Friday, May 23, 2008

Stets im Interesse der Republik: Wiener Zeitung gegen entartetes Recht

Die im Eigentum der Republik Österreich stehende und von ihr herausgegebene Wiener Zeitung rückt stets die Interessen der Republik Österreich in den Vordergrund. So steht es jedenfalls in der gemäß § 25 Abs 4 Mediengesetz veröffentlichten Blattlinie. Ein etwas merkwürdiges Verständnis vom Interesse der Republik dürfte der Chefredakteur dieser Zeitung haben, der nicht nur immer wieder bemerkenswerte Gastkommentare ermöglicht, sondern auch selbst recht interessante Auffassungen vertritt.
Besonders angetan hat es ihm offenbar das Medienrecht, und so hat er letzte Woche seine Kolumne auch gleich einmal mit der Überschrift "Degeneriertes Medienrecht" versehen. Der Beitrag macht nicht wirklich klar, weshalb für die darin geübte Kritik an bestimmten Aspekten des Medienrechts der besonders besetzte Begriff der Degeneration (wörtlich: "Entartung") verwendet wird, aber ein besonderes Sensorium bei der Begriffswahl darf man sich in den Unterberger-Kolumnen ohnehin nicht erwarten. (Wer übrigens Rüthers, Entartetes Recht. Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich [Beck, 2. Aufl. 1989, als Taschenbuch bei dtv 1994], gelesen hat, würde mit solchen Begriffen wohl sorgfältiger umgehen).

Unterberger hält in seinen Kolumnen das bestehende Medienrecht unter anderem für verkommen, schikanös, formalistisch, hilflos, kleinlich - oder schlicht übel. Seiner Ansicht nach schützt es die Opfer schwerster Verbrechen "kaum besser als Unterweltkönige auf Abkassiertour, die sich in ihrer "Ehre" verletzt fühlen" (so in einer Kolumne vom 19.4.2008). Ganz ähnlich hat er auch schon vor eineinhalb Jahren bedauert, dass die Mediengesetze die "Ehre von Verbrechern" (vielleicht meinte er: die Persönlichkeitsrechte von Tatverdächtigen) schützen. Konstruktive Kritik am Medienrecht, die sicher im Interesse der Republik gelegen wäre, stelle ich mir doch etwas anders vor.

PS: die im Internet angegebene Blattlinie der Wiener Zeitung ist anders als die in der Printversion abgedruckte - aber, so erklärte mir Herausgebervertreter Samo Kobenter (zur Erinnerung: EGMR-Urteil Kobenter und Standard Verlags GmbH gegen Österreich, siehe auch hier) - die beiden Versionen "unterscheiden sich wohl sprachlich, allerdings nicht inhaltlich"(!?).

1 comment :

Anonymous said...

Natürlich ist es für den Chefredakteur einer halbamtlichen Zeitung schwer, sich zu behaupten. Steht er doch schon lange auf der Abschussliste gewisser Parteien.
Eines aber muss man Herrn Unterberger zugute halten: Er spricht (nicht immer, aber oft) Wahrheiten aus. Davon können Journalisten anderer Medien nur träumen.