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Monday, February 24, 2025

EU-Sanktionen gegen russische Medien - Update

Heute hat der Rat der EU weitere Sanktionen gegen russische staatsnahe Medien beschlossen (Beschluss (GASP) 2025/394 des Rates vom 24. Februar 2025 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ABl. L, 2025/394, 24.2.2025).  

Mit der Verordnung (EU) 2025/395 des Rates vom 24. Februar 2025 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. L, 2025/395, 24.2.2025) wird - vorbehaltlich eines bis 9. April 2025 vom Rat zu beschließenden Durchführungsrechtsakts - der Anhang XV der VO (EU) Nr. 833/2014 um folgende Organisationen ergänzt:

  • EADaily / Eurasia Daily
  • Fondsk
  • Lenta
  • NewsFront
  • RuBaltic
  • SouthFront
  • Strategic Culture Foundation
  • Krasnaya Zvezda / Tvzvezda

Wenn - was zu erwarten ist - der Rat diesen Durchführungsrechtsakt rechtzeitig beschießt, werden ab 9. April 2025 auch die von diesen Medienorganisationen erstellten Inhalte in der EU nicht mehr verbreitet werden dürfen, allfällige Rundfunklizenzen oder Verbreitungsvereinbarungen werden ausgesetzt und es ist dann auch nicht mehr erlaubt, in diesen Medien zu werben (siehe zum genauen Inhalt der Sanktionen Artikel 2f der VO (EU) Nr. 833/2014). 

Update 8.4.2025: Mit der heute im Amtsblatt veröffentlichten Durchführungsverordnung (EU) 2025/701 des Rates vom 7. April 2025 hat der Rat erwartungsgemäß ausgesprochen, dass die in Artikel 2f der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genannten Maßnahmen ab dem 9. April 2025 auf alle in Anhang V der Verordnung (EU) 2025/395 aufgeführten Organisationen Anwendung finden. Ebenso hat der Rat mit dem heute im Amtsblatt veröffentlichten Beschluss (GASP) 2025/700 des Rates vom 7. April 2025 ausgesprochen, dass die in Artikel 4g des Beschlusses 2014/512/GASP genannten Maßnahmen ab dem 9. April 2025 auf alle unter Nummer 3 des Anhangs des Beschlusses (GASP) 2025/394 aufgeführten Einrichtungen Anwendung finden.

Außerdem kommt Bewegung in die gerichtliche Auseinandersetzung über diese Sanktionen: das EuG wird am 26. März 2025 über die von niederländischen Internet Service-Betreibern eingebrachte Nichtigkeitsklage T-307/22 A2B Connect ua entscheiden (Update 26.03.2025: siehe dazu im Blog hier; zusammengefasst: das EuG hat die Nichtigkeitsklage der Provider abgewiesen). 

--- 

PS: was bisher geschah - meine bisherigen Blogbeiträge zu diesem Thema

PPS: die Gesamtliste der sanktionierten Medien 
  • RT — Russia Today English
  • RT — Russia Today UK
  • RT — Russia Today Germany
  • RT — Russia Today France
  • RT — Russia Today Spanish
  • Sputnik
  • Rossiya RTR / RTR Planeta
  • Rossiya 24 / Russia 24
  • TV Centre International
  • NTV/NTV Mir 
  • Rossiya 1 
  • REN TV 
  • Pervyi Kanal
  • RT Arabic
  • Sputnik Arabic
  • RT Balkan
  • Oriental Review
  • Tsargrad
  • New Eastern Outlook
  • Katehon
  • Voice of Europe
  • RIA Novosti
  • Izvestija
  • Rossiiskaja Gazeta
  • EADaily / Eurasia Daily
  • Fondsk
  • Lenta
  • NewsFront
  • RuBaltic
  • SouthFront
  • Strategic Culture Foundation
  • Krasnaya Zvezda / Tvzvezda


Friday, September 29, 2023

EU-Sanktionen gegen russische Medien - Update

Wieder mal ein kurzes Update zu den EU-Sanktionen betreffend russische staatsnahe Medien: 

Die erstmals mit Verordnung (EU) 2022/350 des Rates bzw. Beschluss (GASP) 2022/351 des Rates, jeweils vom 1. März 2022, zunächst befristet verhängten restriktiven Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Inhalten bestimmter russischer staatlicher bzw, staatsnaher Medien wurden seither mehrfach verlängert und auf weitere Medieninhalte ausgeweitet. Ich habe im Blog die Entwicklung dieser Sanktionsinstrumente mehrfach dokumentiert und verweise dazu auf die bisherigen Beiträge: 

Mit der heute kundgemachten Durchführungsverordnung (EU) 2023/2081 des Rates vom 28.  September 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren hat der Rat nun wie erwartet beschlossen, dass die in Artikel 2f der  Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genannten restriktiven Maßnahmen ab dem 1. Oktober 2023 auf alle in Anhang IV der Verordnung (EU) 2023/1214 aufgeführten Organisationen Anwendung finden.

