Die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie über Indikatoren für die Unabhängigkeit nationaler Regulierungsbehörden im Bereich audiovisueller Mediendienste ist in einer vorläufigen Fassung online: "Indicators for independence and efficient functioning of audiovisual media services regulatory bodies for the purpose of enforcing the rules in the AVMS Directive" - Indireg (Übersichtsseite), "Preliminary Final Report"; Annex Questionnaire ; Annex Stakeholder Survey; Country Tables and Issue Tables. Ich hatte noch nicht die Zeit, das genauer zu lesen, aber schon eine erste Durchsicht zeigt, dass es offensichtlich massive Probleme mit der Vergleichbarkeit der Länderdaten gibt. Wenn man sich etwa anschaut, dass in der Länderübersicht zu Deutschland die Rundfunkräte der deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten als Regulierungsbehörden angeführt sind, aber dazu weder Mitarbeiter noch Budgetzahlen - bzw. bloß die Budgetzahlen der ganzen Anstalt! - angegeben werden, kann schon nach der bekannten wissenschaftlichen Regel "garbage in, garbage out" kein wirklich sinnvoller Gesamtvergleich herauskommen. Die Autoren tun ihr Bestes, den - von der Kommission vorgegebenen - Ansatz einer Indikatorbildung und eines darauf gestützten "Rankingtools" zu entwickeln, aber zumindest meine Skepsis gegenüber dieser Methode können sie damit nicht ausräumen. Nicht zufällig erinnert das wohl auch an den "media pluralism monitor" (im Blog dazu hier), wo man in ähnlicher Weise Indikatoren zu identifizieren suchte. Und genauso wie dort bietet die Studie interessante Ansatzpunkte, aber - erwartungsgemäß - kein wirkliches Tool, das man nur mehr mit Daten füttern müsste, um die Unabhängigkeit (oder die Vielfalt) anhand eines gewissermaßen mathematischen Modells ausrechnen zu können. Dass die Studie das nicht leisten kann, darf man freilich nicht den beteiligten Wissenschaftern vorwerfen, die - in einem engen zeitlichen und budgetären Rahmen - ihren Auftrag erfüllt haben.
Überhaupt zeigt der quantitative Ansatz schon von der Datengrundgesamtheit echte Schwachstellen: bei der "Stakeholderbefragung" etwa konnten - für alle 30 untersuchten Staaten zusammen! - ganze 93 Antworten ausgewertet werden, rund die Hälfte davon von Rundfunkanstalten oder deren Vereinigungen. Auf Österreich entfielen - gemeinsam mit Portugal und Kroatien - die meisten Antworten, nämlich jeweils 6. Eine quantitative Analyse dieser Daten verbietet sich eigentlich von selbst, und auch die Studienautoren schreiben, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu handhaben sind: "Many answers did not deliver statistically significant results, or did not prove to be logically explicable" - auch von den nur 93 abgegebenen Antworten mussten also viele noch wegen offensichtlichen Unsinns ausgeschieden werden. Dass in der Studie dann dennoch eine Analyse versucht wird, ist wohl nur dem Kommissionsauftrag geschuldet, der natürlich getreulich zu erfüllen war.
Beihilfenentscheidungen der Kommission (Rundfunk):
- BESCHLUSS DER KOMMISSION vom 20. Juli 2010 über die staatliche Beihilfe C 27/09 (ex N 34/B/09) Haushaltszuschuss zugunsten von France Télévisions — die die Französische Republik dem Unternehmen France Télévisions zu gewähren beabsichtigt (ABl L 59/44 vom 4.3.2011); Update 08.08.2011: die Entscheidung wird von TF1 beim EuG bekämpft: T-275/11 TF1 / Kommission
- BESCHLUSS DER KOMMISSION vom 29. September 2010 über die von Frankreich durchgeführte Beihilferegelung C 4/09 (ex N 679/97) zur Förderung des Hörfunks (ABl L 61/22 vom 8.3.2011)
Das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK bzw. - englisch - BEREC) hat wieder einige Papiere veröffentlicht. Bemerkenswert ist, dass bei den von BEREC abgehaltenen Konsultationen die Beteiligung immer weiter sinkt: zwischen drei (!) und elf Stellungnahmen langten zu den letzten Konsultationen ein, und das für europaweite Konsultationen! Die stets beschworenen "Stakeholder" dürften also an der Arbeit von BEREC kein besonderes Interesse haben. Hier die Dokumente:
- BEREC Report on “Open access” BoR (11) 05: zum Zusammenhang zwischen Beihilfemaßnahmen (insbesondere zum Breitbandausbau) mit dem dabei verlangten "offenen Zugang" auf der einen Seite und den Aufgaben der Regulierungsbehörden auf der anderen Seite (eine ganz nützliche Zusammenstellung der "issues", aber kein kohärentes policy paper - "While some NRAs may actively participate in the design of State Aid measures prior to their notification to the Commission, NRAs across the EU do not have a consistent approach to this")
- BEREC Report on NGA – Collection of factual information and new issues of NGA roll-out BoR (11) 06 (Annex I, Annex II) (Ergebnisse einer Umfrage unter den nationalen Regulierungsbehörden)
- BEREC-RSPG joint Report on Competition: Transitional Issues in the Mobile Sector in Europe BoR (11) 07: Dieser gemeinsam mit der Radio Spectrum Policy Group erstellte Bericht ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Berichte meines Erachtens auch immer diplomatischer/diffuser und weniger griffig werden; typisches Zitat aus den Schlussfolgerungen: "BEREC-RSPG notes that there is a range of views across NRAs on the effectiveness of market mechanisms in addressing competition issues - overall the general view expressed was positive, but qualified."
