Monday, September 20, 2010

Schnell und ultraschnell: der Kommissions-Breitband-Mix

Die Europäische Kommission hat heute "Maßnahmen zur Förderung schneller und ultraschneller Breitbanddienste in Europa" (Presseaussendung) vorgestellt. Im Detail handelt  es sich dabei zunächst einmal um eine auf Art 19 Abs 1 der RahmenRL gestützte Empfehlung über den regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation NGA), an der seit über zwei Jahren gearbeitet wurde; entsprechend abgeschliffen und streckenwesie wenig konkret sind nun die einzelnen Empfehlungspunkte (update 26.9.2010: die Empfehlung 2010/572/EU der Kommission vom 20. September 2010 über den regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA) wurde nun im Amtsblatt veröffentlicht: ABl L 251 vom 25.9.2010, S 35).


Die Empfehlung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet, die nach Art 19 der RahmenRL dafür zu sorgen haben, "dass die nationalen Regulierungsbehörden diesen Empfehlungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weitestgehend Rechnung tragen." Der Empfehlung kommt damit zwar eine wesentliche Bedeutung zu, sie ist aber gerade keine verbindliche Rechtsquelle, auch wenn eine nationale Regulierungsbehörde, die von der Empfehlung abweicht, dies unter Angabe ihrer Gründe der Kommission mitzuteilen hat. Nicht immer dürfte sich auch die Kommission ganz dessen bewusst sein, dass eine Empfehlung keine Anordnungen treffen kann, wird doch etwa in der begleitenden Presse-Hintergrundinformation (Memo/10/424) gleich die Frage beantwortet, warum "the Regulation" (richtig: "the Recommendation") denn nicht gleich einen EU-weit einheitlichen Riskoaufschlag festlegt.

Inhatllich bringt die Empfehlung natürlich nach der langen Erarbeitungszeit keine großen Überraschungen mehr. Manchmal scheinen mir die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen für die Regulierungsbehörden allerdings recht weit weg von den Grundlagen in der RahmenRL oder der ZugangsRL, etwa wenn den NRBs empfohlen wird, "zumindest dafür [zu] sorgen, das jene Personen, die an Tätigkeiten der nachgeordenten Sparte [des SMP-Betreibers] beteiligt sind, nicht auch in die Unternehmensstruktruren des direkt oder indirekt für die Verwaltung der baulichen Infrastruktur zuständigen [SMP-Betreibers] eingebunden sein dürfen."

Und was mich bei Empfehlungen der Kommission (insbesondere auch schon der Terminierungsempfehlung) immer wieder verblüfft, ist die die hartnäckige Behauptung, diese Empfehlungen würden "regulatory certainty" herstellen ("it provides regulatory certainty to telecom operators", heißt es etwa im Memo/10/424). Das ist nicht nur deshalb gewagt, weil die Regulierunsgbehörden - wenn auch unter Benachrichtigung der Kommission - von der Empfehlung abweichen können, sondern vor allem auch, weil die Empfehlung keineswegs so klar und eindeutig ist, dass sich aus ihr das Handeln der nationalen Regulierungsbehörden verlässlich erschließen ließe, selbst wenn diese der Empfehlung folgen wollen. Dies betrifft insbesondere die konkrete Berechnung der Entgelte, im Fall der NGA-Empfehlung speziell den Risikoaufschlag (siehe dazu zB die nicht gerade präzisen "Kriterien für die Festsetzung des Risikoaufschlags" in Punkt 6 des Anhangs I zur Empfehlung). In der alten Streitfrage, ob eine geografische Differenzierung der Remedies zulässig ist, wird die Empfehlung etwas konkreter: bei dauerhaft erheblichen Unterschieden in den Wettbewerbsbedingungen sollten geografische Teilmärkte abgegrenzt werden; sind die Unterschiede nicht so eindeutig über längere Zeit stabil, kämen auch (regional) differenzierte Remedies in Betracht.

Der zweite Teil der heute vorgestellten "Maßnahmen" ist ein Legislativvorschlag, und zwar für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das erste Programm für die Funkfrequenzpolitik. Gestützt auf Art 8a Abs 3 der RahmenRL in der neuen Fassung legt die Kommission damit einen ersten Vorschlag für ein mehrjähriges Programm vor, das neben allgemeinen politischen Zielen auch konkrete Vorgaben enthält, insbesondere etwa für die Vergabe der digitalen Dividende bis spätestens 1.1.2013 (mit Ausnahmemöglichkeiten bis 2015) und für die Festlegung neuer Genehmigungs- und Zuweisungsvorschriften für Frequenzen, die dem Ausbau der Breitbanddienste dienen (ebenfalls bis 1.1.2013). Die Mitgliedstaaten sollen auch gewährleisten, dass die Bereitstellung des Zugangs zu Breitbanddiensten (im 800 MHz-Band, der "digitalen Dividende") in schwach besiedelten Gebieten durch Versorgungsverpflichtungen gefördert wird. Dass die Mitgliedstaaten allen Vorgaben des Kommissionsvorschlags bedingungslos zustimmen werden, ist wohl nicht zu erwarten, hier wird es wohl noch zähe Verhandlungen geben (das Europäische Parlament dürfte erfahrungsgemäß in diesem Punkt eher bei der Kommission sein). Bemerkenswert ist auch wieder der Vorschlag der Kommission, dass die Union den Mitgliedstaten nach Aufforderung "politische und technische Unterstützung" bei bilateralen Verhandlungen mit Nachbarländern der EU leisten will - das klingt ein wenig nach "brüderlicher Hilfe" für die unzuverlässigen Grenzstaaten, denen die Kommission bei ihren Verhandlungen über die Schulter schauen will.

Der dritte Teil der heute vorgestellten Maßnahmen ist eine bloße Mitteilung über Breitband in Europa  (noch nicht in deutscher Sprache verfügbar), die sich vor allem auch mit Möglichkeiten zur Förderung des Breitbandausbaus - sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene - befasst. Vorschreiben kann eine solche Mitteilung natürlich nichts, aber die Kommission fordert darin die Mitgliedstaaten doch auf, operative nationale Breitbandpläne mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen, besonders auch hinsichtlich der notwendigen Finanzierung, zu beschließen. Alle Mitgliedstaaten, so die Kommission, hätten zwar eine Breitband-Strategie, aber wenige würden über konkrete Breitbandpläne verfügen. Gewissermaßen als Bestätigung ist der Mitteilung ein Anhang beigefügt, in dem die nationalen Breitbandstrategien überblicksweise angeführt sind. Für Österreich wird dabei eine 100%-Coverage mit einer Geschwindigkeit von "up to 25 Mbps" bis 2013 als Ziel angegeben (das "up to" erinnert ein wenig an die Werbung der Breitbandanbieter).

Allzu neu ist die Forderung nach einem Breitbandplan ja auch für Österreich nicht: Vor einem knappen Jahr ist in der Schriftenreihe der RTR der Band "Breitbandanschlussnetze in Österreich" erschienen (siehe dazu hier), der unter anderem folgenden Vorschlag enthielt: "Mit einem nationalen Breitbandplan könnte man mittelfristig konsistente Ziele setzen, die einschlägigen Zielsetzungen des aktuellen Regierungsübereinkommens operationalisieren und in zeitlicher und finanzieller Hinsicht ein gewisses Momentum entwickeln." Ob seither etwas geschehen ist?

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