Update 18.5.2024: mit der gestern kundgemachten Verordnung (EU) 2024/1428 des Rates vom 17. Mai 2024 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren wurde beschlossen, vier weitere Medien (Voice of Europe, RIA Novosti, Izvestija, Rossiiskaja Gazeta) in Anhang XV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufzunehmen, und zwar ab 25. Juni 2024, "sofern der Rat dies nach Prüfung der jeweiligen Fälle dieser Organisationen im Wege eines Durchführungsrechtsakts beschließt." Es ist anzunehmen, dass das nur ein formaler Akt sein wird (Update: am 24.06.2024 wurde die Durchführungsverordnung (EU) 2024/1776 des Rates, ABl. L, 2024/1776 vom 24.6.2024, kundgemacht), und dass daher ab 25. Juni 2024 (vorerst befristet bis zum 31. Juli 2024) Inhalte folgender "juristischer Personen, Organisationen und Einrichtungen" von den Sanktionen erfasst sind: 

  • RT — Russia Today English
  • RT — Russia Today UK
  • RT — Russia Today Germany
  • RT — Russia Today France
  • RT — Russia Today Spanish
  • Sputnik
  • Rossiya RTR / RTR Planeta
  • Rossiya 24 / Russia 24
  • TV Centre International
  • NTV/NTV Mir 
  • Rossiya 1 
  • REN TV 
  • Pervyi Kanal
  • RT Arabic
  • Sputnik Arabic
  • RT Balkan
  • Oriental Review
  • Tsargrad
  • New Eastern Outlook
  • Katehon
  • Voice of Europe
  • RIA Novosti
  • Izvestija
  • Rossiiskaja Gazeta

Nur zur Klarstellung (Näheres vor allem in meinem ersten ausführlichen Beitrag dazu): mit den Sanktionen werden nicht einfach "nur" - wie das oft verstanden wurde - die betroffenen Sender "verboten" (Rundfunklizenzen oder -genehmigungen, Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen werden ausgesetzt), sondern es wird allen Wirtschaftsakteuren ("Betreibern") untersagt, Inhalte der betroffenen Medien "zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen"; das betrifft insbesondere auch ISPs, aber zB auch App-Stores und viele mehr. Außerdem ist es verboten, in  den betroffenen Inhalten für Produkte oder Dienstleistungen zu werben. 

Die gerichtliche Bekämpfung der Sanktionen durch RT France ist vor dem EuG gescheitert (Urteil des EuG vom 27.07.2022, T-125/22 RT France / Rat). Nach der Insolvenz hat RT France - wohl um der Streichung der Verfahren zuvor zu kommen - das gegen dieses Urteil erhobene Rechtsmittel ebenso wie mehrere gegen die jeweiligen "Verlängerungs"-Verordnungen eingebrachte Klagen zurückgenommen. Damit bleibt nur mehr die von niederländischen Internetprovidern erhobene Nichtigkeitsklage T-307/22 A2B Connect ua beim EuG anhängig. Ein Verhandlungstermin wurde vom EuG noch nicht bekannt gegeben. 

Update 10.06.2024: Nun gibt es einen Termin für die Verhandlung vor dem EuG: 10. Juli 2024. Die Verhandlung findet vor der ersten erweiterten (d.h. mit fünf Richter:innen besetzten) Kammer statt. Das deutet darauf hin, dass die Klage wohl eher nicht als von vornherein unzulässig angesehen wird. [Ergänzung 22.07.2024: Einen Bericht zur Verhandlung findet man hier]

Update 23.06.2024: Die Kommission hat eine konsolidierte Fassung der FAQs zu den Sanktionen (letztes Update 14.05.2024) veröffentlicht, in der auch Fragen zu den Mediensanktionen beantwortet werden.

Saturday, April 08, 2023

Sanktionen gegen russische Staatsmedien - zum aktuellen Stand nach der Insolvenz von RT France

tl;dr: RT France ist insolvent. Die von RT France beim EuG bzw. EuGH anhängig gemachten Verfahren zur Nichtigerklärung der Sanktionen werden daher voraussichtlich ohne weitere Entscheidung in der Sache eingestellt werden. Wann das EuG über die von niederländischen ISPs eingebrachte Nichtigkeitsklage entscheiden wird, ist noch offen.

