- "MEDIADEM" (‘European Media Policies Revisited: Valuing & Reclaiming Free and Independent Media in Contemporary Democratic Systems’) ist ein auf drei Jahre angelegtes europäisches Forschungsprojekt, koordiniert von der griechischen Stiftung für europäische und internationale Politik und finanziert im 7. Rahmenprogramm der EU (näheres zum Projekt in diesem Folder). Die Forscher haben nun einen ersten Bericht vorgelegt, in dem die Medienpolitik und -regulierung in ausgewählten europäischen Staaten (Belgien, Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien, Rumänien, Slowakei, Spanien, Türkei und Vereinigtes Königreich beschrieben wird; abgeschlossen wird der Bericht auch von einem knappen Kapitel zur EU und zum Europarat (Media policies and regulatory practices in a selected set of European countries, the EU and the Council of Europe). Als Überblick über diese Länder scheint dieser Bericht auf den ersten Blick recht brauchbar, als große wissenschaftliche Leistung ist er wohl auch noch nicht gedacht. Auch sieht man dem Bericht den Zeitdruck, unter dem er offenbar entstanden ist, recht deutlich an (nicht nur in den falsch geschriebenen Namen so mancher Bekannter im Literaturverzeichnis, zB Alison Harcourt [nicht Hartcourt], Dragana Damjanovic [nicht: Dramajanovic] oder Michael Holoubek [nicht Holoubeck]). Dennoch: schade, dass Österreich nicht vertreten ist! Update 03.11.2010: nun wurde auch noch etwas Theorie nachgeschoben, mit einem Titel, der auf der Umschalgseite schon über sechs Zeilen geht: "The formation and implementation of national media policies in Europe and their relationship to democratic society and media freedom and independence: A theoretical and analytical frame for the MEDIADEM project"
- Frank Pasquale: Beyond Innovation and Competition: The Need for Qualified Transparency in Internet Intermediaries. Pasquale untersucht nicht nur klassische Internetprovider, sondern beschäftigt sich insbesondere auch mit dominanten Suchmaschinenbetreibern, die er ebenfalls zu den "intermediaries" zählt und für die er Transparenzregeln einfordert. "Dominant search engines and ISPs are the critical infrastructure for contemporary culture and politics. As these dominant intermediaries have gained more information about their users, they have shrouded their own business practices in secrecy. Internet policy needs to address the resulting asymmetry of knowledge and power."
- Die ACLU (American Civil Liberties Union) hat ein Policy Document zur Netzneutralität veröffentlicht: Network Neutrality 101: Why The Government Must Act To Preserve The Free And Open Internet, mit klassisch amerikanischem Pathos: "Internet access is not just any business; it involves the sacred role of making available to citizens a forum for speech and self-expression."
- Die FCC hat eine Seite für die Papers ihrer Mitarbeiter eingerichtet, die bisher eher verstreut zu finden waren. Neu veröffentlicht wurde (u.a.) "Transformative Choices: A Review of 70 Years of FCC Decisions" von Sherille Ismail, eine knappe und illustrative Einführung in wesentliche Weichenstellungen der US-Regulierungsgeschichte.
- Wie man schlechte - weil zu detailverliebte - Gesetze macht, zeigt Chris Reed: How to Make Bad Law: Lessons from the Computing and Communications Sector
- Mit der Frage nach der Qualität der richterlichen Überprüfung von Entscheidungen der Europäischen Kommission in Wettbewerbssachen beschäftigen sich - erwartungsgemäß durchaus kritisch - Damien Gerardin / Nicolas Petit: Judicial Review in European Union Competition Law: A Quantitative and Qualitative Assessment
- Ebenfalls zum Wettbewerbsrecht, Kommissionsvizepräsident Joaquín Almunia sprach am European Competition Day am 21.10.2010 in seiner Rede "Competition Policy: State of Play and Future Outlook" u.a. Folgendes "Our goals include
- Keeping digital platforms as open as possible;
- Having operators respect the net-neutrality principle, and
- Strengthening the digital single market in Europe; including for content.
In general, I believe that competition rules apply to the digital economy just as they do to any other industry. If anything, they are even more crucial, because the digital sector holds out the promise to bring a new impetus to our economy – and for this reason the Digital Agenda is a priority of our Europe 2020 strategy." - Die Mitteilung der Kommission zur "Digitalen Agenda" (erwähnt schon hier) ist mittlerweile in einer korrigierten Fassung erschienen: Mitteilung der Kommission vom 26.08.2010, Eine Digitale Agenda für Europa, KOM(2010) 245 endgültig//2 (korrigierte Version) - wirklich besser wäre meines Erachtens allerdings eine Version, aus der man all die heiße Luft der PR- und Consulter-Sprache herausgelassen hätte; das wäre dann um mindestens die Hälfte kürzer und zugleich mindestens doppelt so gut lesbar.
