Friday, February 29, 2008
Linz Calling: Der lange Schatten der VOEST und die kurze Erinnerung des Magistrats
Andererseits erfolgt (wieder einmal) eine Anpassung der Verordnung an eine Wirklichkeit, die sich der Normativität der Verordnung offenbar hinhaltender als angenommen widersetzt. So ist es auch mehr als zehn Jahre seit der Liberalisierung und der erstmaligen Festlegung des Nummerierungsplanes in Verordnungsform (NVO BGBl II 1997/416) offenbar noch immer nicht möglich, die Notrufnummern 128 (Gasgebrechen) und 141 (Ärztenotdienst) in allen Bundesländern der Verordnung entsprechend umzusetzen (bei 128 fehlen die Bundesländer Wien und Tirol, bei 141 nur Wien), sodass die Frist zur Nutzung ohne bescheidmäßige Zuteilung nocheinmal - diesmal bis 30.9.2008 - verlängert wurde.
Und auch die alternative Vorwahl für Linz (070 statt 0732) erhält noch eine weitere Gnadenfrist - diesmal gleich bis 12. Mai 2014! Historisch ist diese zweite Vorwahl ein Vermächtnis der alten VÖEST (nun: voestalpine AG). Der weltweit tätige Stahlkonzern hatte nämlich in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Problem, dass die dreistellige Ortsvorwahl, verbunden mit fünfstelligen Nebenstellen-Nummern dazu führte, dass von vielen ausländischen Anrufern nicht zu den Nebenstellen durchgewählt werden konnte. Mit der "Verkürzung" der Vorwahl (070 statt 0732) konnte erreicht werden, dass die nach damaligen ITU-Spezifikationen zu transportierende Mindestlänge von 12 Stellen einer Rufnummer auch bei der Durchwahl zu Nebenstellen nicht überschritten wurde. Ein klassischer work-around, der seine Berechtigung längst verloren hat (nicht nur, weil die voestalpine AG mittlerweile über eine private Netzwerknummer (050 304) erreichbar ist).
Aber alte Gewohnheiten sind eben schwer veränderbar - überhaupt, wenn die Stadt Linz selbst noch im Jahr 2002 (als die 070 nicht mehr rechtlich zulässig, aber praktisch geduldet war) offensiv zur Nutzung der 070 aufrief und auf den eigenen Mitteilungen und Aussendungen diese Nummer (passend zur Magistratsrufnummer 7070) verwendete (siehe die Presseaussendung des Magistrats der Stadt Linz vom 3. September 2002). Bemerkenswert ist, dass in der Stadt Linz die alternative Vorwahl 070 als "neue Vorwahl" betrachtet wurde, die sich erst jüngst - "in Zeiten des Mobilfunks" - zur altbekannten Nummer 0732 "gesellt" habe. Ein wenig mehr historisches Bewusstsein für die VÖEST hätte ich mir im Magistrat der Stadt Linz schon erwartet.
Update 18.3.2010: die Linz-Ausnahme ist in der KEM-V 2009 nun in § 127 zu finden; dass die Vorwahl 070 für Linz noch bis 12.5.2014 genutzt werden darf, heißt übrigens nicht, dass jeder Betreiber zu dieser Nummer eine Verbindung herstellen muss!
PS: Die Europäische Kommission hat zur 116er-Rufnummerngruppe übrigens ein sogenanntes "Fact Sheet" veröffentlicht, das dazu aufruft, eine 116er-Nummer zu wählen, wenn man Hilfe braucht ("Need help? Call a 116 number!"). Das ist ein ziemlich mutiger Rat, wenn man bedenkt, dass die Kommission selbst einräumt, dass in keinem Mitgliedstaat bislang eine 116er-Nummer operativ ist und in nur vier Staaten bis jetzt überhaupt eine Zuteilung erfolgt ist.
Saturday, February 23, 2008
Ski-Übertragungsrechte: alles rechtens, oder was?
"Der umstrittene Vertrag zwischen dem ORF und dem Österreichischen Skiverband ÖSV ist rechtens. Diese Entscheidung hat das Kartellgericht gefällt."
So leitete Gerald Groß gestern im ORF den Bericht in der Zeit im Bild ein. Aber welche Entscheidung hat das Kartellgericht wirklich gefällt? In der Aussendung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) klingt die Sache so:
"Nach umfangreichen Ermittlungen der BWB gelang es, die beiden Vertragsparteien ORF und ÖSV zu bestimmten Zusagen (Verpflichtungszusagen nach § 27 KartG) zu bewegen, die in einer mündlichen Verhandlung vor dem Kartellgericht am 18.2.2008 aufgrund eines von der BWB eingeleiteten Verfahrens für verbindlich erklärt wurden."
