-Pfeifer gegen Österreich (Appl. nos. 33677/10 und 52340/10); die Beschwerdeführerin ist Psychologin, seit 2000 als Gerichtssachverständige in Sorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten tätig; in einem Bezirksblatt (online und Print) wurde darüber berichtet, dass über sie 1993 in einem Gerichtsverfahren ein psychologisches Gutachten erstellt worden war, wonach sie ua an Panikattacken und Selbstmordgedanken leide. Ihre Anträge auf Entschädigung nach § 8a Mediengesetz blieben erfolglos, vor dem EGMR machte sie eine Verletzung des Art 8 EMRK geltend; mit 4:3 Stimmen stellte der EGMR fest, dass keine Verletzung des Art 8 EMRK vorliegt; im Blog dazu dazu hier.
  • 17. Mai 2016, Karácsony ua gegen Ungarn (Appl. nos. 42461/13 und 44357/13; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; Geldstrafen gegen ungarische Parlamentsabgeordnete wegen Störung der parlamentarischen Verhandlungen durch Plakate bzw Transparente: Verletzung des Art 10 EMRK mangels adäquater Verfahrensregeln (einstimmig).
  • 10. Mai 2016, Oran-Martz gegen Frankreich (Appl. no. 24466/12; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung. Die Beschwerdeführerin, eine französische Lokalpolitikerin türkischer Abstammung, zog sich aufgrund des - nach ihren Angaben - vor allem vom Bürgermeister ausgeübten Drucks wegen ihrer unklaren Haltung zum Völkermord an den Armeniern von ihrer Kandidatur zur Gemeinderatswahl zurück und klagte den Bürgermeister deshalb wegen Diskriminierung bei der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe; die Klage blieb erfolglos, weil der Zugang zu einem Wahlamt nicht als wirtschaftliche Tätigkeit beurteilt wurde, dafür wurde die Beschwerdeführerin wegen missbräuchlicher Prozessführung zu einer Geldstrafe von 1.500 € verurteilt. Der EGMR wies die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde einstimmig als offensichtlich unzulässig zurück.
  • 10. Mai 2016, Salihu ua gegen Schweden (Appl. no. 33628/15; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung. Journalisten einer Boulevardzeitung kauften, als nach Schießereien in Malmö der Verdacht aufkam, dass illegale Waffen leicht zu erwerben seien, tatsächlich eine illegale Faustfeuerwaffe, die sie umgehend der Polizei übergaben; sie wurden wegen illegalem Waffenbesitz zu Geldstrafen zischen 4.400 € und 8.400 € verurteilt; die Gerichte wogen dabei auch die Verhältnismäßigkeit der Strafe unter Berücksichtigung des journalistischen Zwecks, zu dem die Waffe erworben worden war, und damit der Freiheit der Meinungsäußerung, ab. Der EGMR sah keinen Grund, die Beurteilung der nationalen Gerichte und wies die Beschwerde einstimmig als unzulässig zurück (siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof und Daniel Simons auf Strasbourg Observers).
  • 10. Mai 2016, Beleri ua gegen Albanien (Appl. no. 39468/09; Pressemitteilung); Unzulässigkeitsentscheidung. Die Beschwerdeführer sind Angehörige der griechisch sprechenden Minderheit in Albanien; sie waren wegen Aufstachelung zu Hass und Herabwürdigung der Republik und ihrer Symbole verurteilt worden. Die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführer ihre Einwendungen unter Art. 10 EMRK im nationalen Verfahren nicht einmal der Sache nach geltend gemacht hatten; die Beschwerde wurde daher mehrheitlich als unzulässig zurückgewiesen.
  • 9. Mai 2016, Mura gegen Polen (Appl. no. 42442/08); Unzulässigkeitsentscheidung. Der Beschwerdeführer wurde wegen Beleidigung eines Beamten zu einer geringen Geldstrafe verurteilt; er hatte in Briefen, die an seine in U-Haft befindliche Frau gerichtet waren und von denen er wusste, dass sie von einem bestimmten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft zu öffnen und zu lesen waren, diesen Beamten mehrfach grob beleidigt; der EGMR wies die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde mehrheitlich als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 26. April 2016, Novikova ua gegen Russland (Appl. nos. 25501/07, 57569/11, 80153/12, 5790/13 und 35015/13; Pressemitteilung); die beschwerdeführenden Personen waren wegen "statischer Solo-Demonstrationen" (allein, an einem festen Ort durchgeführte Protestaktionen) festgenommen und nach mehreren Stunden in Polizeigewahrsam wieder freigelassen worden; drei von ihnen erhielten auch eine Geldstrafe wegen Nichtanmeldung einer Versammlung. Der EGMR stellte in allen fünf Fällen einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (zustimmendes Sondervotum des Richters Pastor Vilanova).
  • 26. April 2016, Amarandei ua gegen Rumänien (Appl. no. 1443/10); der Fall betraf eine umfassende Polizeioperation gegen Mitglieder einer NPO wegen des Verdachts der Verbreitung von Pornografie und Förderung der Prostitution; der Einsatz wurde gefilmt, die Bilder wurden von der Polizei den Medien weitergegeben und von diesen gezeigt; die Aufnahmen zeigten ua junge Frauen in entwürdigenden Positionen auf dem Boden liegend, auf jede Verpixelung wurde verzichtet; der EGMR sah diese Verbreitung als nicht im öffentlichen Interesse liegend, zumal es sich auch um "gewöhnliche Personen" handelte, die legitimerweise einen besseren Schutz ihrer Privasphäre erwarten durften; der EGMR stellte daher einstimmig - neben Verletzungen des Art 3 und 5 Abs 1 - eine Verletzung des Art 8 EMRK fest.
  • 19. April 2016, X. gegen San Marino (Appl. no. 76795/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Polizist, der nach Presseberichten über eine von ihm bewohnte staatliche Wohnung diese Wohnung verlor, scheiterte vor den nationalen Gerichten mit seinen Anträgen gegen den Medieninhaber und den Verfasser der Artikel; der EGMR beurteilte seine auf Art 8 EMRK gestützte Beschwerde - nach Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Presse nach Art 10 EMRK - als offensichtlich unbegründet.
  • 29. März 2016, Bédat gegen Schweiz (Appl. no. 56925/08; Pressemitteilung); Große Kammer. Journalist wurde wegen Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen aus einem Gerichtsverfahren zu einer Geldstrafe (ca. 2.667 €) verurteilt; keine Verletzung des Art 10 EMRK (15:2 Stimmen, abweichende Meinungen von Richter López Guerra und Richterin Yudkivska); im Blog dazu hier.
  • 29. März 2016, Chiriac gegen Rumänien (Appl. no. 45558/08); Unzulässigkeitsentscheidung; über die Beschwerdeführerin, eine Anwältin, war in einem Zeitungsartikel behauptet worden, sie hätte unter Alkoholeinfluss in einer Polizeistation für einen Wirbel gesorgt. Sie hatte sich dem Strafverfahren gegen den Journalisten mit einem Schadenersatzanspruch angeschlossen; das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil das Gesetz geändert worden war und üble Nachrede nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurde. Der EGMR beurteilte ihre auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde nach Art 8 EMRK, hielt aber fest, dass nach Einstellung des Strafverfahrens (wodurch der ursprüngliche Privatbeteiligtenanschluss mit dem Entschädigungsanspruch hinfällig war) noch ein Verfahren vor den Zivilgerichten hätte angestrengt werden können. Die Beschwerde wurde daher wegen Nichtausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs als unzulässig beurteilt.
  • 22. März 2016, Pinto Coelho gegen Portugal (Nr 2) (Appl. no. 48718/11); Gerichtsreporterin hatte ohne Erlaubnis des Gerichts einen (verfremdeten) Mitschnitt einer Gerichtsverhandlung gesendet und wurde dafür zu einer Geldstrafe verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, zustimmendes Sondervotum von Richter De Gaetano, abweichende Meinung von Richter Zupančič); siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog.
  • 22. März 2016, Sousa Goucha gegen Portugal (Appl. no. 70434/12; legal summary); der Beschwerdeführer, ein TV-Moderator, beantragte die Strafverfolgung gegen Mitwirkende einer Late-Night Talkshow wegen Beleidigung, weil er dort als beste portugiesische TV-Moderatorin bezeichnet worden war, was eine Anspielung auf seine (von ihm öffentlich bekannt gemachte) Homosexualität gewesen sei; das Verfahren wurde eingestellt. Der EGMR sah darin - in Abwägung mit den nach Art 10 EMRK geschützten Rechten der Sendungsmacher - keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier.
  • 17. März 2016, Kahn gegen Deutschland (Appl. no. 16313/10; Pressemitteilung); Veröffentlichung von Bildern der Kinder eines prominenten Fußballers trotz Unterlassungsverpflichtung; dass dafür keine zusätzliche Entschädigung zugesprochen wurde, verletzte den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten nach Art 8 EMRK (einstimmig). (Siehe dazu die Beiträge von Calypso Blaj auf Inforrm's Blog und von Christian Mensching auf lto.de).
  • 15. März 2016, Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co KG gegen Deutschland (Appl, no. 52205/11); Unzulässigkeitsentscheidung; das Magazin Wirtschaftswoche hatte im Jahr 2000 eine Fotomontage mit dem damaligen Deutsche Telekom-CEO Ron Sommer unter dem Titel "Allmächtiger Sommer" publiziert; dabei wurde ein Foto seines Gesicht auf einem anderen Körper gezeigt und dabei der Kopf um 8,7% vertikal gestreckt und um 4,5% horizontal gestaucht. Der BGH hatte noch ausgesprochen, dass Ron Sommer diese satirische Fotomontage dulden müsse (BGH 30.09.2003, VI ZR 89/02), das Bundesverfassungsgericht gab aber der Verfassungsbeschwerde des CEO statt (BVerfG 14.02.2005, 1 BvR 240/04; Pressemitteilung); der EGMR beurteilte die vom Medieninhaber der Wirtschaftswoche erhobene Beschwerde - allerdings nur mehrheitlich - als offensichtlich unbegründet; er kam zum Ergebnis, dass die Schlussfolgerung der nationalen Gerichte, "that the photomontage had reached a sufficient level of seriousness to constitute a violation of the right to protection of reputation" nicht unangemessen ("not unreasonable") gewesen sei.
  • 15. März 2016, György Göbl gegen Ungarn (Appl. n. 81097/12); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte alleine und unangemeldet gegen den Regierungschef demonstriert, wurde von der Polizei zur Beendigung des Protests aufgefordert und verbrache dann zwei Stunden zur Klärung des Sachverhalts auf der der Polizeidienststelle. Eine über ihn verhängte Geldstrafe von 200 € wegen der unangemeldeten Demonstration wurde vom nationalen Gericht wieder aufgehoben; der begehrte Schadenersatz wegen der Anhaltung wurde nicht zugesprochen. Der EGMR stimmte mit dem nationalen Gericht überein, dass die Rechtsverletzung durch die Aufhebung der Strafe beseitigt wurde und der erlittene Nachteil nicht die Leistung von Schadenersatz notwendig machte. Die Beschwerde wurde daher ratione personae (wegen des fehlenden Opferstatus) als unzulässig beurteilt.
  • 8. März 2016, Bilen und Çoruk gegen Türkei (Appl. no. 14895/05; Pressemitteilung); Verurteilung zweier Mitglieder der Jugendorganisation einer politischen Partei wegen der Verteilung von Flugblättern ohne vorherige Bewilligung; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. März 2016, Rusu gegen Rumänien (Appl. no. 25721/04); Journalist hatte - aufgrund ihm von der Polizei gegebener Informationen - über einen flüchtigen, landesweit gesuchten Verdächtigen in einer Einbruchssache berichtet. Auch nach der Aufklärung, dass der Betroffene nicht mehr als Tatverdächtiger gesucht wurde, erfolgte keine Richtigstellung oder "Zurückziehung" des Berichts, wofür der von den nationalen Gerichten zu einer Entschädigung verurteilt wurde. Der EGMR stellte keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (5:2; abweichende Meinung des Richter Sajó und der Richterin Tsotsoria).
  • 1. März 2016, Arlewin gegen Schweden (Appl. no. 22302/10; Pressemitteilung); kein Fall unter Art 10 EMRK, aber interessant wegen der Frage der Zuständigkeit für Klagen wegen übler Nachrichten bei grenzüberschreitenden TV-Programmen; der Beschwerdeführer, ein in Schweden wohnender schwedischer Staatsbürger, hatte vor schwedischen Gerichten Klage wegen übler Nachrede wegen einer in Schweden produzierten, in schwedischer Sprache ausgestrahlten und von schwedischen Werbetreibenden finanzierten TV-Sendung erhoben; die nationalen Gerichte verneinten ihre Zuständigkeit, da das Programm vom verantwortlichen Rundfunkveranstalter von London aus zum Satelliten zur Ausstrahlung übermittelt worden war. Der EGMR stellte eine Verletzung des Art 6 EMRK fest, da dem Beschwerdeführer der Zugang zum nationalen Gericht verweigert worden war und die Verweisung auf eine Klage im Vereinigten Königreich nicht verhältnismäßig war (einstimmig; zustimmendes Sondervortum des Richters Silvis).
  • 25. Februar 2016, Société de Conception de Presse et d’Édition gegen Frankreich (Appl. no. 4683/11; Pressemitteilung); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); im Blog dazu hier.
  • 23. Februar 2016, Max K. Hoffmann gegen Deuschland (Appl. nos. 66861/11 und 33478/12); Unzulässigkeitsentscheidung; Veröffentlichungen über Vertragsbeendigung eines Theaterdirektors wegen Budgetüberschreitungen; EGMR beurteilte die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet; im Blog dazu hier.
  • 16. Februar 2016, Ärztekammer für Wien und Dorner gegen Österreich (Appl. no. 8895/10); Die Ärztekammer bezeichnete eine GmbH, die Radiologiepraxen übernehmen wollte, in einem Rundschreiben und auf der Website als "Heuschrecken-Unternehmen" bezeichnet, was von den österreichischen Gerichten als Tatsachenbehauptung beurteilt wurde, bei dem die Ärztekammer den Nachweis für einen sachlich richtigen Kern nicht erbracht hatte; in einem UWG-Verfahren war die Ärztekammer daher zur Unterlassung dieser herabsetzenden Äußerungen verurteilt worden (OGH 22.01.2008, 4 Ob 236/07w): Beschwerde der Ärztekammer nicht zulässig (weil staatliche Organisation); Beschwerde des Präsidenten der Ärtzekammer zulässig, aber unbegründet (einstimmig); im Blog dazu hier.
  • 2. Februar 2016, Magyar Tartalomszolgáltatók Egyesülete and Index.hu Zrt gegen Ungarn (Appl. no. 22947/13; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Die Beschwerdeführer MTE (eine Selbstregulierungseinrichtung von Internet Content Providern) und index.hu (ein Contentportal) hatten eine Kritik an der Geschäftspraxis von zwei Immobilien-Websites veröffentlicht, zu der Nutzer beleidigende und vulgäre Kommentare posteten; Der Inhaber einer Immobilien-Website klagte, woraufhin die Beschwerdeführer sofort die beleidigenden Kommentare löschten; sie wurden von den ungarischen Gerichten dennoch zu einer Entschädigung verurteilt. Der EGMR wendet die Delfi-Kriterien an (und scheint sich leicht davon abzusetzen, hält jedenfalls hier das "notice and take down"-System für ausreichend), und kommt in der Abwägung schließlich einstimmig zum Ergebnis, dass eine Verletzung des Art 10 EMRK vorliegt; der lettische Richters Kūris betont in einem Sondervotum jedoch, dass das Urteil von Internetprovidern nicht als Schutzschild gegen ihre (alternative oder ergänzende) Haftung, zusätzlich zur Haftung der Verfasser von rufschädigenden Postings, verwendet werden soll, wenn sie keine angemessenen Maßnahmen gegen "vergiftende" Äußerungen treffen (siehe zu diesem Urteil auch die Blogposts von Andrés Guadamuz, von Dirk Voorhoof /Eva Lievens, von Jonathan McCully und von Sophie Stalla-Bourdillon).
  • 2. Februar 2016, Erdener gegen Türkei (Appl. no. 23497/05; Pressemitteilung des EGMR), Verurteilung einer Parlamentsabgeordneten zu einer Entschädigung wegen Rufschädigung einer Universitätsklinik, die sie wegen der medizinischen Behandlung des Ministerpräsidenten kritisiert hatte; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. Jänner 2016, de Carolis und France Télévisions gegen Frankreich (Appl. no. 29313/10; Pressemitteilung des EGMR); Verurteilung des Direktors von France 3 wegen übler Nachrede gegenüber einem saudischen Prinzen, dem in einer Dokumentation von Familien der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 vorgeworfen worden war, die Taliban unterstützt zu haben; der EGMR kam zum Ergebnis dass die Standards eines verantwortungsvollen Journalismus eingehalten wurden: Verletzung des Art 10 EGMR (einstimmig).
  • 21. Jänner 2016, Siredzhuk gegen Ukraine (Appl. no. 16901/03); Verurteilung eines Historikers, der in einem Buch den damaligen Bürgermeister einer Stadt der Korruption bezichtigte; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Jänner 2016, Kalda gegen Estland (Appl. no. 17429/10; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Weigerung, einem Gefangenen Zugang zu drei Webseiten mit Rechtsinformationen zu gewähren, verletzte diesen in seinen Rechten nach 10 EMRK (6:1 Stimmen, abweichende Meinung des Richters Kjølbro)
  • 19. Jänner 2016, Görmüş ua gegen Türkei (Appl. no. 49085/07; Pressemitteilung des EGMR); Quellenschutz: Beschlagnahme der Computer einer Wochenzeitung, um Whistleblower zu finden, verstieß gegen Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Jänner 2016, Aurelian Oprea gegen Rumänien (Appl. no. 12138/08); Verurteilung eines Universitätslektors zu einer Entschädigung wegen Vorwürfen gegenüberdem Vizerektor der Universität; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des Richters Sajó)
  • 12. Jänner 2016, Genner gegen Österreich (Appl. no. 55495/08); Verurteilung eines Mitarbeiters von "Asyl in Not" wegen über Nachrede (weil er am Tag nach dem Tod der Innenministerin Liese Prokop auf der Website des Vereins unter anderem geschrieben hatte "Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot" und "Liese Prokop war eine Schreibtischtäterin, wie es viele gab in der grausamen Geschichte dieses Landes; völlig abgestumpft, gleichgültig gegen die Folgen ihrer Gesetze und Erlässe, ein willfähiges Werkzeug einer rassistisch verseuchten Beamtenschaft. Kein anständiger Mensch weint ihr eine Träne nach."). Keine Verletzung des Art 10 EGMR (einstimmig) (siehe dazu auch den Beitrag von Valeska David auf Strasbourg Observers). Die vom Beschwerdeführer beantragte Verweisung an die Große Kammer wurde mit Beschluss des Grand Chamber Review Panel vom 06.06.2016 abgelehnt.
  • 12. Jänner 2016, Rodriguez Ravelo gegen Spanien (Appl. no. 48074/10); Verurteilung eines Anwalts wegen Verletzung der Ehre einer Bezirksrichterin, weil er ihr in einem Schriftsatz vorgeworfen hatte, die Realität zu verzerren und zu lügen. Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des Richters Nicolaou).
  • 5. Jänner 2016, Erdtmann gegen Deutschland (Appl. no. 56328/10; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; deutscher TV-Journalist war wegen Mitführens von Waffen in Luftfahrzeugen zunächst zu 15 Tagsätzen verurteilt worden; in der Instanz wurde dies auf eine Verwarnung mit Strafvorbehalt reduziert; der Journalist hatte die Kontrollen auf vier deutschen Flughäfen testen wollen und dazu ein Butterflymesser durch die Sicherheitskontrolle gebracht; darüber machte er eine TV-Doku. Der EGMR sah in der Verurteilung keinen Verletzung des Art 10 EMRK und wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück.
2015
  • 15. Dezember 2015, Bono gegen Frankreich (Appl. no. 29024/11; Pressemitteilung); Disziplinarstrafe des Verweises und des Ausschlusses von Ämtern für fünf Jahre über einen Anwalt, der in einem Schriftsatz an das nationale Gericht Untersuchungsrichtern Komplizenschaft mit den Folterern seines Mandanten (in Syrien) vorgeworfen hatte; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Dezember 2015, Caragea gegen Rumänien (Appl. no. 51/06); der Beschwerdeführer war CEO und Mehrheitseigentümer eines früheren Staatsunternehmens, dessen Vorgehen während und nach der Privatisierung Gegenstand mehrerer Strafanzeigen und Untersuchungen war; zu einer Anklage kam es jedoch nicht. Nach einem kritischen Artikel, in dem auf den Beschwerdeführer bezogen von "persons of dubious morality, perhaps even criminals" die Rede war, erstattete der Beschwerdeführer Anzeige gegen den Journalisten wegen übler Nachrede. Der Journalist wurde freigesprochen; der Beschwerdeführer erachtete sich dadurch in seinem durch Art 8 EMRK geschützten Recht auf Schutz des guten Rufes verletzt. Der EGMR kam einstimmig - in Abwägung mit dem Recht des Journalisten auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK - zum Ergebnis, dass Art 8 EMRK nicht verletzt wurde.
  • 4. Dezember 2015, Roman Zakharov gegen Russland (Appl. no. 47143/06; Pressemitteilung); Große Kammer; der Beschwerdeführer ist Journalist und Aktivist für Medienfreiheit; er wandte sich gegen das russische System geheimer Überwachung mobiler Telekommunikation; der EGMR erkannte die Opfereigenschaft des Beschwerdeführers an, weil er potentiell von Überwachung betroffen war und keine ausreichenden Rechtsbehelfe hatte. Weil das Gesetz nicht ausreichend festlegte, unter welchen Umständen die Behörden überwachen durften, wie lange solche Maßnahmen dauern und wann sie abzubrechen sind, wie die Überwachung angeordnet und kontrolliert wird und wie die Daten aufbewahrt und gelöscht werden, und weil ein Rechtsbehelf nur unter der Voraussetzung eingeräumt war, dass man die geheime Überwachung beweisen konnte, stellte der EGMR einstimmig (in der Großen Kammer eine Seltenheit!) eine Verletzung des Art 8 EMRK fest (mit 16:1 Stimmen - gegen die Stimme der lettischen Richterin Ziemele - wurde entschieden, dass kein Ersatz für immaterielle Schäden zugesprochen wird); ein zustimmendes Sondervotum des russischen Richters Dedov endet mit einem Edward Snowden-Zitat: "With each court victory, with every change in the law, we demonstrate facts are more convincing than fear. As a society, we rediscover that the value of the right is not in what it hides, but in what it protects". (siehe dazu einen Blogbeitrag von Lorna Woods und einen Beitrag von Sarah St.Vincent).
  • 3. Dezember 2015, Prompt gegen Frankreich (Appl. no. 30936/12; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Anwalt und hatte in der Affaire Grégory 1984 einen Mordverdächtigen vertreten, der dann vom Vater des Mordopfers ermordet wurde; im Jahr 2007 veröffentlichte er ein Buch zur Affaire Grégory, in dem er ua (wahrheitswidrig) behauptete, dass der Vater des Mordopfers (und Mörder des Verdächtigen) noch jemand anderen hatte ermorden wollen und dass er den Verdächtigen vor den Augen seines Sohnes ermordet hatte. Dafür wurde er wegen Verleumdung zu einer Entschädigung (samt Kosten 9.000 €) verurteilt; der EGMR sah darin keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. Dezember 2015, Cengiz ua gegen Türkei (Appl. nos. 48226/10 et 14027/11; Pressemitteilung); Sperre von YouTube verletzte die Beschwerdeführer (Rechtswissenschafter) in ihrem Recht nach Art 10 EGMR (einstimmig; zustimmendes Sondervotum des belgischen Richters Lemmens); siehe im Blog dazu hier.
  • 26. November 2015, Annen gegen Deutschland (Appl. no. 3690/10; Pressemitteilung; legal summary); dem militanten Abtreibungsgegner Annen war auf Antrag zweier Ärzte, die in einer Tagesklinik Abtreibungen durchführten, das Verteilen von Flugblättern verboten worden; in den Flugblättern war davon die Rede, dass in der Klinik "rechtswidrige Abtreibungen" durchgeführt werden (die aber straffrei bleiben), Außerdem wurde die Nennung er Ärzte auf der Website "babycaust.de" untersagt. Der EGMR sah darin jeweils eine Verletzung des Art 10 EMRK (5:2; abweichende Meinung der Richterinnen Yudkivska und Jäderblom) (siehe dazu Barbora Budinska und Laura Weidlich auf Verfassungsblog.de und Corina Heri auf Strasbourg Observers).
  • 24. November 2015, Włodzimierz Kucharczyk gegen Polen (Appl. no 72966/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Rechtsanwalt war auf einem Anwaltsbewertungsportal überwiegend gut beurteilt worden, wehrte sich jedoch gegen das erste Posting dort, in dem er als "very poor" bewertet wurde, weiters hieß es darin (in der Übersetzung des EGMR: "I advise against [using] this attorney. [He] is utterly ignorant of his job. [He is] disorganised and incompetent." Der Anwalt ging gegen den Portalbetreiber vor, die polnischen Gerichte beurteilten das Posting aber als nicht rechtswidrig, da die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten wurden. Auch vor dem EGMR blieb der Anwalt erfolglos; der Staat hatte die sich aus Art 8 EMRK ergebende Verpflichtung, für den adäquaten Schutz des guten Rufs zu sorgen, nicht verletzt; entscheidend war die Stellung von Anwälten als Personen öffentlichen Vertrauens und die Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK. Die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet beurteilt; siehe im Blog dazu hier.
  • 12. November 2015, Bidart gegen Frankreich (Appl. no. 52363/11; Pressemitteilung); der Beschwerdeführer war Anführer einer baskischen Separatistengruppe und wegen terorristischer Aktivitäten mehrfach zu langen Haftstrafen (darunter auch zweimal zu lebenslang) verurteilt worden. Nach einer bedingten Haftentlassung unter Auflagen nahm er an einer Protestveranstaltung zugunsten inhaftierter Separatisten teil. Daraufhin wurden die Auflagen der bedingten Entlassung verschärft; ua durfte der Beschwerdeführer nicht öffentlich über die Verbrechen, für die er verurteilt worden war, sprechen und keine Druckwerke oder audiovisuellen Produktionen darüber vertreiben. Der EGMR sah darin, nach umfassender Abwägung, keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig)
  • 10. November 2015, Couderc und Hachette Filipacchi Associés gegen Frankreich (Appl. no. 40454/07; Pressemitteilung); Große Kammer. Verurteilung der Medieninhaberin des Paris-Match und dessen "directrice de publication" Anne-Marie Couderc wegen Berichten über unehelichen Sohn von Albert Grimaldi (Fürst von Monaco). Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig) (siehe dazu den Beitrag von Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers).
  • 3. November 2015, Bestry gegen Polen (Appl. no. 57675/10); der Beschwerdeführer, zu diesem Zeitpunkt Parlamentsabgeordneter, hatte in einer Pressekonferenz Journalisten (unzutreffend) vorgeworfen, sie seien Teil einer Verschwörung gegen ihn (weil sie [inhaltlich richtige] Artikel über frühere sexuelle Belästigungen durch den Abgeordneten veröffentlicht hatten); dafür wurde er wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Journalisten und wegen Verleumdung schuldig gesprochen. Der EGMR sah darin keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. November 2015, Stankiewicz ua gegen Polen (Nr. 2) (Appl. no. 48053/11); Verurteilung von Journalisten wegen Artikeln, in denen sie über eine Lobbyistin, die eine Gesetzesänderung initiiert hatte, die zu einer Beschränkung von Beweismitteln in Steuerverfahren führte, unter der Überschrift "Die Mafia zahlt keine Steuern" geschrieben hatten. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. Oktober 2015, Pentikäinen gegen Finnland (Appl. no. 11882/10; Pressemitteilung; legal summary); Große Kammer; Verurteilung eines Pressefotografen, der bei aufgelöster gewalttätiger Kundgebung trotz Polizeiaufforderung den Platz nicht verließ; keine Verletzung des Art 10 EMRK (13:4 Stimmen; zustimmendes Sondervotum der Richterin Motoc, abweichende Meinung des Richters Spano, der die Richter Spielmann, Lemmens und Dedov beitreten). Im Blog dazu hier.