Die Sanktionen wurden zuletzt mit Wirkung vom 10. April 2023 ausgeweitet und bleiben (vorerst) bis 31. Juli 2023 in Kraft.

Update 02.07.2023: Mit Beschluss (GASP) 2023/1217 des Rates vom 23. Juni 2023 bzw. mit Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 wurden der Beschluss 2014/512/GASP bzw. die VO (EU) Nr. 833/2014 jeweils dahingehend geändert, dass auch Inhalte folgender "juristischer Personen, Organisationen und Einrichtungen" von den Sanktionen erfasst sein sollen, und zwar ab 01.10.2023, "sofern der Rat dies nach Prüfung der betreffenden Fälle einstimmig beschließt" bzw. "sofern der Rat nach Prüfung der betreffenden Fälle dies im Wege eines Durchführungsrechtsakts beschließt"; die entsprechende Mitteilung an die betroffenen Einrichtungen ist bereits ergangen)

  • RT Balkan
  • Oriental Review
  • Tsargrad
  • New Eastern Outlook
  • Katehon

Was bisher geschah

Ich habe mich in diesem Blog (und anderswo) schon mehrfach mit den vom Rat der Europäischen Union nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 verhängten Sanktionen befasst, soweit sich diese (erstmals) auch gegen die Verbreitung bestimmter Medieninhalte innerhalb der EU richteten. Zur Übersicht vorweg Links zu den bisherigen Beiträgen:

Von den Sanktionen betroffene Medieninhalte

Die Sanktionen betrafen zunächst die englisch-, deutsch-, französisch- und spanischsprachigen Inhalte von RT (Russia Today) und die Inhalte von Sputnik. Sie wurden in der Folge mehrfach verlängert und auf andere Inhalte russischer Staatsmedien ausgedehnt. Ab übermorgen, 10. April 2023 (und vorerst befristet bis 31. Juli 2023; Update 21.07.2023: nach dem heute veröffentlichten Beschluss (GASP) 2023/1517 des Rates verlängert bis zum 31. Jänner 2024) sind Inhalte folgender "juristischer Personen, Organisationen und Einrichtungen" von den Sanktionen erfasst: 

  • RT — Russia Today English
  • RT — Russia Today UK
  • RT — Russia Today Germany
  • RT — Russia Today France
  • RT — Russia Today Spanish
  • Sputnik
  • Rossiya RTR / RTR Planeta
  • Rossiya 24 / Russia 24
  • TV Centre International
  • NTV/NTV Mir 
  • Rossiya 1 
  • REN TV 
  • Pervyi Kanal
  • RT Arabic
  • Sputnik Arabic

Nichtigkeitsklagen von RT France

Die Sanktionen wurden gerichtlich von RT France bekämpft, wobei RT France in erster Instanz unterlag (Urteil des EuG vom 27.07.2022, T-125/22 RT France / Rat). Gegen dieses Urteil hat RT France Rechtsmittel an den EuGH erhoben, das Verfahren ist noch zu C-620/22 P anhängig. Zudem hat RT France auch die jeweiligen Rechtsakte, mit denen die Sanktionen verlängert wurden, mit Klage beim EuG bekämpft; diese Verfahren sind noch anhängig (T-605/22 RT France / RatT-75/23 RT France / Rat und T-169/23 RT France / Rat). 

Update 21.07.2023: die Klagen zu T-605/22, T-75/23 und T-169/23 wurden von RT France jeweils zurückgezogen, die Verfahren mit Beschlüssen des EuG daher aus dem Register gestrichen.

Update 14.08.2023: das Rechtsmittel von RT France gegen das Urteil des EuG vom 27.07.2022, Ta-125/22 RT France / Rat wurde zurückgezogen. Der EuGH hat das Verfahren in der Rechtssache C-620/22 P daher mit Beschluss vom 28.07.2023 aus dem Register gestrichen.

Insolvenz von RT France

Nun ist RT France laut Medienberichten (die auch auf ein entsprechendes Statement der Geschäftsführerin von RT France auf Twitter verweisen) endgültig insolvent. Damit stellt sich die Frage, was mit den beim EuGH bzw. beim EuG anhängigen Verfahren passiert. 