Nach § 26 KartG hat das Kartellgericht Zuwiderhandlungen gegen die im ersten Hauptstück enthaltenen Verbote (ua Kartellverbot, Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung) wirksam abzustellen und den beteiligten Unternehmern die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen. § 27 Abs 1 KartG lautet:
§ 27. (1) Statt der in § 26 vorgesehenen Abstellung kann das Kartellgericht Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmer und Unternehmervereinigungen für bindend erklären, wenn zu erwarten ist, dass diese Zusagen künftige Zuwiderhandlungen ausschließen. Durch diese Entscheidung wird das Verfahren beendet.
Die Entscheidung, dass der Vertrag zwischen ÖSV und ORF - ohne die nun abgegebenen Verpflichtungszusagen - rechtens war, wie der ZiB-Bericht behauptet, hat das Kartellgericht also jedenfalls nicht gefällt (die Verpflichtungszusagen des ÖSV und des ORF sind hier veröffentlicht). Der schon im ersten Satz des ZiB-Berichts erweckte Eindruck wurde im gesamten Bericht nicht richtiggestellt (hier ein Transkript des ganzen Beitrags).
Der ORF, Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter, hat nach § 10 Abs 5 ORF-Gesetz den Auftrag zur umfassenden, unabhängigen, unparteilichen und objektiven Information. In den Programmrichtlinien heißt es dazu:
"Objektiv berichtet jedenfalls, wer ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit zeichnet."
Thursday, February 21, 2008
EuGH zum Rechtsbehelf im Telekom-Marktanalyseverfahren (C-426/05 Tele2)
Art 4 der RahmenRL sieht vor, dass "jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist" die Möglichkeit haben muss, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einzulegen.
Wer aber ist von einer Entscheidung "betroffen"? Der österreichische Gesetzgeber hat in § 37 Abs 5 TKG 2003 die Parteistellung im Marktanalyseverfahren - aus der sich auch das Recht zur Beschwerdeerhebung vor dem Verwaltungsgerichthof ableitet - ausdrücklich nur jenem Unternehmen eingeräumt, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden.
Schon der Generalanwalt kam in seinen Schlussanträgen (siehe dazu auch hier) zum Ergebnis, dass der Kreis der von der Entscheidung über die Marktanalyse "Betroffenen" wohl weiter zu ziehen wäre. Nun hat sich der EuGH dieser Auffassung im Ergebnis angeschlossen. Hier die wörtliche Antwort auf die Vorlagefragen:
1. Der Begriff des Nutzers oder Anbieters, der im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG [...] „betroffen“ ist, sowie der Begriff der „betroffenen“ Partei im Sinne von Art. 16 Abs. 3 dieser Richtlinie sind so auszulegen, dass diese Begriffe nicht nur ein Unternehmen mit (vormals) beträchtlicher Marktmacht auf dem relevanten Markt, das einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde in einem Marktanalyseverfahren nach Art. 16 der Richtlinie 2002/21 unterliegt und Adressat dieser Entscheidung ist, sondern auch mit einem solchen Unternehmen in Wettbewerb stehende Nutzer und Anbieter erfassen, die zwar nicht selbst Adressaten dieser Entscheidung sind, aber durch diese in ihren Rechten beeinträchtigt sind.
2. Eine nationale Rechtsvorschrift, die in einem nichtstreitigen Marktanalyseverfahren nur Unternehmen mit (vormals) beträchtlicher Marktmacht auf dem relevanten Markt, denen gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden, die Stellung einer Partei zugesteht, verstößt im Grundsatz nicht gegen Art. 4 der Richtlinie 2002/21. Das vorlegende Gericht hat sich jedoch zu vergewissern, dass das innerstaatliche Verfahrensrecht den Schutz der Rechte, die mit einem Unternehmen mit (vormals) beträchtlicher Marktmacht auf dem relevanten Markt in Wettbewerb stehende Nutzer und Anbieter aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleiten, auf eine Weise gewährleistet, die nicht weniger günstig als im Fall vergleichbarer innerstaatlicher Rechte ist und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes, den diesen Nutzern und Anbietern Art. 4 der Richtlinie 2002/21 garantiert, nicht mindert.
PS: im Hinblick auf meine Mitwirkung als Richter im - nach Einlangen der Entscheidung des EuGH fortzusetzenden - Ausgangsverfahren enthalte ich mich jeder Kommentierung
Wednesday, February 20, 2008
Befreiende Wirkung: Mobilkom-Kunden nach Weißrussland?