  • 20. Oktober 2015, Dilek Aslan gegen Türkei (Appl. no.34364/08); Festnahme einer Aktivistin beim Verteilen von Flugblättern; keine Verletzung des Art 10 EMRK (4:3 Stimmen, abweichende Meinung der RichterInnen Sajó, Keller und Kūris), da die Festnahme - nach den Feststellungen des nationalen Gerichts - nicht wegen des Inhalts der Flugblätter erfolgt war, sondern wegen der Weigerung, den gestzmäßigen Anweisungen der Polizisten zur Ausweisleistung zu folgen und wegen Widerstands gegen die Sicherheitskräfte: "As a result, the interference with the applicant’s right to freedom of expression should be regarded as an incidental effect of the police operation and thus as a measure proportionate to the legitimate aim pursued."
  • 20. Oktober 2015, Dieudonné M'Bala M'Bala gegen Frankreich (Appl. no. 25239/13; Pressemitteilung); Nichtzulässigkeitsentscheidung. Der Beschwerdeführer, ein politisch aktiver Comedian, war wegen öffentlicher Beleidigung von Personen jüdischer Herkunft oder Glaubens verurteilt worden, weil er in eire "Show" den Gaskammern-Leugner Robert Faurission auf die Bühne geholt hatte und ihm von einem Schauspieler in einem Gewand, das der Lagerkleidung von KZ-Häftlingen nachempfunden war und einen gelben Stern mit der Aufschrift "Jude" trug, einen Preis überreichen ließ. Der EGMR wie (mehrheitlich) die Beschwerde wegen Unzulässigkeit ratione materiae zurück, da der Beschwerdeführer auf Grund von Art 17 EMRK (Verbot des Missbrauchs der Rechte) nicht in den Genuss des Schutzes durch Art 10 EMRK komme (siehe dazu den Beitrag von Ibtissem Guenfoud auf Verfassungsblog.de).
  • 15. Oktober 2015, Perinçek gegen Schweiz (Appl. no. 27510/08; Pressemitteilung), Große Kammer; Verurteilung wegen Leugnung des Genozids an Armeniern keine Verletzung des Art 10 EMRK, insbesondere weil (im konkreten Fall) kein Aufruf zu Hass, Gewalt oder Intoleranz gegenüber Armeniern festgestellt wurde. (siehe dazu Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers, Hüseyin Celik auf JuWissBlog, Uladzislau Belavusau auf Verfassungsblog.de)
  • 13. Oktober 2015, Medžlis Islamske Zajednice Brčko und andere gegen Bosnien und Herzegowina (Appl. no. 17224/11; Pressemitteilung); NGOs hatten sich mit einer Beschwerde über ein angebliches Fehlverhalten einer Rundfunkredakteurin an lokale Behörden gewandt; dieses Schreiben wurde - ohne (festgestelltes) Zutun der NGOs - kurz danach in drei Tageszeitungen veröffentlicht. Die NGOs wurden aufgrund einer Klage der Redakteurin wegen übler Nachrede verurteilt, da das Schreiben nicht nur Werturteile, sondern auch unwahre und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen enthielt. Der EGMR stellte keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (4:3, abweichende Meinung der Richterinnen Nicolaou, Tsotsoria und Vehabović). Mit Beschluss vom 14.03.2016 an die Große Kammer verwiesen. Hearing vor der Großen Kammer am 31.08.2016. Urteil der Großen Kammer am 27.06.2017.
  • 13. Oktober 2015, Bremner gegen Türkei (Appl. no. 37428/06; Pressemitteilung); Der Beschwerdeführer war im türkischen Fernsehen in einer Dokumentation über (ausländische Relgions-Hausierer" unverpixelt gezeigt worden, wobei die Aufnahmen heimlich gemacht worden waren. Der EGMR hielt fest, dass die Sendung zwar kritisch war, aber nicht "hate speech"; allerdings war das Senden der heimlich aufgenommenen Bilder eine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig).
  • 8. Oktober 2015, Kharlamov gegen Russland (Appl. no.27447/07; Pressemitteilung; legal summary); Univ.Prof. wurde aufgrund einer kritischen Äußerung über das Wahlverfahren zum akademischen Senat der Universität von der Universität wegen übler Nachrede geklagt und verurteilt. Der EGMR sah darin eine Verletzung von Art 10 EMRK (mit zustimmendem Sondervotum des Richters Dedov).
  • 6. Oktober 2015, Belek und Velioğlu gegen Türkei (Appl. no. 44227/04; Pressemitteilung); Verurteilung des Eigentümers und eines Redakteurs einer Zeitung wegen der Veröffentlichung eines Statements inhaftierter kurdischer Aktivisten; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Oktober 2015, Müdür Duman gegen Türkei (Appl. no. 15450/03; Pressemitteilung; legal summary)Verurteilung eines Funktionärs der HADEP wegen Bildern, Fahnen und Symbolen der PKK, die im Parteilokal gefunden worden waren. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Oktober 2015, ATV Privatfernseh-GmbH gegen Österreich (Appl. no. 58842/09); Nichtzulässigkeitsentscheidung. ATV war in einem medienrechtlichen Entschädigungsverfahren wegen einem Bericht über neuen Freund der ehemaligen Gesundheitsministerin verurteilt worden. Beschwerde wurde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges als unzulässig zurückgewiesen, da ATV keinen Erneuerungsantrag nach § 363a StPO eingebracht hatte.
  • 22. September 2015, Koutsoliontos und Pantazis gegen Griechenland (Appl. nos. 54608/09 und 54590/09); Verurteilung eines Medieninhabers und des Verfassers eines Zeitungsbeitrags wegen übler Nachrede gegenüber einem Politiker. Der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art 10 EMRK fest, da die nationalen Gerichte die strittigen Passagen nicht im Kontext des Artikels - als Werturteil - beurteilt hatten. [Siehe dazu Joseph Williams auf Inforrm's Blog]
  • 17. September 2015, Langner gegen Deutschland (Appl. no. 14464/11; legal summary); Mitarbeiter der Stadt Dresden wurde fristlos gekündigt wegen des in einer Versammlung gegenüber dem stellvertretenden Bürgermeister erhobenen - falschen - Vorwurfs der Rechtsbeugung; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 15. September 2015, Dilipak gegen Türkei (Appl. no. 29680/05); gegen den Beschwerdeführer - einen zivilen Journalisten, Schriftsteller und Aktivisten - wurde im Jahr 2003 vor einem Militärgericht ein Verfahren wegen kritischer Zeitschriftenartikel eingeleitet. Nach einer Gesetzesänderung wurde die Zuständigkeit der Militärgerichte für Verfahren gegen Zivilsten beseitigt; das damit zuständig gewordene Zivilgericht stellte das Verfahren in der Folge im Jahr 2010 wegen Verjährung ein. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK und mit 5:2 Stimmen eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (zustimmendes Sondervotum des Richters Pinto de Albuquerque; abweichende Voten der Richter Raimondi und Spano).
  • 15. September 2015, H-Ł. gegen Polen (Appl. nos. 14781/07, 39824/09, 41361/09, 42875/09); Unzulässigkeitsentscheidung. Ein wegen Mordes Verurteilter hatte gegen drei Medien geklagt, die über das Strafverfahren gegen ihn berichtet und dabei nicht verpixelte Bilder, aber nur den abgekürzten Namen) verwendet hatten. Weil er mit diesen Klagen erfolglos blieb, sah er Art 8 EMRK verletzt. Der EGMR wies die Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück, insbesondere auch weil die nationalen Gerichte eine sorgfältige Abwägung auch der gegenläufigen Interessen der Presse nach Art 10 EMRK vorgenommen hatten.
  • 27. August 2015, Saure gegen Deutschland (Appl. no. 78944/12; inoffizielle deutsche Übersetzung); Unzulässigkeitsentscheidung; Bild-Reporter, hatte vom Justizministerium des Landes Brandenburg Auskunft u.a. über die Namen von Richtern begehrt, die in der DDR mit der Stasi zusammengarbeitet hatten und in den Justizdienst des Landes Brandenburg übernommenworden waren; es wurden ihm schließlich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zwar allgemeine Auskünfte dazu erteilt, nicht aber die Namen; das Hauptsacheverfahren war zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch vor dem BVerfG anhängig; der EGMR wies die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs zurück; anders als im Fall RTBF, wo es um ein Ausstrahlungsverbot für ene Fernsehsendung ging, war hier das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein nicht ausreicvhend für die Erschöpfung des Instanzenzugs.
  • 21. Juli 2015, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy gegen Finnland (Appl no. 931/13); dem beschwerdeführenden Verlag war durch Entscheidung der Datenschutzbehörde, die vom obersten finnischen Verwaltungsgericht bestätigt worden war, die weitere Publikation der aus einer öffentlichen Datenbank stammenden Einkommensteuerdaten mittels SMS-Dienstes untersagt worden (dieser Dienst war Gegenstand des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-73/07 Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia; im Blog dazu hier); der EGMR sah darin mit 6:1 Stimmen (abweichende Meinung der georgischen Richterin Tsotsoria; zustimmendes Sondervotum des zypriotischen Richters Nicolaou) keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig wurde hingegen eine Verletzung des Art 6 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer festgestellt). Siehe dazu Blogpost von Dirk Voorhoof auf Inforrm's Blog. Mit Beschluss vom 14.12.2015 an die Große Kammer verwiesen (Pressemitteilung); Verhandlung vor der Großen Kammer am 14.09.2016. Urteil der Großen Kammer am 17.06.2017.
  • 7. Juli 2015, Morar gegen Rumänien (Appl. no. 25217/06); Verurteilung eines Journalisten wegen übler Nachrede aufgrund mehrerer Artikel über den Berater eines Präsidentschaftskandidaten; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). Siehe dazu Blogpost von Joseph Williams auf Inforrm's Blog.
  • 30. Juni 2015, Peruzzi gegen Italien (Appl. no. 39294/09; Pressemitteilung); Verurteilung eines Anwalts wegen übler Nachrede gegenüber einem Richter, dem er in einem "Rundschreiben" an mehrere Richter des Gerichtshofs vorgeworfen hatte, dass er vorsätzlich Fehler begangen habe; keine Verletzung des Art 10 EMRK (5:2; abweichende Meinnug der Richter Wojtyczek und Grozev)
  • 23. Juni 2015, Niskasaari und Otavamedia Oy gegen Finnland (Appl. no. 32297/10); Print- und Online-Journalist war auf Grund seiner Kritik an einem TV-Reporter (den er unter anderem als fanatischen Glaubenskrieger bezeichnet hatte, und dem er sachliche Fehler vorwarf) wegen übler Nachrede verurteilt worden; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juni 2015, Özçelebi gegen Türkei (Appl. no. 34823/05); strafgerichtliche Verurteilung eines Marineoffizieres wegen Beleidigung des Ansehens Atatürks (er hatte im Hinblick auf ein Bild Atatürks das Slangwort "kelle" verwendet, das sowohl "Schädel" bedeutet als auch spezifisch einen gekochten Schafs- oder Ziegenkopf bezeichnet); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), zustimmende Sondervoten des Kammerpräsidenten Sajó sowei des Richters Kūris (dessen Sondervotum sich Richter Vučinić anschloss).
  • 23. Juni 2015, Demirtaş gegen Türkei (Appl. no. 15028/09); in einem Artikel (ua) über den Bf. wurde er als "Feind der türkischen Nation" bezeichnet; er würde das Ziel "ziviler Patrioten" sein, und für jeden toten Sicherheitsbeamten müsse einer dieser Leute sterben; die auf Art. 2 EMRK gestützte Beschwerde, weil der Staat nicht den erforderlichen Schutz gewährte, wurde vom EGMR mit 6:1 Stimmen abgewiesen (zustimmendes Sondervotum der Richterin Karakaş, die allerdings ausführt, dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK vorgelegen sei; abweichendes Sondervotum des Richters Kūris, der im Wesentlichen meint, dass der Artikel mit dem Aufruf zur Tötung nicht als "Meinung" im Sinne des Art. 10 EMRK geschützt werden dürfte).
  • 16. Juni 2015, Delfi gegen Estland (Appl. nr. 64569/09; Pressemitteilung; Q&A der EGMR-Presseabteilung; legal summary); Große Kammer (siehe zum Kammerurteil, das zum selben Ergebnis kam, hier); Haftung eines Internet News Portals für Userpostings; keine Verletzung des Art 10 EMRK (15:2; gemeinsames zustimmendes Sondervotum der RichterInnen Raimondi, Karakaş, De Gaetano und Kjølbro; weiteres zustimmendes Sondervotum des Richters Zupančič; abweichende Meinung der RichterInnen Sajó nnd Tsotsoria).
  • 2. Juni 2015, Erla Hlynsdottir gegen Island (Nr. 3) (Appl. no. 54145/10; Pressemitteilung); Verletzung des Art 10 EMRK; zustimmendes Sondervotum des ungarischen Richters Sajó.
  • 23. April 2015, Morice gegen Frankreich (Appl. no. 29369/10; Pressemitteilung des EGMR) Große Kammer; Verurteilung eines Anwalts, der gegenüber der Presse massive Kritik an ErmittlungsrichterInnen geübt hatte. Die Große Kammer stellte eine einstimmig eine Verletzung der Art 6 und 10 EMRK fest; zustimmende Sondervoten der Richter Nicolaou und Kūris.
  • 16. April 2015, Armellini und andere gegen Österreich (Appl. n. 14134/07); Verurteilung wegen (unrichtigem) Bestechlichkeitsvorwurf gegenüber Profifussballern in einer Tageszeitung; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu im Blog hier.
  • 7. April 2014, Zoltán Martin gegen Ungarn (Appl. no. 69582/13); Unzulässigkeitsentscheidung; beleidigende Kritik an Richter; einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; siehe dazu im Blog hier.
  • 31. März 2015, Öner und Türk gegen Türkei (Appl. no. 51962/12); Verurteilung zweier Kurden wegen Verbreitung terroristischer Propaganda in einer Ansprache bei einer Newroz-Feier; der EGMR stellte einstimmig - unter Hinweis auf das Urteil im Fall Faruk Temel - eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 12. März 2015, Almeida Leitão Bento Fernandes gegen Portugal (Appl. no. 25790/11); die Beschwerdeführerin hatte einen Roman verfasst, der in nur 100 Exemplaren gedruckt und gratis an Verwandte und Freunde verteilt worden war; darin schrieb sie über eine angeblich fiktive Familie, wobei einige Familienmitglieder sehr negativ beschrieben wurden; Verwandte der Klägerin - keine "public figures" - klagten, da sie sich (und zwei verstorbene Familienmitglieder) im Roman wiedererkannten und diffamiert fühlten; die Autorin wurde von den nationalen Gerichten, die Übereinstimmungen zwischen Schlüsselszenen des Romans und dem Leben der Kläger feststellten, nach einer eingehenden Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht der Betroffenen auf Achtung ihres Privatlebens verurteilt; der EGMR stellte keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 3. März 2015, Kevin Maguire gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 58060/13); Unzulässigkeitsentscheidung; Ein Fußballfan, der beim "Old Firm" Derby in Glasgow zwischen den Rangers und Celtic ein T-Shirt mit den Initialen einer als terroristisch verbotenen irischen Gruppierung sowie einem beleidigenden Slogan trug, war deshalb zu einem zweijährigen Stadionverbot verurteilt worden; die Beschwerde wegen Verletzung des Art 10 EMRK wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 24. Februar 2015, Haldimann ua gegen die Schweiz (Appl. no. 21830/09; legal summary; Pressemitteilung); Verurteilung eines Journalisten wegen Verwendung einer versteckten Kamera bei Konsumentensendung des Schweizer Fernsehens; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des Richters Lemmens); (siehe dazu Beiträge von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog und von Flutura Kusari und Nani Jansen auf Strasbourg Observers); zur Vorgeschichte dazu im Blog hier.
  • 19. Februar 2015, Bohlen gegen Deutschland (Appl. no. 53495/09; legal summary; Pressemitteilung); keine Verletzung des Art 10 EMRK durch humorvolle Zigarettenwerbung unter Anspielung auf den Namen des Beschwerdeführers (eines bekannten Musikproduzenten); siehe das nationale Letzturteil des BGH; (6:1; abweichende Meinung des Richters Zupančič).
  • 19. Februar 2015, Ernst August von Hannover gegen Deutschland (Appl. no 53649/09; Pressemitteilung); keine Verletzung des Art 10 EMRK durch humorvolle Zigarettenwerbung unter Anspielung auf den Namen des Beschwerdeführers ("Repräsentant des Hauses Hannover"); siehe das nationale Letzturteil des BGH; keine Verletzung des Art 10 EMRK (6:1; abweichende Meinung des Richters Zupančič).
  • 17. Februar 2015, Guseva gegen Bulgarien (Appl. no. 6987/07; legal summary); Bürgermeister gibt - trotz nationalen Gerichtsurteilen - keine Information ua über einen Vertrag zum Einfangen streunender Hunde an die anfragende Tierschützerin. Verletzung der Art 6 Abs 1 und 10 EMRK (jeweils 5:2); abweichende Meinungen der Richter Mahoney und Wojtyczek. (siehe dazu den Blogbeitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog)
  • 17. Februar 2015, Kudeshkina gegen Russland (Nr. 2) (Appl. no. 28727/11); Unzulässigkeitsentscheidung; nachdem der EGMR im Urteil vom 26. Februar 2009, Kudeshkina, die Entlassung der Beschwerdeführerin als Richterin wegen kritischer Äußerungen als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt hatte, versuchte sie, ihre Wiedereinstellung zu erreichen; die nun entschiedene Beschwerde betraf die Weigerung des Moskauer Gerichts, das Entlassungsverfahren wieder zu eröffnen; der EGMR wies die Beschwerde wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück (ratione materiae), da die Umsetzung seiner Urteile vom Ministerkomitee zu beurteilen ist.
  • 10. Februar 2015, Cojocaru gegen Rumänien (Appl. no. 32104/06); Verurteilung eines Journalisten wegen eines kritischen Artikels über einen Bürgermeister; Verletzung des Art 10 EMRK
  • 10. Februar 2015, Yoslun gegen Türkei (Appl. no. 2336/05); Sänger wurde verurteilt, weil er während eines Konzerts eine kritische Rede über die Regierung gehalten hat; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. Februar 2015, Bayar und Gürbüz gegen Türkei (no 2) (Appl. no. 33037/07); Strafe für Eigentümer und Chefredakteur einer Tageszeitung wegen Veröffentlichung eines Statements einer illegalen Organisation; Hinweis auf Fall Gözel und Özer; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. Februar 2015, Apostu gegen Rumänien (Appl. no. 22765/12); Geleakte Telefonprotokolle aus Ermittlungsakten fanden den Weg in die Medien. Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig). Im Blog dazu hier.
  • 29. Jänner 2015, Uzeyir Jafarov gegen Aserbaidschan (Appl. no. 54204/08); kritischer Journalist wurde am Tag, an dem er einen Artikel über Korruption in der Armee veröffentlichtet und als Beobachter bei einem Strafverfahren gegen seinen Chefredakteru teilnahm (siehe dazu EGMR-Urteil Fatullayev) beim Verlassen der Redaktion von zwei Personen niedergeschlagen und musste eine Woche ins Krankenhaus; er - wie auch Kollegen, die ihm beim Überfall zur Hilfe gekommen waren - identifizierte einen der Angreifer als Polizeibeamten. Die Polizei stellte die Untersuchungen ein, weil angeblich kein Täter identifiziert werden konnte. Der Innenminister meinte, dass der Journalist den Überfall selbst inszeniert habe. Rechtsmittel gegen die Einstellung der Untersuchung blieben erfolglos. Der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art 3 EMRK (Folterverbot) fest, da keine gründliche Untersuchung des behaupteten Polizeiübergriffs durchgeführt wurde; eine weitere Untersuchnug unter Art 10 EMRK beurteilte er als nicht erforderlich.
  • 27. Jänner 2015, Kincses gegen Ungarn (Appl. no. 6632/10); Anwalt kritisierte in einer Berufung die professionelle Kompetenz des Erstrichters ("clear-cut professional incompetence") und wurde dafür von der Anwaltskammer mit einer Disziplinarstrafe von rund 570 € belegt. Keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), da nicht notwendig für Vertretung seines Mandanten (Befangenheitsantrag hätte in erster Instanz gestellt werden müssen, nicht erst in der Berufung) und allgemeine Herabwürdigung der Kompetenz (statt Kritik an bestimmten Handlungen) und - in anderen Teilen des Schriftsatzes - auch Vorwurf, dass der Erstrichter das Gesetz umgangen habe; zudem nur disziplinäre, nicht veröffentlichte Sanktion mit geringer Geldbuße.
  • 27. Jänner 2015, Atilgan ua gegen Türkei (Appl. nos. 14495/11, 14531/11, 26274/11, 78923/11, 8408/12, 11848/12, 12078/12, 12103/12, 14745/12, 21910/12 and 41087/12); zeitlich befristete Publikationsverbote für Zeitungen und andere Periodika; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig; Verweis auf Ürper ua gegen Türkei).
  • 27. Jänner 2015, Ulrich Fuchs gegen Deutschland (App. nos 29222/11 und 64345/11; Pressemitteilung; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Rechtsanwalt hatte einem Sachverständigen in einem Schreiben an das Gericht vorgeworfen, Beweismittel in einem Strafverfahren zu verfälschen; er wurde dafür wegen übler Nachrede strafrechtlich sowie disziplinär vom Anwaltsgericht verurteilt. Der EGMR wies die im Wesentlichen auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde des Anwalts einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 22. Jänner 2015, Pinto Pinheiro Marques gegen Portugal (Appl. no.26671/09); der Beschwerdeführer, ein Historiker und Obmann eines historischen Vereins war wegen eines in eier Zeitung abgedruckten offenen Briefes, in dem er Kritik am Stadtsenat übte, zu 290 Tagessätzen (insgesamt 2320 €) verurteilt worden; EGMR stellte Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig), da schon die Rechtsgrundlage fehlte (darüberhinaus war auch die Sanktion unverhältnismäßig); zustimmendes Sondervotum der Richterinnen Berro-Lefèvre und Steiner (diese würden sich nur auf die Unverhältnismäßigkeit, nicht auch die fehlende Rechtsgrundlage stützen). [siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog]
  • 20. Jänner 2015, Mesut Yurtsever ua gegen Türkei (Appl. nos. 14946/08, 21030/08, 24309/08, 24505/08, 26964/08, 26966/08, 27088/08, 27090//08, 27092/08, 38752/08, 38778/08, und 38807/08); Verweigerung des Zugangs zu kurdischsprachigen Zeitungen in türkischem Gefängnis; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 13. Jänner 2015, Petropavlovskis gegen Lettland (Appl. no. 44230/06; legal summary); Verweigerung der Einbürgerung eines politischen Aktivisten, angeblich wegen dessen öffentlicher Äußerungen zu Bildungsfragen; kein Anwendungsfall des Art 10 EMRK (einstimmig). [Siehe dazu kritische Anmerkungen von Corina Heri auf Strasbourg Observers]
  • 13. Jänner 2105, Marian Maciejewski gegen Polen (Appl. no. 34447/05); Zeitungsjournalist war aufgrund eines Artikel über "Diebe in der Justizverwaltung" (in dem er über das Verschwinden wertvoller zu versteigernder Jagdtrophäen und die schleppenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft dazu schrieb) in zwei Fällen wegen übler Nachrede verurteilt worden; EGMR stellt (einstimmig) eine Verletzung des Art 10 EMRK fest; die nationalen Gerichte hatten nicht berücksichtigt, dass der Journalist seine professionelle Sorgfaltspflicht erfüllt und in gutem Glauben gehandelt hatte.
  • 13. Jänner 2015, Łozowska gegen Polen (Appl. no. 62716/09); Zeitungsjournalistin war aufgrund eines Artikels über eine frühere Richterin, in dem sie über dubiose Verbindungen der Richterin mit kriminellen Kreisen schrieb, wegen übler Nachrede verurteilt worden. Da die behauptete Nahebeziehung zu kriminellen Kreisen nicht festgestellt wurde und die Journalistin ihre professionelle Sorgfaltspflicht nicht erfüllt hatte, stellte der EGMR (einstimmig) keine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 13. Jänner 2015, Rubins gegen Lettland (Appl. no. 79040/12); der Beschwerdeführer war Medizinprofessor und Institutsvorstand an einer staatlichen Universität; durch Reformmaßnahmen sollte seine Funktion als Institutsvorstand wegfallen, was er in mehreren E-Mails an den Rektor massiv kritisierte; zuletzt machte er auch ein "Vergleichsanbot", in dem er auch ankündigte, bei Ausbleiben einer Einigung einen offenen Brief zu schreiben; er nehme nicht an, dass der Rektor diese zusätzlichen Schwierigkeiten wolle. Aufgrund dieses E-Mails wurde er entlassen. Das vom Beschwerdeführer angestrengte arbeitsgerichtliche Verfahren verlor er; das vom Rektor beantragte Strafverfahrens wegen Erpressung wurde nach 10 Tagen wieder eingestellt. Der EGMR stellte mit 5:2 Stimmen eine Verletzung des Art 10 EMRK fest; der Eingriff sei nicht verhältnismäßig gewesen. In der dissenting opinion der Richter Mahoney und Wojtyczek wird kritisiert, dass der von der Mehrheit gewählte Zugang das Risiko berge, dass der EGMR zu einem höherinstanzlichen Arbeitsgericht werde, das in der Sache über arbeitsgerichtliche Streitfälle entscheide. (siehe dazu den Blogbeitrag von Elena Sychenko auf Strasbourg Observers und den - dazu kritischen - Blogbeitrag von Dirk Voorhoof)
  • 6. Jänner 2015, Friedrich Weber gegen Deutschland (Appl. no. 70287/11); Unzulässigkeitsentscheidung; die Stadt Wuppertal hat dem Beschwerdeführer Informationen über Zahlungen der Stadt und der in ihrem Eigentum stehenden Gesellschaften an politische Parteien verweigert; die Klage nach dem Landespressegesetz NRW blieb erfolglos, weil die Publikation des Beschwerdeführers nicht als "Presse" anerkannt wurde. Der EGMR wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück. Im Blog dazu hier.
2014
  • 16. Dezember 2014, Zbigniew Ziobro gegen Polen (Appl. no. 29686/10); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war ehemaliger polnischer Justizminister; auf einer gemeinsam mit dem Chef des Antikorruptionsbüros gehaltenen Pressekonferenz hatte er den bekanntesten polnischen Herzchirurgen als mordverdächtig dergestellt und gesagt: "Niemandem wird je wieder von diesem Mann das Leben genommen werden"; er wurde dafür wegen Rufschädigung verurteilt. Der EGMR wies die Beschwerde (sowohl zu Art 6 als auch Art 10 EMRK) als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 9. Dezember 2014, Dzhugashvili gegen Russland (Appl. no. 41123/10); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschswerdeführer ist ein Enkel Stalins und machte eine Verletzung in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend, weil Stalin in einem Zeitungsbericht über die Massaker von Katyń als "blutrünstiger Kannbale" bezeichnet worden war; im nationalen Gerichtsverfahren war er erfolglos geblieben; der EGMR wies seine Beschwerde (einstimmig) als offensichtlich unbegründet zurück; zur Abwägung mit Art 10 EMRK hielt der EGMR ua fest: "an integral part of freedom of expression, guaranteed under Article 10 of the Convention, to seek historical truth."