Nach der Rechtsprechung des EuG muss das Rechtsschutzinteresse der Klägerin bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen; im Fall der Liquidation des Unternehmens wegen Insolvenz - wenn das Unternehmen keine "werbende Geschäftstätigkeit" mehr ausüben kann - fällt dieses Rechtsschutzinteresse allerdings weg. Dies gilt auch dann, wenn das (insolvente) Unternehmen eine Haftungsklage gegen die Gemeinschaft nach einer Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung anstrebt; diesbezüglich hat das EuG ausgesprochen, dass die Schadensersatzklage im Vertrag als selbständiger Rechtsbehelf vorgesehen ist und dass eine solche Klage somit parallel zu einer Nichtigkeitsklage erhoben werden kann (EuG 19.06.2009, T-269/03, Socratec). Meines Erachtens spricht somit viel dafür, dass RT France mit Eintritt der Insolvenz das Rechtsschutzinteresse verloren hat und die Verfahren daher als erledigt eingestellt werden. (Update 14.08.2023: RT France ist der Einstellung durch Zurückziehung des Rechtsmittels zuvorgekommen; das Verfahren wurde daher mit Beschluss vom 28.07.2023 aus dem Register gestrichen).

Nichtigkeitsklage niederländischer ISPs

Allerdings ist noch ein weiteres Verfahren gegen die Sanktionen beim EuG anhängig, nämlich die von niederländischen Internetprovidern erhobene (und von der niederländischen Journalistenvereinigung NVJ unterstützte!) Nichtigkeitsklage T-307/22 A2B Connect ua. Zwar ist in einer Pressemitteilung des NVJ die Rede davon, dass im September 2022 eine zweite Klage eingebracht worden sei, tatsächlich dürfte aber bloß die zu T-307/22 anhängige Klage ergänzt worden sein (in diesem Sinn auch die Information auf der Website der sogenannten Freedom of Information Coalition, die das Verfahren ebenfalls unterstützt). Ein Verhandlungstermin wurde vom EuG noch nicht bekannt gegeben. 

Monday, January 30, 2023

Weiteres Update zu den EU-Sanktionen gegen russische Staatsmedien

Ab 1. Februar 2023 treffen die Sanktionen gegen russische Staatsmedien auch NTV/NTV Mir, Rossiya 1, REN TV und Pervyi Kanal. 

"Sendeverbot" für RT und Sputnik

Am 1. März 2022 hat der Rat der Europäischen Union restriktive Maßnahmen ("Sanktionen") gegen bestimmte Medienunternehmen verhängt, die vom russischen Staat kontrolliert werden. Diese Sanktionen gingen über das bis dahin übliche Sanktionsregime deutlich hinaus, und umfassten ein de facto Sende- und Verbreitungsverbot der von diesen Medien hergestellten Inhalte im Raum der EU. Mit der Reichweite dieser - ihrer Art nach vollkommen neuen - restriktiven Maßnahmen habe ich mich noch im März letzten Jahres hier im Blog (und hier auf dem Verfassungsblog) eingehend beschäftigt (siehe auch ein ausführliches Gespräch, das Prof. Nikolaus Forgó mit mir zu diesem Thema führte, als Folge 279 des Ars Boni Video-Podcast auf YouTube). 

Erste Erweiterung der Sanktionen 

Die - befristet verhängten - Sanktionen wurden inzwischen mehrfach verlängert, zuletzt bis 31. Juli 2023. Vor allem aber wurden die gegen die Verbreitung bestimmter Medieninhalte gerichteten Sanktionen auch inhaltlich erweitert und auf weitere Medienkanäle ausgedehnt; siehe dazu diesen Beitrag im Blog.

Gerichtsverfahren

Daneben sind die Sanktionen auch Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen: die Nichtigkeitsklage von RT France wurde vom EuG bereits abgewiesen, das Rechtsmittel von RT France ist zu C-620/22 P beim EuGH anhängig (zum EuG-Urteil siehe im Blog näher hier; update 14.08.2023: das Verfahren vor dem EuGH wurde nach Zurückziehung des Rechtsmittels durch RT France mit Beschluss vom 28.07.2023 aus dem Register gestrichen). Eine weitere Nichtigkeitsklage, die von niederländischen ISPs initiiert wurde, ist noch beim EuG anhängig (T-307/22, A2B Connect u.a./Rat,).  

