Ein ehemaliger Theaterdirektor mit "Hang zur etatüberschreitenden Geste", der um seine Reputation kämpft - das könnte eine aktuelle Geschichte rund um das Burgtheater sein. Tatsächlich spielte die Sache aber in Magdeburg und war Ausgangspunkt eines langen gerichtlichen Streits, der nun vor dem EGMR sein Ende fand. Mit der heute veröffentlichten Entscheidung vom 23.02.2016 im Fall Max K. Hoffmann gegen Deutschland (Appl. nos. 66861/11 und 33478/12) wurde die Beschwerde des Theaterdirektors als offensichtlich unbegründet für unzulässig erklärt.
Max K. Hoffmann war mehr als zehn Jahre hindurch Generalintendant des Theaters der Landeshauptstadt Magdeburg. Nach Budgetkürzungen wurde der Etat des Theaters im Jahr 2002 um 386.000 € überzogen. Daraufhin löste der Stadtrat den Vertrag mit dem Generalintendanten wegen der Budgetüberschreitung und wegen dessen Verhaltens gegenüber Mitarbeitern und dem Bürgermeister, die er mit der Stasi verglichen hatte. In einem nachfolgenden Gerichtsverfahren mit der Stadt wurde ein Vergleich geschlossen, mit dem der Generalintendant eine Zahlung von € 215.000 erhielt.
Im Oktober 2003 brachte der MDR einen Bericht (der Ende 2003 auf 3sat wiederholt wurde), in dem es ua hieß: "knietief im Dispo nämlich ist das
Theater der Landeshauptstadt, weil dessen ehemaliger Generalintendant Max
K. Hoffmann einen Hang zur etatüberschreitenden Geste hat. Woraufhin er entlassen
wurde". 2006 klagte der Ex-Generalintendant sowohl MDR als auch 3sat, weil seine Reputation durch den Bericht geschädigt worden sei. Das Gericht in Leipzig (Klage gegen den MDR) kam zum Ergebnis, dass Teile des Berichts faktisch unrichtig waren (die Entlassung sei wegen des Stasi-Vergleichs ausgesprochen worden, nicht wegen der Budgetüberschreitung), es liege aber keine schwere Beeinträchtigung des Rufs des Intendanten vor; nur materielle Schäden - die aber nicht nachgewiesen worden seien - wären zu ersetzten. Das Gericht in Hannover (Klage gegen 3sat) wies die Klage gänzlich ab, da es sich um Werturteile gehandelt habe, die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhten.
Schließlich klagte der Ex-Intendant auch noch die Stadt Magdeburg, was wegen des geschlossenen Vergleichs erfolglos blieb. In allen drei Verfahren blieben auch die Rechtsmittel bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht erfolglos.
Vor dem EGMR machte der Ex-Intendant geltend, dass seine Ehre und sein guter Ruf durch die nationalen Gerichte nicht ausreichend geschützt wurden und er daher in seinen durch Art 8 EMRK garantierten Rechten verletzt worden sei.
Der EGMR beurteilte die Beschwerde einstimmig als offensichtlich unbegründet. Die Abwägung ist kurz und klar, entsprechend den bekannten Kriterien der Abwägung im Fall widerstreitender Interessen nach Art 10 und Art 8 EMRK (zuletzt in Couderc et Hachette Filipacchi Associés, Abs 93; und Axel Springer AG, Abs. 90-95 [im Blog dazu hier], und Von Hannover (Nr 2), Abs. 109-113 [im Blog dazu hier]. Im Einzelnen:
1. Die Berichte betrafen den Wechsel des Managements in einem öffentlich finanzierten Theater. Insbesondere wegen der Budgetüberschreitung war die Debatte zu Budget und Management des Theaters von öffentlichem Interesse, jedenfalls in der betroffenen Region.
2. Der Beschwerdeführer war über mehr als zehn Jahre Generalintendant des Theaters gewesen und relativ bekannt. Außerdem war er nicht Gegenstand des Berichts gewesen, sondern wurde nur im Zusammenhang mit dem überraschenden Umstand erwähnt, dass bei der folgenden Fusion der Theater der Direktor des kleineren Hauses Generalintendant beider Häuser wurde.
3. Zum Verhalten des Beschwerdeführers hielt der EGMR fest, dass dieser nach der Entlassung weder einen Widerruf noch eine Berichtigung verlangt habe, sondern drei Jahre bis zur Klage gewartet habe. Er habe damit keine angemessenen Mittel eingesetzt, umd die Folgen der angeblichen Verletzung zu mindern.
4. Zum Wahrheitsgehalt der Veröffentlichung stellte der EGMR fest, dass nach den Urteilen der nationalen Gerichte die Information zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht "als solche" falsch war ("not incorrect as such"), wohl aber unpräzise. Das Gericht in Hannover habe aber festgehalten, dass das Format des Berichts und die verwendete Sprache nicht die Erwartung einer präzisen Darstellung er Ereignisse erweckt habe, sondern eines kurzen und künstlerischen Überblicks über die Theaterlandschaft in Magdeburg.
5. Zu den Folgen der Veröffentlichung schließlich habe der Beschwerdeführer zwar behauptet, dass der Umstand, dass er keine neue Beschäftigung habe finden können, mit dem falschen Ruf zusammenhingen, er habe eine Neigung zur Budgetüberschreitung. Der EGMR hielt dazu aber fest, dass der Beschwerdeführer dazu in den nationalen Gerichtsverfahren keine Beweise habe vorlegen können.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kam der EGMR somit zum Ergebnis, dass die Abwägung durch die nationalen Gerichte deren Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat.
PS: Das ist wahrlich kein gewichtiger Fall in der Art 10/Art 8 EMRK-Rechtsprechung des EGMR. Spannender, auch in der öffentlichen Wahrnehmung, war heute sicher das Urteil im Fall Kahn gegen Deutschland (Pressemitteilung), in dem es um die Veröffentlichung von Bildern der Kinder eines prominenten Fußballers ging. Das Privileg des Bloggers ist es aber, sich auch mal mit unwichtigeren Fällen zu beschäftigen - und mir lag angesichts der aktuellen Debatte um die Rechnungshof-Rohberichte zum Burgtheater - heute eben gerade diese Story näher.
Thursday, March 17, 2016
EGMR zum Streit um die Reputation eines Theaterdirektors "mit Hang zur etatüberschreitenden Geste" (nicht Hart- sondern Hoffmann)
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