  • 2. Dezember 2014, Kieser und Tralau-Kleinert gegen Deutschland (Appl. no. 18748/10); die Beschwerdeführer hatten in der Rheinischen Zeitung der Verlegerfamilie DuMont "Arisierungsprofite" bei Liegenschaftskäufen vorgeworfen und waren dafür gerichtlich zur Unterlassung verpflichtet worden; der EGMR beurteilte den Begriff "Arisierungsprofit" als Tatsachenstatement; die Journalisten hatten die Wahrheit dieses Statements nicht belegt, die Sache auch nicht ausgewogen präsentiert und ihre Quellen nicht ausreichend verifiziert; Die Beschwerde wurde daher (mehrheitlich) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 4. November 2014, Braun gegen Polen (Appl. nr. 30162/10; Pressemitteilung des EGMR); Verurteilung wegen übler Nachrede im Rahmen einr Hörfunkdiskussion, Anwendung höherer Satandards für Experten als Diskussionsteilnehmer als für Journalisten führte zur Fesstellung einer Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); im Blog dazu hier.
  • 30. Oktober 2014, Shvydka gegen Ukraine (Appl. no. 17888/12; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); die Beschwerdeführerin war zu zehn Tagen Haft wegen "petty hooliganism"verurteilt worden, weil sie die Schleife eines vom damaligen Präsidenten Janukowytsch niedergelegten Kranzes entfernt hatte; der EGMR beurteilte dies als unverhältnismäßig: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig; dem Ergebnis zustimmendes Sondervotum von Richter De Gaetano, der bereits die ausreichende gesetzliche Grundlage als nicht gegeben ansieht).
  • 28. Oktober 2014, Ion Cârstea gegen Rumänien (Appl. no. 20531/06); Veröffentlichung eines Nacktbildes des beschwerdeführenden Universitätsprofessors in einer Zeitung zusammen mit einem Bericht über einen 19 Jahre zurückliegenden Vorfall in dessen Sexualleben ist nicht durch freie Meinungsäußerung der Presse gerechtfertigt; dass das vom Beschwerdeführer angerufene nationale Gericht seine Klage abwies, verletzte diesen in dem nach Art 8 EMRK geschützten Recht.
  • 28. Oktober 2014, Gough gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 49327/11; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); "Naked Rambler"; der EGMR beurteilt die gegen den Beschwerdeführer verhängten Haftstrafen wegen (wiederholter) öffentlicher Nacktheit als zulässigen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit: keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). [Siehe dazu die Blogposts von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog, von Marko Milanovic auf EJIL: Talk, von Stijn Smet auf Inforrm's Blog und von Diarmuid Laffan auf UK Human Rights Blog]; die vom Beschwerdeführer beantragte Verweisung an die Große Kammer wurde mit Beschluss vom 23.03.2015 abgelehnt. Inzwischen ist ein neuer Fall von Stephen Gough beim EGMR anhängig (Statement of facts)
  • 21. Oktober 2014, Erla Hlynsdottir gegen Island (Nr 2), (Appl. no. 54125/10); Verurteilung einer Journalistin wegen eines Artikels über einen Kriminalfall, bei dem der Leiter einer Rehabilitationseinrichtung und dessen Frau des sexuellen Missbrauchs verdächtigt worden waren; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). [Siehe dazu auch den Blogpost von Flutura Kusari und Dirk Voorhoofauf Strasbourg Observers]
  • 21. Oktober 2014, Murat Vural gegen Türkei (Appl. no. 9540/07; legal summary); 13 Jahre Haft für das Übergießen einer Atatürk-Statue wurden vom EGMR als unverhältnismäßig beurteilt: Verletzung des Art 10 EMRK (insoweit einstimmig) [siehe dazu Maximilian Steinbeis, Strafen für Atatürk-Beleidigungen: Straßburg, wie hältst du’s mit der Meinungsfreiheit?, Verfassungsblog, 22.10.2014]
  • 21. Oktober 2014, Matúz gegen Ungarn (Appl. no 73571/10; legal summary); Entlassung eines Journalisten des ungarischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens wegen eines Buchs über die von ihm erlebte Zensur in diesem Sender; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). [siehe dazu Dirk Voorhoof in IRIS 2015-1:1/1]
  • 14. Oktober 2014, Stankiewicz ua gegen Polen (Appl. no. 48723/07); Journalisten einer Tageszeitung hatten in einem Artikel angedeutet, dass ein hoher Beamter des Gesundheitsministeriums in korrupte Praktiken verwickelt sei; gegen den Beamten wurde ein Strafverfahren eingeleitet, aber mangels Beweisen eingestellt; er klagte die Journalisten, die zu einer Entschuldigung in der Zeitung verurteilt wurden; der EGMR sah darin (einstimmig) eine Verletzung des Art 10 EMRK, da die Journalisten die notwendige berufliche Sorgfalt beachtet hatten.
  • 14. Oktober 2014, Erdoğan Gökçe gegen Türkei (Appl. no 31736/04; legal summary); Bürgermeisterkandidat wurde wegen der Verteilung einer Pressemitteilung außerhalb der Wahlkampfzeit zu einer Geldstrafe, verurteilt, die wegen Nichtzahlung in Haft umgewandelt wurde; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Oktober 2014, Ingold gegen Schweiz (Appl. no. 51914/09); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war Psychiatriepfleger und schrieb einen Leserbrief, in dem er sich kritisch mit der Psychiatrie auseinandersetzte. Nach einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten, der ihn "einlud", keine weiteren derartigen Artikel zu veröffentlichen, schlug der Beschwerdeführer Einladungen zu weiteren Gesprächen aus und brachte Strafanzeige gegen seinen Vorgesetzten und die Personalchefin der Klinik ein (die Anzeigen wurden von er Staatsanwaltschaft zurückgelegt); ein Mediationsangebot schlug er aus; in der Folge wurde er entlassen. Der EGMR wies die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde als offensichtlich unbegründet zurück, weil die Veröffentlichung des Leserbriefs schon vom nationalen Gericht nur als leichte Treuepflichtverletzung beurteilt worden war, die allein die Entlassung nicht gerechtfertigt hätte (die Entlassung war auf mehrere Treuepflichtverletzungen, im Wesentlichen auf die Strafanzeigen und die Gesprächsverweigerung gestützt worden).
  • 7. Oktober 2014, Stefan Lichtenstrasser gegen Österreich (Appl. no. 32413/08); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war beim "Jungunternehmertag" von einer Zeitung interviewt worden und hatte dabei ua Folgendes gesagt: "In einer Konzernstruktur kannst du deine eigenen Ideen nur schwer verwirklichen. Wenn du ein Unternehmen aufbaust, hingegen schon". Das Unternehmen trat an ihn am nächsten Tag mit dem Wunsch nach einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses heran und es kam zu einer einvernehmlichen Auflösung, die vom Beschwerdeführer nachträglich - erfolglos - bei Gericht bekämpft wurde. Die Beschwerde machte eine Verletzung des Art 10 EMRK geltend; der EGMR wies sie einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück.
  • 30. September 2014, Keena und Kennedy gegen Irland (Appl. no. 29804/10; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Redaktionsgeheimnis (siehe zum Fall auch hier); vom EGMR mehrheitlich als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. [siehe dazu auch den Blogpost von Ronan Ó Fathaigh auf Strasbourg Observers]
  • 30. September 2014, Budaházy gegen Ungarn (Appl. no. 15854/13); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer wurde wegen schwerer Straftaten (ua Terrorismus und Aufruf zu Terrorismus, Missbrauch von Schusswaffen) strafrechtlich verfolgt; anstelle von Untersuchungshaft stand er unter Hausarrest; er erhielt einen Tag Ausgaang zur Beteiligung an einem "Weltkongress der Ungarn", weiterer Ausgang zu diesem Kongress wurde ihm verwehrt. Die dagegen gerichtete, auf Art 10 und Art 11 gestützte Beschwerde wurde vom EGMR einstimmig als offenkundig unbegründet zurückgewiesen:
  • 16. September 2014, Karácsony ua gegen Ungarn (Appl. no. 42461/13; legal summary) und Szél und andere gegen Ungarn (Appl. no. 44357/13), (Pressemitteilung des EGMR zu beiden Urteilen; legal summary; die Beschwerdeführer waren Abgeordnete des ungarischen Parlaments, die wegen Störung der parlamentarischen Verhandlungen durch das Hochhalten von Plakaten bzw Transparenten bestraft worden waren; der EGMR stellte jeweils einstimmig eine Verletzung von Art 10 und Art 13 EMRK fest (zustimmende Sondervoten jeweils von den Richtern Raimondi, Spano und Kjølbro); hinsichtlich der zuerkannten Entschädigung für immateriellen Schaden abweichende Meinung des Richters Kūris. Update 17.02.2015: beide Fälle wurden mit Entscheidung vom 16.02.2015 an die Große Kammer verwiesen! Hearing vor der Großen Kammer am 08.07.2015. Urteil der Großen Kammer vom 17.05.2016 stellte ebenfalls einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 2. September 2014, Horváth und Vajnai gegen Ungarn (Appl. nos. 55795/11 und 55798/11);
    Noé, Vajnai und Bakó gegen Ungarn (Appl. nos. 24515/09, 24539/09, und 24611/09); Vajnai gegen Ungarn (Nr. 4) (Appl. no. 6061/10); die Beschwerdeführer waren wegen der Verwendung von Symbolen totalitärer Regime (Hammer und Sichel, fünfzackiger roter Stern) verurteilt worden; der EGMR stellte (jeweils in einem Komitee) eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (unter Verweis auf das Urteil Vajnai; zu diesem hier).
  • 10. Juli 2014, Axel Springer gegen Deutschland (Nr. 2) (Appl. no 48311/10; legal summary) Verurteilung der Axel Springer AG wegen eines Berichts über einen von einem FDP-Abgeordneten geäußerten Verdacht, dass Schröder an einem Pipeline-Projekt mit der russischen Gazprom mitverdiene; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig) (siehe dazu den Beitrag von Alexia Bedat auf Inforrm's Blog).
  • 8. Juli 2014, Nedim Şener gegen Türkei (Appl. no. 38270/11) und Şık gegen Türkei (Appl. no. 53413/11); (Pressemitteilung des EGMR zu beiden Urteilen); mehr als einjährige Anhaltung zweier Investigativjournalisten in Untersuchungshaft; jeweils Verletzungen des Art 10 (sowie Art 5 Abs 3 und 4) EMRK (einstimmig);
  • 1. Juli 2014, A.B. [Arnaud Bédat] gegen die Schweiz (Appl. no 56925/08); Journalist wurde wegen Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen aus einem Gerichtsverfahren zu einer Geldstrafe (ca. 2.667 €) verurteilt); Verletzung des Art 10 EMRK (4:3 Stimmen, abweichende Meindung der RichterInnen Karakaş, Keller, Lemmens); im Blog dazu hier. Achtung! Mit Beschluss vom 17.11.2014 wurde die Sache auf Antrag der Schweiz an die Große Kammer verwiesen (Pressemitteilung des EGMR dazu); Verhandlung vor der Großen Kammer am 13.05.2015. Urteil der Großen Kammer vom 29.03.2016: Keine Verletzung des Art 10 EMRK.
  • 24. Juni 2014, Nurgül UÇAR ua gegen Türkei (Appl. no 4692/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerde von Bürgermeistern wegen der durch Gesetz verfügten Auflösung/Zusammenlegung ihrer Gemeinden; die Beschwerde wurde ratione personae als unzulässig erklärt, da die Beschwerdeführer nicht dargelegt hatten, auf welche Weise das Gesetz, mit dem die Gemeindezusammenlegungen verfügt worden waren, sie in der Ausübung ihrer Rechte ua nach Art 10 EMRK verletzt haben sollte.
  • 24. Juni 2014, Roşiianu gegen Rumänien (Appl. no. 27329/06; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Journalist wollte, gestützt auf das rumänische Informationsfreiheitsgesetz, Auskünfte vom Bürgermeister, die ihm verweigert wurden; drei dem Journalisten Recht gebende Gerichtsentscheidungen wurden nicht vollstreckt; EGMR stellte einstimmig Verletzungen des Art 6 EMRK und des Art 10 EMRK fest. (siehe dazu Dirk Voorhoof, IRIS 2014-8:1/4)
  • 17. Juni 2014, Aslan und Sezen gegen Türkei (Appl. no. 43217/04) und Aslan und Sezen gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no 15066/05); Beschlagnahme von zwei Ausgaben der Zeitschrift Dema Nu wegen Veröffentlichung von Statements einer illegalen Organisation; EGMR stellte - unter Hinweis insbesondere auf den vergleichbaren Fall Gözel und Özer - jeweils eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 17. Juni 2014, Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 2; Appl. no. 28470/08); Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 3; Appl. no. 28516/08); Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 4; Appl. no. 4323/09); Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 5; Appl. no. 4327/09); Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 6; Appl. no. 4375/09) und Belek und Özkurt gegen Türkei (Nr. 7; Appl. no. 10752/09); mehrere Bestrafungen des Eigentümers und des Chefredakteurs einer Tageszeitung wegen Veröffentlichungen von Statements einer illegalen Organisation; EGMR stellte - unter Hinweis insbesondere auf den vergleichbaren Fall Gözel und Özer - jeweils Verletzungen des Art 10 EMRK fest, außerdem eine Verletzung des Art 6 EMRK (jeweils einstimmig).
  • 12. Juni 2014, Couderc und Hachette Filipacchi Associés gegen Frankreich (Appl. no. 40454/07; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Verurteilung der Medieninhaberin des Paris-Match und dessen "directrice de publication" Anne-Marie Couderc wegen Berichten über unehelichen Sohn von Albert Grimaldi (Fürst von Monaco) verletzte diese in ihrem Recht nach Art 10 EMRK (4:3, dissenting opinion der Richter Villinger, und Lemmens); für EGMR war auch relevant, dass Informationen relevant für die öffentliche Diskussion zur Nachfolge des regiereneden Fürsten waren, dass die Zeitung von der Mutter des Kindes informiert wurde und die Fotos nicht heimlich aufgenommen worden waren; das nationale Gericht hatte nicht zwischen Informationen unterschieden, die zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beitrugen und solchen, die nur das Privatleben des Fürsten betrafen. (siehe dazu Blogpost von Alexia Bedat auf Inforrm's Blog). Der Fall wurde auf Antrag der französischen Regierung an die Große Kammer übertragen (Pressemitteilung dazu); Verhandlung vor der Großen Kammer am 15. April 2015. Urteil der Großen Kammer am 10.11.2015.
  • 27. Mai 2014, Mustafa Erdoğan ua gegen Türkei (Appl. no. 346/04 und 39779/04; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Verurteilung eines Verfassungsrechtsprofessors wegen harter Kritik an Richtern des Verfassungsgerichtshofes; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum)
  • 27. Mai 2014, Baka gegen Ungarn (Appl. no. 20261/12; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Vorzeitige Absetzung des ungarischen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes durch ein Anlass-Verfassungsgesetz wegen kritischer Äußerungen; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum). Der Fall wurde auf Antrag der ungarischen Regierung der Großen Kammer übertragen (Pressemitteilung dazu; legal summary dazu); Verhandlung vor der Großen Kammer am 17.06.2015. Urteil der Großen Kammer am 23.06.2016.
  • 27. Mai 2014, Stichting Ostade Blade gegen Niederlande (Appl. no. 8406/06; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; Durchsuchung einer Redaktion, die angegeben hatte, einen Bekennerbrief betreffend Bombenattentate bekommen zu haben und in der nächsten Nummer veröffentlichen zu wollen; keine Verletzung des Art 10 EMRK (mehrheitlich) - Bekennerbrief-Schreiber ist keine Quelle, daher kein Quellenschutz (siehe dazu hier).
  • 15. Mai 2014, Taranenko gegen Russland (Appl. no. 19554/05; Pressemitteilung des EGMR, legal summary); Die Beschwerdeführerin war Teilnehmerin oder Beobachterin (das war vom nationalen Gericht nicht aufgeklärt worden) an Protesten gegen Präsident Putin, in deren Zug der Empfangsbereich des Verwaltungsgebäudes des Präsidenten besetzt und beschädigt wurde; sie wurde festgenommen, blieb ein Jahr in U-Haft und wurde dann wegen Teilnahme an Massenunruhen zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der EGMR stellte - wegen der Unverhältnismäßigkeit der langen Untersuchungshaft wie auch der mehrjährigen bedingten Haftstrafe - einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK im Lichte des Art 11 EMRK fest; außerdem eine Verletzung des Rechts auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder Haftentlassung während des Verfahrens nach Art 5 Abs 3 EMRK; die Beschwerde nach Art 3 und Art 5 Abs 1 EMRK wies er zurück. Zustimmendes Sondervotum der RichterInnen Pinto de Albuquerque, Turković und Dedov. (siehe dazu Dirk Voorhoof, IRIS 2014-7:1/1)
  • 29. April 2014, Salumäki gegen Finnland (Appl. no.23605/09); eine Zeitungsjournalistin hatte im Zusammenhang mit einem Mordfall über eine Verbindung des Opfers mit einem bekannten Unternehmer spekuliert, über dessen Verwicklung in Wirtschaftsstrafsachen berichtet und sein Foto prominent platziert; obwohl alle Fakten stimmten und der Unternehmer als "public figure" zu beurteilen war, war die Journalistin vom nationalen Gericht zu 30 Tagessätzen (ingsesamt 720 €) und einer Entschädigung an den Unternehmer (2.000 €) verurteilt worden, weil der Artikel eine Verbindung zwischen dem Unternehmer und einem Auftragsmord unterstellt habe. Keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier
  • 17. April 2014, Mladina D.D. Ljubljana gegen Slowenien (Appl. no. 20981/10; Pressemitteilung des EGMR, legal summary); Verurteilung der Herausgeberin eines Wochenmagazins wegen Beleidigung eines Abgeordneten; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). [siehe den Blogbeitrag von Sander Steendam auf Inforrm's Blog]
  • 17. April 2014, Brosa gegen Deutschland (Appl. no. 5709/09; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); dem Beschwerdeführer war mit gerichtlicher Verfügung verboten worden, ein Flugblatt zu verteilen, in dem er einem Bürgermeisterkandidaten vorwarf, eine Neonazi-Organisation zu decken; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). [siehe dazu den Blogbeitrag von Ronan Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers]
  • 15. April 2014, Hasan Yazıcı gegen Türkei (Appl. no. 40877/07); Verurteilung wegen übler Nachrede aufgrund eines Plagiatsvorwurfs; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig) und Verletzung des Art 6 EMRK (6:1 Stimmen)
  • 15. April 2014, Vasile-Sorin Ozon und Ștefan Candea gegen Rumänien (Appl. no. 38504/04); Unzulässigkeitsentscheidung; zwei Investigativjournalisten wurden wegen eines Artikels, in dem sie einem Parlamentsabgeordneten Beziehungen zur sizilianischen Mafia vorwarfen, zu einer Entschädigung von umgerechnet rund 2.600 € verurteilt; der EGMR beurteilte die Beurteilung des nationalen Gerichts, das ausdrücklich auf Art 10 EMRK und die Rechtsprechung des EGMR einging, als überzeugend und die Sanktion nicht unverhältnismäßig, die Beschwerde wurde daher als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 3. April 2014, Amorim Giestas und Jesus Costa Bordalo gegen Portugal (Appl. no. 37840/10); JournalistInnen berichteten über die Verteilung alter Möbel eines portugiesischen Bezirksgerichts an eine gemeinnützige Einrichtung und Vermutungen, dass diese Einrichtung von der entscheidenden Gerichtsbeamtin bevorzugt worden sei; die JournalistInnen wurden wegen Verleumdung zu Geldstrafen und einer Entschädigungszahlung verurteilt. Der EGMR kommt zum Ergebnis, dass die Kritik auf Tatsachen beruhte und die Artikel vernünftige (judicieuses) Beiträge zu einer Debatte von öffentlichem Interesse waren; die JournalistInnen hatten auch alle Betroffenen kontaktiert und ihre Stellungnahmen wiedergegeben; der EGMR stellte daher eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 25. März 2014, Bayar gegen Türkei (Nr. 1, Nr 2, Nr 3, Nr 4, Nr 5, Nr 6, Nr 7 und Nr 8) (Appl. nos. 39690/06, 40559/06, 48815/06, 2512/07, 55197/07, 55199/07, 55201/07 und 55202/07); Chefredakteur einer türkischen Zeitung war in acht Fällen zu (geringen) Geldstrafen wegen der Veröffentlichung von Manifesten einer illegalen bewaffneten Organisation verurteilt worden, Rechtsmittel wurden wegen der relativ geringen Strafhöhe nicht angenommen; der EGMR stellte in allen acht Fällen Verletzungen von Art 10 uind Art 6 EMRK fest (einstimmig). (siehe dazu Dirk Voorhoof, IRIS 2014-5:1/1)
  • 11. März 2014, Jelševar ua gegen Slowenien (Appl. no. 47318/07; Pressemitteilung des EGMR, legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; die BeschwerdeführerInnen sahen sich durch einen Roman in ihrem Recht nach Art 8 EMRK verletzt, weil sie in einer Romanfigur ihre Mutter zu erkennen glaubten und diese negativ dargestellt worden sei. Der EGMR sah - unter Hinweis auf die durch Art 10 EMRK geschützte künstlerische Ausdrucksfreiheit der Romanverfasserin keinen Fehler in der von den slowenischen Gerichten getroffenen Abwägungsentscheidung; Beschwerde unzulässig (einstimmig).
  • 11. März 2014, Akdeniz gegen Türkei (Appl. no. 20877/10; legal summary); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer hatte als einfacher User der Websites myspace.com und last.fm gegen die Sperre dieser Seiten geklagt, die im Zuge von Urheberrechtsstreitigkeiten von türkischen Strafgerichten verfügt worden war; die nationalen Gerichte wiesen sein Begehren mangels Berechtigung zur Klage zurück. Der EGMR betont zwar die Bedeutung des Internets - wie im Fall Yıldırım -, hält aber auch fest, dass die Konventionsstaaten bei der Beurteilung der Meinungsfreiheit im kommerziellen Bereich und deren Abwägung gegenüber anderen Interessen - wie hier den Rechten der Urheber - über einen größeren Beurteilungsspielraum verfügen. Der Fall betreffe keine wichtige Frage von allgemeinem Interesse, der Beschwerdeführer sei nicht als "Opfer" einer Verletzung des Art 10 EMRK anzusehen; die Beschwerde wurde daher ratione personae (aus in der Person gelegenen Gründen - mangelnder Opferstatus) zurückgewiesen.
  • 4. März 2014, Dilipak und Karakaya gegen Türkei (Appl. nos. 7942/05 und 24838/05; Pressemitteilung des EGMR); Verurteilung zweier Journalisten wegen kritischer Berichte über einen verstorbenen Admiral; Verletzung der Art 6 und 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des isländischen Richters Spano).
  • 18. Februar 2014, Jalbă gegen Rumänien (Appl. no. 43912/10); einem hohen Beamten war in einem Zeitungsartikel - faktenwidrig - vorgeworfen worden, ein privates Unternehmen zu betreiben, das mit seiner Beamtenfunktion unvereinbar sei; die rumänischen Gerichte beurteilten das als Werturteil und wiesen eine Entschädigungsklage des Beamten daher ab; der EGMR sah darin - nach Abwägung mit dem Recht des Journalisten au freie Meiungsäußerung nach Art 10 EMRK - eine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig).
  • 11. Februar 2014, Tešić gegen Serbien (Appl. nos. 4678/07 und 50591/12; legal summary des EGMR); die Beschwerdeführerin war wegen übler Nachrede zu Lasten ihres ehemaligen Rechtsanwalts - dem sie Fehler bei ihrer Vertretung vorwarf, verurteilt worden; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1; abweichende Meinung des ungarischen Richters Sajó); siehe im Blog dazu hier.
  • 4. Februar 2014, Pentikäinen gegen Finnland (Appl. no. 11882/10; Pressemitteilung des EGMR; legal summary des EGMR); Verurteilung eines Pressefotografen, der bei aufgelöster gewalttätiger Kundgebung trotz Polizeiaufforderung den Platz nicht verließ; keine Verletzung des Art 10 EMRK (5:2 Stimmen); siehe im Blog dazu hier; der Fall wurde mit Entscheidung des Grand Chamber Panel vom 02.06.2014 auf Antrag des Beschwerdeführers an die Große Kammer verwiesen; die mündliche Verhandlung vor der Großen Kammer findet am 17.12.2014 statt (Videoaufzeichnung der Verhandlung).
  • 30. Jänner 2014, De Lesquen du Plessis-Casso gegen Frankreich (Nr 2) (Appl. no 34400/10); Verurteilung eines Stadtrats von Versailles wegen übler Nachrede gegenüber dem Bürgermeister, dem er in einem offenen Brief unter anderem (auf Grund anonymer Quellen und ohne Tatsachengrundlage) vorwarf, sich durch Zuwarten mit dem Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vor dem Militärdienst gedrückt zu haben. Keine Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung der irischen Richterin Power-Forde; zustimmendes Sondervotum des belgischen Richters Lemmens, in dem er darlegt, warum er - "nicht ohne Zögern" - mit der Mehrheit gestimmt hat).
  • 21. Jänner 2014, Perihan und Mezopotamya Basın Yayın A.Ş. gegen Türkei (Appl. no. 21377/03); Auflösung eines Verlags, nachdem bei Durchsuchungen im Verlagsbüro Zeitungen, Bücher, Cassetten und Dokumente beschlagnahmt worden waren; dem Verlag wurde die Verbreitung von Propaganda zugunsten der PKK vorgeworfen; Verletzung des Art 10 EMRK im Hinblick auf Mezopotamya Basın Yayın A.Ş. (4:3 Stimmen, abweichende Meinung des italienischen Kammervorsitzenden Raimondi, der türkischen Richterin Karakaş und des dänischen Richters Lorenzen, die den nationalen Instanzenzug als nicht erschöpft ansahen).
  • 16. Jänner 2014, Tierbefreier e.V. gegen Deutschland (Appl. no 45192/09); Verbreitungsverbot für Filmaufnahmen, die heimlich in einer Tierversuchseinrichtung gemacht worden waren, keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig). (siehe dazu Dirk Voorhoof, IRIS 2014-3:1/2)
  • 16. Jänner 2014, Lillo-Stenberg und Sæther gegen Norwegen (Appl. no.13258/09); Veröffentlichung von Fotos der Hochzeit einer Schauspielerin und eines Rockmusikers in einem Klatschmagazin; der norwegische Oberste Gerichtshof hat sorgfältig und ausführlich die Interessen der Abgebildeten an ihrer Privatsphäre und die Interessen der Medieninhaberin an der Meinungsäußerungsfreiheit abgewogen und wies den Antrag der Abgebildeten auf Entschädigung ab; der EGMR sah darin keine Verletzung deas Art 8 EMRK (einstimmig). [siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog und Dirk Voorhoof, IRIS 2014-3:1/1]
  • 14. Jänner 2014, Ojala und Etukeno Oy gegen Finnland (Appl no. 69939/10); Verurteilung des Verlegers eines "Kiss and Tell"-Buchs der Ex-Freundin des Regierungschefs; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier
  • 14. Jänner 2014, Ruusunen gegen Finnland (Appl. no. 73579/10); Verurteilung der Ex-Freundin des Regierungschefs für "Kiss and Tell"-Buch; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier.
  • 14. Jänner 2014, Lavric gegen Rumänien (Appl. no.22231/05); rumänisches Gericht hatte einen Journalisten freigesprochen, der eine Staatsanwältin in einem Artikel ohne ausreichende Tatsachengrundlage als "Fälscherin und Trickserin" bezeichnet hatte. Die Staatsanwältin wandte sich an den EGMR, der eine Verletzung der positiven Verplichtungen des Staates nach Art 8 EMRK feststellte (einstimmig). Siehe dazu Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog.