Zweite Erweiterung der Sanktionen

Mit dem neunten Sanktionspaket wurde im Dezember 2022 auch eine weitere Ausdehnung der Sanktionen gegen die Verbreitung von Inhalten staatlich kontrollierter russischer Medien beschlossen. Demnach sollten auch 

  • NTV/NTV Mir 
  • Rossiya 1 
  • REN TV 
  • Pervyi Kanal 

von den Sanktionen betroffen sein. Rechtlich erfolgte die Ausweitung der Sanktionen durch den Beschluss (GASP) 2022/2478 des Rates vom 16. Dezember 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl L 322 I/614 vom 16. Dezember 2022) und die Verordnung (EU) 2022/2474 des Rates vom 16. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl L 322 I/1 vom 16. Dezember 2022). In beiden Rechtsakten wurde festgehalten, dass die Änderungen des jeweiligen Anhangs, in dem die betroffenen Medien aufgelistet sind, erst ab dem 1. Februar 2023 gelten, "sofern der Rat nach Prüfung der betreffenden Fälle dies im Wege eines Durchführungsrechtsakts einstimmig beschließt" (Beschluss (GASP) 2022/2478) bzw. "vorausgesetzt der Rat beschließt dies nach Prüfung der betreffenden Fälle im Wege eines Durchführungsrechtsakts" (VO (EU) 2022/2474). 

Diese Durchführungsrechtsakte wurden nunmehr beschlossen und heute, am 30. Jänner 2023 kundgemacht: 

  • Beschluss (GASP) 2023/190 des Rates vom 27. Januar 2023 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl L 26/43 vom 30. Jänner 2023
  • Durchführungsverordnung (EU) 2023/180 des Rates vom 27. Januar 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2474 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl L 26/1 vom 30. Jänner 2023)

Update (09.03.2023):

Mit dem zehnten Sanktionspaket wurden die Sanktionen gegen staatlich kontrollierte russische Medien neuerlich erweitert und auf "RT Arabic" und "Sputnik Arabic" ausgeweitet. Rechtlich erfolgte die Ausweitung der Sanktionen durch den Beschluss (GASP) 2023/434 des Rates vom 25. Februar 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. L 59I vom 25.2.2023, S. 593) und die Verordnung (EU) 2023/427 des Rates vom 25. Februar 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. L 59I vom 25.2.2023, S. 6). In beiden Rechtsakten wurde festgehalten, dass die Änderungen des jeweiligen Anhangs, in dem die betroffenen Medien aufgelistet sind, erst ab dem 10. April 2023 gelten, "sofern der Rat nach Prüfung der betreffenden Fälle dies im Wege eines Durchführungsrechtsakts beschließt." (Die Mitteilung an "RT Arabic" und "Sputnik Arabic" ist im ABl. C 70I vom 27.2.2023, S. 12, veröffentlicht).

Update (03.04.2023):

Der Beschluss (GASP) 2023/728 des Rates vom 31. März 2023 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren wurde am 3. April 2023 im Amtsblatt veröffentlicht (ABl. L 94 vom 3.4.2023, S. 65). 
Die Durchführungsverordnung (EU) 2023/722 des Rates vom 31. März 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2023/427 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren wurde am 3. April 2023 im Amtsblatt veröffentlicht (ABl. L 94 vom 3.4.2023, S. 19). Eine Mitteilung an "RT Arabic" und "Sputnik Arabic" wurde ebenfalls am 3. April veröffentlicht (ABl. C 120 vom 3.4.2023, S. 2).
Damit treffen die Sanktionen ab 10. April auch "RT Arabic" und "Sputnik Arabic".

Aktueller Text der Rechtsvorschriften 

Mit Stand 10. April 2023 gelten daher folgende Sanktionen gegen Medien, die vom russischen Staat kontrolliert werden (konsolidierter Text, ohne Gewähr): 

1. Nach dem Beschluss 2014/512/GASP des Rates in der zum 10. April 2023 geltenden Fassung:

Artikel 4g

(1)   Es ist den Betreibern verboten, Inhalte durch die in Anhang IX aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen, auch durch die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdienstleister, Internet-Video-Sharing-Plattformen oder -Anwendungen, unabhängig davon, ob sie neu oder vorinstalliert sind.

(2)   Alle Rundfunklizenzen oder -genehmigungen, Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen mit den in Anhang IX aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen werden ausgesetzt.

(3)   Es ist verboten, in Inhalten, die von den in Anhang IX aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen erstellt oder gesendet werden, für Produkte oder Dienstleistungen zu werben, einschließlich durch Übertragung oder Verbreitung mittels der in Absatz 1 genannten Möglichkeiten.

...

Artikel 9

Dieser Beschluss gilt bis zum 31. Juli 2023.

...

