Monday, September 17, 2007

Es muss nicht immer Strassburg sein ...

Dass (auch durchschnittliche) profil-Leser Spaß verstehen, musste noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Republik Österreich, die sich für ein Urteil des OLG Wien in einer Medienrechtssache zu verantworten hatte, ausrichten (Fall Nikowitz, Appl. no. 5266/03, siehe dazu mein früheres Post).

Dass (auch durchschnittliche) profil-Leser nicht jede Schlagzeile oder Bildunterschrift als eine vom Gesamttext losgelöst zu beurteilende, vollständige Tatsachenbehauptung ansehen, konnte nun - auf Grund einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen eine Entscheidung (wieder) des OLG Wien - innerstaatlich geklärt werden: der OGH hat mit Urteil vom 23. August 2007, 12 Os 36/07x, ein Urteil des OLG Wien aufgehoben.

Das OLG Wien hatte, über Antrag des Mitglieds des Bundesrates "Siegfried K****", der Medieninhaberin des profil eine Gegendarstellung aufgetragen, weil profil ein Foto des Bundesrats mit dem Begleittext "Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" veröffentlicht hatte, während Siegfried K. doch "lediglich" gesagt habe, "dass Deserteure zum Teil Kameradenmörder waren" (was er überdies an einem Beispiel erläutert habe). Diese enge Sicht des OLG Wien wurde vom OGH (wie im übrigen schon vom LG für Strafsachen Wien als Erstgericht) nicht geteilt. Wörtlich heißt es im Urteil des OGH:

Wer sich im politischen Diskurs an die Öffentlichkeit wendet, muss damit rechnen, dass diese Aussagen journalistisch vor allem in Form von Hervorhebungen und Überschriften gekürzt und in plakativer Weise aufbereitet werden. Es ist ein Faktum der heutigen Lebensrealität, dass Medien sich vielfach knapper, zugespitzter Zusammenfassungen bedienen, um das Publikum in Zeiten der Informationsüberfrachtung leichter zu erreichen. ...
Würde man [...] die Auffassung vertreten, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es den Medien de facto verwehrt, plakative Titel zu einem Bericht oder Bilduntertitelungen innerhalb eines Artikels zu verwenden, wenn damit der vom Mediuminhalt Betroffene kritisch
angegriffen würde. Es liegt auf der Hand, dass mit Gegendarstellungen zu besonders pointierten Überschriften, losgelöst vom übrigen Text, ein unverhältnismäßiger, auch durch die verfassungsgesetzlichen Gesetzesvorbehalte nicht mehr gedeckter Eingriff in die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG vorgenommen würde. [...]
Zur verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG gehört es auch, wirksame Überschriften, Schlagzeilen, Artikelankündigungen oder eben Bilduntertitelungen zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen [...]

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