  • 7. Jänner 2014, Ringier Axel Springer Slovakia, a.s. gegen Slowakei (Nr. 3), (Appl. nr. 37986/09; Pressemitteilung des EGMR); Zeitung hatte über einen Millionenshow-Teilnehmer berichtet, der unter Verdacht stand, bei den Fragen betrogen zu haben und der seinerseits gegen den TV-Sender vorgehen wollte, weil dieser ihn zu unrecht von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen habe; Medieninhaberin wurde zu Entschuldigung und zu einer Entschädigung von 1.450 € verurteilt. EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest; die nationalen Gerichte waren auf das detaillierte auf Art 10 EMRK gestützte Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen und hatten sich insbesondere nicht mit der Frage nach dem öffentlichen Interesse, dem guten Glauben, dem mit der Veröffentlichung verfolgten Ziel oder anderen Kriterien für die Pflichten bzw die Verantwortung der Medieninhaberin nach Art 10 Abs 2 EMRK auseinandergesetzt. Der EGMR sprach - mit 5:2 Stimmen - 9.750 € als Ersatz für immaterielle Schäden zu, was von der armenischen Kammerpräsidentin Gyulumyan und dem spanischen Richter Luis López Guerra in einer dissenting opinion als "clearly excessive" beurteilt wird.
  • 7. Jänner 2014, Ringier Axel Springer Slovakia, a.s. gegen Slowakei (Nr. 2) (Appl. no. 21666/09; Pressemitteilung des EGMR); Zeitung hatte darüber berichtet, dass der Verursacher eines Verkehrsunfalls, bei dem der Sohn eines Oberstaatsanwalts ums Leben gekommen war, unzulässig lange in U-Haft gehalten werde. Der Staatsanwalt klagte und verlangte eine Entschuldigung (für die Namensnennung) sowie Schadenersatz; das Gericht sprach die Entschuldigung und rund 2.600 € Schadenersatz zu. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest, weil sich die nationalen Gerichte mit wesentlichen Abwägungsfragen nicht auseinandergesetzt hatten.
2013
  • 19. Dezember 2013, Mika gegen Griechenland (Appl. no. 10347/10); die Beschwerdeführerin hatte als Oppositionspolitikerin in einem Zeitungsartikel dem Bürgermeister Günstlingswirtschaft vorgeworfen und war dafür zu einer bedingten Haftstrafe von 7 Monaten verurteilt worden; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 17. Dezember 2013, Perinçek gegen Schweiz (Appl. no. 27510/08; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Rassendiskriminierung, weil er in mehreren öffentlichen Veranstaltungen den Genozid an Armeniern 1915 geleugnet und als "internationale Lüge" bezeichnet hatte, verletzte in in seinem Recht nach Art 10 EMRK (5:2 Stimmen, zustimmendes Sondervotum der Richter Sajó und Raimondi, abweichende Meinung der Richter Vučinić und Pinto de Albuquerque). (siehe dazu Dirk Voorhoof, IRIS 2014-2:1/1). Die Schweiz hat die Verweisung an die Große Kammer beantragt, mit Entscheidung des Grand Chamber Panel vom 02.06.2014 wurde der Fall an die Große Kammer verwiesen.
  • 17. Dezember 2013, Yavuz und Yaylalı gegen Türkei (Appl. no. 12606/11); Verurteilung zu Haftstrafen wegen Förderung einer terroristischen Organisation nach Teilnahme an Kundgebungen zum Protest gegen Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte; Verletzung des Art 10 EMRK und des Art 6 EMRK (einstimmig).
  • 3. Dezember 2013, Ungváry und Irodalom Kft. gegen Ungarn (Appl. no. 64520/10); der ungarische Historiker Krisztián Ungváry hatte László Kiss, Mitglied des ungarischen Verfassungsgerichts, als Informanten der Staatssicherheit bezeichnet und als Parteisekretär, der Stimmungsberichte geschrieben habe; dafür wurden er und die Wochenzeitung, in der ein Auszug aus einem Buch Ungvárys verlöffentlicht worden war, wegen übler Nachrede verurteilt. Der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK (mit 4:3 Stimmen betreffend Ungváry, abweichende Meinung des litauischen Richters - und ehemaligen Präsidenten des litauischen Verfassungsgerichts! - Kūris, der Richter Raimondi beitrat; ebenfalls abweichend Richter Lorenzen; betreffend die Zweitantragstellerin, Irodalom Kft. war das Urteil einstimmig) [siehe dazu einen Beitrag auf Inforrm's Blog].
  • 28. November 2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich (Appl. no. 39534/07; Pressemitteilung des EGMR; legal summary des EGMR); Verweigerung des Rechts auf Zugang zu (anonymisierten) Entscheidungen der Tiroler Landes-Grundverkehrskommission verletzte die beschwerdeführende NGO in dem nach Art 10 EMRK geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung (6:1, abweichende Meinung des norwegischen Richters Møse); siehe im Blog dazu hier (zur Vorgeschichte hier).
  • 26. November 2013, Błaja News Sp. z o. o. gegen Polen (Appl. no. 59545/10); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 26. November 2013, Kudrevičius ua gegen Litauen (Appl. no. 37553/05); Verletzung des Art 11 EMRK ("im Lichte des Art 10 EMRK"); (mit 4:3 Stimmen, abweichende Meinung der Richter Raimondi, Pinto de Albuquerque und der Richterin Jočienė).
  • 21. November 2013, Putistin gegen Ukraine (Appl. no. 16882/03; legal summary des EGMR); keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); Abwägung mit Art 10 EMRK; zustimmendes Sondervotum von Richter Lemmens [siehe dazu einen Beitrag auf Inforrm's Blog].
  • 19. November 2013, Anttila gegen Finnland (Appl. no. 16248/10); der Beschwerdeführer war Chefredakteur der Zeitschrift Veropörssi und Miteigentümer der Herausgeberin Satakunnan Markkinapörssi Oy, die ein SMS-Service betrieb, mit dem in einer öffentlichen Datenbank verfügbare Steuerdaten von Personen abgefragt werden konnten; dieser Dienst war Gegenstand des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-73/07 Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia (im Blog dazu hier); in der Folge untersagte die Datenschutzbehörde diesen Dienst; da die Entscheidung gegenüber den Unternehmen, nicht aber gegenüber dem Beschwerdeführer erging, wurde dessen Beschwerde vom EGMR ratione personae - weil ihm kein Opferstatus im Sinne des Art 34 EMRK zukam - als unzulässig zurückgewiesen. [Siehe nun das Urteil vom 21. Juli 2015, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy gegen Finnland (Appl no. 931/13)].
  • 19. November 2013, Stobik gegen Polen (Appl. no. 23352/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung einer Richterin ("Kriminelle, die sich hinter einer pathologischen Immunität und einer Richterrobe versteckt, die dem selben Zweck dient wie die Sturmhaube eines Gangsters" usw.) und übler Nachrede; Urteil (40 bzw 80 Stunden gemeinnützige Arbeit) war verhältnismäßig; Beschwerde wurde daher als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
  • 19. November 2013, Someşan und Butiuc gegen Rumänien (Appl. no. 4554/04); Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); Abwägung mit Art 10 EMRK.
  • 12. November 2013, Jokšas gegen Litauen (Appl. no. 25330/07; legal summary des EGMR); keine Verletzung des Art 10 EMRK (aber Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK), (einstimmig).
  • 29. Oktober 2013, Ristamäki und Korvola gegen Finnland (Appl. no. 66456/09); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 22. Oktober 2013, Bülent Kaya gegen Türkei (Appl. no. 52056/08); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); der Beschwerdeführer hatte als Vertreter einer Gewerkschaft bei einer politischen Versammlung gesprochen, bei der es zu Sprechchören in Unterstützung von Abdullah Öcalan kam; er wurde wegen Berherrlichung von Verbrechen oder eines Verbrechers zu einer Haftstrafe von drei Monaten, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 2000 türkischen Lira verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 22. Oktober 2013, Soltész gegen Slowakei (Appl. no. 11867/09); slowakischer Journalist berichtete über das Verschwinden eines Industriellen, teilweise aufgrund der Mitteilung eines ehemaligen Polizisten, der die Ermittlungen geleitet hatte; dabei ging es insbesondere um einen abgehörten Anruf eines Anwalts; dieser klagte wegen übler Nachrede, da der Artikel unwahre und irreführende Behauptungen enthalte, und erhielt eine Entschädigung von 3.000 € zugesprochen; die nationalen Gerichte hatten sich weder mit dem öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung noch mit der Frage nach dem guten Glauben des Journalisten bzw dessen journalistischer Sorgfalt befasst; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 15. Oktober 2013, Mehmet Hatip Dicle gegen Türkei (Appl. no. 9858/04); Lokalpolitiker war wegen eines von ihm verfassten Zeitungsartikels, in dem er die Regierung kritiserte und die Meinung vertrat, dass die kurdische Bevölkerung Opfer eines Assimilierungsprozesses und Genozids sei, zu einer - später allerdings ausgesetzten Haft- und Geldstrafe - verurteilt; die Aussetzung der (nicht aufgehobenen) Strafe nahm dem Beschwerdeführer nicht den Opferstatus; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig);
  • 10. Oktober 2013, Jean-Jacques Morel gegen Frankreich (Appl. no. 25689/10); Verurteilung eines Stadtrats wegen Äußerungen in einer Pressekonferenz (über eine vom Bürgermeister neu geschaffene Stelle; der Stelleninhaber fühlte sich dadurch in seiner Ehre verletzt); Geldstrafe von 1.000 € und Entschädigung von 3.000 €. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig; mit 6:1 wurde entschieden, dass keine Entschädigung für immateriellen Schaden zugesprochen wurde, dagegen abweichende Meinung der Richterin Power-Forde); im Blog dazu hier.
  • 10. Oktober 2013, Delfi AS gegen Estland (Appl. no. 64569/09; Pressemitteilung des EGMR); Haftung eines Internet News Portals für Userpostings; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); im Blog dazu hier. Achtung: dieser Fall wurde mit Beschluss vom 17.02.2014 von der Großen Kammer angenommen - endgültiges Urteil vom 16. Juni 2015 (gleiches Ergebnis).
  • 10. Oktober 2013, Print Zeitungsverlag GmbH gegen Österreich (Appl. no. 26547/07); Verurteilung wegen Veröffentlichung eines diffamierenden anonymen Briefs; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); im Blog dazu hier.
  • 8. Oktober 2013, Ricci gegen Italien (Appl. no. 30210/06); Verurteilung des Produzenten eines satirischen Fernsehmagazins wegen der Veröffentlichung von Aufnahmen eines anderen Fernsehveranstalters (der RAI), die durch Überwachen der für die interne Kommunikation zugewiesenen Frequenzen der RAI "abgefangen" wurden; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung der Richterin Karakaş).
  • 8. Oktober 2013, Cumhuriyet Vakfı ua gegen Türkei (Appl. no. 28255/07); einstweilige Verfügung, ein Inserat mit Aussagen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Abdullah Gül (wie sie in einem Interview in einer britischen Tageszeitung veröffentlicht worden waren) nicht mehr zu veröffentlichen; nicht verhältnismäßig; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. Oktober 2013, Cholakov gegen Bulgarien (Appl. no. 20147/06); der Beschwerdeführer hatte sich als politischer Aktivist an eine Säule gekettet und mit Lautsprecher diverse Amtsträger (ua Bürgermeister und Staatsanwalt) als korrupt, als kriminell, als Mafiosi und als politische Prostituierte bezeichnet; er wurde festgenommen und wegen "minor hooliganism" zu zehn Tagen Haft verurteilt; der EGMR beurteilte dies als unverhältnismäßig; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. Oktober 2013, Yalçınkaya ua gegen Türkei (Appl. nos. 25764/09, 25773/09, 25786/09, 25793/09, 25804/09, 25811/09, 25815/09, 25928/09, 25936/09, 25944/09, 26233/09, 26242/09, 26245/09, 26249/09, 26252/09, 26254/09, 26719/09, 26726/09 and 27222/09); die Beschwerdeführer hatten in Briefen an die Staatsanwaltschaft Abdullah Öcalan als "sayın" (Anrede für jemanden, den man schätzt und respektiert) bezeichnet und sich dafür gleich selbst angezeigt. Sie wurden wegen Verherrlichung einer Straftat oder eines Straftäters zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen verurteilt; der EGMR beurteilte den Eingriff als in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig; weiters wurde eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK festgestellt).
  • 24. September 2013, Belpietro gegen Italien (Appl. no. 43612/10; legal summary des EGMR); Verurteilung des Chefredakteurs einer italienischen Zeitung wegen eines darin veröffentlichten Artikels eines Senators über einen "Krieg" zwischen Richtern/Staatsanwälten gegen Carabinieri (auf Antrag zweier betroffener Staatsanwälte); der EGMR sah eine Verurteilung wegen des Artikels an sich als gerechtfertigt und mit Art 10 EMRK vereinbar an, beurteilte aber die verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten als nicht verhältnismäßig und stellte daher einstimmig eine Verletzung das Art 10 EMRK fest; siehe dazu den Beitrag von Rónán Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof auf Strasbourg Observers;
  • 24. September 2013, Antoneta Tudor gegen Rumänien (Appl. no 23445/04); Verweigerung des Zugangs zu Securitate-Akten über den verstorbenen Vater der Beschwerdeführerin; Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig):
  • 19. September 2013, Stojanović gegen Kroatien (Appl. no. 23160/09; Pressemitteilung des EGMR; legal summary); Verurteilung wegen der Überschrift über einem Zeitungsbericht, in der dem Gesundheitsminister "Machinationen" vorgewurfen wurden; basierend auf einem Interview mit dem Beschwerdeführer, der das Wort aber nie verwendet hatte; außerdem Verurteilung wegen eines Zitats, das aber so nicht gefallen war; Verletzungen des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. September 2013, Von Hannover gegen Deutschland (Nr. 3), (Appl. no. 8772/10; Pressemitteilung des EGMR); Veröffentlichung eines Fotos der Beschwerdeführerin zur Illustraion eines Berichts über die von ihr vermietete Villa; keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); siehe im Blog hier.
  • 17. September 2013, Welsh und Silva Canha gegen Portugal (Appl. no.16812/11); Verurteilung von Journalisten einer satirischen Zeitschrift wegen Veröffentlichungen über einen Regionalpolitiker; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. September 2013, Ümit Bilgiç gegen Türkei (Appl. no. 22398/05); Verurteilung wegen Missachtung des Gerichts wegen beleidigender Schreiben an mehrere Richter, die der Beschwerdeführer ua als "vorgebliche Juristen" bezeichnete; da die Briefe aber nicht öffentlich wurden, konnten sie das Vertrauen in die Justiz nicht gefährden; zudem war der Beschwerdeführer 35 Tage in einer psychiatrischen Anstalt angehalten worden, was nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden kann; Verletzung (ua) des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 23. Juli 2013, Sampaio e Paiva de Melo gegen Portugal (Appl. no. 33287/10); Verurteilung eines Sportjournalisten wegen übler Nachrede, weil er den Präsidenten eines Fußballvereines als "geschworenen Feind" des Nationalteams bezeichnete; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Juli 2013, Nagla gegen Lettland (Appl. no. 73469/10; Pressemitteilung des EGMR; "legal summary" des EGMR); Durchsuchung der Wohnung einer Journalistin und Beschlagnahme von Datenträgern; Schutz journalistischer Quellen; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier.
  • 16. Juli 2013, Remuszko gegen Polen (Appl. no. 1562/10; "legal summary" des EGMR); der Beschwerdeführer - ein Journalist, der ein Buch über die Entstehung einer polnischen Zeitung veröffentlicht hatte - gelang es nicht, Werbung dafür in Zeitungen zu schalten; seine Klage gegen diese Weigerung wurde von den nationalen Gerichten abgewiesen. Keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Juli 2013, Belek und Özkurt gegen Türkei (Appl. no. 1544/07); Verurteilung des Eigentümers und Chefredakteurs einer Zeitung wegen wegen Veröffentlichung von Statements einer illegalen Organisation; die Texte hatten keinen Aufruf zu Gewalt oder bewaffnetem Widerstand enthalten und waren auch nicht als "discours de haine" ("hate speech") zu beurteilen; daher stellte der EGMR - unter Hinweis auf das Urteil Gözel und Özer - einstimmig die Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 16. Juli 2013, Węgrzynowski und Smolczewski gegen Polen (Appl. no. 33846/07; "legal summary" des EGMR); Gericht hatte Antrag auf Entfernung von ehrverletzenden Artikeln aus Internetarchiv einer Zeitung abgewiesen; keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Thomas Stadler auf internet-law.de sowie hier im Blog.
  • 11. Juli 2013, Morice gegen Frankreich (Appl. no. 29369/10); keine Verletzung des Art 10 EMRK (mit 6:1 Stimmen); siehe dazu den Beitrag auf dem Verfassungsblog; mit Beschluss vom 09.12.2013 wurde der Fall an die Große Kammer verwiesen. Am 23.04.2015 urteilte die Große Kammer, die einstimmig Verletzungen der Art 6 und Art 10 EMRK feststellte.
  • 9. Juli 2013, Di Giovanni gegen Italien (Appl. no. 51160/06); Disziplinarverweis gegen eine Richterin, die in einem Zeitungsinterview angegeben hat, dass ein richterliches Mitglied eines mit der Personalauswahl befassten Kollegiums seinen Einfluss ausgeübt habe, um einem Verwanden zu helfen. Keine Verletzung des Art 10 EMRK (mit 5:2 Stimmen).
  • 25. Juni 2013, Youth Initiative for Human Rights gegen Serbien (Appl. no, 48135/06; Pressemitteilung des EGMR, legal summary des EGMR); die hartnäckige Weigerung des serbischen Geheimdienstes, der beschwerdeführenden NGO - entgegen einer bindenden Entscheidung einer nationalen Behörde - Informationen über die Anzahl der von elektronischer Überwachung 2005 betroffenen Personen mitzuteilen, wurde als Verstoß gegen Art 10 EMRK beurteilt; einstimmig (zustimmendes Sondervotum der Richter Sajó (Ungarn) und Vučinić (Montenegro); siehe im Blog dazu hier.
  • 4. Juni 2013, Dreiblats gegen Lettland (Appl. no. 8283/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Journalist wurde gerichtlich zur Offenlegung seiner Quelle für einen Artikel verpflichtet, in dem geheime Telefonüberwachungsprotokolle veröffentlicht wurden. Da er der Anordnung nicht folgte, wurde gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet, das erst vor dem Obersten Gerichtshof mit Freispruch endete; der Journalist war der Auffassung, dass keine adäquate Abhilfe erfolgt sei und sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK. Der EGMR beurteilte die Beschwerde einstimmig als unzulässig, da der Beschwerdeführer noch die Möglichkeit gehabt hätte, einen Amtshaftungsanspruch zu verfolgen, worauf er anlässlich seines Freispruchs auch hingewiesen worden war.
  • 30. Mai 2013, Malofeyeva gegen Russland (Appl no. 36673/04); die Beschwerdeführerin war nach Betrugsvorwürfen in Untersuchungshaft; nach ihrer Enthaftung, noch während des laufenden Verfahrens, organisierte sie eine nicht angemeldete "Demonstration" vor dem Richterprüfungsamt, an der neben ihr nur zwei weitere Personen teilnahmen; dabei wurde sie festgenommen. Der EGMR stellte letztlich wegen unklarer Sachverhaltsfeststellungen einstimmig eine Verletzung des Art 11 EMRK, gesehen im Lichte des Art 10 EMRK ("assessed in the light of its Article 10") fest, dies einerseits wegen unzureichender Feststellungen der nationalen Gerichte, dass tatsächlich ein Verstoß gegen das nationale Versammlungsrecht vorlag, andererseits auch weil nicht dargelegt wurde, dass die Auflösung der Versammlung tatsächlich aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen wäre. Die aus meiner Sicht einzig wirklich interessante Frage musste unbeantwortet bleiben: "Furthermore, the Court cannot deal with the Government’s argument suggesting that the demonstration had to be dispersed in order to put an end to unsubstantiated accusations in respect of judges and in order to protect their reputation and honour. This justification was never mentioned in the domestic proceedings and did not justify the interference with the applicant’s rights." [Im Zusammenhang mit der U-Haft und dem Strafverfahren wurden auch Verletzungen der Art 5 Abs 1 und 2 und 6 Abs 1 und 3 EMRK festgestellt].
  • 30. Mai 2013, OOO ‘Vesti’ and Ukhov gegen Russland (Appl. no. 21724/03); siehe im Blog dazu hier.
  • 21. Mai 2013, Meltex gegen Armenien (Appl. no. 45199/09); Unzulässigkeitsentscheidung (follow up zu dem eine Rundfunklizenzvergabe betreffenden Urteil Meltex gegen Armenien Appl.no 32283/04), siehe zum Urteil und zur Unzulässigkeitsentscheidung im Blog hier; zur Entscheidung vom 21. Mai 2013 siehe auch Dirk Voorhoof, IRIS 2013-7:1/2.
  • 22. April 2013, Animal Defenders International gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no 48876/08; Pressemitteilung des EGMR; legal summary des EGMR); Große Kammer; Verbot politischer Fernsehwerbung keine Verletzung des Art 10 EMRK (9:8 Stimmen); siehe dazu im Blog hier.
  • 18. April 2013, Saint-Paul Luxembourg S.A. gegen Luxemburg (Appl. no. 26419/10 Pressemitteilung des EGMR; legal summary des EGMR); Durchsuchung und Sicherstellung von Unterlagen in Zeitungsredaktion; Verletzung des Art 8 EMRK (6:1 Stimmen) und Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu im Blog hier.
  • 4. April 2013, Reznik gegen Russland (Appl. no 4977/05; legal summary des EGMR); Präsident der Moskauer Anwaltskammer wurde wegen kritischer Äußerungen in einer Talkshow über Gefängnispersonal, das eine Anwältin durchsucht hatte, verurteilt. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. April 2013, UEDH (Union Europeenne Des Droits de L’Homme) und Josephides gegen Türkei (Appl. no 7116/10); anlässlich des 20. Jahrestags des Falls der Berliner Mauer wollten Herr Josephides und andere Mitglieder der UEDH an der "Attila-Mauer" (UN-Bufferzone in Zypern) für den Fall dieser Grenze demonstrieren und näherten sich in der Bufferzone dem türkischen Checkpoint bis auf etwa 10-15 m an; sie wurden von den Wachposten angehalten, durchsucht, und nach 45 Minuten freigelassen; eine Europafahne, Transparente und Flugzettel wurden konfisziert. Die (ua) auf Art 10 und 11 EMRK gestützten Beschwerden wurden vom EGMR (mehrheitlich) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen: die Beschwerdeführer hatten versucht, in einem besonders heiklen Gebiet zu demonstrieren, erlitten keine Verletzungen und wurden weniger als eine Stunde angehalten, was als zur Aufrechterhaltung der Ordnung iSd Art 10 Abs 2 bzw Art 11 Abs 2 EMRK gerechtfertigt angesehen wurde.
  • 28. März 2013, Novaya Gazeta und Borodyanskiy gegen Russland (Appl. no. 14087/08); Verurteilung der Medieninhaberin und eines Redakteurs wegen Verleumdung des Gouverneurs der Region Omsk (durch die - ohne Tatsachengrundlage vorgebrachte - Behauptung, dass der Erfolg eines Geschäftsmanns ohne das Wohlwollen des Gouverneurs nicht möglich gewesen wäre); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog.
  • 26. März 2013, Niculescu-Dellakeza gegen Rumänien (Appl. no. 5393/04); der Beschwerdeführer, Schauspieler am Nationaltheater Craiova, kritisierte in einem Fernsehinterview und in einem offenen Brief in einer Lokalzeitung den Direktor des Theaters, dem er vorwarf, mehrere Funktionen zugleich auszuüben und öffentliche Gelder missbräuchlich zu verwenden (der Rechnungshof beanstandete in der Folge die Mittelverwendung des Theaters und es wurde auch ein Verfahren gegen den Theaterdirektor ua wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet). Der Schauspieler wurde strafrechtlich wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe und zusätzlich zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (außerdem - mit 5:2 Stimmen - eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK); der offene Brief sei eine Mischung aus Tatsachen- und Werturteilen, und auch wenn manche darin verwendete Begriffe unangemessen waren, blieben sie doch noch im Rahmen der zulässigen Übertreibung und Provokation; der Beschwerdeführer habe Nachforschungen angestellt und in gutem Glauben gehandelt; der Umstand, dass straf- und steuerrechtliche Verfahren gegen den Theaterdirektor geführt wurden, zeige zudem, dass die Vorwürfe nicht völlig ohne Grundlage gewesen seien. Für die Verurteilung lägen daher keine relevanten und ausreichenden Gründe vor.
  • 14. März 2013, Eon gegen Frankreich (Appl. no.26118/10); (Pressemitteilung des EGMR; "legal summary"); Hervé Eon war wegen Beleidigung des damaligen Präsidenten Sarkozy verurteilt worden. Er hatte ein Schild mit der Aufschrift "Casse toi pov’con" (vom EGMR übersetzt mit "Get lost, you sad prick") entgegengehalten - etwas, das Sarkozy einige Zeit zuvor bei einem Messebesuch zu einem Besucher gesagt hatte, der ihm nicht die Hand geben wollte. Verletzung des Art 10 EMRK (6:1; der tschechische Richter Pejchal sah zwar eine Verletzung des Art 10 EMRK, sprach sich aber gegen die Zulässigkeit der Beschwerde aus, da dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil im Sinne des Art 35 Abs 3 lit b EMRK in der Fassung des 14. Zusatzprotokolls entstanden sei); siehe im Blog hier.
  • 14. März 2013, Kasymakhunov und Saybatalov gegen Russland (Appl. nos. 26261/05 und 26377/06); die Beschwerdeführer sind Mitglieder der Hizb ut-Tahrir al-Islami (Partei der islamischen Befreiung), die durch eine Entscheidung des russischen Obersten Gerichtshofes als terroristische Organisation eingestuft wurde; Aktivitäten innerhalb Russlands wurden ihr verboten. In der Folge kam es zu Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer, die schließlich auch verurteilt wurden, unter anderem wegen Beihilfe zum Terrorismus und Gründung und Beteiligung an einer extremistischen Organisation. Die Beschwerdeführer meinten, sie seien wegen ihrer Mitgliedschaft in Hizb ut-Tahrir al-Islami bestraft worden und seien dadurch (ua) in ihren Rechten nach Art 9, 10 und 11 EMRK verletzt. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass Art 17 EMRK (Verbot des Missbrauchs der Rechte) anwendbar sei, sodass die Beschwerdeführer nicht den Schutz der Art 9, 10 und 11 EMRK beanspruchen konnten. Hizb ut-Tahrir hatte nämlich den Jihad glorifiziert und zielte auf die Errichtung eines Regimes ab, in dem politische Freiheiten als "unislamisch" abgelehnt würden, nicht auf den Islam gestützte politische Partien untersagt wären und je nach Religionszugehörigkeit unterschiedliche Rechte eingeräumt würden; außerdem wären geschlechtsbezogene Ungleichbehandlungen und die Einführung der Scharia vorgesehen. All dies ist unvereinbar mit der mit der EMRK, sodass die Beschwerde insoweit ratione materiae als unzulässig zurückgewiesen wurde [Soweit sich die Beschwerde auf Art 7 EMRK (keine Strafe ohne Gesetz) stützte, war sie für den zweiten Beschwerdeführer erfolgreich].
  • 19. Februar 2013, Neij und Sunde Kolmisoppi gegen Schweden (Appl. no. 40397/12); (Pressemitteilung des EGMR; "legal summary" des EGMR); Unzulässigkeitsentscheidung; strafgerichtliche Verurteilung der beiden Co-Gründer der Website "The Pirate Bay" wegen Urheberrechtsverletzungen; Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung, der aber - auf gesetzlicher Grundlage - zum Schutz eines legitimen Ziels diente; Schweden hatte Abwägung zwischen verschiedenen Rechten (Copyright auf der einen Seite und Freiheit der Meinungsäußerung auf der anderen Seite) zu treffen, dabei besteht ein weiter Beurteilungsspielraum; EGMR kam einstimmig zum Ergebnis, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und die Beschwerde daher offensichtlich unbegründet und damit unzulässig war; siehe im Blog hier.
