In den beiden bereits vom EuGH entschiedenen Vertragsverletzungsverfahren war die Kommission allerdings nicht sehr erfolgreich. Gegen Finnland verlor die Kommission schon im Jänner dieses Jahres zur Gänze (siehe dazu hier), heute hat der EuGH der Kommission im (diesbezüglich ersten) Verfahren gegen Polen (C-227/07) auch nur teilweise Recht gegeben.
Der EuGH kam zum Ergebnis, dass die Republik Polen Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie 2002/19/EG nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. In dieser Bestimmung ist vorgesehen, dass die Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze berechtigt und auf Antrag verpflichtet sind, über die Zusammenschaltung zu verhandeln; im polnischen Telekom-Gesetz wurde diese Verpflichtung über die Zusammenschaltung hinaus auf den gesamten Zugangsbereich ausgedehnt - eine solche Verpflichtung müsste aber gegebenenfalls erst durch Entscheidung der NRB nach einem Marktanalyseverfahren auferlegt werden.
Mit der zweiten Rüge ist die Kommission allerdings abgeblitzt. Die Kommission sah nämlich auch Art Abs 1 erster Unterabsatz der ZugangsRL als nicht ausreichend umgesetzt, da das polnische Telekom-Gesetz einen recht komplexen Mechanismus vorsieht, wenn sich Unternehmen nicht auf Zugangsvereinbarungen einigen können (Verhandlungspflicht, Fristsetzung durch den Regulator, behördliche Entscheidung über den Zugang dann nur auf Antrag eines Beteiligten). Diese Bestimmungen seien einerseits zu weit (weil die NRB nicht in jedem Fall solche Zugangsentscheidungen treffen dürfe, sondern nur bei Vorliegen beträchtlicher Marktmacht oder sonst unter der Voraussetzung des Art 8 Abs 3 ZugangsRL), andererseits zu eng (da die NRB auch eingreifen können müsse, wenn kein Rechtsstreit zwischen Unternehmen anhängig sei).
Für den EuGH war das zuwenig: Art 5 Abs 1 Unterabsatz 1 sieht nämlich "nur eine allgemeine Ermächtigung der nationalen Regulierungsbehörden zur Verwirklichung der Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie im besonderen Rahmen des Zugangs und der Zusammenschaltung vor." Der polnischen Regulierungsbehörde sind auch in den Art 26 bis 30 des polnischen Telekom-Gesetzes "weitgehende Interventionsmöglichkeiten" eingeräumt. Und die Kommission hat sich schließlich
"auf das Vorbringen beschränkt [...], dass Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie nicht durch eine allgemeine Rechtsvorschrift umgesetzt werden könne, sondern nur durch eine Bestimmung, die angebe, zu welchen Entscheidungen die nationale Regulierungsbehörde ermächtigt sei, und nicht aufgezeigt [...], dass die betreffenden Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes die Ziele der Rahmenrichtlinie nicht verwirklichten".Sie hat damit rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass diese Bestimmungen keine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie sind.
Der EuGH folgte in dieser Sache den Schlussanträgen von Generalanwalt Colomer, der in seiner üblichen blumigen Sprache darauf hingewiesen hatte, dass es darum gehe, "die Lösung herauszuarbeiten, die das gemeinschaftliche Normengeflecht gleich einem zu hebenden Schatz in sich birgt." Und er hatte auch gleich die Mahnung für die Leser, in der Form eines Zitats von so Quevedo y Villegas: „Nicht der ist Philosoph, der weiß, wo der Schatz liegt, sondern der, der arbeitet und ihn birgt. Doch nicht einmal dieser ist es vollständig, sondern der, der ihn richtig nutzt, nachdem er ihn in Besitz genommen hat.“
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