ANHANG IX

LISTE DER JURISTISCHEN PERSONEN, ORGANISATIONEN UND EINRICHTUNGEN NACH ARTIKEL 4g

RT — Russia Today English
RT — Russia Today UK
RT — Russia Today Germany
RT — Russia Today France
RT — Russia Today Spanish
Sputnik
Rossiya RTR / RTR Planeta
Rossiya 24 / Russia 24
TV Centre International
NTV/NTV Mir 
Rossiya 1 
REN TV 
Pervyi Kanal
RT Arabic
Sputnik Arabic


2. Nach der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates in der zum 10. April 2023 geltenden Fassung:

Artikel 2f

(1)   Es ist den Betreibern verboten, Inhalte durch die in Anhang XV aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen, auch durch die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdienstleister, Internet-Video-Sharing-Plattformen oder -Anwendungen, unabhängig davon, ob sie neu oder vorinstalliert sind.

(2)   Alle Rundfunklizenzen oder -genehmigungen, Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen mit den in Anhang XV aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen werden ausgesetzt.

(3)   Es ist verboten, in Inhalten, die von den in Anhang XV aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen erstellt oder gesendet werden, für Produkte oder Dienstleistungen zu werben, einschließlich durch Übertragung oder Verbreitung mittels der in Absatz 1 genannten Möglichkeiten.

...

ANHANG XV

Liste der natürlichen und juristischen personen, organisationen und einrichtungen nach artikel 2f

RT — Russia Today English
RT — Russia Today UK
RT — Russia Today Germany
RT — Russia Today France
RT — Russia Today Spanish
Sputnik
Rossiya RTR / RTR Planeta
Rossiya 24 / Russia 24
TV Centre International
NTV/NTV Mir 
Rossiya 1 
REN TV 
Pervyi Kanal 
RT Arabic
Sputnik Arabic

 

Thursday, May 30, 2013

EGMR zur "Gerüchtsberichterstattung": Art 10 EMRK ist kein Freibrief für die Verbreitung unbegründeter Gerüchte

Die Verurteilung von Zeitungsherausgebern und Journalisten wegen übler Nachrede prüft der EGMR stets besonders genau "im Kontext der zentralen Rolle der Presse für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft" (siehe die Fälle Lingens und Sürek). Wer aber bloße "Gerüchtsberichterstattung" ohne jegliche Faktenbasis betreibt, kann sich nicht erfolgreich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK berufen, wie das heutige Urteil des EGMR im Fall OOO ‘Vesti’ and Ukhov gegen Russland (Appl. no. 21724/03) wieder einmal zeigt.

Der Fall ist wenig spektakulär und rechtfertigt ein eigenes Blogpost nur im Hinblick auf einen Nebenaspekt, der aber nicht Art 10 EMRK, sondern das Recht auf Entscheidung durch ein unparteiliches Gericht nach Art 6 Abs 1 EMRK betrifft (siehe dazu ganz unten). Zunächst aber zum Ausgangsverfahren:

Zum Ausgangssachverhalt
In einem Artikel der Zeitung Gubernskie Vesti, Kirov, wurde über eine Pressekonferenz des Obersten Bundesinspektors für die Region Kirov berichtet, in der es um das Projekt "Kirov, Kulturhauptstadt der Wolga-Region" ging. Der Bundesinspektor hatte dabei den Unwillen der lokalen Wirtschaft zur Unterstützung des Projekts kritisiert. Im Artikel wurde angemerkt, dass einige Geschäftsleute gegenüber dem Verfasser des Artikels mitgeteilt hätten, sie seien vom Büro des Bundesinspektors mit "Angeboten" zum Sponsoring belästigt worden; sie hätten aber nicht mitwirken wollen, weil der Bundesinspektor zu tief in politische Spielchen involviert sei, an denen sie nicht teilnehmen wollten. Andere seien besorgt gewesen, dass ihr Geld für Geliebte des Geldeintreibers verschwendet und nicht für Kulturereignisse ausgegeben würde.

Der Bundesinspektor klagte wegen übler Nachrede und gewann sowohl gegenüber dem Herausgeber der Zeitung als auch gegenüber dem Verfasser des Artikels. Der Zeitungsherausgeber wurde zur Veröffentlichung eines Widerrufs und zu Schadenersatz für den immateriellen Schaden in der Höhe von rund 650 € verurteilt, der Journalist zu rund 80 €.

Keine Verletzung des Artikel 10 EMRK
Sowohl der Herausgeber als auch der Journalist beschwerten sich beim EGMR. Unstrittig lag ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vor. Strittig war aber schon, ob im nationalen Verfahren der richtige Herausgeber "erwischt" worden war, was der EGMR bejahte, und ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Anordnung des Widerrufs gegeben war, was der EGMR ebenfalls - unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung (Kazakov) - bejahte.