  • 12. Februar 2013, Bugan gegen Rumänien (Appl. no. 13824/06); Verurteilung eines Journalisten zu einer Entschädigung an einen Krankenhausdirektor, der Ziel einer kritischen Artikelserie war (Vorwürfe von Managementfehlern, von Verbalattacken auf den früheren Direktor, Einschüchterung der Ärzte usw; ua wurde ihm vorgeworfen, er "strebe den Titel des fürchterlichsten Parvenüs in Sinaia" an). Der EGMR hielt fest, dass es sich um Angelegenheiten von öffentlichem Interesse handelte und der Journalist die Wahrheit der faktischen Vorwürfe erwiesen habe; da das nationale Gericht keine ausreichende Begründung angab, weshalb es dennoch die zivilrechtliche Haftung bejahte, stellte der EGMR einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 12. Februar 2013, Annen gegen Deutschland (Appl. no. 55558/10); Unzulässigkeitsentscheidung; wie im Fall Hoffer und Annen gegen Deutschland (Appl. no. 397/07, 2322/07) ging es um eine strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers (70 Tagessätze zu je 20 €), eines militanten Abtreibungsgegners, wegen einer Protestaktion vor einer gynäkologischen Praxis, bei der einem namentlich genannten Arzt (unzutreffenderweise) vorgeworfen wurde, rechtswidrige Abtreibungen vorzunehmen und die Vornahme von Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen wurde ("Babycaust"); die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig zurückgewiesen. Der EGMR hielt dabei auch fest, dass die Bestimmungen des deutschen Grundgesetzes (auf die sich der Beschwerdeführer berufen hat) nicht vollständig identisch mit den relevanten Artikeln der EMRK sind.
  • 5. Februar 2013, Jhangiryan gegen Armenien (Appl. no. 8696/09); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer war stellvertretender Generalstaatsanwalt im Rang eines "Staatsjustizrats erster Klasse" (und war zuvor ua auch stv. Justizminister gewesen); wenige Tage nach der Wahl eines neuen Staatspräsidenten hielt er eine Rede auf einer (nunmehr:) Oppositionsversammlung, in der er von nie dagewesener Wahlfälschung sprach und die Menge dazu aufrief, der Gewalt nicht zu weichen. Wegen dieser Rede wurde er von seiner Funktion enthoben und degradiert. Der EGMR sah dafür die rechtliche Grundlage und ein legitimes Ziel gegeben und bejahte auch die Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft: als einer der höchsten Vertreter des "law enforcement" war er verpflichtet, politische Zurückhaltung und Neutralität zu üben und durfte nicht in einer bereits eskalierenden politischen Konfrontation dazu aufrufen, der (Polizei)Gewalt nicht zu weichen; zudem hatte er auch arbeitsbezogene Aussagen über ein früheres Strafverfahren getroffen. Die Beschwerde wurde daher einstimmig als unzulässig beurteilt.
  • 29. Jänner 2013, Güdenoğlu ua gegen Türkei (Appl. nos. 42599/08, 30873/09, 38775/09, 38778/09, 40899/09, 40905/09, 43404/09, 44024/09, 44025/09, 47858/09, 53653/09, 5431/10, und 8571/10); Die Beschwerdeführer waren Eigentümer, Geschäftsführer, Chefredakteure und Redakteure von 6 Wochen- und 3 Tageszeitungen, deren Verbreitung in unterschiedlichen Zeiträumen zwischen März 2008 und Dezember 2009 wegen "Propaganda zugunsten illegaler Organisationen" untersagt worden war; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); im Wesentlichen unter Verweis auf Ürper ua gegen Türkei.
  • 22. Jänner 2013, OOO Ivpress ua gegen Russland (Appl. nos 33501/04, 38608/04, 35258/05 und 35618/05); Verurteilungen des Medieninhabers einer Wochenzeitung und zweier Journalisten in vier Fällen wegen "defamation", jeweils in zivilgerichtlichen Verfahren zu relativ geringen Geldstrafen; dennoch einstimmige Feststellung der Verletzung des Art 10 EMRK in allen vier Fällen, da die nationalen Gerichte einen Wahrheitsbeweis für Wertungen verlangten, nicht geprüft hatten, ob die Veröffentlichungen zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beitrugen und schließlich auch die weiter gezogenen Grenzen bei kritischer Berichterstattung über Amtsträger nicht berücksichtigt hatten;
  • 22. Jänner 2013, Şükran Aydın ua gegen Türkei (Appl. nos 49197/06, 23196/07, 50242/08, 60912/08 und 14871/09; Pressemitteilung des EGMR; legal summary des EGMR; Verurteilungen wegen Wahlwerbung in kurdischer Sprache; Verletzung des Art 10 EMRK (teilweise abweichende Meinung der Richterin Keller, nur zur Frage des Art 14 EMRK, zu Art 10 teilt auch sie die Meinung der Kammer: "making it a criminal offence to use a language other than Turkish in campaigning for election contravenes the very essence of Article 10.").
  • 15. Jänner 2013, Ciuvică gegen Rumänien (Appl. no. 29672/05); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung eines Politikers wegen übler Nachrede, weil er einen Gegner beschuldigt hatte, unter dem kommunistischen Regime Securitate-Mitglied gewesen zu sein. Da die Anschuldigungen besonders schwerwiegend waren, der Beschwerdeführer auch nie Zweifel daran gelassen hatte, dass sein Gegner tatsächlich mit der Securitate zusammengearbeitet hatte (obwohl nur bewiesen werden konnte, dass er eine "Quelle" für die Securitate war), und weil er auch weniger starke Begriffe hätte verwenden können, um seine Botschaft zu verbreiten, wurde die Beschwerde (mehrheitlich) als unzulässig beurteilt (Kritik daran von Stijn Smet auf Strasbourg Observers).
  • 10. Jänner 2013, Ashby Donald ua gegen Frankreich (Appl. no 36769/08; legal summary des EGMR) Verurteilung von Modefotografen wegen Verletzung des Urheberrechts von Modeschöpfern, weil sie ohne Autorisierung Bilder einer Pariser Modeshow im Internet veröffentlicht hatten; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe auch Blogpost auf dem ECHR Blog, im Kluwer Copyright Blog und auf Telemedicus [Blogpost in diesem Blog folgt noch war geplant, wird aber wohl nicht mehr kommen].
  • 8. Jänner 2013, Bucur und Toma gegen Rumänien (Appl. no. 40238/02; legal summary des EGMR) Whistleblower im Geheimdienst: der Erstbeschwerdeführer war Mitarbeiter des Telefonüberwachungsdienstes des rumänischen Geheimdienstes und wurde wegen Veröffentlichung von als "ultrageheim" ("ultrasecret") klassifizierten Unterlagen zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Er hatte bei einer Pressekonferenz (1996) Audioaufzeichnungen von (seiner Ansicht nach illegal erstellten) Mitschnitten von Telefongesprächen mehrerer Journalisten und Politiker vorgespielt, um Unregelmäßigkeiten bzw gesetzwidrige Vorgangsweisen im Geheimdienst öffentlich zu machen, nachdem er zuvor seine Vorgesetzten und ein Mitglied des parlamentarischen Ausschusses zur Überwachung des Geheimdienstes informiert hatte, die aber nichts gegen diese Praktiken unternahmen. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), außerdem Verletzung des Art 6 EMRK (Grundsatz der Waffengleichheit) im Verfahren vor dem Militärgericht. [siehe dazu den Beitrag auf pdpEcho]
    Zweit- und Drittbeschwerdeführer (Journalist und dessen minderjährige Tochter) waren von der Abhörung betroffen, erhielten aber keinen Zugang zu den sie betreffenden Aufzeichnungen und behördlichen bzw staatsanwaltschaftlichen Verfügungen; Verletzung der Art 8 sowie des Art 13 iVm Art 8 EMRK (einstimmig).
2012:
  • 18. Dezember 2012, Yıldırım gegen Türkei (Appl. no.3111/10; Pressemitteilung des EGMR; "legal summary" des EGMR); generelle Sperre des Zugangs zu Google Sites wegen einer (nicht vom Beschwerdeführer betriebenen) gesetzwidrigen Website; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 11. Dezember 2012, Ileana Constantinescu gegen Rumänien (Appl. no. 32563/04); strafgerichtliche Verurteilung wegen einer Buchveröffentlichung; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 11. Dezember 2012, Nenkova-Lalova gegen Bulgarien (Appl. no. 35745/05); Entlassung einer Mitarbeiterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wegen Missachtung dienstlicher Anweisungen, Keine Verletzung des Art 10 EMRK (4:3); siehe dazu hier.
  • 4. Dezember 2012, Verlagsgruppe News und Bobi gegen Österreich (Appl. no. 59631/09); gerichtliche Untersagung der Veröffentlichung des Fotos vom Regens des St. Pöltner Priesterseminars im Zusammenhang mit Artikeln über homosexuelle Beziehungen zwischen Seminaristen und ihren Vorgesetzten; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); damit in Zusammenhang stehend die Urteile ebenfalls vom 4. Dezember 2012 Küchl gegen Österreich (Appl. no. 51151/06) und Rothe gegen Österreich (Appl. no. 6490/07), in denen es jeweils um die vom Regens bzw Subregens des Priesterseminars behauptete Verletzung des Privatlebens durch Veröffentlichungen über homosexuelle Beziehungen im Priesterseminar ging, in denen die Beschwerdeführer namentlich genannt wurden; außerdem wurden bei privaten Anlässen aufgenommene Fotos der Beschwerdeführer abgedruckt. Keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); siehe im Blog dazu hier.
  • 27. November 2012, Mengi gegen Türkei (Appl. nos. 13471/05 und 38787/07); Journalistin veröffentlichte kritische Artikel zur Arbeit der Kommission, die am Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch arbeitete, insbesondere wegen reduzierter Strafdrohungen für bestimmte Gewalttaten gegen Frauen und Kinder wie zB "Ehrenmorde" und Vergewaltigungen; sie wurde dafür zu Entschädigungszahlungen an Mitglieder der Kommission verurteilt. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 27. November 2012, Bayar und Gürbüz gegen Türkei (App. no. 37569/06; legal summary des EGMR); Eigentümer und Chefredakteur einer Tageszeitung wurden wegen zweier Artikel über die PKK (ein Interview mit einem Führungsmitglied des illegalen bewaffneten Arms der PKK und ein Statement des Parteichefs der PKK) zu einer (geringen) Strafzahlung verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), nur knapp begründet unter Hinweis auf Gözel und Özer gegen Türkei (außerdem Verletzung des Art 6 EMRK, weil keine Berufung gegen das erstinstanzliche Strafurteil möglich war; dazu ein zustimmendes Sondervotum der Richterin Jočienė).
  • 27. November 2012, Tipp 24 AG gegen Deutschland (Appl. no. 21252/09); Zulässigkeitsentscheidung; Werbebeschränkungen im deutschen Glücksspielstaatsvertrag, notwendig in einer demokratischen Gesellschaft, keine Verletzung des Art 10 EMRK, Beschwerde unzulässig (auch im Hinblick auf behauptete Verletzung des Art 1 Abs. 1 1. ZP).
  • 22. November 2012, Telegraaf Media Nederland Landelijke Media B.V. u. a. gegen die Niederlande (Appl. no. 39315/06) (Pressemitteilung des EGMR; "legal summary" des EGMR); Herausgabeanordnung für geheimdienstliche Unterlagen, die einer Zeitung zugespielt wurden und Telefonüberwachung von Journalisten; Schutz journalistischer Quellen; Verletzung der Art 8 und 10 EMRK wegen der Überwachung der Journalisten (einstimmig), Verletzung des Art 10 EMRK wegen der Herausgabeanordnung für die Dokumente (5:2); näher dazu hier.
  • 20. November 2012, Belek gegen Türkei (Appl. nos. 36827/06, 36828/06 und 36829/06); der Beschwerdeführer wurde als Eigentümer einer Tageszeitung wegen dreier Veröffentlichungen bestraft, die Aussagen enthielten, die von einer nach türkischem Recht als terroristisch eingestuften Organisation herrührten. Der Fall gleicht dem Fall Gözel und Özer gegen Türkei (siehe auch die Zusammenfassung des EGMR); auch in diesem Fall wurde daher einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt.
  • 15. November 2012, Bargão et Domingos Correia gegen Portugal (Appl. no. 53579/09 und 53582/09); Die Beschwerdeführer hatten sich in einem Brief an das Gesundheitsministerium über eine Verwaltungsassistentin in einem öffentlichen Gesundheitszentrum beschwert, der sie die Nichteinhaltung der Dienstzeiten und unethisches Verhalten (Ausnützung von einfachen und ungebildeten Personen) vorwarfen; sie wurden dafür wegen schwerer Beleidigung verurteilt, wobei das Gericht nicht berücksichtigte, dass nach dieser Beschwerde ein Disziplinarverfahren gegen die Verwaltungsassistentin eingeleitet worden war, in dem auch ein Fehlverhalten festgestellt wurde. Ein Teil dieses Briefes wurde auch in einer Lokalzeitung veröffentlicht (Näheres dazu war auch vom EGMR nicht festzustellen). Der EGMR berücksichtigte, dass die Vorwürfe nur in einem Brief an die Aufsichtsbehörde gemacht wurden, dass die Beschwerdeführer Bürger der betroffenen Gemeinde waren, dass das Funktionieren der öffentlichen Gesundheitszentren und ein Rechtsbruch öffentlicher Organe eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse sind und dass schließlich das der Assistentin vorgeworfene Fehlverhalten nach nationalem Recht nicht bloß disziplinär, sondern als schweres Verbrechen gerichtlich strafbar war. Die Beschwerdeführer hatten - wie die Beweismittel über das Fehlverhalten der Assistentin, die von den nationalen Gerichten gar nicht berücksichtigt wurden, belegen - ihre Vorwürfe auf ausreichender Tatsachengrundlage erhoben und in gutem Glauben gehandelt. Die Verurteilung der Beschwerdeführer war daher in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. November 2012, PETA Deutschland gegen Deutschland (Appl. no. 43481/09), (Pressemitteilung des EGMR; "legal summary" des EGMR); die PETA-Kampagne "Der Holocaust auf Ihrem Teller", bei der Bilder von Opfern des Holocaust (Häftlinge in Konzentrationslagern, aber auch Leichenberge) jeweils Fotos von Tieren in Massenhaltung bzw. nach der Schlachtung gegenübergestellt wurden, war von deutschen Gerichten auf Antrag von Spitzenvertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland untersagt worden (in Österreich war ein vergleichbarer Antrag übrigens vor dem OGH nicht erfolgreich, siehe den Beschluss vom 12.10.2006, 6 Ob 321/04f; dazu ein Aufsatz von Clemens Thiele in den wbl). Der EGMR stellte einstimmig fest, dass die Untersagung keine Verletzung des Art 10 EMRK darstellte (zustimmendes Sondervotum des Richters Zupančič, dem sich der Präsident Spielmann anschloss); siehe dazu den Kommentar im Verfassungsblog sowie auf dem UK Human Rights Blog. (Verweisung an die Große Kammer wurde beantragt, aber am 18.03.2013 abgelehnt).
  • 6. November 2012, Redfearn gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 47335/06), Pressemeldung des EGMR; der Beschwerdeführer war Fahrer für Behinderten-Fahrtendienste, bei denen er überwiegend Personen asiatischer Abstammung beförderte. Er wurde von seinem (privaten) Arbeitgeber gekündigt, weil er der extrem rechten BNP angehörte (und für sie auch erfolgreich für eine Gemeindevertretung kandidierte). Die BNP nahm zum damaligen Zeitpunkt nur "weiße Bürger" als Mitglied auf und lehnte jede Integration von britischen und nicht-europäischen Völkern ab. Der Beschwerdeführer stützte seine Beschwerde auf Art 10 und auf Art 11 EMRK, der EGMR behandelte sie jedoch primär unter Art 11, wenn auch "im Lichte des Art 10". Mit der knappen Mehrheit von 4:3 stellte der EGMR eine Verletzung des Art 11 EMRK durch das Vereinigte Königreich fest. Die dissenting opinion des Ex-Präsidenten des EGMR Bratza (UK), gemeinsam mit der finnischen Richterin Hirvelä und dem zypriotischen Richter Nicolaou, kritisiert im Wesentlichen, dass mit diesem Urteil zu weitgehende positive Verpflichtungen des Staates zum Schutz vor politisch motivierter Kündigung in privaten Unternehmen angenommen würden.
  • 30. Oktober 2012, Karpetas gegen Griechenland (Appl. no. 6086/10); Verurteilung eines Anwalts wegen Kritik an Richterin und Staatsanwalt, sowohl in gerichtlichen Schriftsätzen als auch einem Leserbrief; Kritik enthielt auch den Vorwurf der Bestechlichkeit; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig) (Verletzung des Art 6 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer); siehe dazu hier.
  • 23. Oktober 2012, Jucha und Żak gegen Polen (Appl. no. 19127/06); eine Journalistin und der Chefredakteur einer Wochenzeitung waren von den polnischen Gerichten wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil sie kritische Berichte über einen Stadtrat veröffentlicht hatten (u.a. mit dem Vorwurf mehrfachen Rechtsbruchs, und mit der Überschrift "Stadtrat - Straftäter?"). Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 16. Oktober 2012, Smolorz gegen Polen (Appl. no. 17446/07; siehe auch die Pressemitteilung des EGMR); Journalist wurde wegen kritischer Äußerungen über den Kattowitzer Stadtplaner und Architekten Jurand Jarecki zivilrechtlich, unter anderem zu einer Entschuldigung, verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 9. Oktober 2012, Szima gegen Ungarn (Appl. no. 29723/11; legal summary des EGMR); die Beschwerdeführerin war Polizeigewerkschafterin und pensionierte Polizistin und veröffentlichte auf der Gewerkschaftswebsite Beiträge ua zu unzulässigem politischem Einfluss auf die Polizei, Nepotismus und zweifelhaften Qualifikationen von höherrangigen Polizisten; dafür wurde sie wegen Aufrufs zum Ungehorsam zu einer Geldstrafe verurteilt und degradiert; der EGMR stellte mit 6:1 keine Verletzung des Art 10 EMRK fest (dissenting opinion der Kammerpräsidentin Tulkens); (Besprechung des Urteils auf Inforrm's Blog und bei Strasbourg Observers).
  • 9. Oktober 2012, Alkaya gegen Türkei (Appl. no.42811/06); (Pressemitteillung des EGMR; legal summary des EGMR); In Zeitungsbericht über einen Einbruch bei einer bekannten Schauspielerin wurde deren Privatadresse genannt; die nationalen Gerichte wiesen die Klage der Schauspielerin auf Schadenersatz ab; der EGMR stellte - in Abwägung mit der Pressefreiheit nach Art 10 EMRK - eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privatlebens nach Art 8 EMRK fest (einstimmig); siehe dazu hier (eine weitere Besprechung auf Inforrm's Blog).
  • 2. Oktober 2012, Yordanova und Toshev gegen Bulgarien (Appl. no. 5126/05); Verurteilung zweier Journalistinnen wegen zweier Berichte über einen früheren Polizeiangehörigen, der - auch in einer behördlichen Presseaussendung - des Amtsmissbrauchs und der Korruption verdächtigt und dafür sechsmal vor Gericht gebracht wurde, wobei die Verfahren aber aus prozessualen Gründen schließlich - ohne Verurteilung - eingestellt wurden; der EGMR kommt zum Ergebnis, dass der Verdächtigte gegen die Pressmitteilungen der Behörden vorgehen hätte können, die Verurteilung der über den Verdacht berichtenden Journalistinnen war aber nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Oktober 2012, Önal gegen Türkei (Appl. no. 41445/04 und 41453/04); zweimalige strafgerichtliche Verurteilung zu einer "schweren Strafe" (Geldstrafe, bei deren Nichtzahlung eine Haftstrafe droht) wegen Herausgabe zweier Bücher, die von den türkischen Gerichten als Anstiftung zu Hass und Feindseligkeiten beurteilt wurden; Verletzung des Artikel 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Oktober 2012, Najafli gegen Aserbaidschan (Appl. no. 2594/07; legal summary des EGMR); Journalist wurde von der Polizei, die eine Demonstration auflöste, schwer geschlagen und damit an der Ausübung seines Berufs gehindert (er war nicht Demo-Teilnehmer, sondern wollte von der Demonstration berichten und gab sich als Journalist zu erkennen); Verletzung der Art 3 und 10 EMRK (einstimmig).
  • 2. Oktober 2012, Rujak gegen Kroatien (Appl. no. 57942/10; legal summary des EGMR); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung eines kroatischen Soldaten serbischer Abstammung wegen Verletzung der Ehre des kroatischen Staaates zu einer bedingten Haftstrafe von sechs Monaten; der Soldat hatte in einem Streit zwei andere Rekruten beleidigt und danach auf die ausdrückliche Frage eines Offiziers, ob er die Religion oder ethnische Herkunft eines anderen beleidigen habe wollen, bestätigt: “Yes! I f**k your baptised mother! I f**k your Ustaše mother! You all originated from Serbs!”. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass der Soldat - unter Berücksichtigung der vulgären und beleidigenden Sprache - mit seinem beleidigenden Statement nicht versucht habe, Nachrichten oder Ideen mitzuteilen. Solche Äußerungen unterfallen nicht dem Schutz des Art 10 EMRK, da sie auf eine mutwillige Verunglimpfung mit der alleinigen Absicht zu beleidigen hinauslaufen.
  • 25. September 2012, Polizeigewerkschaft der Slowakischen Republik und andere gegen Slowakei (Appl. no. 11828/08); auf Grund einer Protestversammlung der Polizeigewerkschaft, bei der der Rücktritt der Regierung gefordert wurde, und dort getätigter Aussagen von Gewerkschaftsfunktionären wurde der Vorsitzende der Gewerkschaft vom Innenminister auf einen schlechteren Arbeitsplatz versetzt; der Innenminister kündigte auch öffentlich an, dass Polizisten entlassen würden, wenn sie noch einmal den Verhaltenskodex verletzen würden; die Betroffenen wandten sich an den slowakischen Verfassungsgerichtshof, der keine Rechtsverletzung feststellte; der EGMR erklärte die Beschwerde insoweit als unzulässig, als sie sich gegen die Versetzung des Vorsitzenden wandte (dies war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem slowakischen Verfassungsgerichtshof gewesen); im Übrigen seien die Äußerungen des Ministers zwar einschüchternd gewesen, wurden aber letztlich nicht als unverhältnismäßig beurteilt. keine Verletzung des Art 11 iVm Art 10 EMRK (5:2, abweichende Meinung des Richters Myjer [NL], die Richterin Gyulumyan [Armenien] trat dieser abweichenden Meinung bei); (Zusammenfassung des EGMR).
  • 25. September 2012, Eğitim ve Bilim Emekçileri Sendikası gegen Türkei (Appl. no 20641/05); die Gewerkschaft von Angestellten in Bildung und Wissenschaft hatte am 15.09.2001 die Satzung geändert und darin festgehalten, dass sie das Recht jedes Einzelnen auf Bildung (ua) in seiner Muttersprache verteidige; daraufhin wurden zwei Verfahren zur behördlichen Auflösung der Gewerkschaft eingeleitet; schließlich wurde der Hinweis auf das Recht auf Bildung in der Muttersprache aus den Statuten herausgenommen. Der EGMR hielt fest, dass die strittige "Muttersprache"-Klausel keine klare und unmittelbare Gefahr für die Integrität des Staates bedeutete; Verletzung der Art 11 und 10 EMRK (einstimmig; Separatvotum der Richterinnen Jočienė [Litauen] und Berro-Lefèvre [Monaco] zur Zulässigkeit); (Zusammenfassung des EGMR).
  • 18. September 2012 Lewandowska-Malec gegen Polen (Appl. no. 39660/07); Verurteilung einer Rechtsprofessorin und früheren Bürgermeisterin zu einer Geldstrafe wegen Kritik an Bürgermeister; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 18. September 2012, Falter Zeitschriften GmbH gegen Österreich (No. 2) (Appl. no. 3084/07); Verurteilung zu Entschädigung wegen Kritik an Richterin; keine Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig); (Zusammenfassung des EGMR); siehe dazu näher hier.
  • 31. Juli 2012, Shapovalov gegen Ukraine (Appl. no. 45835/05); Beschwerdeführer berichtete als Journalist von Wahlen, erhielt nach seinen Angaben keine ausreichenden Informationen der Wahlkommission; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), aber Verletzung des Art 6 EMRK (einstimmig), weil sich das angerufene Gericht nicht inhaltlich mit dem Anspruch des Beschwerdeführers befasste (Recht auf Informationszugang für Journalist als "zivilrechtlicher Anspruch" iSd Art 6 EMRK anerkannt); siehe dazu hier.
  • 31. Juli 2012, Drakšas gegen Litauen (Appl. no.36662/04); Verletzung des Art 8 EMRK wegen Bekanntwerdens des Inhalts einer Telefonüberwachung (6:1); siehe dazu näher hier.
  • 24. Juli 2012, Kostov gegen Bulgarien (Appl. no. 13801/07); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 24. Juli 2012, Ziembiński gegen Polen (Appl. no. 46712/06); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 24. Juli 2012, Łopuch gegen Polen (Appl. no. 43587/09); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zögerndes zustimmendes Sondervotum von Richter Björgvinsson)
  • 24. Juli 2012, Fáber gegen Ungarn (Appl. no. 40721/08); Strafe wegen Haltens der Árpád-Fahne als Protest gegen antirassistische Kundgebung, Verletzung des Art 10 EMRK (6:1); (Pressemitteilung des EGMR; Zusammenfassung des EGMR).
  • 13. Juli 2012, Mouvement raëlien suisse gegen Schweiz (Appl. no. 16354/06; Pressemittteilung des EGMR); (Zusammenfassung des EGMR); Große Kammer; keine Verletzung des Art 10 EMRK (9:8, zustimmendes Sondervotum des Präsidenten Bratza, drei abweichende Meinungen); siehe dazu hier.
  • 10. Juli 2012, Eiðsdóttir gegen Island (Appl. no 46443/09) (Zusammenfassung des EGMR) und Hlynsdόttir gegen Island (Appl. no. 43380/10); Pressemitteilung zu beiden Fällen; in beiden Fällen ging es um Verurteilungen von Journalistinnen wegen übler Nachrede aufgrund von kritischen Berichten über Strip-Clubs; der EGMR stellte jeweils einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 28. Juni 2012, Ressiot ua gegen Frankreich (Appl. no. 15054/07); Pressemitteilung; Sportjournalisten hatten über Dopingfall bei einem Radsportteam berichtet und dabei aus vertraulichen Unterlagen der Polizei bzw einer gerichtlichen Untersuchung zitiert; in der Folge wurde eine Durchsuchung der Redaktionsräume und der Wohnungen der Journalisten durchgeführt, außerdem wurde eine Telefonüberwachung der Zeitschrift angeordnet; die Ergebnisse der Telefonüberwachung wurden für nichtig erklärt, nicht aber die Durchsuchungen; im Strafverfahren wegen Geheimnisbruch wurden die Journalisten freigesprochen. Der EGMR beurteilte die Durchsuchungen und Sicherstellungen als unverhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 26. Juni 2012, Ciesielczyk gegen Polen (Appl. no. 12484/05); Politiker wurde wegen Verleumdung eines TV-Journalisten verurteilt, dem er Manipulation und Kollaboration mit anderen Politikern vorgeworfen hatte; der EGMR sah darin keine Verletzung des Art 10 EMRK (4:3; abweichendes Votum der Richter Björgvinsson, Hirvelä und De Gaetano).
  • 21. Juni 2012, Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG gegen Schweiz (Appl. no. 34124/06); Pressemitteilung; Verweigerung der Erlaubnis, in einem Gefängnis ein Interview mit einer dort inhaftierten Verurteilten zu drehen; Verletzung des Art 10 EMRK (5:2, abweichende Meinung der Richterinnen Nußberger und Keller).
