Thursday, June 09, 2011

Kurzberichterstattungsrecht als entschädigungslose Enteignung? ORF gegen Sky Österreich erreicht den EuGH

Art 15 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (RL 2010/13/EU, AVMD-RL) regelt das Recht auf Kurzberichterstattung. Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, dass jeder Fernsehveranstalter "zum Zwecke der Kurzberichterstattung einen fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Ereignissen hat, die von großem öffentlichen Interesse sind und die von einem der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterworfenen Fernsehveranstalter exklusiv übertragen werden." Fernsehveranstalter dürfen daher vom Exklusivrechteinhaber kurze Ausschnitte aus dem Sendesignal übernehmen, diese jedoch ausschließlich für allgemeine Nachrichtensendungen verwenden.

Nach Art 15 Abs 6 der AVMD-RL sorgen die Mitgliedstaaten "nach Maßgabe ihres Rechtssystems und im Einklang mit ihren Gepflogenheiten dafür, dass die Modalitäten und Bedingungen für die Bereitstellung solcher kurzen Ausschnitte näher festgelegt werden, insbesondere hinsichtlich etwaiger Kostenerstattungsregelungen, der Höchstlänge der kurzen Ausschnitte und der Fristen für ihre Übertragung. Wird eine Kostenerstattung vorgesehen, so darf sie die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs verbundenen zusätzlichen Kosten nicht übersteigen." (Hervorhebung hinzugefügt)

Mit Bescheid der KommAustria vom 22.12.2010 wurde in einem Verfahren zwischen dem Österreichischen Rundfunk und der Sky Österreich GmbH* über das Kurzberichterstattungsrecht bei den "im Rahmen der UEFA Europa League ausgetragenen Spiele der österreichischen Fußballvereine Red Bull Salzburg und SK Rapid Wien" entschieden. Dabei wurde ausgesprochen, dass Sky "ein Ersatz für die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Satellitensignal verbundenen zusätzlichen Kosten" zusteht, diese Kosten belaufen sich aber "aufgrund eines dem ORF von der Sky Österreich GmbH kostenlos zur Verfügung gestellten Abonnements auf EUR 0,-."

Sowohl der ORF als auch Sky erhoben dagegen Berufung, und im Berufungsverfahren hat der nun zur Entscheidung zuständige Bundeskomunikationssenat (BKS) nun beschlossen, dem EuGH folgende Frage vorzulegen (update 12.7.2011: beim EuGH unter der Zahl C-283/11 anhängig):
"Ist Art. 15 Abs. 6 der [RL 2010/13/EU] mit Art. 17 sowie Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. mit Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1. ZProtEMRK) vereinbar?"
Der Vorlagebeschluss ist nicht online vefügbar (update 12.09.2011: nun hier im RIS), wohl aber der Bescheid, mit dem die Aussetzung des anhängigen Berufungsverfahrens beschlossen wurde. Die Bedenken des Bundeskommunikationssenates beziehen sich im Wesentlichen auf Art 17 der Grundrechte-Charta (Eigentumsrecht); wörtlich heißt es im Bescheid:
"Der Bundeskommunikationssenat hat erwogen, dass eine Richtlinienbestimmung, die die Möglichkeit der behördlichen Anordnung einer Entschädigung für den Fall der Eigentumsbeschränkung eines Exklusivrechteinhabers durch Einräumung eines Kurzberichterstattungsrechtes in jedem Fall ausschließt, in Widerspruch zu Art. 17 der Charta der Grundrechte der EU stehen könnte."
Der BKS legt damit dem EuGH nicht einmal zwei Monate nach der Vorlagefrage im Fall Publikumsrat des ORF gegen ORF (C-162/11) - siehe dazu hier - zum insgesamt dritten Mal eine Frage zur Auslegung der AVMD-RL (bzw der RL "Fernsehen ohne Grenzen") vor (zur Rechtssache C-195/06 KommAustria gegen Österreichischer Rundfunk siehe zB hier).

In der Rechtssache C-195/06 KommAustria hat der EuGH auch akzeptiert, dass der BKS  als vorlageberechtigtes Gericht anzusehen ist (was man - mit Generalanwalt  Ruiz-Jarabo Colomer - bezweifeln hätte können, siehe hier). Nun, da der BKS nur mehr zweitinstanzliche Behörde - mit allen Tribunalgarantien - ist, stellt sich auch die im Fall C-195/06 meines Erachtens kritische Frage, ob überhaupt eine Streitigkeit vorliegt, nicht mehr. Anders sieht es wohl im Fall der Schienen-Control-Kommission aus - dazu mehr im nächsten Blogpost.

*) Im veröffentlichten Bescheid des BKS sind die Parteienbezeichnungen anonymisiert, in jenem der KommAustria nicht. Um wen es sich handelt, weiß man aber auch im Fall der "Anonymisierung", sodass ich hier keine Bedenken habe, die allseits bekannten Parteiennamen auch auszuschreiben (was auch der EuGH so halten wird, wenn der BKS nicht schon den Vorlagebeschluss anonymisert hat, siehe Nr. 25 der neuen Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte)

1 comment :

Anonymous said...

Naja, von irgendwo muss ja Sky auch Einnahmen verbuchen, wenn sie unzählige Millionen in den österreichischen Fußball stecken! Mal sehen ob die EU dafür "Verständnis" aufbringt.