- Die Präsentationen vom RTR-Regulierungsworkshop (Telekom) vom 28.10.2010 zeigen u.a. einen Ausblick auf die zu erwartenden Aktivitäten der Telekom-Regulierungsbehörden in Österreich im kommenden Jahr (Präsentation Serentschy), einschließlich der Tätigkeit als Geschäftsstelle des sogenannten "Kompetenzzentrums Internetgesellschaft" (wozu ich an anderer Stelle etwas angemerkt habe). Aus rechtlicher Hinsicht interessant ist natürlich besonders, welche Änderunegen sich im Zuge der Umsetzung der neuen Richtlinien geben, die bis 25. Mai 2011 erfolgen sollte; darauf geht die Präsentation von Wolfgang Feiel ein. Hervorhebenswert ist, dass zum Zweck der Verfahrensstraffung eine Zusammenführung von Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren (und damit der Wegfall der TKMV) geplant ist.
- Noch ein kurzer Blick zur Medienselbstregulierung:
- der deutsche Presserat berichtete in seiner Jahrespressekonferenz vom 28.10.2010 über "Bereits 1500 Beschwerden: Sensibilität der Leser wächst"
- der Schweizer Presserat veröffentlichte eine Stellungnahme zum Thema Internet und Privatsphäre
- der österreichische Presserat ... ist jedenfalls noch immer nicht erkennbar tätig; die Website ist seit über einem Monat "demnächst online"; allerdings gibt es mittlerweile azuch schon seit einiger Zeit die Statuten und die Verfahrensordnung auf der VÖZ-Website, worauf mich ein Blogleser dankenswerter Weise aufmerksam gemacht hat.
- Und weil ich im Mai schon einmal auf eine Entscheidung des Supreme Court of Canada (SCC) zum Redaktionsgeheimnis in Kanada aufmerksam gemacht habe (hier), damals in einem Strafverfahren, weise ich der Vollständigkeit halber nun auch auf eine aktuelle Entscheidung in einem Zivilverfahren hin: in einem Urteil von 22. 10.2010, Globe and Mail v. Canada, 2010 SCC 41, kommt der SCC - ähnlich wie auch in der Strafsache R. v. National Post zum Ergebnis, dass es in Kanada zwar kein generelles, am Jornalistenstatus ansetzendes Redaktionsgeheimnis gibt, woohl aber ein "case-by-case privilege", die an den sogenannten "Wigmore criteria" ansetzen:
"There is no basis for recognizing a class-based constitutional or quasi-constitutional journalist-source privilege under either the Canadian Charter or the Quebec Charter. For reasons set out in R. v. National Post, 2010 SCC 16, [2010] 1 S.C.R. 477, and in particular the difficulty in defining such a heterogenous and ill-defined group of writers and speakers with the necessary degree of certainty, freedom of expression under the Canadian Charter and the Quebec Charter cannot constitute the basis for recognizing journalist-source privilege. ...
...to require a journalist to answer questions in a judicial proceeding that may disclose the identity of a confidential source, the requesting party must demonstrate first that the questions are relevant. If the questions are relevant, the court must then consider the four Wigmore factors: (1) the relationship must originate in a confidence that the source’s identity will not be disclosed; (2) anonymity must be essential to the relationship in which the communication arises; (3) the relationship must be one that should be sedulously fostered in the public interest; and (4) the public interest served by protecting the identity of the informant must outweigh the public interest in getting at the truth. At the crucial fourth Wigmore factor, the court must balance the importance of disclosure to the administration of justice, against the public interest in maintaining journalist-source confidentiality. This balancing must be conducted in a context specific manner, having regard to the particular demand for disclosure at issue. The considerations relevant at the fourth Wigmore stage include: the stage of the proceeding when a claim of privilege is raised; the centrality of the issue to the dispute; whether the journalist is a party to the litigation, or simply a witness; whether the facts, information or testimony are available by any other means; the degree of public importance the journalist’s story; and whether the story has been published and therefore already in the public domain."
Tuesday, November 02, 2010
Vermischte Lesehinweise (19), u.a.: Media policies in selected European countries
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