- BEREC Report on alternative roaming tariffs and retail data roaming tariffs BoR (11) 08: Übersicht zu Endkundentarifen für Roaming, insbesondere auch Datenroaming
- BEREC response to the EC public consultation on roaming regulation BoR (11) 09
- BEREC Report on the market definition for business services BoR (10) 46 Rev1b (Bericht über Konsultationsergebnisse)
- BEREC Guidance on functional separation BoR (10) 44 Rev1 (Annex): ein Konzept für den wohl nie eintretenden Ernstfall, dass tatsächlich eine funktionale Trennung versucht werden sollte
- BEREC Report on ensuring equivalence in access and choice for disabled endusers BoR (10) 47 Rev1: ein sehr vorsichtiges Herantasten an das, was nach dem neuen Rechtsrahmen für behinderte Nutzer getan werden könnte ("At this preliminary stage, BEREC proposes that it may be appropriate for NRAs to analyse the following steps in considering what measures, if any should be implemented in respect of Article 23a (1)" [Universal Service Directive])
- BEREC report on cross-border issues under article 28 (2) USD BoR (10) 62 Rev1 (zum grenzübschreitenden Zugang zu allen Rufnummern, eine erste Bestandsaufnahme durch Umfrage unter den Regulierungsbehörden - aber: "Given that the transposition process was still underway in MS, generally NRAs were not yet able to provide detailed views on this matter")
- Daithi Mac Sithigh, Regulating the Medium: Reactions to Network Neutrality in the European Union and Canada
- Australian Convergence Review - terms of reference
- Holznagel/Schumacher, TKG-Novelle: Wesentliche Änderungen des Regierungsentwurfs (zur deutschen Regierungsvorlage); ein österreichischer Entwurf sollte noch im März in Begutachtung gehen
- Wouter P. J. Wils, EU Antitrust Enforcement Powers and Procedural Rights and Guarantees: The Interplay Between EU Law, National Law, the Charter of Fundamental Rights of the EU and the European Convention on Human Rights (ein knapper Übersichtsbeitrag, keine vertiefte Untersuchung)
- Bei meinen letzten Lesenhinweisen habe ich auf die Entscheidung Fall Snyder v. Phelps des US Supreme Court aufmerksam gemacht; einen interessanten Kommentar dazu schrieb Mary Anne Franks: For the Love of Hate: Why We Have Little to Fear from the Westboro Baptist Church
- Dirk Voorhoof setzt sich auf Strasbourg Observers mit dem Urteil des Tribunal de Grand Instance de Paris in der Sache Karine Calvo-Goller gegen Joseph Weiler auseinander: eine Autorin eines rechtswissenschaftlichen Buchs hatte den Chefredakteur des European Journal of International Law (EJIL) and der dazu gehörenden Book Review website wegen einer dort erschienenen Rezension in Frankreich vor den Strafrichter gebracht, obwohl die Autorin In Israel lebt, der Rezensent in Deutschland und die Website in den USA gehostet wird, wo auch der beklagte Chefredakteur lebt und arbeitet. Das Tribunal de Grand Instance hat den Angriff auf die Freiheit von Rezensenten abgewehrt; immerhin wissen jetzt auch mehr Menschen, als die Rezension sonst je gelesen hätten, was von dem Buch von Calvo-Goller zu halten ist.
- Und schließlich verweise ich noch auf meine Ausführungen zum Prioritätenkatalog des sogenannten Kompetenzzentrums Internetgesellschaft: "Leuchttürme sichtbar machen"
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