Geht man davon aus, dass der Name des Unternehmens wirklich stimmt (auf der eigenen Website nennt sich die MDC "Mobile Digital Communication Private Unitary Service Enterprise"), dann verstößt diese Formulierung immerhin nicht gegen den Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 2 KSchG. Aber vielleicht muss man wieder einmal daran erinnern, dass § 6 KSchG eine indikative Liste ist: nicht alles, was dort nicht ausdrücklich als "nicht verbindlich" angeführt ist, muss deshalb schon wirksam und zulässig vereinbart werden können. Zumindest im Rahmen von § 879 Abs 3 ABGB muss ja auch noch die "Vertragsklausel-Richtlinie" 93/13/EWG beachtet werden, in deren (ebenfalls indikativer) Liste missbräuchlicher Klauseln auch solche angeführt sind, in denen"Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag können vollinhaltlich ohne Zustimmung des Kunden zwischen der mobilkom austria, ... Foreign private unitary enterprise MDC (Weißrußland) und mobilkom austria group services GmbH mit für den Übergeber schuldbefreiender Wirkung übertragen werden."
"die Möglichkeit vorgesehen wird, daß der Vertrag ohne Zustimmung des Verbrauchers vom Gewerbetreibenden abgetreten wird, wenn dies möglicherweise eine Verringerung der Sicherheiten für den Verbraucher bewirkt"
Und solange die Urteile Wiener Gerichte (an der Gerichtsstandsvereinbarung in § 32 der AGB der mobilkom wurde nichts geändert) in Minsk nicht in gleicher Weise zustellbar und vollstreckbar sind wie am Wiener Donaukanal, scheinen mir die "Sicherheiten" bei einer Abtretung an die weißrussische MDC doch eher geringer als bei der mobilkom austria AG.
PS: Nicht dass ich davon ausgehe, dass eine "schuldbefreiende Kundenabschiebung" nach Weißrussland unmittelbar bevorsteht - aber gerade deshalb stellt sich doch die Frage, wie man überhaupt auf so tolle Ideen für die Geschäftsbedingungen kommt. "Just Because I Can" scheint mir jedenfalls als Leitprinzip für die AGB-Erstellung nicht überzeugend.
Thursday, February 14, 2008
Wenn der Polizeinotruf im falschen Revier ankommt
Die Anfragebeantwortung durch Bundesminister Platter räumt ein, dass dies im Jahr 2007 vier mal vorgekommen sei. Wörtlich schreibt der Innenminister:
"Die Bediensteten des Landespolizeikommando Wien wurden im Dezember 2007 ein weiteres mal darauf hingewiesen, dass Anliegen von Parteien, insbesondere von Menschen in Notlagen, nicht an andere Dienststellen verwiesen werden dürfen und Erstmaßnahmen unverzüglich einzuleiten und entsprechend zu dokumentieren sind."Tatsächlich kann es natürlich vorkommen, dass ein in Niederösterreich nahe der Stadtgrenze zu Wien vom Mobiltelefon abgesetzter Notruf über eine Funkzelle in Wien geht und daher zur Wiener Leitstelle geroutet wird. Das ändert aber nichts daran, dass es sich um einen Notruf handelt und der Zuteilungsinhaber der Notrufnummer - sowohl für die 112 als auch die 133 der Bundesminister für Inneres - rasch "notrufadäquate" Maßnahme setzen muss. § 19 Abs 2 KEM-V sagt dazu:
"ein Verhalten, das keine der Notrufsituation adäquate Hilfe ermöglicht oder initiiert, ist nicht zulässig."Ebenfalls nicht zulässig ist es nach dieser Bestimmung, wenn die Notrufnummer mit Tonbandnachrichten oder ähnlichen automatischen Systemen belegt wird - aber das hatten wir schon hier (und das gibt es auch - weil am heutigen 14.2. auch der Telefonseelsorge mit der Notrufnummer 142 gedacht werden soll - hier [siehe die Statistik auf Seite 4 des Berichts]).
Tuesday, February 12, 2008
Schlecht informiert, aber es funktioniert: Notruf 112
Auch in Rumänien, Polen, Litauen und der Slowakei, gegen die Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Anruferlokalisierung bei der Nummer 112 laufen, fühlen sich die Menschen weit besser informiert als im Durchschnitt aller EU-Staaten (21%). In Österreich und Deutschland, wo die Kommission keine Probleme mit der '112' sieht, haben im letzten Jahr nur 17% (Ö) bzw. 8% (D) von der Nummer 112 gehört oder gelesen. Dafür funktioniert's, könnte man sagen. Aber der Schluss, dass die Menschen um so besser informiert sind, je weniger die Notrufnummer funktioniert, stimmt zumindest insofern nicht ganz, als die Niederlande und Italien, gegen die ebenfalls Vertragsverletzungsverfahren laufen, auch unterdurchschnittliche Informationswerte haben: die Niederlande liegen mit 16% knapp hinter Österreich, Italien liegt mit 7% knapp hinter Deutschland.
