Wer im Internet Informationen unterdrücken will, lenkt die Aufmerksamkeit erst recht auf sie und sorgt damit unfreiwillig für deren noch stärkere Verbreitung - so etwa kann man den Streisand-Effekt umschreiben, benannt nach dem Versuch Barbra Streisands, ein Foto ihres Hauses per gerichtlicher Anordnung aus dem Netz zu verbannen - was dazu führte, dass das Foto mittlerweile wohl eines der bekanntesten im Internet ist (falls es jemand noch nicht kennen sollte: hier ist es zu sehen, und hier gibt es mehr Informationen zu dem von Streisand angestrengten Prozess).
Weit weg von solcher Dramatik, aber im Kern nicht unähnlich zeigt sich der Versuch eines österreichischen Telekom-Unternehmens, die Aufnahme eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofes in die Entscheidungsdokumentation Justiz - und damit in das frei im Internet zugängliche österreichische Rechtsinformationssystem - zu verhindern. Diesem Unternehmen war in einem Provisorialverfahren verboten worden, "beim Verkauf von Festnetztelefonen (hier: S*****-Telefone), die zu ihren Gunsten voreingestellt sind, den Eindruck zu erwecken, diese Telefone könnten nicht für die Vorauswahl (Preselection) eines anderen Telekom-Anbieters genutzt werden" (Beschluss des OGH vom 14.7.2009, 4 Ob 101/09w).
OGH-Entscheidungen sind gemäß § 15 OGH-Gesetz "in eine allgemein zugängliche Datenbank (Entscheidungsdokumentation Justiz) aufzunehmen", wobei "Namen, Anschriften und sonstige Orts- und Gebietsbezeichnungen, die Rückschlüsse auf die betreffende Rechtssache zulassen", so zu anonymisieren sind, "dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren geht." Das betroffene Unternehmen - das sich mittlerweile mit dem Prozessgegner geeinigt und das Verfahren beendet hatte - war nun besorgt, dass es "wegen des Hinweises auf [seine] marktbeherrschende Stellung trotz der Anonymisierung der Parteibezeichnung für Mitbewerber und Kenner der Telekommunikationsbranche erkennbar" sei. Also ersuchte es, den Beschluss vom 14.7.2009 nicht in die Entscheidungsdokumentation Justiz aufzunehmen. Das gab dem OGH Anlass, sich erstmals ganz grundsätzlich mit der Frage der Anonymisierung und Veröffentlichung solcher im Provisorialverfahren ergangener Beschlüsse in der Entscheidungsdokumentation Justiz zu befassen - mit dem Ergebnis, dass dem Ersuchen des Telekom-Unternehmens nicht nachgekommen wurde. Diese Grundsatzentscheidung (Beschluss vom 8.9.2009, 4 Ob 101/09w) wurde nun natürlich in diversen Fachzeitschriften veröffentlicht und auch kommentiert - was die "Anlassentscheidung", die sonst viel weniger weit wahrgenommen wäre, einem breiteren juristischen Personenkreis bekannt gemacht hat.
Und so kann nun jedermann nachlesen und sich fragen, ob das betreffende Telekom-Unternehmen tatsächlich im Text des Beschlusses vom 14.7.2009 trotz Anonymisierung erkennbar ist (kleiner Hinweis: im Beschluss steht zB "Die Telekom-Control-Kommission hat mit Bescheid festgestellt, dass die Beklagte über beträchtliche Marktmacht auf dem Markt 'Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz (Endkundenmarkt)' verfügt.").
Wednesday, June 02, 2010
Streisand-Effekt im Rechtsinformationssystem?
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