  • 19. Juni 2012, Krone Verlag GmbH gegen Östererich (Appl. no. 27306/07), und Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH gegen Österreich [Nr. 2], Appl. no. 1593/06); "Fall Christian"; Verurteilung zu Entschädigung nach § 7 MedienG und Urteilsveröffentlichung wegen Artikeln über Sorgerechtsstreit mit Bildern des betroffenen Minderjährigen; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 19. Juni 2012, Tănăsoaica gegen Rumänien (Appl. no. 3490/03); strafrechtliche Verurteilung eines Journalisten, der über Trinkwasserverschmutzung durch ein bestimmtes Unternehmen berichtete ("S.C.A. vergiftet uns mit Ammonium"); Vertrauen auf Berichte einer öffentlichen Stelle; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Juni 2012. Tatár und Fáber gegen Ungarn (Appl. nos. 26005/08 und 26160/08); Bestrafung wegen illegaler Versammlung wegen Kunstaktion, bei der schmutzige Wäsche am Parlamentszaun aufgegängt wurde, Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 7. Juni 2012, Centro Europa 7 S.R.L. und Di Stefano gegen Italien (Appl no. 38433/09); Große Kammer; Nichtzuteilung von Frequenzen an ein Unternehmen, das 1999 eine Lizenz für landesweites Fernsehen erhalten hatte, über zehn Jahre hindurch; Verletzung des Art 10 EMRK (16:1; dissenting opinion von Richterin Steiner); siehe dazu hier und ergänzend auch hier.
  • 22. Mai 2012, Hvalica gegen Slowenien (Appl. no. 25256/05); Unzulässigkeitsentscheidung; zivilrechtliche Verurteilung eines Abgeordneten zur Nationalversammlung wegen Bezeichnung des Staatsratsvorsitzenden als Mafiapaten; unzulässig (Nichterschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel); siehe dazu hier.
  • 10. Mai 2012, Frasila und Ciocirlan gegen Rumänien (Appl. no 25329/03), (Zusammenfassung); Nichtdurchsetzung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der JournalistInnen das Recht auf Zugang zu Redaktionsräumlichkeiten eingeräumt wurde; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 12. April 2012, Martin und andere gegen Frankreich (Appl. no 30002/08), Durchsuchung von Redaktionsräumen, Beschlagnahme von Unterlagen zur Ausforschung der möglichen Verletzung einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 12. April 2012, Lesquen du Plessis-Casso gegen Frankreich (Appl. no 54216/09); Verurteilung eines lokalen Oppositionspolitikers wegen Verleumdung eines Konkurrenten; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 10. April 2012, Gabrielyan gegen Armenien (Appl. no. 8088/05); Verurteilung wegen eines Aufrufs zum gewaltsamen Umsturz der Regierung; die Beschwerde wurde hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Art 10 EMRK als nicht zulässig beurteilt, da der Beschwerdeführer vor den nationalen Gerichten lediglich bestritten hatte, die inkriminierten Flugblätter verteilt zu haben, ohne eine Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung zu behaupten; daher Nichtausschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel.
  • 10. April 2012; Goldstein und S.C. RING PRESS SRL gegen Rumänien (Appl. no. 877/04); die Tageszeitung Bursa, deren Chefredakteur und Medieninhaber die Beschwerdeführer sind, veröffentlichte zahlreiche Artikel mit schweren Vorwürfen gegenüber einem anderen Medienkonzern (finanzielle Unregelmäßigkeiten, Korruption etc.); dieser Medienkonzern klagte wegen unlauteren Wettbewerbs und bekam recht; der EGMR hielt fest, dass die nationalen Gerichte in "langen und sorgfältig begründeten Entscheidungen" zum Ergebnis gekommen waren, dass "the publication of the articles was no more than a press campaign aimed at destroying a competitor’s image and reputation"; daher wurde die Beschwerde als manifestly ill-founded als unzulässig zurückgewiesen (mehrheitlich).
  • 10. April 2012, Hakobyan gegen Armenien (Appl. no. 34320/04); Festnahme von Oppositionellen, um deren Teilnahme an einer Demonstration zu verhindern; Verletzungen von Art 5 Abs 1 und Art 11 EMRK, kein Erfordernis einer gesonderten Beurteilung nach Art 10 EMRK ("detention was a measure to prevent them from participating in demonstrations. In such circumstances, Article 10 is to be regarded as a lex generalis in relation to Article 11, a lex specialis.").
  • 10. April 2012, Mocuţa gegen Rumänien (Appl. no. 10265/04); Staatsanwalt und früherer Staatssekretär im Justizministerium wurde in einer satirischen Wochenzeitung kritisiert und es wurden Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen angedeutet; die vom Beschwerdeführer angestrengten Verfahren gegen den Journalisten und die Zeitung blieben im Ergebnis erfolglos, vor allem weil eine Richtigstellung gebracht wurde, als sich herausstellte, dass einige Informationen unzutreffend waren; die Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (einstimig).
  • 3. April 2012, Gillberg gegen Schweden (Appl. no. 41723/06); Große Kammer; "Forschungsgeheimnis"; keine Verletzung der Art 8 oder 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 3. April 2012, Kaperzyński gegen Polen (Appl. no 43206/07); Verurteilung zu zweijährigem Berufsverbot als Journalist wegen unterlassener Veröffentlichung einer Gegendarstellung; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zustimmendes Sondervotum des Richters Björgvinsson); siehe dazu hier.
  • 13. März 2012, Axel Springer AG gegen Deutschland (Appl. no 44585/10); Unzulässigkeitsentscheidung. Keine Verletzung des Art 10 EMRK, weil einem Vertreter der "Bild" der Zugang zu einem Jugendgerichtsverfahren verwehrt wurde (Öffentlichkeit war ausgeschlossen; neun ausgelosten Medienvertretern wurde Zugang gewährt); Beschwerde offensichtlich unbegründet (einstimmig); dazu hier.
  • 6. März 2012, Die Freiheitlichen in Kärnten gegen Österreich (Appl. no. 16230/07); Unzulässigkeitsentscheidung, kein Opferstatus wegen Anerkenntnisurteil im Hauptverfahren nach verlorenem Verfahren über einstweilige Verfügung; ratione personae unzulässig; dazu hier.
  • 21. Februar 2012, Gąsior gegen Polen (Appl. no. 34472/07); keine Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des Richters Björgvinsson).
  • 21. Februar 2012, Antonescu gegen Rumänien (Appl. no. 31029/05); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. Februar 2012, Tuşalp gegen Türkei (Appl. nos. 32131/08 und 41617/08); Verurteilung eines Journalisten wegen zweier kritischer Artikel über den Premierminister; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 9. Februar 2012, Vejdeland ua gegen Schweden (Appl. no.1813/07); Verurteilung wegen Agitation gegen eine ethnische Gruppe aufgrund der Verteilung von Flugblättern gegen angebliche "homosexuelle Propaganda" in Schulen; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, bemerkenswert sind drei zustimmende Separatvoten!), dazu hier.
  • 7. Februar 2012, Axel Springer AG gegen Deutschland (Appl. no. 39954/08); Verbot der Veröffentlichung von mit Fotos illustrierten Berichten über Festnahme und Verurteilung eines bekannten TV-Schauspielers wegen Kokainbesitz; Große Kammer, Verletzung des Art 10 EMRK (12:5, abweichende Meinung der RichterInnen López Guerra, Jungwiert, Jaeger, Villiger und Poalelungi); dazu hier.
  • 7. Februar 2012, Von Hannover gegen Deutschland (Nr. 2) (Appl. nos. 40660/08 und 60641/08); Veröffentlichung von Fotos, die Caroline und E.A. von Hannover während eines Skiurlaubs zeigen, begleitet von einem Bericht über den Gesundheitszustand des Fürsten Rainier von Monaco; Große Kammer, keine Verletzung des Art 8 EMRK (einstimmig); dazu hier.
  • 2. Februar 2012, Růžový panter, o.s. gegen Tschechische Rpublik (Appl. no. 20240/08); Verurteilung einer Anti-Korruptions-NGO wegen Veröffentlichung des vollen Namens einer Privatperson bei gleichzeitiger (unzutreffender) Andeutung, dass sie mit Personen, die wegen versuchten Mordes in Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehungsaffäre verurteilt wurden, in geschäftlicher Verbindung stehe; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 24. Jänner 2012, Seckerson und Times Newspapers Ltd gegen Vereinigtes Königreich (Appl. nos. 32844/10 und 33510/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung wegen Missachtung des Gerichts wegen der Veröffentlichung von Informationen aus den Beratungen von Geschworenen in einem Strafprozess; als unzulässig zurückgewiesen (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 17. Jänner 2012, Krone Verlag GmbH & Co KG und Krone Multimedia GmbH & Co KG gegen Österreich (Appl. no. 33497/07) und Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH gegen Österreich (Appl. no. 3401/07); Verurteilung zu einer Entschädigung wegen identifizierender Berichterstattung über Verbrechensopfer, keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog hier.
  • 17. Jänner 2012, Lahtonen gegen Finnland (Appl. no. 29576/09); Verurteilung eines Journalisten wegen identifizierender Berichterstattung über einen Polizisten, der außer Dienst, aber unter Verwendung seines Dienstausweises, Straftaten begangen hatte (allerdings wegen psychischer Probleme nicht verantwortlich war); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog hier.
  • 10. Jänner 2012, Standard Verlags GmbH gegen Österreich (Nr. 3) (Appl. no. 34702/07); Verurteilung wegen identifizierender Berichterstattung im Kärntner Hypo-Skandal: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe im Blog hier.
  • 10. Jänner 2012, Floquet und Esménard gegen Frankreich (Appl. no. 29064/08 und 29979/08); Unzulässigkeitsentscheidung; die Erstbeschwerdeführerin hatte einen "Bericht über die Omerta" verfasst, in dem sie in einem Kapitel auch den mysteriösen Todesfall von Bernard Borrel behandelte, eines französischen Richters, der als Berater des Präsidenten von Djibouti tätig war. Dabei warf sie zwei Richtern Fehlverhalten bei der Untersuchung des Todesfalls vor und wurde - wie auch der Zweitbeschwerdeführer (Herausgeber) - zu einer Strafe von jeweils € 2.000 verurteilt sowie - in der zweiten Instanz - zu einer Entschädigung von insgesamt € 5.500 an die beiden Richter und zu einer Veröffentlichung in einer Tageszeitung. Der Vorwurf an die Richter, Druck ausgeübt bzw gedroht zu haben, sei mit dem Amtseid und dem gebotenen Verhalten eines Richters absolut unvereinbar und daher ehrverletztend. Die Journalistin habe keine Beweise angeboten und konnte auch den Gutglaubensbeweis nicht erbringen. Der EGMR stellte fest, dass ein Eingriff vorlag, dass er im Gesetz vorgesehen war und dass er auch ein legitimes Ziel verfolgte. Der Vorwurf war sehr schwerwiegend und es wurde kein Wahrheitsbeweis angeboten; auch waren die Strafen bzw Entschädigungen nicht unverhältnismäßig. Die Beschwerde wurde daher einstimmig als offensichtlich unbegründet und daher unzulässig zurückgewiesen.
2011:
  • 15. Dezember 2011, Mor gegen Frankreich (Appl. no 28198/09; Pressemitteilung; legal summary); Rechtsanwältin von Impfopfern gab Interviews, in denen sie auch Informationen aus einem im Auftrag des Untersuchungsrichters erstellten Sachverständigengutachten weitergab, obwohl sie nach den nationalen Rechtsvorschriften darüber Vertraulichkeit bewahren musste. Die Informationen waren schon zuvor bekannt geworden. Aufgrund einer Beschwerde eines im Gutachten implizierten Unternehmens wurde ein Strafverfahren gegen die Anwältin eingeleitet, in dem sie schuldig gesprochen wurde; von der Verhängung einer Strafe wurde abgesehen. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
  • 13. Dezember 2011, Tănăsoaica gegen Rumänien (Appl. no. 3466/03); Unzulässigkeitsentscheidung; Der beschwerdeführende Journalist hatte vier Artikel über die Zustände in einem privatisierten Unternehmen veröffentlicht und dabei den neuen Vorstand heftig und untergriffig kritisiert. In einem daraufhin vom Vorstand angestrengten Gerichtsverfahren wurde der Journalist strafrechtlich wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von € 224 verurteilt und musste dem Vorstand immateriellen Schadenersatz in der Höhe von rund € 320 leisten. Nach einem Nichtigkeitsantrag wurde die strafrechtliche Verurteilung aufgehoben, die Verpflichtung zum Schadenersatz blieb aufrecht. Der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet zurück; die Artikel seien zwar zu einer Angelegenheit öffentlichen Interesses verfasst worden, aber auch wenn der Journalist nicht in bösem Glauben gehandelt habe, seien einige Aussagen falsch gewesen und nicht sorgfältig genug überprüft worden und bildeten keine ausreichende Tatsachengrundlage. Die geringe Entschädigung wurde auch nicht als unverhältnismäßig beurteilt.
  • 1. Dezember 2011, Schwabe und M.G. gegen Deutschland (Appl. nos. 8080/08 und 8577/08); die Beschwerdeführer waren vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm bei Rostock nach einer polizeilichen Kontrolle auf einem Parkplatz vor dem Gefängnis Waldeck, bei der Transparente ("freedom for all prisoners" und "free all now") gefunden worden waren, für rund 5 Tage in amtlichen Gewahrsam genommen worden; sie beschwerten sich wegen Verletzung ihrer Rechte nach Art 5 (Recht auf Freiheit) und Art 10 (Meinungsäußerungsfreiheit) sowie Art 11 (Versammlungsfreiheit); der EGMR stellte einstimmig Verletzungen von Art 5 Abs 1 und Art 11 EMRK fest; eine gesonderte Beurteilung nach Art 10 EMRK unterblieb, da sich die Beschwerde vor allem dagegen wandte, dass die Beschwerdeführer wegen ihrer Anhaltung daran gehindert waren, ihre Meinung gemeinsam mit den anderen Demonstranten zu äußern; dennoch ist Artikel 10 nicht irrelevant: "Notwithstanding its autonomous role and particular sphere of application, Article 11 must therefore also be considered in the light of Article 10".
  • 29. November 2011, Kılıç und Erengegen Türkei (Appl. no. 43807/07); Verurteilung wegen des Rufens von Unterstützungsparolen für PKK-Führer Öcalan während einer zulässigen und friedlichen Demonstration; EGMR sieht - anders als im Fall Taşdemir, bei dem es um einen Aufruf an den bewaffneten Flügel der PKK zur Vergeltung ging - keine Rechtfertigung des Terrors und auch keinen Aufruf zu Gewalt; auch gab es keine Anzeichen einer klaren und unmittelbaren Gefahr für die nationale Sicherheit bzw für die öffentliche Ordnung, die die Festnahme und nachfolgende Verurteilung zu einer Geldstrafe erfordert hätte; der EGMR stellte daher einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest;
  • 22. November 2011, Mizzi gegen Malta (Appl. no. 17320/10); Pressemitteilung des EGMR; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung des für Malta als ad hoc-Richter tätig gewordenen Richters Scicluna); siehe dazu hier.
  • 22. November 2011, Koprivica gegen Montenegro (Appl. no. 41158/09); siehe zum Hintergrund des Falls auch hier; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe auch die Pressemitteilung des EGMR (Urteil über die Höhe der Entschädigung vom 23.06.2015).
  • 22. November 2011, Stănciulescu gegen Rumänien (Appl. no. 14621/06); Unzulässigkeitsentscheidung: Verurteilung wegen Rufschädigung, weil der Beschwerdeführer die Rechtsvertreterin seines ehemaligen Arbeitgebers bei jeder sich bietenden Gelegenheit als notorische Kriminelle und (an sich sachlich zutreffend) als wegen Korruption Verurteilte bezeichnet hat; die Verurteilung lag mehr als 5 Jahre zurück, die Rechtsvertreterin war keine "public figure", und die Äußerungen dienten nicht der Verfolgung eines legitimen Interesses; der EGMR wies die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unzulässig zurück.
  • 15. November 2011, Semik-Orzech gegen Polen (Appl. no. 39900/06); Verurteilung einer Gerichtsberichterstatterin, weil sie einem Anwalt - tasächlich unzutreffend - vorgeworfen hatte, durch unprofessionelles Verhalten die Vertagung eines Prozesses verursacht zu haben; keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 3. November 2011, Fratanoló gegen Ungarn (Appl. no. 29459/10); Bestrafung wegen angestecktem rotem Stern (bei Demonstration und in Fernsehinterview), Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), EGMR sieht keinen relevanten Unterschied zum Fall Vajnai (siehe zu diesem hier).
  • 25. Oktober 2011, Altuğ Taner Akçam gegen Türkei (Appl. no. 27520/07); "Herabwürdigung des Türkentums"; Gefahr der Verfolgung/Art 301 des türkischen Strafgesetzbuchs; Verletzung des Art. 10 EMRK (einstimmig) siehe dazu hier.
  • 18. Oktober 2011, Sosinowska gegen Polen (Appl. no 10247/09); Disziplinarverurteilung einer Spitalsärztin wegen kritischer Äußerungen über die Chefärztin, Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 6. Oktober 2011, Vellutini und Michel gegen Frankreich (Appl. no. 32820/09); Verurteilung wegen politischer Beleidigung eines Bürgermeisters in einem Flugblatt einer Polizeigewerkschaft; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, gegen die Stimme des Richters Villiger).
  • 4. Oktober 2011, Ringier Axel Springer Slovakia A.S. gegen Slowakei (Appl. no 35090/07); Unzulässigkeitsentscheidung.
  • 20. September 2011, Verein gegen Tierfabriken gegen Schweiz (Appl. no. 48703/08) (Pressemitteilung des EGMR); Unzulässigkeitsentscheidung; Weigerung der Schweizer Post, die VgT-Nachrichten mittels "PromoPost" an Abgabestellen zuzustellen, die mit einem "non merci - pas de publicité" (Nein danke, keine Werbung) gekennzeichnet waren; die auf Art. 10 bzw. Art 14 iVm Art 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig beurteilt (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 12. September 2011, Palomo Sanchez and others v. Spain (Appl. nos. 28955/06, 28957/06, 28959/06 and 28964/06); Entlassung von Gewerkschaftsaktivisten wegen Newsletters mit Karikatur und Artikeln, in denen Mitarbeiter und ein Vorgesetzter beleidigt wurden, keine Verletzung des Art 10 EMRK (Große Kammer, 12:5 Stimmen, abweichende Meinung der Richter Tulkens, Björgvinsson, Jočienė, Popović und Vučini); mehr dazu hier.
  • 23. August 2011, Kovac gegen Kroatien (Appl. no. 49910/06); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen "contempt of court" aufgrund eines Berufungsschriftsatzes, in dem der Erstrichterin offensichtliche Voreingenommenheit vorgeworfen wurde; die Beschwerde wurde einstimmig als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig beurteilt.
  • 26. Juli 2011, Ringier Axel Springer Slovakia, a. s. gegen Slowakei (Appl. no. 41262/05); Verurteilung des Medieninhabers wegen Verleumdung aufgrund eines Berichts über einen Vorfall in einem Restaurant, unter Beteiligung eines betrunkenen Parteiobmanns und eines ebenfalls betrunkenen hochrangigen Polizeioffiziers; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), weil die nationalen Gerichte nicht ausreichend geprüft hatten, ob die Journalisten in gutem Glauben und unter Einhaltung journalistischer Standards gehandelt hatten.
  • 21. Juli 2011, Heinisch gegen Deutschland (Appl. no. 28274/08); Entlassung einer Whistleblowerin, die sich wegen hygienischer Mängel und Personalengpässen in einem mehrheitlich in öffentlichem Eigentum stehenden Altersheim - nach zahlreichen internen Beschwerden - schließlich an die Staatsanwaltschaft und danach auch an die Öffentlichkeit gewandt hatte - Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. Juli 2011, Sigma Radio Television Ltd gegen Zypern (Appl. nos. 32181/04 and 35122/05); Strafen gegen TV-Sender wegen zahlreicher Werbeverstäße und Verstößen gegen inhaltliche Anforderungen wie zB Objektivität; keine Verletzung der Art 6 (zum Verfahren vor der Regulierungsbehörde) und 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. Juli 2011, Uj gegen Ungarn (Appl. no23954/10); strafrechtliche Verurteilung wegen deftiger Weinkritik; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 5. Juli 2011, Wizerkaniuk gegen Polen (Appl. no. 18990/05); strafrechtliche Verurteilung eines Journalisten, weil er Teile eines Interviews mit einem Abgeordneten trotz abgelehnter Autorisierung durch den Interviewten abdruckte, stellt Verletzung des Art. 10 EMRK dar (einstimmig, aber mit interessanten Sondervoten); mehr dazu hier.
  • 28. Juni 2011, Pinto Coelho gegen Portugal (Appl. no. 28439/08); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 21. Juni 2011, Kania und Knittel gegen Polen (Appl. no. 35105/04); keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 14. Juni 2011, Aquilina und andere gegen Malta (Appl. no. 28040/08); Berichterstattung über - laut Protokoll nicht erfolgte, aber von den im Gerichtssaal Anwesenden wahrgenommene - "contempt of court"-Entscheidung gegen Anwalt; deswegen erfolgte Verurteilung wegen Rufschädigung wurde vom EGMR einstimmig als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt; siehe dazu näher hier.
  • 7. Juni 2011, Ehrmann und andere gegen Frankreich (Appl. no. 2777/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Bestrafung wegen eines Kunstprojekts (demeure du chaos; mehr Fotos; Broschüre), das entgegen der örtlichen Denkmalschutz- und Planungsvorschriften ausgeführt wurde; die Beschwerde wurde mehrheitlich als unzulässig beurteilt; (siehe dazu die Zusammenfassung des EGMR).
  • 7. Juni 2011, Gollnisch gegen Frankreich (Appl. no. 48135/2008); Unzulässigkeitsentscheidung; Disziplinarverfahren gegen Universitätslehrer (Bruno Gollnisch, Funktionär der Front National und MEP), der bei einer Pressekonferenz auf Universitätsgrund einem Historiker mangelnde Neutralität allein wegen seiner (jüdischen) Religionszugehörigkeit vorgeworfen hat; die Beschwerde wurde einstimmig als unzulässig beurteilt.
  • 31. Mai 2011, Žugić gegen Kroatien (Appl. no. 3699/08), Ordnungsstrafe wegen des in einer Berufung vorgebrachten Vorwurfs gegenüber einer Richterin, sie sei ignorant und inkompetent; keine Verletzung des Art 10 EMRK (mehrheitlich mit 4:3); siehe dazu im Blog hier.
  • 31. Mai 2011, Šabanović gegen Montenegro und Serbien (Appl. no. 5995/06); der Direktor des lokalen Wasserversorgers in Herceg Novi (und Mitglied einer Oppositionspartei) wandte sich in einer Pressekonferenz gegen den in einer Tageszeitung geäußerten Vorwurf, das Trinkwasser sei bakteriell verseucht; dabei warf er dem - von der Tageszeitung zitierten - obersten staatlichen Wasserinspektor vor, die Interessen zweier privater Wasserversorgungsunternehmen zu fördern und dass dies auf Anweisung einer Regierungspartei geschehe. Der Wasserinspektor stellte Strafantrag, der Direktor wurde zu drei Monaten Haft (auf Bewährung verurteilt). Der EGMR stellte einstimmig fest, dass Montenegro durch diese Verurteilung Art 10 EMRK verletzt habe (hinsichtlich Serbiens wurde die Beschwerde als unzulässig beurteilt, ein Rechtsmittel an den formal damals noch bestehenden gemeinsamen Gerichtshof von Serbien und Montenegro war - weil nicht effektiv - zur Ausschöpfung des Instanzenzugs nicht erforderlich).
  • 24. Mai 2011, Mikkelsen und Christensen gegen Dänemark (Appl. no. 22918/08); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung wegen des illegalen Kaufs von Feuerwerkskörpern, um in einer Fernsehdokumentation zu zeigen, wie leicht das möglich ist; unzulässig (einstimmig).
  • 10. Mai 2011, Mosley gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 48009/08); eigentlich ein Fall zu Art 8 EMRK, aber wesentlich im Hinblick auf die Abwägung zwischen Art 10 und Art 8 EMRK; der EGMR stellte einstimmig keine Verletzung des Art 8 EMRK fest; mehr dazu im Blog hier, hier und hier.
  • 10. Mai 2011, Oktar gegen Türkei (Appl. no. 42876/05); Unzulässigkeitentscheidung; wenn ein Gegendarstellungsbegehren wegen Nichterfüllens der formellen Anforderungen zurückgewiesen wird, wurden innerstaatliche Rechtsmittel nicht erschöpft; Beschwerde unzulässig (einstimmig).
  • 10. Mai 2011, Rodivilov gegen Ukraine (Appl. no. 49876/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Parlamentarier erachtete sich durch einen Bericht über eine von ihm im Parlament gehaltene Rede verleumdet, verlor vor Gericht; die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde des Parlamentariers wurde als Art 8-Beschwerde umgedeutet; der EGMR berücksichtigte, dass der Beschwerdeführer eine Gegendarstellung veröffentlichen konnte, dass es sich um eine "public figure" handelte und um eine wichtige Debatte im öffentlichen Interesse; die Journalistin hatte in einem weiteren Artikel auch den Wortlaut der Rede wiedergegeben und ihre Meinung dazu mitgeteilt, was als Werturteil anzusehen war; unzulässig (einstimmig).
  • 10. Mai 2011, Karttunen gegen Finnland (Appl. no. 1685/10); Unzulässigkeitsentscheidung; Künstlerin stellte Bilder von sehr jungen Frauen "in sexual poses and acts" aus, die teilweise sehr entwürdigend waren. Sie wurde wegen Besitz und Verbreitung obszöner Bilder von Kindern verurteilt. Ihre auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde wurde vom EGMR einstimmig als unzulässig beurteilt; siehe dazu hier.
  • 5. Mai 2011, Editorial Board of Pravoye Delo and Shtekel gegen Ukraine (Appl. no 33014/05), Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 3. Mai 2011, Sipoş gegen Rumänien (Appl. no. 26125/04); Verletzung des Art 8 EMRK (6:1, abweichende Meinung von Richter Myjer); siehe dazu hier.
  • 19. April 2011, Bozhkov gegen Bulgarien (Appl. no. 3316/04); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 19. April 2011, Kasabova gegen Bulgarien (Appl. no 22385/03); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. April 2011, Conceição Letria c. Portugal (Appl. no. 4049/08); nach dem Einsturz einer Brücke bei Castelo de Paiva (Foto), bei dem (zumindest) 59 Menschen starben, suchte eine Kommission nach den Ursachen; unter anderem könnte die Sandgewinnung zum Einsturz beigetragen haben. Der Bürgermeister von Castelo de Paiva erklärte zunächst, sich nicht an Abbaugenehmigungen erinnern zu können, aber später tauchten entsprechende von ihm unterzeichnete Dokumente auf. Der Journalist Joaquim Leitra bezeichnete den Bürgermeister daraufhin in einem Artikel in einer nationalen Zeitung als "aldrabão" (laut EGMR ist das jemand, der lügt oder Dinge erfindet, um seinen Gesprächspartner zu täuschen, am ehesten als "bonimenteur" [Marktschreier] zu übersetzen); er wurde dafür wegen schwerer Verleumdung zu 310 Tagsätzen (€ 4650) und Schadenersatz in der Höhe von € 6500 verurteilt. Der EGMR sah darin einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK (siehe auch hier).