PS: Heute, am 12.2., könnte man in Österreich vielleicht den Tag der awareness für die Notrufnummer der Feuerwehrzentralen (122) begehen, und in zwei Tagen jenen für die Telefonseelsorge (142). Schwierig wird es nur für die Bergrettung, da sich deren Notrufnummer 140 jedenfalls im klassischen Kalender nicht ganz einfach abbilden lässt.
Friday, February 08, 2008
Notrufstatistik: wohin verschwinden 90% aller 147er-Notrufe?
Bemerkenswert an dieser Aufstellung ist nicht nur der ganz dramatische Rückgang von "Rat auf Draht"-Notrufen, von rund 4,9 Mio Anrufen im Jahr 2006 auf rund 2,7 Mio. Anrufe im Jahr 2007, sondern auch, dass von diesen Anrufen offenbar nur ein Bruchteil tatsächlich beim Notrufbetreiber angekommen ist: die vom ORF als Inhaber der Notrufnummer angegebenen Eckdaten weisen nämlich nur 205.662 Kontakte (und 131.354 Beratungsgespräche) aus. Nicht einmal ein Zehntel der über Mobilfunknetze abgesetzten Notrufe hätten damit zu einem Kontakt mit dem Notrufdienst geführt (und da sind die vom Festnetz kommenden Anrufe, die bei der Zielgruppe der Jugendlichen aber wohl wesentlich seltener als die Handyanrufe sein dürften, noch nicht berücksichtigt.)
Eine Erklärung für die Diskrepanz könnte auch in den Wartezeiten liegen. Laut Angaben von "Rat auf Draht" kann es nämlich "schon mal ... auch zu längeren Wartezeiten kommen", und es gibt sogar
"ein zweites Tonband. Dieses informiert dich, wenn die Warteschleife voll ist. Probier dann einfach ein bisschen später noch einmal durchzukommen."
In § 19 KEM-V heißt es aber (unter anderem):
"(1) Der Zuteilungsinhaber einer öffentlichen Kurzrufnummer für Notrufdienste hat sicherzustellen, dass ... der Notrufdienst 24 Stunden täglich erreichbar ist und so ausgestattet wird, dass bei der Entgegennahme von Rufen keine nennenswerten Wartezeiten auftreten.
(2) Die Belegung von öffentlichen Kurzrufnummern für Notrufdienste mit Tonbandnachrichten oder ähnlichen automatischen Systemen sowie ein Verhalten, das keine der Notrufsituation adäquate Hilfe ermöglicht oder initiiert, ist nicht zulässig."
Schade, dass offenbar keine ausreichenden Ressourcen bereitstehen, diesen Notrufdienst nach den Vorgaben der Verordnung zu erbringen.
Wednesday, February 06, 2008
Der Kaufmann vom Ballhausplatz: Wenn der Bundeskanzler den Zeitungspreis festsetzt
Das wären zwei schöne Prüfungsfragen an der Schnittstelle von Medien- und Staatsrecht:
- Welche Rechtsvorschrift verpflichtet den Bundeskanzler zur Beachtung kaufmännischer Grundsätze?
- Welches Medium unterliegt einer Preisregelung durch den Bundeskanzler?
In beiden Fällen findet sich die Antwort in § 7 Abs 2 des Staatsdruckereigesetzes 1996 (in der Fassung BGBl I 2001/47): Der Bundeskanzler hat demnach den Bezugspreis der Wiener Zeitung (und die Tarife für Veröffentlichungen im Amtsblatt) "nach kaufmännischen Grundsätzen und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festzusetzen."