Zur Frage der Notwendigkeit des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft verwies der EGMR zunächst auf die zentrale Rolle der Presse, auf den Umstand, dass der Kläger im nationalen Verfahren (Bundesinspektor) Beamter war, der in seiner öffentlichen Funktion mehr an Kritik aushalten muss (vergleiche den Fall Thoma), und schließlich darauf, dass der Vorwurf der Unterschlagung öffentlicher Gelder eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses ist, sodass grundsätzlich wenig Raum für eine Einschränkung der Debatte über eine Angelegenheit bleibt (siehe den Fall Feldek).

Allerdings müssen Journalisten auch in gutem Glauben und auf einer genauen Tatsachenbasis handeln und verlässliche und genaue Information in Übereinstimmung mit journalistischer Ethik bereitstellen ("acting in good faith and on an accurate factual basis and provide 'reliable and precise' information in accordance with the ethics of journalism").

Die Beschwerdeführer meinten zwar, dass der Hinweis auf das Verschwenden des Geldes für Geliebte auf einen (anderen) Geldeintreiber ("collector of funds") gemünzt gewesen sei, zumal der Bundesinspektor nicht zuständig sei, Gelder für das Sponsoring einzuheben. Der EGMR konnte jedoch der Beurteilung der nationalen Gerichte folgen, dass für Leser des Artikels der Eindruck entstand, dass mit dem Geldeintreiber der Bundesinspektor gemeint war, dem damit vorgeworfen wurde, öffentliche Gelder für seine Geliebte auszugeben (tatsächlich hatten auch andere Zeitungen den Artikel in dieser Weise verstanden).

Der EGMR kritisierte zwar, dass die nationalen Gerichte sich nicht dazu geäußert hatten, ob es sich dabei um eine Tatsachenmitteilung oder ein Werturteil handelte, für das Ergebnis macht das aber keinen Unterschied: auch Werturteile müssen auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhen (siehe den Fall Jerusalem). Die Beschwerdeführer hatten nie versucht, eine ausreichend genaue und verlässliche Tatsachengrundlage für ihren Vorwurf, dass der Bundesinspektor Geliebte habe und öffentliche Gelder für sie aufwende, unter Beweis zu stellen. Der Journalist hatte die ihm angeblich von (ungenannten) Geschäftsleuten mitgeteilten Gerüchte auch nie zu verifizieren versucht. Auch "public fugures" können erwarten, gegen die Verbreitung unbegründeter Gerüchte über ihr Privatleben geschützt zu werden (der EGMR verweist dazu auf das Urteil Standard Verlags GmbH [Nr 2], wo ein Artikel mit der Überschrift "ein bürgerliches Gerücht" zu beurteilen war, in dem über angebliche Eheprobleme des damaligen österreichischen Staatsoberhaupts berichtet wurde). Damit hatten die Beschwerdeführer die Grenzen eines verantwortungsvollen Journalismus überschritten, sodass die Verurteilung wegen übler Nachrede keine Verletzung des Art 10 EMRK darstellte.

Unparteilichkeit des Gerichts
Eine interessante Frage stellte sich zur Unparteilichkeit des Gerichts: Da der Artikelverfasser in der Zeitung nicht genannt war, wurde das nationale Verfahren zunächst nur gegen den Herausgeber geführt. Erst nachdem der Journalist sich geoutet hatte, leitete der selbe Richter, der das Verfahren gegen den Herausgeber geführt hatte, auch das Verfahren gegen den Journalisten ein, wobei er in diesem Fall nicht als Einzelrichter, sondern als Vorsitzender eines Senates (dem außer ihm zwei Laienrichter angehörten) führte. Der EGMR räumt ein, dass unter diesen Umständen Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters entstehen könnten.

Zur Beurteilung, ob diese Zweifel objektiv gerechtfertigt wären, müssen die Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Dazu untersuchte der EGMR die Funktion des Richters in beiden Verfahren, weiters ob sich im Urteil gegen den Herausgeber Äußerungen betreffend den Journalisten finden, und schließlich ob im Verfahren gegen den Journalisten die Sache unter Zugrundelegung vom Journalisten vorgelegter Beweise neu beurteilt wurde. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass das Zweiturteil keine Hinweis auf das erste Urteil enthielt, dass der Richter auch nicht an das erste Urteil gebunden war und dass im zweiten Verfahren eine neue Beweisaufnahme im kontradiktorischen Verfahren erfolgt war und der Richter die Sache neu beurteilt hatte. Es handelte sich auch um einen Berufsrichter, der über die notwendige Erfahrung und Ausbildung verfügte, und schließlich wurde die zweite Entscheidung auch in einer anderen Formation getroffen (Senat mit zusätzlich zwei Laienrichtern, deren Unbefangenheit nicht in Zweifel gezogen worden war). Unter diesen Umständen lag keine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK vor.