  • 5. April 2011, Fatih Taş gegen Türkei (Appl. no. 36635/08); ein Verleger veröffentlichte zwei Auflagen eines unter Pseudonym geschriebenen Buchs, in dem ein Ex-Mitglied der PKK über seine Anwerbung durch staatliche Agenten und den nachfolgenden Kampf gegen den Terrorismus berichtete; dabei wurden Namen und Funktionen von PKK-Mitgliedern, Spitzeln, Offizieren und Soldaten veröffentlicht, insbesondere auch von X und Y, einem Kommandanten und einem Mitglied einer geheimdienstlichen Einheit. Der Verleger wurde wegen dieser Veröffentlichung, insbesondere der Veröffentlichung der Namen von X und Y, zu einer Geldstrafe von rund 250 € verurteilt. Die Veröffentlichung der Namen würde die betroffenen Personen zur Zielscheibe von Terroristen machen; außerdem wurde das gesamte Buch als Aufruf zur Gewalt beurteilt.Der EGMR stellte fest, dass die Identität von X schon aufgrund eines anderen Berichts bekannt war, und dass Y bereits 1993 verstorben war. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren die im Buch geäußerten Vorwürfe schon öffentlich bekannt. Schließlich war die Sprache zwar heftig, aber der EGMR konnte keinen Aufruf zu Hass oder Gewalt feststellen. Die Notwendigkiet des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft war daher nicht ausreichend dargelegt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); siehe auch hier.
  • 31. März 2011, Siryk gegen Ukraine (Appl. no 6428/07); statement of facts; die Mutter eines von der Akademie der Finanzbehörden ausgeschlossenen Studenten beschwerte sich bei der staatlichen Finanzverwaltung über das Management dieser Akademie, dem sie Inkompetenz und Bestechlichkeit vorwarf (zB seien von ihr für jede Prüfung ihres Sohnes 200 USD verlangt worden); auf Grund einer Klage der stv. Direktorin der Akademie wurde sie zu rund 165 Euro Schadenersatz und zum Widerruf ihrer Vorwürfe verurteilt; die Gerichte beurteilten ihre Äußerungen als öffentlich, da sie hätte wissen müssen, dass der an die übergeordnete Behörde gerichtete Brief von mehreren Personen gelesen werden würde.Der EGMR stellte (einstimmig) eine Verletzung des Art 10 EMRK fest, sowohl wegen Fehlens einer ausreichend klaren gesetzlichen Grundlage als auch wegen Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs, da die Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde gerichtet war und nicht über die Grenzen zulässiger Kritik hinausging.
  • 29. März 2011, RTBF gegen Belgien (Appl. no. 50084/06); die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt der französischsprachigen Gemeinschaft Belgiens produzierte ein monatliches (Investigativ)Magazin über rechtliche Themen mit dem Titel "Au nom de la loi" (im Namen des Gesetzes); nach Zeitungsberichten über Beschwerden von Patienten eines Neurochirurgen berichtete das Magazin, ausgehend von diesen Beschwerden, allgemein über medizinische Risken und Aufklärungs- und Informationspflichten. Der Chirurg verweigerte ein Interview, führte aber ein ausführliches Gespräch mit den Journalisten. Vor der geplanten Ausstrahlung des Beitrags erwirkte der Chirurg eine einstweilige Verfügung gegen die Ausstrahlung, die in allen Instanzen bestätigt wurde; das Hauptsacheverfahren wurde ausgesetzt und bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung beim EGMR nicht fortgesetzt. Verletzung des Art 10 EMRK (und des Art 6 EMRK; jeweils einstimmig); mehr dazu hier.
  • 29. März 2011, Gouveia Gomes Fernandes und Freitas e Costa gegen Portugal (Appl. no. 1529/08); [Zulässigkeitsentscheidung vom 26.05.2009]; portugiesische Anwälte vertraten eine Partei in einem Zivilverfahren; ein damit in Zusammenhang stehendes Strafverfahren (unter anderem) gegen eine Richterin wegen angeblicher Korruption wurde eingestellt. Der Schwager der Richterin, Nachrichtenchef einer Fernsehkette, übte daraufhin in einem Zeitungskommentar heftige Kritik an den Anwälten - diese replizierten wiederum in einer anderen Zeitung, in der sie vor allem betonten, dass der mutmaßlich bestechende Anwalt verfolgt wird, die Richterin, die angeblich bestochen worden sein soll, aber nicht: ("La juge ne sera pas jugée"). Die Anwälte wurden wegen dieses Artikels zu € 25.000 Schadenersatz verurteilt. Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), mehr dazu hier.
  • 29. März 2011, Cornelia Popa gegen Rumänien (Appl. no. 17437/03); eine rumänische Journalistin berichtete über einen Arbeitsgerichtsprozess betreffend 16 verschwundene Tonnen Diesel; sie kritisierte die erstinstanzliche Richterin (von der sie auf Grund einer gerichtlichen Pressemitteilung wusste, dass gegen sie eine Disziplinarunterschung geführt wurde), veröffentlichte ein Foto von ihr, verwendete die Schlagzeile "La juge C.C. récidive dans des jugements stupéfiants" (etwa: "Richterin CC wird mit verblüffenden Urteilen rückfällig") und warf ihr ein abwegiges Urteil vor. Die Richterin brachte Verleumdungsanzeige ein und schloss sich als Privatbeteiligte an; die Journalistin wurde zu einer Geldstrafe von rund 200 Euro und Schadenersatz von rund 3200 Euro verurteilt. Verletzung des Artikel 10 EMRK (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 15. März 2011, Otegi Mondragon gegen Spanien (Appl. no. 2034/2007); baskischer Abgeordneter wurde wegen Beleidigung des Königs ("zwingt dem Volk sein monarchisches System mit Folter und Gewalt auf") zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 15. Februar 2011, Çamyar and Berktaş gegen Türkei (Appl. no. 41959/02); Buchveröffentlichung mit Kritik am türkischen Gefängnissystem; Verurteilung wegen Unterstützung einer illegalen bewaffneten Organisation verstößt gegen Art 10 EMRK (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 8. Februar 2011, Ünsal Öztürk gegen Türkei (No. 2) (Appl. no. 24874/04); in den 1990er Jahren waren Bücher, die im Verlag des Beschwerdeführers erschienen waren, beschlagnahmt worden. Nach Aufhebung der dafür maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der Beschlagnahme, blieb aber erfolglos, weil das Gericht nun andere, aber nicht ausreichend konkretisierte Rechtsvorschriften heranzog; der Eingriff war daher nicht gesetzlich vorgesehen; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Februar 2011, Yleisradio Oy gegen Finnland (Appl. no 30881/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung zweier Fernsehjournalisten wegen Verletzung der Privatsphäre durch Verbreitung vertraulicher Informationen; Bericht über Inzest/sexuellen Kindesmissbrauch, dabei kam ua ein verurteilter Kinderschänder zu Wort, der seinen echten Namen angab und auch nicht unkenntlich gemacht wurde; nach den Entscheidungen der finnischen Gerichte wurde dadurch in die Privatsphäre der Kinder und deren Mutter eingegriffen; die Beschwerde der Journalisten wurde vom EGMR einstimmig als unzulässig beurteilt.
  • 3. Februar 2011, Igor Kabanov gegen Russland (Appl. no. 8921/05); der Beschwerdeführer war als Anwalt von einem Verfahren ausgeschlossen worden und beschwerte sich darüber in einem Schreiben, das auch "taktlose Bemerkungen über bestimmte Richter" enthielt, und wurde aus der Anwaltschaft ausgeschlossen. Die Mitglieder des entscheidenden Tribunals wurden vom Gerichtspräsidenten, der sich ursprünglich über den Anwalt beschwert und de facto das Disziplinarverfahren eingeleitet hatte, ausgewählt, sodass der objektive Anschein der Befangenheit gegeben war (Verletzung des Art 6 EMRK). Der Ausschluss aus der Anwaltschaft stellte einen schweren Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar, der als unverhältnismäßig beurteilt wurde. "The applicant’s conduct reflects a lack of respect for the judges of the Regional Court. Nonetheless, whilst they were discourteous, his comments were aimed at and limited to the manner in which the judges were trying the case". (Verletzung des Art 10 EMRK, einstimmig).
  • 1. Februar 2011, Faruk Temel gegen Türkei (Appl. no. 16853/05); der Beschwerdeführer - Aktivist in einer legalen politischen Partei - war wegen der Verlesung einer Presseerklärung (mit Kritik an der bevorstehenden Intervention der USA im Irak, am Verschwinden von Personen, an der Einzelhaft für Öcalan) bei einer Parteiveranstaltung verurteilt worden; ohne abschließend beurteilen zu müssen, ob überhaupt eine ausreichende gesetzliche Grundlage gegeben war, kam der EGMR zum Ergebnis, dass der Eingriff jedenfalls nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war (Verletzung des Art 10 EMRK, einstimmig).
  • 27. Jänner 2011, Aydin gegen Deutschland (Appl. no 16637/07; Zusammenfassung des EGMR); in Deutschland lebende Unterstützerin der nach dem Vereinsgesetz verbotenen PKK unterzeichnete eine "Selbsterklärung" unter dem Titel "Auch ich bin ein PKK'ler", in der sie unter anderem erklärte, der PKK anzugehören und das Verbot nicht anzuerkennen; sie sammelte solche Unterstützungserklärungen auch von anderen und übergab sie dem Berliner Staatsanwalt; außerdem spendete sie für eine ebenfalls verbotene Suborganisation der PKK. Dafür wurde sie zu 150 Tagsätzen zu je 8 € verurteilt. Der EGMR sah keine Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung der bulgarischen Richterin Kalaydjieva).
  • 25. Jänner 2011, Reinboth ua gegen Finnland (Appl. no. 30865/08); "follow-up"-Fall zu Saaristo ua gegen Finnland; hier ging es um die Berichterstattung über den Prozess, in dem Saaristo wegen Verletzung der Privatsphäre verurteilt wurde - die Gerichtsberichterstatterin wurde ihrerseits wieder wegen Verletzung der Privatsphäre verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); näher dazu hier.
  • 25. Jänner 2011, Mentes gegen Türkei (No. 2) (Appl. no. 33347/04); kurdische Aktivistin war an der Verlesung einer Presseerklärung anlässlich einer Demonstration gehindert worden; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, abweichende Meinung von Richter Cabral Barreto, der wegen der seines Erachtens gegebenen Versäumung der Beschwerdefrist die Zulässigkeit der Beschwerde verneint; in der Sache selbst hätte er, wie er ausdrücklich schreibt, im Fall der Zulässigkeit mit der Mehrheit gestimmt).
  • 25. Jänner 2011, Donaldson gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 56975/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Tragen politischer Symbole in nordirischem Gefängnis (mehrheitlich); mehr dazu hier.
  • 18. Jänner 2011, MGN Limited gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 39401/04); (Zusammenfassung des EGMR); Daily Mirror veröffentlichte Fotos des Models Naomi Campbell beim Verlassen einer Drogentherapieeinrichtung (mit entsprechendem Begleittext); Verurteilung zu einer Entschädigung wurde vom EGMR (mit 6:1 Stimmen) nicht als Eingriff in Art 10 EMRK beurteilt; hingegen verletzte die Verpflichtung zum Ersatz eines hohen Erfolgshonorars für den Anwalt von Campbell den Medieninhaber in seinem Recht nach Art 10 EMRK (einstimmig); mehr dazu hier.
  • 13. Jänner 2011, Hoffer und Annen gegen Deutschland (Appl. no. 397/07, 2322/07), Militante Abtreibungsgegner verteilten Folder vor einem medizinischen Zentrum, in denen ein namentlich genannter Arzt als "Tötungsspezialist" für ungeborene Kinder bezeichnet und die Vornahme von Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen wurde ("Babycaust"); Verurteilung zu 10 bzw. 15 Tagessätzen zu je 10 €. Keine Verletzung des Art 10 EMRK, aber Verletzung des Art 6 EMRK wegen langer Verfahrensdauer (einstimmig).
  • 13. Jänner 2011, Mouvement Raelien Suisse gegen Schweiz (Appl. no. 16354/06; Zusammenfassung des EGMR), Verbot einer Plakatkampagne der "Raelischen Bewegung" im öffentlichen Raum; auf den Plakaten wurde eine Botschaft von Außerirdischen angekündigt und die URL der Website angegeben; außerdem gab es auf dem Plakat (u.a.) Gesichter von Außerirdischen zu sehen und eine fliegende Untertasse. Die Plakataktion wurde untersagt, weil die Website der Bewegung "Geniokratie" (eine politische Ordnung auf der Grundlage eines Intelligenzquotienten) und Klonen fördern wollte und (nach einer gerichtlichen Entscheidung) "theoretisch" auch Pädophilie und Inzest befürwortete; schließlich bot eine Website, die von der angegebenen Seite aus verlinkt wurde "des services précis dans le domaine du clonage et l’eugénisme" an, die diskriminierend (und in der Schweiz gesetzwidrig waren). Der EGMR fand keine Verletzung des Art 10 EMRK (5:2; abweichende Meinung von Kammerpräsident Rozakis und Richterin Vajić); mit Beschluss vom 20.6.2011 wurde die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Verweisung an die große Kammer bewilligt (siehe dazu hier), die Verhandlung war am 16.11.2011; das - bestätigende - Urteil der Großen Kammer erging am 13.07.2012; s dazu hier).
  • 11. Jänner 2011, Barata Monteiro da Costa Nogueira und Patrício Pereira gegen Portugal (Appl. no. 4035/08); Veruteilung von Politikern, die in einer Pressekonferenz über eine von ihnen eingebrachte Strafanzeige gegen politischen Gegner berichteten, wobei sich die behaupteten Fakten als unzutreffend erwiesen; keine Verletzung des Art 10 EMRK (4:3); siehe dazu näher hier.
2010
  • 21. Dezember 2010, Novaya Gazeta v Voronezhe gegen Russland (Appl. no. 27570/03); Die Novaya Gazeta von Woronesch berichtete in einem Artikel mit der Überschrift "Atom-Bürgermeister" über Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung von Neu-Woronesch und zitierte dabei ausführlich aus einem Kontrollbericht des Finanzministeriums. Der Bürgermeister, zwei Beamte und ein Geschäftsmann klagten wegen übler Nachrede; die Zeitung hatte eine Kopie des Berichts, aber keine beglaubigte Kopie (certified copy), das Gericht sah den Wahrheitsbeweis hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe als nicht erbracht an und verurteilte die Herausgeber zu einer Entschädigungszahlung von 25.000 Rubel sowie zur Veröffentlichung einer Entschuldigung. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass im Hinblick auf die Position der Beteiligten (Zeitung auf der einen Seite, Politiker, Beamte und Geschäftsmann als Empfänger öffentlicher Gelder auf der anderen Seite) und des Gegenstands der Berichterstattung (Verwendung öffentlicher Gelder, mögliche Korruption) die Verurteilung ein unzulässiger Eingriff in Art 10 EMRK war (einstimmig); siehe dazu auch hier.
  • 21. Dezember 2010, Sofranschi gegen Republik Moldau (Appl. no. 34690/05); Verurteilung wegen übler Nachrede aufgrund eines Briefes, der vom Beschwerdeführer (einem Mitarbeiter eines wahlkämpfenden Politikers) an den Präsidenten, den Parlamentspräsidenten und die Staatsanwaltschaft geschickt worden war, mit Vorwürfen über einen anderen Politiker und Chef einer Kollektivfarm; keine Frage der Pressefreiheit, sondern der Äußerungsfreiheit gegenüber den zur Verfolgung von Unregelmäßigkeiten zuständigen Organen; die Vorwürfe hatten daher nur begrenzte Wirkung und für den durch die Verurteilung des Beschwerdeführers bewirkten Eingriff in das durch Art 10 EMRK gewährleistete Grundrecht gab es daher keine relevanten und ausreichenden Gründe (einstimmig).
  • 16. Dezember 2010, Aleksey Ovchinnikov gegen Russland (Appl. no. 24061/04); Journalist hatte über einen gewalttätigen sexuellen Übergriff dreier zwölfjähriger Kinder auf ein neunjähriges Kind berichtet und dabei die Namen der Eltern (zwei Richter und stv. Chef der Verkehrspolizei der Region) genannt und von versuchter Einflussnahme dieser Eltern auf die Untersuchungen berichtet. In der Verurteilung des Journalisten wegen dieser Berichte (Widerruf, Entschuldigung, Schadenersatz von 85 bzw. 55 €) sah der EGMR keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig, zur "Entschuldigung" kritisches, aber zustimmendes Sondervotum von Richter Kovler); siehe dazu hier.
  • 7. Dezember 2010, Mackay und BBC Scotland gegen Vereinigtes Königreich (Appl. no. 10734/05); kein wirksames Rechtsmittel gegen ein Verbot, über ein Strafverfahren zu berichten; Verletzung des Art. 13 in Verbindung mit Art 10 EMRK (einstimmig); keine Verletzung des Art 6 EMRK ("If ... the right to report matters stated in open court is not a civil right, then an interference with that right cannot create a civil obligation within the meaning of Article 6.").
  • 7. Dezember 2010, Poyraz gegen Türkei (Appl. no. 15966/06; Zusammenfassung des EGMR); aus der fast unendlichen Reihe der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Justiz in der Türkei: der Chefinspektor der Justiz hatte einen Bericht über angebliches Fehlverhalten (unter anderem sexuelle Belästigungen) eines - später an den Kassationsgerichtshof gewählten - Richters mitverfasst, der in der Folge an die Presse durchsickerte. Der Chefinspektor bestätigte daraufhin gegenüber den Medien, dass gegen den Richter 15 gesonderte Untersuchungen geführt würden; die Namen der (mutmaßlichen) Opfer wolle er nicht bekannt geben, da dies zu Todesfällen führen könnte. Der betroffene Richter klagte, und das angerufene Gericht kam zum Ergebnis, dass der Bericht nichtig sei und das Justizministerium nach der Ernennung des Richters an den Kassationsgerichtshof nicht mehr für die Untersuchungen zuständig war, was der Chefinspektor wissen musste; dieser wurde zu einer Entschädigung von etwa € 15.000 verurteilt, weil er vertrauliche Informationen weitergegeben und seine eigene Meinung dazu mitgeteilt hatte. Der EGMR sah in dieser Verurteilung keine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); wegen der langen Verfahrensdauer wurde eine Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt.
  • 7. Dezember 2010, Público - Comunicação Social, S.A. ua gegen Portugal (Appl. no. 39325/07); die Tageszeitung Público berichtete über Sozialversicherungs-Beitragsschulden des bekannten Sportvereins Sporting Clube de Portugal in der Höhe von etwa € 2,3 Mio. Der Bericht beruhte auf der Kenntnis eines Dokuments des Finanzministeriums und einer weiteren Quelle, die unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis nicht genannt wurde; außerdem waren der Sportverein und das Finanzministerium um Stellungnahme ersucht worden und über deren Äußerung wurde auch berichtet. Dennoch wurden die Journalisten bzw. die Medieninhaberin zu einer Entschädigung von € 75.000 verurteilt. Der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest, wobei er im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs auch auf die Höhe der Entschädigung abstellte; dies war auch Grund für ein (dem Ergebnis zustimmendes) Sondervotum des ungarischen Richters András Sajó, in dem er kritisierte, dass die Entschädigungshöhe in die Abwägung eingeflossen ist: "En intégrant dans l'équation le caractère excessif des dommages et intérêts accordés, la Cour donne en l'espèce à penser qu'une sanction moins lourde aurait été compatible avec la Convention, ce qui est certainement inexact.").
  • 2. November 2010, Petrov gegen Bulgarien (Appl. no. 27103/04); Unzulässigkeitsentscheidung. Der Beschwerdeführer, Aleksey Petrov, so heißt es in der Entscheidung, "is widely known in Bulgarian society, as a former officer of the national anti-terrorist squad and as later being connecte with a number of insurance and other companies" (mehr zur Person zB hier). Nach der Ermordung eines führenden Staatsanwalts hatte E.S., ein früherer Parlamentsabgeordneter und Autor, in mehreren Interviews einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Beschwerdeführer angesprochen; in mehreren daraufhin vom Beschwerdeführer angestrengten Verfahren wurde E.S. jeweils freigesprochen. Der EGMR wies die auf die Art. 3, 6, 8 10, 13 und 14 EMRK gestützte Beschwerde von Aleksey Petrov einstimmig als unzulässig zurück; im Hinblick auf die zentrale Abwägungsfrage zwischen dem Schutz der Privatsphäre nach Art 8 EMRK und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (von E.S.) nach Art 10 EMRK führte der EGMR aus: "First, the applicant was a public figure widely known in Bulgarian society [...]. He was therefore subject to wider limits of acceptable criticism than private individuals who had never ventured into the public domain [...]. Secondly and more importantly, Mr E.S.’s statements in his interviews for Trud, Darik Radio and BTV concerned problems in the functioning of the prosecuting authorities, as well as the unsolved murders of Mr Kolev and Ms N.G., and the difficulties preceding Mr S.J.’s extradition. There can be no doubt that all of those were questions of considerable public interest [...]. Turning to the reasons given by the Bulgarian courts for acquitting Mr E.S. and for rejecting the applicant’s claims against him, the Court observes that they relied chiefly on the need to safeguard Mr E.S.’s right to freedom of expression [...] A perusal of those courts’ carefully and extensively drafted judgments in the two cases against Mr E.S. shows that they examined the cases thoroughly and in line with the principles emerging from this Court’s case-law, to which they specifically referred and analysed. They clearly recognised the conflict between the two opposing interests and applied the domestic legal provisions by weighing the relevant considerations. They balanced, in conformity with Convention standards, the applicant’s interest in protecting his reputation against the paramount public interest in the relevant matters. As correctly noted by them, there was little scope for restricting the communication of information on these subjects."
  • 2. November 2010, Gillberg gegen Schweden (Appl. no. 41723/06); der Beschwerdeführer, ein Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie, führte von 1977 bis 1992 eine Studie zu ADHD/DAMP durch, bei der den Probanden absolute Vertraulichkeit ihrer Daten zugesichert wurde; zwei Kritiker der Forschungen verlangten im Jahr 2002 Zugang zu den Originaldaten, was ihnen durch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung gewährt wurde. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel u.a. der Universität und des Beschwerdeführers blieben erfolglos (in Folgeverfahren wurde dann noch über Details des Zugangs gestritten). Der Beschwerdeführer weigerte sich jedoch, die Daten herauszugeben; schließlich wurden die Originalunterlagen von drei seiner Kollegen vernichtet. In der Folge kam es zu einem Verfahren u.a. gegen den Beschwerdeführer, in dem dieser wegen Amtsmissbrauch verurteilt wurde. Die erst wegen dieser Verurteilung erhobene Beschwerde blieb erfolglos. Der Beschwerdeführer berief sich auch auf seine Verschwiegenheitspflicht, die - wie beim Quellenschutz für Journalisten - geschützt werden müsse. Dem hielt der EGMR entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht wegen der Verletzung einer Zeugenpflicht verurteilt wurde, sondern wegen Amtsmissbrauch, und dass das Verfahren nicht mehr das Interesse des Beschwerdeführers am Schutz des Berufsgeheimnisses betraf, da dieser Punkt bereits durch die vorangegangene verwaltungsgerichtliche Entscheidung - die nicht mehr Gegenstand des EGMR-Verfahrens war - erledigt war. Keine Verletzung von Art. 8 oder 10 EMRK (fünf zu zwei Stimmen, ein zustimmendes Sondervotum von Richterin Power, abweichende Meinung der Richterinnen Gyulumyan und Ziemele, die die strafrechtliche Verurteilung als unverhältnismäßig ansahen); Achtung - nicht endgültig! Große Kammer hat mit Urteil vom 03.04.2012 keine Verletzung des Art 8 oder 10 EMRK festgestellt (siehe dazu hier).
  • 21 Oktober 2010, Saliyev gegen Russland (Appl. no. 35016/03); Zurückholung der noch in den Kiosken verfügbaren Restauflage einer städtischen Zeitung durch den Chefredakteur wegen des Inhalts eines von ihm zuvor akzeptierten Artikels - Verletzung des Verfassers dieses Artikels in seinen Rechten nach Art 10 EMRK (einstimmig); siehe dazu hier.
  • 14. Oktober 2010, Andrushko gegen Russland (Appl. no. 4260/04), im Zuge eines Wahlkampfs verteiltes Flugblatt, in dem ein Kandidat, der zugleich Mehrheitsaktionär eines Kaufhauses war, von den Minderheitsaktionären recht massiv angegriffen wurde; eine andere Kandidatin, die das Flugblatt finanziell unterstützt und verteilt hatte, wurde deshalb wegen übler Nachrede verurteilt - der EGMR stellte einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (Zitat: "The Court notes that many statements contained in the leaflet, such as, for example, that Mr K. was a 'voracious big wheel' and a 'terrible man', that his fortune was 'made from the woes and tears of simple people', and that 'whatever he undertakes is damned' were examples of value judgments which the domestic courts failed to distinguish from statements of fact. The domestic courts held that the applicant had to prove the truth of those allegations. The burden of proof was obviously impossible to satisfy.").
  • 12. Oktober 2010, Nur Radyo ve Televizyon Yayinciligi A.S. gegen Türkei (Nr. 2) (Appl. no. 42284/05), Lizenzentzug für religiösen Rundfunkveranstalter; der EGMR stellte im Wesentlichen wegen unzutreffender Zurechnung einer "Piratensendung" eine Verletzung des Art 10 EMRK fest (einstimmig).
  • 12. Oktober 2010, Saaristo ua gegen Finnland (Appl. no. 184/06), der Ex-Mann einer wichtigen politischen Journalistin, die unter anderem Wahldebatten im Fernsehen leitete, ging eine neue Beziehung mit der Kommunikationsverantwortlichen eines Präsidentschaftskandidaten ein: die darüber berichtende Zeitung und deren Journalisten wurden wegen Verletzung der Privatsphäre verurteilt. Der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 12. Oktober 2010, Bathellier gegen Frankreich (Appl. no 49001/07); Unzulässigkeitsentscheidung; ein Regionaldirektor eines Energieversorgers äußert gravierende Bedenken gegen die Sicherheit des Stromnetzes in einem Schreiben an den Präfekten des Verwaltungsbezirks; wegen dieses Schreibens wird er schließlich entlassen, dabei wird insbesondere auch die drastische Wortwahl im Schreiben berücksichtigt (zB dass er sich "en butte aux Érinyes" - etwa: im Schussfeld der Rachegöttinnen - bzw in einem heimtückischen System befinde). Der EGMR berücksichtigt unter anderem, dass sich der Beschwerdeführer vor dem Brief an den Präfekten mit dem Anliegen nicht zuerst an seine Vorgesetzten gewandt und dass es sich im Wesentlichen um die Austragung eines persönlichen Konflikts mit den Vorgesetzten gehandelt hat.
    12. Oktober 2010, Timciuc gegen Rumänien (Appl. no 28999/03); Unzulässigkeitsentscheidung; Beschwerdeführer war früherer Marktamtsdirektor; in mehreren, teilweise auch satirischen Zeitungsartikeln wurde ihm Korruption vorgeworfen und er versuchte dem in mehreren Verfahren gegen die Zeitungen, Zeugen, Sachverständige, Journalisten und Richter zu begegnen; außerdem wurde er von seinem Posten entlassen und bekämpfte das arbeitsrechtlich und mit Strafanzeigen gegen den Bürgermeister. Er blieb im Wesentlichen erfolglos - auch vor dem EGMR: unzulässig; mehr dazu hier.
  • 5. Oktober 2010, Ölmez und Turgay gegen Türkei (Appl. nos. 2318/09 ; 12616/09 ; 23563/09 ; 26801/09 ; 26837/09 ; 26846/09 ; 26851/09 ; 26859/09), zeitlich befristete Publikationsverbote für Zeitungen; Verletzung des Art 10 EMRK (Verweis auf Ürper ua gegen Türkei).
  • 30. September 2010, 92.9 Hit FM Radio GmbH gegen Österreich (Appl. no. 6754/05); Unzulässigkeitsentscheidung; siehe dazu hier;
  • 30. September 2010, Balenovic gegen Kroatien (Appl. no. 28369/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Angestellte einer staatlichen Mineralölfirma entdeckt Mängel bei an Dritte vergebenen Mineralöl-Transporten, verständigt ihre Vorgesetzten und den Aufsichtsrat und schlägt vor, selbst die Transporte zu übernehmen; dieser Vorschlag wird nicht angenommen und das Unternehmen schreibt wieder die Vergabe von Transportaufträgen aus. Daraufhin gibt die Beschwerdeführerin einer Zeitung ein Interview und behauptet unter anderem strafrechtlich relevantes Vorgehen des Vorstands. Dies führt zu ihrer Entlassung. Unzulässig; mehr dazu hier.