Ob er demnächst wieder einmal nachrechnen muss? Die Auflage dieser laut Offenlegung stets das Interesse der Republik in den Vordergrund stellenden Zeitung (in der Praxis schaut das eher so, so oder so aus) scheint jedenfalls nicht gerade im Steigen zu sein. An der Auflagenkontrolle beteiligt sich das Blatt ja nicht, aber im Anzeigentarif lässt sich von 2007 auf 2008 zumindest eine Verringerung der Druckauflage um 10% ausmachen:
(so im Anzeigentarif 2007; das mit ÖAK-geprüft stimmte auch für den Samstag übrigens nicht)
(so im Anzeigentarif 2008)
Tatsächlich einer ÖAK-Kontrolle unterworfen ist das Wiener Journal (bzw. das, was die Wiener Zeitung aus dem früher respektablen, wenngleich mäßig erfolgreichen Wiener Journal gemacht hat). Dieses Supplement hatte im 3. Quartal 2007 laut ÖAK eine Druckauflage von 20.154 Stück, davon wurden 17.772 an "Trägerobjekte" geliefert (also in die Wiener Zeitung eingelegt). Die verbreitete Auflage der Wiener Zeitung wird also wohl kaum darüber liegen. Und die verkaufte Auflage schließlich machte zu Zeiten, als die Wiener Zeitung noch in der ÖAK vertreten war, nicht viel mehr als die Hälfte (56%) der Druckauflage aus (siehe hier den Wert aus 1999).
Angesichts dieser Bedeutung der Republikszeitung wird sich das Gedränge um die aktuell ausgeschriebene Geschäftsführerposition der Wiener Zeitung GmbH wohl in Grenzen halten. An der Ausschreibung, die für diese Funktion vor allem deren bisherige Innehabung "Bewährung in der kaufmännischen Leitung einer Tageszeitung oder eines vergleichbaren Printmediums mit Internetauftritt, ... "Bewährung in der Leitung des Aufbaus und des Betriebes von Unternehmen der 'new economy', ... Bewährung und fachliche Befähigung in der Leitung eines Druckereibetriebes" (und noch einiges mehr, worüber der gegenwärtige Geschäftsführer zufällig zu verfügen scheint) verlangt, kann es jedenfalls nicht liegen, falls sich nur ein geeigneter Interessent melden sollte. [Update 10.6.2008: welche Überraschung - der bisherige Geschäftsführer wurde wieder bestellt.]
PS: Die Wiener Zeitung, die übrigens der Ansicht ist, eine Qualitätszeitung zu sein (jedenfalls hat jemand unter der Staatsdruckerei-IP-Adresse 194.107.60.70 eine entsprechende Ergänzung im Wikipedia-Beitrag über die Presse angebracht), bietet auch eine Lehrredaktion an. Als Aufnahmetest ist (unter anderem) ein Kurzkommentar abzuliefern, unter der Überschrift "Ärgernisse, wohin man schaut" (1500 bis 2000 Anschläge) . Kein weiterer Kommentar.
Monday, February 04, 2008
Winterzeit im ORF: gut für Ihr Herz? Oder gut für Unilever?
Die einschlägige Kampagne von Margarine-Hersteller Unilever sieht nicht nur Eberharter-Testimonials in TV-Spots vor, sondern auch die Übernahme von Patronanzen für die ORF-Sendung "Winterzeit", wie einem Bericht in medianet zu entnehmen ist. Und außerdem?
„Außerdem wurde eine Kooperation mit ‚ORF‘-Winterzeit abgeschlossen, bei der das Thema Cholesterin über den Zeitraum von drei Wochen immer wieder redaktionell vorkommt und neben Stephan Eberharter auch die Diätologin vom Becel-Institut als Studiogäste über das Thema Herzgesundheit & Cholesterin aufklären werden“, erläutert Martin Grüner [Kampagnenverantwortlicher bei WWP Weirather-Wenzel & Partner].
BooCompany, die auf diesen Bericht aufmerksam gemacht haben, weisen darauf hin, dass Schleichwerbung für dieselbe Margarine schon einmal einem Mitarbeiter eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters den Job gekostet hat: Hagen Boßdorf von der ARD musste gehen. In der Diskussion hier ist eigentlich schon alles gesagt, samt einschlägigen Gesetzeszitaten, die ich mir damit sparen kann. Dass diese Form von "PR wie geschmiert" (nein, das ist kein dummes Wortspiel von mir, sondern der Titel der Pressemeldung der Unilever-Agentur) in Österreich irgendwelche Konsequenzen haben würde, ist eher nicht zu erwarten. Schließlich war das alles wohl nur ein Missverständnis und nie hat irgendjemand mit einem Sendungssponsor je eine Absprache über den Inhalt der Sendung getroffen.
Also alles in Butter? Sicher, denn immerhin ist - wohl im Sinne der vom ORF zu gewährleistenden Objektivität und Ausgewogenheit - eine "Zusammenarbeit mit dem ORF auf redaktioneller Basis in Form von Kooperationen und Patronanzen" auch mit der AMA (also sozusagen der Butterfraktion) schon für das Jahr 2005 dokumentiert (siehe hier) - und folgenlos geblieben.