Tuesday, November 30, 2010

Der neue Trend: Selbstregulierung ohne Selbst (am Beispiel PR-Ethik-Rat)

"Selbstregulierung" ist kein klar definierter Begriff, und so kann man wunderbare Studien darüber verfassen  (zB diese). Ein Aspekt aber schien mir bisher stets unstrittig: Selbstregulierung setzt ein "Selbst" voraus, das sich regulieren möchte, zum Beispiel einen Berufsverband, der für die ihm angehörenden Unternehmen Regeln aufstellt, deren Einhaltung kontrolliert und erforderlichenfalls sanktionierend eingreift. Diese Besorgung der eigenen Aufgaben einer Branche durch die Branche selbst ("das eigene Haus in Ordnung bringen", damit staatliche Regulierung vermieden werden kann) ist ja gerade eines der Hauptargumente, das für Selbstregulierung vorgebracht wird.

In der österreichischen Medien-, Presse- und PR-Ethik-Räterepublik ist nun aber ein neuer Trend zu beobachten: "Verurteilungen", Beschwerden oder Rügen betreffen zunehmend (oder gar ausschließlich) nicht etwa die Mitglieder der Trägervereine, sondern richten sich gegen Außenstehende. Drei Beispiele:
  1. Der sogenannte "Medienrat" verurteilte vor kurzem (in seiner bislang einzigen Entscheidung) die Berichterstattung von "Österreich", ohne dass erkennbar geworden wäre, dass diese Zeitung sich am Verfahren beteiligt oder sonst irgendwie die Autorität oder Legitimität des "Medienrats" anerkannt hätte.
  2. Zumindest eine der immer noch bloß drei Beschwerden an den Presserat richtet sich gegen "Österreich", obgleich dessen Medieninhaberin weder Mitglied eines Trägerverbandes ist noch (jedenfalls nicht bis vor ca. zwei Wochen) einer Schiedsvereinbarung zugestimmt hat (mehr zum Presserat hier).
    Besonders bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang, dass noch nicht einmal alle Medienunternehmen, die Mitglied eines Trägerverbands sind, den Presserat anerkennen ("Auch wenn viele Medienunternehmen im Vorfeld ihren Willen bekundet haben, sich dem Presserat zu unterwerfen, ist Warzilek [Geschäftsführer des Presserats] derzeit noch dabei, die Unterschriften bei den Medienunternehmen einzuholen", heißt es in einem Artikel in der Presse).
  3. Und am vergangenen Freitag hat nun der PR-Ethik-Rat - zweieinhalb Jahre und sechs Presseaussendungen nach seiner Gründung (mehr dazu hier) - seine allererste konkrete Rüge veröffentlicht; gerügt wurde kein PR-Unternehmen, sondern eine Zeitung und deren Chefredakteur, die sich dieser "Selbst"-Regulierung jedenfalls nicht unterworfen haben. 
Der PR-Ethik-Rat bietet dabei ein besonderes Schauspiel: dieses "Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der in Österreich tätigen PR-Fachleute" (Eigendefinition!) war noch vor etwa eineinhalb Jahren der Auffassung, bei der mangelnden Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen nach § 26 Mediengesetz handle es sich um ein branchenweites Problem, sodass es "nicht sinnvoll wäre, Einzelfälle herauszugreifen" (mehr dazu hier). Nunmehr hat dieser Rat - aus eigener Initiative! - gerade einen solchen Einzelfall herausgegriffen, und zwar eine "ungekennzeichnete 32-Seiten-Beilage vor der Wien-Wahl" in der "Krone bunt". Dabei handelte es sich nach der Beurteilung dieses Rats um eine bezahlte Kooperation; beteiligt waren - so die Pressemitteilung - "Erste Bank Group, Austrian Airlines, A1 Telekom, Siemens,Vienna Insurance Group, PORR, Flughafen Wien, Signa Holding, REWE Österreich, Austria Trend Hotels (Ruefa, Verkehrsbüro), Wiener Städtische und Donau Versicherung. Für die Umsetzung/Koordination des Projekts zeichnet Chefredakteur Dr. Christoph Dichand, unterstützt von Wolfgang Rosam Change Communications, verantwortlich."