  • 21. September 2010, Polanco Torres und Movilla Polanco gegen Spanien (Appl. no. 34147/06). Der spanische Verfassungsgerichtshof hatte die Verurteilung von El Mundo wegen der Berichterstattung über vermutete Schwarzgeld-Geschäfte der Frau des Präsidenten des Berufungsgerichts von Kantabrien (vor dessen Gericht zugleich ein Strafverfahren gegen den Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft Kantabrien nhängig war), die sich auf eine der Zeitung anonym zugespielte Diskette und ein Gespräch mit dem entlassenen Buchhalter des betroffenen Unternehmens stützte, aufgehoben. Die Frau des mittlerweile verstorbenen Richters und dessen Tochter als seine Rechtsnachfolgerin waren der Auffassung, dass Spanien dadurch ihr Recht auf Schutz des Privatlebens nach Art 8 EMRK verletzt hätten und befassten den EGMR; dieser stellte keine Verletzung des Art 8 EMRK fest (6:1, mit abweichender Meinung von Richter Zupančič).
  • 21. September 2010, Birk-Levy gegen Frankreich (Appl. no. 39426/06); Unzulässigkeitsentscheidung: die EMRK verbrieft keine Freiheit der Sprache bzw. der Sprachwahl ("liberté linguistique"); kein Recht, die tahitische Sprache in der gesetzgebenden Versammlung von Französisch-Polynesien zu verwenden.
  • 21. September 2010, Turgay ua gegen Türkei (Nos. 2, 3, 4 and 5); Publikationsverbot für Zeitungen; Verletzungen des Art 10 EMRK.
  • 14. September 2010, Sanoma Uitgevers B.V. gegen Niederlande (Appl. no. 38224/03); Große Kammer, Schutz journalistischer Quellen; siehe dazu näher hier (und hier zum vorangegangenen - gegenteiligen - Kammer-Urteil).
  • 14. September 2010, Dink gegen Türkei (Appl. nos. 2668/07; 6102/08; 30079/08; 7072/09; 7124/09; Zusammenfassung des EGMR). Firat Dink war türkischer Journalist armenischer Herkunft, der wegen der Veröffentlichung von Artikeln zur Armenierfrage in der Türkei strafgerichtlich (wegen Herabwürdigung des Türkentums" [Türklük]) verfolgt wurde. Dink wurde zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt; der Staatsanwalt brachte dagegen noch ein außerordentliches Rechtsmittel ein, das zurückgewiesen wurde; allerdings wurde der Fall vom Kassationsgerichtshof an das Strafgericht - das in der Schuldfrage an den Kassationsgerichtshof gebunden war - zurückverwiesen. Bevor dieses Gericht entschied, wurde Dink allerdings ermordet. Es stellte sich heraus, dass eine Polizeidienststelle von der geplanten Ermordung informiert worden war, allerdings keine Schritte unternommen hatte, um Dink zu schützen; einer der Polizeichefs hatte auch extreme nationalistische Ansichten geäußert und den Mordverdächtigen unterstützt. Die zweite Kammer des EGMR kam einstimmig zum Ergebnis, dass die Türkei ihrer Verpflichtung, das Leben von Firat Dink zu schützen, nicht nachgekommen war (Verletzung des Art 2 EMRK). Weiters wurde auch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK verletzt. Dass die Verurteilung zum Zeitpunkt des Todes von Fiat Dink noch nicht endgültig war, schadete nicht, da die Schuldfrage vom Kassationsgerichtshof endgültig entschieden war und zudem unter den speziellen Umständen des Falles auch eine positive Verpflichtung des Staates bestanden habe, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen.
  • 14. September 2010, Rose gegen Deutschland (Appl. Nr. 51001/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Disziplinarstrafe von € 750 gegen Offizier, der der Generalität "Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit" vorwarf und dass sie nicht "auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe" habe; unzulässig, siehe im Blog dazu hier.
  • 7. September 2010, Urban gegen Polen (Appl. no 29690/06); Unzulässigkeitsentscheidung, Nichterschöpfung des Instanzenzuges.
  • 15 Juli 2010, Dumas gegen Frankreich (Appl. no. 34875/07), Roland Dumas hatte in seinem Buch "L'epreuve, les preuves" über den Prozess in der Elf-Affäre berichtet, in dem er schließlich freigesprochen worden war; er berichtete dabei auch, dass er während des Prozesses gesagt hatte, der Staatsanwalt hätte während des zweiten Weltkriegs in den "sections spéciales" (politische Sondergerichte unter dem Vichy-Regime) sein können. Die Verurteilung wegen dieser Passage wurde vom EGMR als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt (5 zu 2 Stimmen, dissenting opinion der Richter Jaeger und Villiger).
  • 15. Juli 2010, Gazeta Ukraina-Tsentr gegen Ukraine (Appl. no. 16695/04), Berichterstattung über die bei einer Pressekonferenz von einem Journalisten geäußerten Vorwürfe, ein Kandidat für eine politische Position habe jemanden beauftragt, ihn zu töten; Verurteilung der Zeitung für die Berichterstattung wurde als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt (einstimmig; der EGMR stellte auch eine Verletzung des Art 6 EGMR fest, da der Kandidat Vorsitzender des Regionalen Richterrats war und die Verurteilung durch ein Gericht in dieser Region erfolgte, sodass objektive Befangenheitsgründe vorgelegen waren).
  • 6. Juli 2010, Mariapori gegen Finnland (Appl. no. 37751/07); Steuerexpertin wirft in einem Strafverfahren als Zeugin des Beschuldigten (unter Eid) Steuerprüfern vor, absichtlich Fehler gemacht zu haben und wiederholt dies später in einem polemischen Buch; die verhängte Freiheitsstrafe war jedenfalls nicht notwendig - daher Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Juli 2010, Niskasaari ua gegen Finnland (Appl. no. 37520/07); Zeitschriftenartikel über die Abberufung einer Kinderombudsperson, der sich später teilweise als unrichtig herausstellte und in einer Folgeausgabe richtiggestellt wurde; die verhängten Geldstrafen wurden vom EGMR als unverhältnismäßig beurteilt. Bemerkenswert ist, dass die Journalisten festgestelltermaßen nicht sorgfältig gearbeitet hatten und es unterlassen hatten, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen, obwohl dies leicht möglich gewesen wäre - Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Juli 2010, Gözel und Özer gegen Türkei (Appl. nos. 43453/04 and 31098/05); (Zusammenfassung des EGMR); Veröffentlichung von Texten verbotener Organisationen; allein der Umstand, dass der Text von einer illegalen Organisation stammt, darf nicht als ausreichend für Publikationsverbot gelten, Kontext und Inhalt der Veröffentlichung sind zu prüfen - Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. Juli 2010, Lietuvos Nacionalinis Radijas ir Televizija und Tapinas and Co Ltd. gegen Litauen (Appl. no. 27930/05); Unzulässigkeitsentscheidung; in einer Fernsehsendung mit dem Titel "Geld Generation" wird ein versteckt aufgenommenes Gespräch zwischen S.J., einem Mitglied der staatlichen Glücksspielkommission, und einem Geschäftsmann gezeigt. Der Geschäftsmann bittet S.J. mehrmals um Hilfe, ohne diese Hilfe näher zu spezifizieren oder eine Bezahlung dafür anzubieten. Der Fernsehsender und ein beteiligter Journalist wurden wegen Rufschädigung verurteilt. Unzulässig; mehr dazu hier.
  • 24. Juni 2010, European University Press GmbH gegen Österreich (Appl. no. 35942/05); eigentlich kein Art 10 EMRK-Fall, aber doch hierher passend: es geht um die Veröffentlichung eines Buchs über "K, Federal President of Austria at that time" (2002), in dem angedeutet wurde, dieser habe seine Frau zu einer Abtreibung gezwungen. Gegen die Verbreitung dieser Behauptung war eine einstweilige Verfügung erlassen worden, auf Grund derer in der Folge mehrfach Unterlassungsexekution geführt wurde, wovon die verpflichtete Partei allerdings erst mit der Endentscheidung des OGH erfuhr - Verletzung des Art 6 EMRK (einstimmig).
  • 22. Juni 2010, Kurlowicz gegen Polen (Appl. no. 41029/06); Kritik eines Stadtpolitikers an einem Schulmanager, Strafverfolgung wegen Beleidigung unverhältnismäßig ("The Court considers that a person who manages an institution financed from public money should be prepared to accept hard-hitting criticism particularly in the course of a public debate where matters of funding the institution in question are discussed."); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 22. Juni 2010, Bingöl gegen Türkei (Appl. no. 36141/04); "hate speech" - Rede eines kurdischen Politikers, der die Türkei sehr negativ darstellte, aber nicht zu Gewalt aufrief; Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten unverhältnismäßig - Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig)
  • 15. Juni 2010, Turgay ua gegen Türkei (Appl. nos. 8306/08, 8340/08 and 8366/08).
  • "Suspendierung" des Erscheinens einer Wochenzeitung; unzulässige Einschränkung der Presse in ihrer Funktion als "public watchdog", weniger einschneidende Maßnahmen - zB Beschlagnahme einzelner Nummern - wären verfügbar gewesen; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 8. Juni 2010, Gül ua gegen Türkei (Appl. no. 4870/02); Verurteilung zu mehrjährigen Haftstrafen wegen politischer Slogans anlässlich einer friedlichen Demonstration; "The Court observes that, taken literally, some of the slogans shouted (such as “Political power grows out of the barrel of the gun”, “It is the barrel of the gun that will call into account”) had a violent tone .... Nevertheless, having regard to the fact that these are well-known, stereotyped leftist slogans and that they were shouted during lawful demonstrations ... they cannot be interpreted as a call for violence or an uprising."; Verletzung des Art 10 EMRK (5:2; dissenting opinion der Richter Sajó und Tsotsoria).
  • 8. Juni 2010, Andreescu gegen Rumänien (Appl. no. 19452/02); Bürgerrechtler, dem Einblick in seine Securitate-Akte verweigert wurde, verdächtigt in einer Pressekonferenz ein Mitglied der für den Zugang zum Securitate-Archiv zuständigen Behörde, Verbindungen zum früheren Regime zu haben; Verurteilung wurde als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt (einstimmig).
  • 8. Juni 2010, Sapan gegen Türkei (Appl. no. 44102/04); Beschlagnahme eines Buchs - eines Auszugs aus einer Dissertation - über den Sänger Tarkan; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig)
  • 1. Juni 2010, Dumitru gegen Rumänien (Appl. no. 4710/04); Kläger hatte einem Polizisten vorgeworfen, sich unrechtmäßig Land angeeignet zu haben; Verurteilung zu Geldstrafe (und Ersatzfreiheitsstrafe); Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 1. Juni 2010, Gutierrez Suarez gegen Spanien (Appl. no. 16023/07); ein spanischer Journalist berichtete über einen Drogenfund, den er mit der Familie von Köng Hassan II. von Marokko in Beziehung brachte (Überschrift: "A family company belongig to Hasan II implicated in drug trafficking"), weil im selben LKW auch Obst eines Familienunternehmens des Königs transportiert worden war. Der Journalist wurde von einem spanischen Gericht verurteilt; Verletzung des Art 10 EMRK (6:1, Richter Zupancic deponierte seine abweichende Meinung, aber ohne ausformulierte dissenting opinion).
  • 20. Mai 2010, Saygili und Bilgic gegen Türkei (Appl. no. 33667/05); tägliche Beschlagnahme einer Tageszeitung durch 30 Tage hindurch, mit täglich wiederkehrenden Gerichtsbeschlüssen auf Antrag des Staatsanwalts, deren Begründung sich darin erschöpfte, es sei festgestellt, dass diese Zeitung die Nachfolgerin einer behördlich geschlossenen anderen Tageszeitung sei (deren Schließung war schon Gegenstand des EGMR-Urteils vom 26. April 2005, Falakaoglu gegen Türkei, Appl. no. 77365/01, in der einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt worden war); knapp drei Monate später wurden die Beschlagnahmebeschlüsse durch das Strafgericht aufgehoben; der EGMR stellte dennoch einstimmig eine Verletzung des Art 10 EMRK fest, da die Beschlagnahmeanordnungen nicht ordnungsgemäß begründet waren und bloß stereotyp wiederholten, dass es sich bei der beschlagnahmten Zeitung um die Nachfolgerin der behördlich geschlossenen Zeitung handle.
  • 20 Mai 2010, Cox gegen Türkei (Appl. no. 2933/03; Zusammenfassung des EGMR); US-Staatsbürgerin, die in den 1980er Jahren als Lektorin an türkischen Universitäten gearbeitet hatte, wurde 1986 aus der Türkei ausgewiesen, bei einem neuerlichen Aufenthalt 1989 festgenommen und wieder ausgewiesen und schließlich wurde nach einem weiteren Besuch in der Türkei bei der Ausreise ein Wiedereinreiseverbot ausgesprochen, das von ihr erfolglos vor den türkischen Gerichten bekämpft wurde; die Festnahmen bzw Ausweisungen hatten nach Angaben der Beschwerdeführerin mit Äußerungen zu kurdischen und armenischen Angelegenheiten zu tun bzw. mit einem Protest gegen den Film "Die letzte Versuchung Christi". Vor dem EGMR ging es nur um die Vorfälle ab 1996; der Gerichtshof kam zum Ergebnis, dass das Einreiseverbot wegen der Äußerung kontroversieller Äußerungen verhängt worden war und dass nie behauptet wurde, dass dadurch ein Delikt begangen worden wäre: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 20. Mai 2010, Myrskyy gegen Ukraine (Appl. no. 7877/03); ein ukrainischer Universitätsprofessor für Politikwissenschaften und führendes Mitglied unter anderem einer Minderheitenvereinigung und des Ukrainischen Zentrums für Holocaust-Studien wurde in einer Zeitung mit einer Äußerung zitiert, die er bei einer Veranstaltung zur Internationalen Woche gegen Rassismus gemacht haben soll. In dieser Äußerung wurde der Ukrainischen Partei "Einheit" (einer der vielen ukrainischen Kleinparteien, mittlerweile offenbar bedeutungslos) vorgeworfen, sie wolle der Bevölkerung eine Ideologie und Psychologie des nationalen Extremismus einimpfen. In einem Gerichtsverfahren, von dem der Beschwerdeführer und die Verantwortlichen der Zeitung erst nach etwa zwei Jahren erfahren hatten, wurde schließlich die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Entschuldigung gegenüber den Gründern der Partei "Einheit" ausgesprochen; dabei hatte das Gericht nur das Statut und Programm der Partei der Entscheidung zugrundegelegt, nicht aber weitere vom Beschwerdeführer vorgelegte Unterlagen; gröbere Verfahrensmängel, keine Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 18. Mai 2010, Uitgeversmaatschappij de Telegraaf B.V. ua gegen Niederlande (Appl. no. 39315/06): ein Redaktionsgeheimnis-Fall, bei dem nur die Beschwerde der Niederländischen Journalistenvereinigung und der Niederländischen Chefredakteursvereinigung ratione personae (weil sie keinen Opferstatus haben) als unzulässig zurückgewiesen wurden; die Beschwerden der weiteren Beschwerdeführer sind noch anhängig. (Update 23.11.2012: siehe zum Urteil vom 22.11.2012 hier).
  • 11. Mai 2010, Fleury gegen Frankreich (Appl. no. 29784/06); Vorwurf eines Oppositionspolitikers an den Bürgermeister und dessen Team, zu manipulieren und "ein wenig zu tief hineinzugreifen" ("crochent un peu trop dedans"), sowie Unterstellungen, dass in einem Vergabeverfahren die Regeln nicht eingehalten worden seien (ohne Faktenbasis); keine Verletzung des Art 10 EMRK.
  • 11. Mai 2010, Atilla gegen Türkei (Appl. nos. 18139/07 und andere); Unzulässigkeitsentscheidung; Bestrafung von (Untersuchungs-)Häftlingen mit "one-month ban on sports activities and conversation in groups" wegen eines kollektiven Hungerstreiks zur Unterstüzung eines politischen Anliegens. Unzulässig; mehr dazu hier.
  • 6. Mai 2010, Brunet Lecomte und Lyon Mag gegen Frankreich (Appl. no. 17265/05); Verurteilung eines Journalisten und eines Medienunternehmens als Herausgeber eines Monatsmagazins wegen Beleidigung; Artikel über einen als "zweideutig" ("ambigu") bezeichneten "einflussreichen islamischen Führers" in Lyon, der nach dem Artikel "nicht zögert, frustrierte und verwundbare Jugendliche zu rekrutieren"; Verletzung des Art 10 EMRK (5 zu 2 Stimmen, dissenting opinion der Richter Lorenzen und Berro-Lefèvre); siehe dazu im Blog hier.
  • 4. Mai 2010, Effecten Spiegel AG gegen Deutschalnd (Appl. no 38059/07); Unzulässigkeitsentscheidung; zur Verdachtsberichterstattung: der Effecten-Spiegel veröffentlichte auf Grund einer Pressemitteilung eines früheren hochrangigen Audi-Mitarbeiters Vorwürfe gegen "Mr. P", den Vorstandsvorsitzenden von Audi; ergänzt um einen kommentierenden Absatz, in dem festgehalten wurde: "Das Ganze stinkt zum Himmel!" "Mr. P" auf Unterlassung der Verbreitung mehrerer Teile des Artikels. Die Rechtsmittel des Effecten-Spiegel blieben erfolglos. Auch der EGMR erklärte - allerdings nur mehrheitlich - die Beschwerde als unzulässig; mehr dazu hier.
  • 22. April 2010, Haguenauer gegen Frankreich (Appl. no. 34050/05); Verurteilung der Vizebürgermeisterin von Lyon wegen Beamtenbeleidigung, weil sie den Kanzler der Universität während einer Demonstration als "Schande der Gemeinschaft" bezeichnet hatte: Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 22. April 2010, Fatullayev gegen Aserbaidschan (Appl. no. 40984/07); der Chefredakteur zweier regierungskritischer Zeitungen wurde zu langen Haftstrafen verurteilt wegen zweier Berichte über einen Vorfall im Konflikt um Nagorno-Karabakh einerseits und über einen möglichen Krieg zwischen den USA und dem Iran, an dem auch Aserbaidschan beteiligt sein könnte, andererseits; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig), überdies auch Verletzung des Art 6 EMRK (befangener Richter; Verletzung der Unschuldsvermutung, weil der Staatsanwalt - noch vor Anklageerhebung - mitgeteilt hatte, dass einer der beiden Artikel eine terroristische Bedrohung darstelle).
  • 20 April 2010, Le Pen gegen Frankreich (Appl. no. 18788/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Le Pen war aufgrund einer Aussage in einem Interveiw mit Le Monde wegen eines Aufrufs zu Hass gegen eine ethnisch oder durch ihre Herkunft bestimmte Gruppe (genauer: "provocation à la discrimination, à la haine, à la violence envers un groupe de personnes à raison de leur origine ou de leur appartenance ou de leur non appartenance à une ethnie, une nation, une race ou une religion déterminée") zu einer Strafe von 10.000 Euro verurteilt worden. Die Beschwerde von Le Pen wurde vom EGMR einstimmig als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig beurteilt (siehe zu dieser Entscheidung auch Dirk Voorhoof im ECHR-Blog).
  • 8. April 2010, Bezymannyy gegen Russland (Appl. no. 10941/03); der Kläger war wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil er in einem Schreiben an den Gerichtspräsidenten eine Richterin beschuldigt hatte, vorsätzlich unrichtig geurteilt zu haben ("delivering a deliberately unjust decision knowingly based on incorrect and sometimes even openly forged documentary evidence"): Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig).
  • 6. April 2010, Ruokanen ua gegen Finnland (Appl. no. 45130/06); zwei Journalisten waren wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil sie einen Artikel mit dem Titel "Baseball-Siegesfeier endete mit Vergewaltigung" zu verantworten hatten, der aufgrund der Aussage des Opfers und anonym bleibender Zeugen geschrieben wurde; das Opfer meldete den Vorfall nicht der Polizei; nach dem Zeitungsbericht leitete die Polizei Erhebungen ein, die eingestellt werden mussten, da das Opfer den oder die Angreifer nicht identifizieren konnte: keine Verletzung des Art 10 EMRK (fünf zu zwei; dissenting opinions der Richter Bratza und Bianku).
  • 6. April 2010, Flinkkilä ua gegen Finnland (Appl. no. 25576/04); mehrere Journalisten waren wegen Verletzung der Privatsphäre verurteilt worden; sie hatten über einen Vorfall berichtet, bei dem der "nationale Schlichter" (eine Person, die mit der Beilegung von Tarifkonflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern befasst ist) mit seiner Freundin spätabends nach Hause kam, dort auf seine Frau traf, und nach der darauffolgenden Eskalation von der Polizei festgenommen werden musste; er wurde schließlich zu einer viermonatigen bedingten Haftstrafe verurteilt, auch seine Freundin erhielt eine Strafe wegen tätlichen Angriffs; in den Zeitungsberichten war die Freundin des Schlichters mit Namen genannt worden, was zur Verurteilung der Journalisten führte; Verletzung des Art 10 EMRK (einstimmig); zu diesem Themenkreis weitere Urteile vom selben Tag:
  • 30. März 2010, Petrenco gegen Republik Moldau (Appl. no. 20928/05); siehe dazu im Blog hier.
  • 30. März 2010, Annen (II) gegen Deutschland (Appl. nos.2373/07 ; 2396/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Abtreibungsgegner verteilt Flugblätter u.a. mit dem Text "Stoppt rechtswidrige Abtreibungen in der Praxis Dr. K." und "Wussten Sie schon, dass in H. in der Praxis von Dr. K. rechtswidrige Abtreibungen durchgeführt werden?", was ihm auf Grund eines Antrags von Dr. K untersagt wird. In einer weiteren Entscheidung wurde ihm untersagt, Patienten und Passanten in einem näher bezeichneten Gebiet vor der Praxis von Dr. K. anzusprechen und sie auf die Abtreibungen aufmerksam zu machen. Unzulässig; siehe dazu hier.
  • 18. März 2010, Furuholmen gegen Norwegen (Appl No. 53349/08); Unzulässigkeitsentscheidung; unzulässige Medienarbeit eines Anwalts in einem Strafverfahren.
  • 16. März 2010, Gorkan gegen Türkei (Appl. no. 13002/05).
  • 9. März 2010, Nilsen gegen Vereinigtes Königreich (Appl no. 36882/05); Unzulässigkeitsentscheidung; ein für sechsfachen Mord und zweifachen Mordversuch Verurteilter will seine in der Haft geschriebene Autobiographie veröffentlichen; das Manuskript wird von der Gefängnisverwaltung gelesen und nicht an den Verurteilten (aber an seinen Anwalt) returniert; die Entscheidung, das Manuskript nicht mehr herauszugeben, wird unter Berufung auf eine einschlägige Rechtsvorschrift, die auf EGMR-Rechtsprechung Bedacht nimmt, begründet; die dagegen angerufenen Gerichte nehmen eine ausreichende Abwägung vor. Das Manuskript selbst lag dem EGMR nicht vor, er stützt sich auf folgende nicht bestrittene Feststellungen des nationalen Gerichts dazu: "the manuscript [...] was rather 'a platform for [the applicant] to seek to justify his conduct and denigrate people he dislikes.' It contained 'several lurid and pornographic passages'. It contained 'highly personal details of a number of the applicant’s offences' and it sought to portray the applicant as a 'morally and intellectually superior being who justifiably holds others in contempt'." Aus der Begründung des EGMR: "[...] the Court deems it reasonable for the domestic authorities to have considered that the publication of the manuscript would be distressing for surviving victims and for all victims’ families and would provoke a sense of outrage amongst the public. The applicant’s numerous crimes were described by the High Court as 'as grave and depraved as it is possible to imagine', with which description the applicant does not take issue.
    [...] That the perpetrator of such crimes would seek to publish for personal reasons his own account of the killing and mutilation of his victims is an affront to human dignity, one [of] the fundamental values underlying the Convention."
  • 2. März 2010, Antica und "R" Company gegen Rumänien (Appl. no. 26732/03).
  • 25. Februar 2010, Renaud gegen Frankreich (Appl. no. 13290/07).
  • 23. Februar 2010, Tasdemir gegen Türkei (Appl. no. 38841/07); Unzulässigkeitsentscheidung; Verurteilung wegen eines Slogans bei einer Demonstration ("HPG [the armed wing of the PKK] to the front line in retaliation!"), der vom EGMR als "apology of terrorism" beurteilt wurde.
  • 18. Februar 2010, Taffin und Contribuables Associes gegen Frankreich (Appl. no. 42396/04).
  • 16. Februar 2010, Akdas gegen Türkei (Appl. no. 41056/04).
  • 11. Februar 2010, Fedchenko gegen Russland (Appl. no. 33333/04).
  • 11. Februar 2010, Fedchenko gegen Russland (No. 2) (Appl. no. 48195/06).
  • 11. Februar 2010, Alfantakis gegen Griechenland (Appl. no. 49330/07).
  • 2. Februar 2010, Kubaszewski gegen Polen (Appl. no. 571/04).
  • 2. Februar 2010, INDEX.HU Zrt gegen Ungarn (Appl. no. 57005/09); Unzulässigkeitsentscheidung; Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs.
  • 21. Jänner 2010, Rukaj gegen Griechenland (Appl. no 2179/08); Unzulässigkeitsentscheidung; der Beschwerdeführer, ein in Griechenland lebender albanischer Staatsangehöriger, war bei einem Arbeitsunfall verletzt worden und hatte seinen Arbeitgeber auf Schadenersatz geklagt; in der Folge sandte er zwei Schreiben an die "Fédération internationale des droits de l’homme" und an die Anwaltskammer, in denen er Vorwürfe gegen seine Anwältin vorbrachte (im Wesentlichen, dass sie mit der Gegenseite kooperiert habe). Er wurde wegen Verleumdung zu einer bedingten fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt. Aus der Begründung: "Les juridictions internes, au travers de décisions suffisamment motivées, ont conclu que tous les faits invoqués par le requérant contre E.Z. était mensongers et que, de plus, le requérant en avait conscience. En particulier, la cour d’appel d’Athènes a reconnu que E.Z. avait rempli ses obligations professionnelles envers le requérant tout en respectant les règles déontologiques, qu’elle ne s’était pas concertée avec la partie adverse et qu’elle avait défendu au mieux les intérêts de son client." Der EGMR berücksichtigte auch, dass bis zu seiner Entscheidung, bei der die Probezeit fast abgelaufen war, die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen worden war und für den Beschwerdeführer auch nicht zur Ausweisung aus Griechenland geführt hat; unzulässig.
2009
*) Beim EGMR ist der Begriff "Entscheidung" kein Überbegriff für Urteile und andere Formen gerichtlicher Erledigungen, sondern entspricht etwa dem, was nach österreichischem juristischem Sprachgebrauch ein Beschluss ist. Die vom EGMR selbst herausgegebene Broschüre "Der Gerichtshof in 50 Fragen" erklärt den Unterschied so: "Eine Entscheidung wird gewöhnlich von einem Einzelrichter, einem Ausschuss oder einer Kammer des Gerichtshofes erlassen. Sie betrifft nur die Zulässigkeit und nicht die Begründetheit der Rechtssache. Normalerweise prüft eine Kammer die Zulässigkeit und Begründetheit einer Beschwerde gleichzeitig. Sie fällt dann ein Urteil."

Hinweis: Das European Audiovisual Observatory hat ein e-Book "Freedom of Expression,the Media and Journalists - Case-law of the European Court of Human Rights" veröffentlicht, in dem rund 240 Urteile und Entscheidungen des EGMR zu Art 10 EMRK näher dargestellt werden (aktualisiert im Juli 2015).