Kommission leitet Phase II-Untersuchung zur deutschen Mobilterminierung ein
Die Europäische Kommission hätte die Aufforderung wohl nicht gebraucht, ihre kritische Haltung zum deutschen Alleingang in Sachen Terminierungsentgelten ist schon aus früheren Verfahren nach Artikel 7 bzw 7a der Rahmenrichtlinie hinreichend bekannt. Nun hat sie mit Beschluss vom 21.11.2014 in einem weiteren Verfahren (DE/2014/1666-1667) wiederum "serious doubts" (erhebliche Zweifel) angemeldet, weil ihrer Ansicht nach die vorgesehene Maßnahme der deutschen Regulierungsbehörde Hemmnisse für den Binnenmarkt schaffen würde (siehe dazu auch die Pressemitteilung der Kommission).
Die Bundesnetzagentur richtet sich in ihrer Entscheidung nämlich nicht nach der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission vom 7. Mai 2009 über die Regulierung der Festnetz- und Mobilfunk-Zustellungsentgelte (Terminierungsempfehlung), in der die Kommission die Anwendung der "pure BU-LRIC" Kostenrechnungsmethode empfiehlt - im Wesentlichen also eine Festsetzung der Terminierungsentgelte anhand der reinen langfristigen inkrementellen Kosten, wie sie in einem Bottom-Up-Modell errechnet werden (siehe dazu näher den Anhang zur Terminierungsempfehlung). Die Bundesnetzagentur verwendet dagegen ein sogenanntes "LRIC plus"-Modell, bei dem entgegen Punkt 6 der Terminierungsempfehlung verschiedene verkehrsunabhängige Kosten bei der Festlegung des Terminierungsentgelts zusätzlich berücksichtigt werden. Dies führt dazu, dass die Terminierungsentgelte nach dem deutschen Maßnahmenentwurf wesentlich höher sind als zB jene in Österreich. Auf die negativen Folgen für (unter anderem) österreichische Betreiber weist die Kommission in ihrem Beschluss deutlich hin:
Die Tatsache, dass sich benachbarte Länder wie Polen, Österreich und Frankreich an die Zustellungsentgelte-Empfehlung halten und eine reine BU-LRIC-Methode anwenden – wodurch die MTR nur rund halb so hoch sind wie die deutschen MTR –, führt zu einem erheblichen Nettotransfer von Einnahmen aus der Anrufzustellung, der zu Lasten der Betreiber in diesen Ländern geht. Allein für Österreich besagen Schätzungen beispielsweise, dass die österreichischen Mobilfunkbetreiber den deutschen Betreibern in den kommenden zwei Jahren rund 12 Mio. EUR zu viel zahlen werden, wenn die BNetzA ihren Beschluss annimmt, was sich sehr negativ auf die Investitionsmöglichkeiten der österreichischen Betreiber beim Netzausbau auswirken wirdWie geht es weiter?
Der Beschluss der Kommission über die Einleitung der Phase II im Verfahren nach Art 7 der Rahmenrichtlinie bedeutet zunächst einmal nur, dass die Bundesnetzagentur drei Monate lang diese Maßnahme nicht verabschieden darf. Inzwischen wird eine Stellungnahme von BEREC eingeholt (zuletzt teilte BEREC die erheblichen Zweifel der Kommission bei den deutschen Mobilterminierungsentgelten) und nach Ablauf der drei Monate hat die Kommission dann noch ein Monat Zeit, um eine Empfehlung abzugeben. Alles andere als die Empfehlung, den Maßnahmenentwurf abzuändern oder zurückzuziehen, wäre eine Sensation; ebenso unrealistisch ist es allerdings auch, ein Einlenken der deutschen Bundesnetzagentur zu erwarten.
Insofern stellt sich die Frage, was die Kommission gegen das hartnäckige Ignorieren ihrer Empfehlungen unternehmen könnte. Wie ein Mitarbeiter der Kommission beim Salzburger Telekom-Forum 2012 erzählte (siehe im Blog dazu hier), stand im Fall der Niederlande, wo ein Gericht - nach Ansicht der Kommission zu unrecht - die Empfehlung nicht berücksichtigt hatte, eine Klage wegen Vertragsverletzung im Raum. Es ist anzunehmen, dass die Kommission ein derartiges Vorgehen auch gegen Deutschland prüfen wird.
Niederländische Vorlage an den EuGH zu Mobilterminierungsentgelten
Wahrscheinlich aber wird die Frage, wieweit man von der Terminierungsempfehlung abweichen kann, ohne damit schon ein unzulässiges Hemmnis für den Binnenmarkt zu schaffen, schon bald einen anderen Weg zum EuGH finden. Das niederländische College van Beroep voor het bedrijfsleven, in derartigen Angelegenheiten letzte Instanz, hat den Parteien in einem bei ihm anhängigen Verfahren über Mobilterminierungsentgelte nämlich mitgeteilt, dass es überlege, dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das könnte - gerade im Hinblick auf die turbulente Vorgeschichte der niederländischen Mobilterminierungsregulierun (siehe dazu nochmals hier, bei den Erfahrungen mit Art 7a-Verfahren) - auch zu einer gewissen Entspannung zwischen der Kommission und der niederländischen Gerichtsbarkeit führen - vor allem aber auch endlich zur Klärung interessanter Fragen im Zusammenhang mit der Empfehlung.
Das College van Beroep voor het bedrijfsleven (CBb) wird voraussichtlich fragen, ob eine nationale Regulierungsbehörde bzw ein nationales Gericht, wenn sie über eine Verpflichtung zur Preiskontrolle im Sinne des Art 13 der Zugangsrichtlinie entscheiden, von der Terminierungsempfehlung, die einen "pure BU-LRIC"-Ansatz verfolgt, abweichen darf, wenn dies wegen der Umstände des Falles oder nationalem Recht für erforderlich erachtet wird. Wenn dies bejaht wird, will das CBb auch wissen, ob das Gericht berücksichtigen kann, dass (ob?) die Auswirkungen auf den Binnenmarkt minimal sind, sowie ob das Gericht prüfen kann, ob "pure BULRIC" im Hinblick auf die Regulierungsziele nach Art 8 der Rahmenrichtlinie verhältnismäßig ist.
Noch bleibt abzuwarten, ob diese Fragen tatsächlich vorgelegt werden. Da sie bereits mit den Parteien des Verfahrens erörtert wurden, halte ich einen Rückzieher des CBb aber für sehr unwahrscheinlich. Die Entscheidung des CBb dürfte noch dieses Jahr, spätestens aber Anfang 2015, fallen. Legt das CBb seine Fragen dem EuGH vor, könnte der EuGH auch wichtige Hinweise für den Streit zwischen Kommission, BEREC und deutscher Regulierungsbehörde zu den deutschen Terminierungsentgelten geben, sodass sich ein Vertragsverletzungsverfahren vielleicht erübrigen könnte.
Update 04.03.2015: Mittlerweile hat das CBb seine Fragen vorgelegt: hier der Vorlagebeschluss (in niederländischer Sprache); die Sache ist unter C-28/15 Koninklijke KPN ua beim EuGH anhängig.
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