Rainer Nikowitz (der übrigens mit Florian Scheuba gemeinsam Lesungen macht) hätte das vielleicht auch tun sollen, so wäre ihm eine Verurteilung in Österreich erspart geblieben - aber andererseits hätte er dann auch keine mit seinem Namen bezeichnete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (in der diese Verurteilung als Verletzung des Art 10 EMRK beurteilt wurde). Denn der hat sich in seinem heutigen Urteil (Nikowitz and Verlagsgruppe News GmbH v. Austria, Application no. 5266/03) mit einem satirischen Beitrag im profil auseinandergesetzt, in dem Nikowitz Stefan Eberharter (nach Hermann Maiers Motorradunfall) unter anderem folgende Worte in den Mund legte:
"Hoffentlich prackt's den miesen Hund mit den Krücken hin, und er bricht sich den anderen Haxn auch noch."
Das OLG Wien hatte noch gemeint, dass "das Lesen und Verstehen des Artikels einen sehr hohen Grad an Intelligenz und Konzentration" erfordere, sodass manche Leser den satirischen Charakter nicht verstehen würden und zur Auffassung kämen, Stefan Eberharter würde seinem Kollegen und Konkurrenten eine (weitere) schwere Körperverletzung wünschen.
Der EGMR gesteht zu, dass die von Nikowitz verwendeten Worte, hätte sie Stefan Eberharter wirklich gesagt, das gute Image jedes Sportlers beschädigen würden. Aber so blöd, dass sie den satirischen Charakter des Textes nicht verstehen würden, seien die profil-Leser nicht:
"The Court is not convinced by the reasoning of the domestic courts and the Government that the average reader would be unable to grasp the text's satirical character and, in particular, the humorous element of the impugned passage about what Mr Eberharter could have said but did not actually say."
Konsequenz: wieder einmal eine Feststellung, dass durch eine Entscheidung des OLG Wien in einer medienrechtlichen Sache Artikel 10 EMRK verletzt wurde.
Auch in einem weiteren Fall stellte der EGMR heute eine Verletzung des Art 10 EMRK durch eine Entscheidung des OLG Wien fest: Falter Zeitschriften GmbH v. Austria (Application no. 26606/04): die Auffassung, der damalige Obmann der Wiener FPÖ (und derzeitige Volksanwalt) Hilmar Kabas im Zusammenhang mit der sogenannten "Spitzelaffäre" (siehe zB hier, hier und hier) hätte verfolgt und verurteilt werden sollen, stellte nach Ansicht des EGMR ein - unter den konkreten Umständen zulässiges - Werturteil dar.
Sozusagen als einen seltenen Ehrentreffer für Österreich kann man das dritte heute veröffentlichte Urteil des EGMR ansehen. Die Sache Standard Verlagsgesellschaft mbH (no. 2) v. Austria (Application no. 37464/02) betraf einen Artikel im Standard, der sich mit dem Verhalten des Kärntner Landeshauptmannes im Zusammenhang mit der Besetzung des KELAG-Aufsichtsrates befasste. Der Artikel berief sich auf ein Gutachten eines Grazer Universitätsprofessors, stützte sich dabei aber nur eine Aussendung der SPÖ, in der dieses Gutachten aber nicht korrekt wiedergegeben wurde. Wie auch das OLG Wien kam der EGMR zur Überzeugung, dass es die journalistische Sorgfalt erfordert hätte, das Gutachten selbst einzusehen und sich nicht auf die Presseaussendung zu verlassen, zumal es um schwerwiegende Anschuldigungen ging (vorsätzliche Täuschung der Landesregierung und Missachtung der Landesverfassung).
Anders als bei den beiden zuerst genannten Urteile gab es zu diesem Ergebnis dissenting opinions; die Entscheidung fiel mit 4 zu 3 Stimmen.
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