Nun könnte man meinen, dass sich eine Selbstkontrolleinrichtung wie der PR-Ethik-Rat auf das einzige PR-Unternehmen in dieser Aufzählung stürzen würde; immerhin ist Wolfgang Rosam von der Wolfgang Rosam Change Communications prominentes Mitglied des PRVA, eines Gründerverbands des PR-Ethik-Rats.

Was aber macht der PR-Ethik-Rat? Er erklärt zunächst einmal, dass sich "seine Ratssprüche nicht nur auf Mitglieder der drei Berufsverbände der PR-Branche beschränken, sondern das gesamte Feld der Kommunikation von Unternehmen, Institutionen oder anderen Organisationen wie z. B. Medien einbeziehen", und kommt dann zu folgendem Ergebnis:
"Der Österreichische Ethik-Rat für Public Relations stellt fest, dass die Medieninhaberin der 'Krone bunt' und Dr. Christoph Dichand als für die Umsetzung Verantwortlicher die Bestimmungen des Mediengesetzes über die Kennzeichnungspflicht entgeltlicher Veröffentlichungen missachtet haben. Der Österreichische Ethik-Rat für Public Relations spricht deshalb gegen die Medieninhaberin der 'Krone bunt' und Dr. Christoph Dichand eine öffentliche Rüge aus."
Festgestellt wird also keine Verletzung von irgendwelchen Berufsstandards ("Ethikkodizes") der PR-Branche durch "PR-Fachleute", sondern die Verletzung des Mediengesetzes durch eine Zeitung.

Das PR-Unternehmen wird in der Rüge kein weiteres Mal genannt und es gibt auch keine näheren Feststellungen zu seiner konkreten Rolle; insbesondere erfährt man weder, ob es von der mangelnden Kennzeichnung im Vorhinein gewusst hat (immerhin geht der PR-Ethik-Rat davon aus, "dass bezahlte Produkte wie die gegenständliche Beilage allen Beteiligten vor Drucklegung zur Freigabe vorgelegt werden"), oder ob es gegenüber dem PR-Ethik-Rat Stellung genommen hat. Allzu ehrfürchtig gegenüber diesem Rat dürften die betroffenen Unternehmen jedenfalls nicht gewesen sein: von den zwölf genannten weiteren Unternehmen haben sich gleich acht nicht einmal geäußert, auch Dr. Christof Dichand hat - "trotz wiederholten Ersuchens" - keine Stellungnahme abgegeben (ob die Medieninhaberin von "Krone bunt" sich geäußert hat, wird nicht erwähnt).

Den "beteiligten Unternehmen und PR-Verantwortlichen" gegenüber erfolgte keine Rüge (auch wenn  manche von ihnen Mitglieder eines weiteren Gründungsverbands des PR-Ethik-Rats sind; zumindest scheinen Erste Bank, "Telekom Austria AG", Wiener Städtische Allgemeine Versicherung AG und Österreichische Verkehrsbüro AG als Mitglieder auf der Website des VIKOM auf). Stattdessen werden diese Unternehmen allgemein ermahnt, "ihre Verantwortung wahrzunehmen", was auch immer damit gemeint sein soll (für die Kennzeichnung entgeltlicher Kooperationen zu sorgen? Aber wenn das eine Berufspflicht sein sollte, warum gab es dann keine Rüge, wo doch das Druckwerk laut PR-Ethik-Rat zur Freigabe vorgelegt worden war?).

Was ergibt sich nun aus der "Rüge" des PR-Ethik-Rats? Erstens keine Information darüber, ob das einzig beteiligte PR-Unternehmen nach Auffassung des PR-Ethik-Rats gegen seine Berufspflichten verstoßen hat oder nicht. Zweitens, dass der PR-Ethik-Rat nicht einmal so viel Respekt gebieten kann, dass ihm von einer Mehrheit der beteiligten Unternehmen geantwortet würde. Und drittens schließlich, dass es allemal leichter ist, außenstehende Dritte zu rügen als wesentliche Mitglieder eines Trägerverbands.

Mit funktionierender Selbstregulierung oder Selbstkontrolle hat das allerdings nichts mehr zu tun.

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