Saturday, November 26, 2011

Wie die Telekom-Control-Kommission zu ihrem Namen kam (auch wenn Journalisten "Telekom-Kontroll-Kommission" schreiben)

Die meisten österreichischen Regulierungsbehörden tragen Nonsense-Bezeichnungen in einer Mischung aus deutscher und englischer Sprache. Das tun sie natürlich nicht aus eigenem Entschluss, sondern weil es der Gesetzgeber so vorgegeben hat: "Energie-Control Austria", "KommAustria", "Schienen-Control Kommission", oder im Telekombereich eben "Telekom-Control-Kommission". Die Häufung von Behörden, die ein "Control" im Namen tragen, bedeutet allerdings nicht, dass es sich dabei um "Kontrollstellen" etwa für Energie, Schienen oder Telekommunikation handeln würde; vielmehr sind es Regulierungsbehörden, die überwiegend Aufgaben wahrzunehmen haben, die aufgrund von EU-Richtlinien zwingend nationalen Regulierungsbehörden zu übertragen sind.

Der Hintergrund der merkwürdigen Bezeichnung ist nur historisch zu erklären: er liegt bei der Luftverkehrskontrolle, englisch: air traffic control. Diese wird in Europa seit fast 50 Jahren im Rahmen der EUROCONTROL kordiniert ("Its name comes from its original mission which was to organise air traffic control" steht unter den FAQs auf der Website). Da die Sprache der Luftfahrt englisch ist, lag es nahe, für die österreichische Luftverkehrskontrolle, ausgehend von der EUROCONTROL, die Bezeichnung Austro Control zu wählen, als das ehemalige Bundesamt für Zivilluftfahrt aufgelöst und seine Aufgaben auf einen aus der klassischen Verwaltung ausgegliederten Rechtsträger übertragen werden sollten. Auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung im Austro Control Gesetz wurde gegen Ende des Jahres 1993 die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung (Austro Control GmbH) gegründet.

Das Ausgliederungsmodell der Austro Control wurde juristisch heftig bekämpft, da damit in Österreich erstmals in einem nicht unwesentlichen staatlichen Aufgabenbereich die behördliche Vollziehung durch eine ausgegliederte GmbH erfolgen sollte, was verschiedenste staatsrechtliche Fragen, insbesondere auch zum Rechtsschutz, aufwarf. Mit dem wegweisenden "Austro Control-Erkenntnis" des Verfassungssgerichtshofes vom 14.03.1996, VfSlg 14.473, wurde das Austro Control-Modell (mit gewissen Rahmenbedingungen) aber als verfassungskonform anerkannt, und damit war der Weg frei, auch im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt gerade legistisch vorbereiteten Liberalisierung des Telekommunikationsrechts die Vollziehung einer GmbH zu übertragen.

Einem damaligen Modetrend entsprechend sollten nämlich möglichst viele Aufgaben von einem privatrechtlich organisierten Rechtsträger übernommen werden; eine GmbH war dabei sozusagen das Mindeste, in einem Alternativentwurf wurde sogar die Organisation der Regulierungsbehörde als Aktiengesellschaft gefordert. Und weil es den Namen Austro Control schon gab, und das eben gewonnene Austro Control-Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vom Verkehrsministerium gewissermaßen als gutes Omen genommen wurde, benannte man die neu zu schaffende GmbH gleich als "Telekom Control Österreichische Gesellschaft für Telekommunikationsregulierung mbH" (Telekom Control GmbH). Und weil die Telekom-Regulierungsbehörde auch Entscheidungsbefugnisse im Kernbereich der civil rights bekommen sollte, musste zusätzlich zur GmbH auch ein Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK, die Telekom-Control-Kommission, geschaffen werden. Bei der Einrichtung der Eisenbahn- und Energieregulierungsbehörden orientierte man sich dann einfach am Muster der Telekom-Regulierungsbehörde, bis hin zur Übernahme des eher absurden Namensbestandteils "Control".

Seit 14 Jahren gibt es mittlerweile also - in der Bezeichnung unverändert - die Telekom-Control-Kommission, die als zentrale österreichische Regulierungsbehörde im Bereich der Telekommunikation die wesentlichsten Entscheidungen trifft (zB in der Marktanalyse und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen oder bei Frequenzvergaben für Mobilfunkunternehmen etc).

Sollte man daher nicht erwarten können, dass Journalisten, die zu Telekom-Themen schreiben, die Behörde bei ihrem richtigen Namen nennen?

Offensichtlich nicht: denn als vor mehr als einem Monat News ein Interview mit Peter Hochegger brachte (auf orf.at recht zutreffend zusammengefasst in der Schlagzeile "Hochegger patzt alle an"), in dem er auch behauptete, bei der Besetzung der "Telekom-Kontroll-Kommission" irgendwie mitgewirkt zu haben, da verwendete nicht nur News die falsche Behördenbezeichnung, auch alle anderen Medien schrieben gedankenlos ab (zB PresseORFStandard uva).

Nun ist die falsche Schreibweise der Behörde natürlich das geringste Problem in diesem Zusammenhang, aber dennoch irgendwie bezeichnend: denn offenbar hat es kein Medium für wert befunden, der Sache wenigstens ansatzweise inhaltlich nachzugehen. Wenn jemand auch nur versucht hätte, mit der Telekom-Control-Kommission Kontakt aufzunehmen, hätte ihm die richtige Bezeichnung kaum verborgen bleiben können. So aber bleibt das Gefühl, dass Hocheggers Geschichten einfach ungeprüft weitererzählt werden, und dass er genauso gut eine Behörde einfach erfinden hätte können, es wäre genauso wenig hinterfragt worden.

Nun könnte man auch meinen, dass Hocheggers Erzählungen betreffend die Telekom-Control-Kommission nicht glaubwürdig, nicht besonders aufregend oder zum relevanten Zeitpunkt ohnehin zumindest in der Fachwelt bekannt waren, aber das verträgt sich schlecht damit, dass die Medien gerade auch diese behauptete Einflussnahme durchaus prominent in ihren Berichten erwähnten (meist mit fetten Zwischenüberschriften). Wenn es aber schon eine Zwischenüberschrift wert war, wäre es dann nicht vielleicht auch einen kurzen reality check wert gewesen? Checkt in den Redaktionen eigentlich niemand, ob es die Behörde, auf deren Zusammensetzung Hochegger Einfluss genommen haben will, wenigstens überhaupt gibt?

PS: die Liste der Mitglieder der Telekom-Control-Kommission im Jahr 2007 (alt und neu) findet man zB auf Seite 22 des Kommunikationsberichts 2007.

PPS: Der erste Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen, der sich auch mit der "Telekom Affäre" auseinandersetzen soll, wurde am 18.11.2011 gefasst und ist auf der Website des Parlaments verfügbar.

PPPS (Update 24.04.2012): Aus Anlass eines Kommentars zu meinem Folgeposting, habe ich in einem Kommentar auch kurz dargestellt, weshalb die quasi-offizielle, aber eher konter-intuitive Abkürzung für Telekom-Control-Kommission "TKK" lautet (und nein, das steht nicht für Telekom-Kontroll-Kommission!).

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