In Belgien, konkret in der Region Brüssel, hatte der nationale Gesetzgeber Verpflichtungen vorgesehen, nach denen sowohl flämisch- als auch französischsprachige Programme übertragen werden mussten. In der Vorabentscheidungssache stand nun die Frage im Zentrum, ob die Must-Carry Verpflichtungen eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art 89 EG-Vertrag sind und gegebenenfalls, ob sie dennoch gerechtfertigt werden können.
Dass eine Beschränkung vorliegt, war für den Generalanwalt klar: jedenfalls de facto "ist die Wahrscheinlichkeit, als Anstalt, deren Programme Gegenstand der Übertragungspflicht sind, anerkannt zu werden, für ausländische Rundfunkanstalten auf alle Fälle geringer als für inländische." Die Must-Carry Verpflichtung stellt daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
In der konkreten Situation Brüssels mit der gegebenen Zweisprachigkeit sind nach Ansicht des Generalanwalts "die Bestimmungen über die Übertragungspflicht ein geeignetes Mittel, um sicherzustellen, dass den Fernsehzuschauern in einem bestimmten Gebiet in ihrer eigenen Sprache lokale und überregionale Informationen sowie Programme zur Förderung ihres kulturellen Erbes zugänglich sind."
Fraglich bleibt aber die Verhältnismäßigkeit: dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts, unter anderem wird dabei nach Ansicht des Generalanwalts aber jedenfalls zu prüfen sein,
"ob unter Berücksichtigung der Anzahl der insgesamt zur Verfügung stehenden Kanäle die Anzahl der Kanäle, die für die durch die Übertragungspflicht begünstigten Rundfunkanstalten reserviert werden müssen, nicht offensichtlich größer ist, als zur Erreichung des Ziels, den Pluralismus zu erhalten sowie lokale und überregionale Informationen zugänglich zu machen, erforderlich ist. Insoweit hat sich das vorlegende Gericht zu vergewissern, dass die Übertragungspflicht nicht unterschiedslos allen Sendern einer bestimmten Rundfunkanstalt zugutekommt, sondern nur denjenigen, die auch tatsächlich zur Erreichung des genannten Ziels beitragen."
Die vom Generalanwalt für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit aufgestellten Leitgedanken ziehen sich, wie er in RNr 19 ausdrücklich anmerkt, auch durch die Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG. Insbesondere für die deutschen Kabelbelegungssysteme - derzeit Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichts Hannover, C-336/07 Kabel Deutschland - dürfte unter den vom Generalanwalt aufgezeigten Gesichtspunkten eng werden. Auch die österreichische must-carry Bestimmung (§ 20 PrTV-G, siehe nun auch § 25a Abs 5 Z 6 PrTV-G) wäre zumindest im Fall einer Ausweitung des Programmangebots des ORF, dessen Programme jedenfalls zu verbreiten sind, zu überprüfen.
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