Thursday, December 16, 2010

"Schokoladenkinder": EGMR zum Schutz der Identität unmündiger Straftäter

"Schokoladenkinder: Hochrangige Eltern unmündiger Straftäter wollen Skandal vertuschen", lautete die Schlagzeile über einem Bericht von Aleksey Ovchinnikov, Journalist der Tageszeitung Иваново-Пресс. Der Artikel befasste sich (neuerlich) mit einem Vorfall in einem Sommercamp, bei dem drei zwölfjährige Kinder einen neunjährigen Zimmerkollegen geschlagen und sexuell missbraucht hatten. Im Besonderen ging es in diesem Artikel um die Eltern eines der Kinder, die beide Bundesrichter waren, und den Stiefgroßvater eines weiteren Kindes, der (stellvertretender) Chef der Verkehrspolizei von Ivanovo war. Sowohl die Richter als auch der Verkehrspolizei-Chef wurden namentlich genannt, und zumindest implizit wurde auch in den Raum gestellt, dass diese Druck auf die Ermittlungen auszuüben versuchten ("attempts are being made to exert pressure on the course of the resumed investigation", hat der EGMR das russische Original übersetzt).

Die beiden Richter und der Verkehrspolizei-Chef klagten und bekamen insofern Recht, als ihnen der Versuch einer Einmischung in die Untersuchungen vorgeworfen worden war; die Zeitung und der Journalist mussten den Vorwurf zurückziehen und sich entschuldigen, und sie mussten Schadenersatz in der Höhe von etwa 85 bzw. 55 Euro leisten. Der Verkehrspolizei-Chef erhielt auch darin recht, dass Informationen über sein Privatleben unzulässigerweise ohne seine Zustimmung veröffentlicht worden waren. Der Journalist wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der in seinem heute bekanntgegebenen Urteil keine Verletzung des Art 10 EMRK feststellte.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Richtigkeit der Berichterstattung über den Vorfall im Sommercamp selbst nicht in Zweifel stand; die Polizei hatte zu diesem Vorfall auch Beweise erhoben, es kam aber zu keiner strafrechtlichen Verfolgung der Täter, da diese noch strafunmündig waren. Auch stand fest, dass die Namen aller Beteiligten schon vor den inkriminierten Artikeln des Beschwerdeführers durch einen Bericht in einer Wochenzeitung und daraufhin auch im Internet bekannt geworden waren. Unter bestimmten Umständen kann  aber, so der EGMR, eine Beschränkung der Weiterverbreitung von Information, die bereits öffentlich gemacht wurde, gerechtfertigt sein:
"the Court considers that in certain circumstances a restriction on reproducing information that has already entered the public domain may be justified, for example to prevent further airing of the details of an individual’s private life which do not come within the scope of any political or public debate on a matter of general importance [...]"
In der konkreten Abwägung kam der EGMR daraufhin zum Ergebnis, dass die Information über den unmündigen Stiefenkel des Verkehrspolizei-Chefs keinen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse liefern konnte. Die Öffentlichkeit hatte kein legitimes Interessa an der Kenntnis von Familienangelegenheiten des Verkehrspolizei-Chefs, die mit seiner offiziellen Funktion nichts zu tun hatten. Der EGMR spricht dazu klar aus, dass das Informationsrecht des Journalisten in einem solchen Fall, in dem ein strafunmündiger Minderjähriger ein schweres Delikt begangen hat, hinter das Recht auf Schutz des Privatlebens des Unmündigen zurücktreten muss:
"In the Court’s view, in cases such as the present one where an offence has been committed by a minor who has not reached the statutory age of criminal responsibility and who is not considered responsible for his actions, a journalist’s right to impart information on a serious criminal offence must yield to the minor’s right to the effective protection of his private life."
Dass der - nicht konkretisierte und nicht belegte - Vorwurf einer versuchten Druckausübung auf polizeiliche Ermittlungen rufschädigend ist (gerade für Richter und Polizisten), ist evident, die Verurteilung dafür wurde vom EGMR - auch angesichts der geringen Geldentschädigung - nicht als unangemessen beurteilt. Das Urteil erging einstimmig, allerdings mit einem Sondervotum des russischen Richters Kovler, der im Hinblick auf die Verurteilung zu einer Entschuldigung, die an sich nie notwendig sein könne, Bedenken äußert, letztlich aber doch zustimmt.