So sieht dies jedenfalls die österreichische Bundesregierung, die in einer Verordnung (BGBl II 2001/305) neben sechs Sportereignissen auch das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und eben den Wiener Opernball als Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung benannt hat.
Grundlage dafür ist das Fernseh-Exklusivrechtegesetz (FERG), BGBl I 2001/85. Dieses Gesetz verlangt von einem Fernsehveranstalter, der ausschließliche Übertragungsrechte an Ereignissen erworben hat, die in der Verordnung der Bundesregierung genannt werden, diese (auch) im Free-TV verfügbar zu machen (je nach Ereignis auch nur teilweise oder zeitversetzt - siehe dazu näher § 3 FERG und § 2 der Verordnung). Nach § 4 FERG ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Liste, dass auf ein Ereigniss mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen zutreffen:
- das Ereignis findet bereits bisher, insbesondere auf Grund der Medienberichterstattung, in der österreichischen Bevölkerung breite Beachtung;
- das Ereignis ist Ausdruck der kulturellen, künstlerischen oder sozialen Identität Österreichs;
- das Ereignis ist, insbesondere durch die Teilnahme österreichischer Spitzensportler, eine Sportveranstaltung von besonderer nationaler Bedeutung oder findet auf Grund seiner internationalen Bedeutung bei den Fernsehzusehern in Österreich breite Beachtung;
- das Ereignis wurde bereits in der Vergangenheit im frei zugänglichen Fernsehen ausgestrahlt.
Die Regelung hat ihre europarechtliche Grundlage in Art 3a der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen"; die Mitgliedstaaten können demnach solche Listen schaffen, müssen dies jedoch nicht tun. Die Listen sind der Europäischen Kommission mitzuteilen und von dieser - nach Einholung einer Stellungnahme des Kontaktausschusses nach Art 23a der RL - im Amtsblatt zu veröffentlichen. Wie das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache T-33/01, Infront, ausgesprochen hat, trifft die Kommission dabei eine Entscheidung im Sinne des Art 249 EG-Vertrag, durch die der Rechteinhaber unmittelbar und individuell betroffen sein kann.
Eine Übersicht über die bestehenden Regelungen (und Listen) in den Mitgliedstaaten findet sich hier auf der Website der Europäischen Kommission), eine gute Übersichtsdarstellung zum Recht auf Berichterstattung bei Großereignissen hat Max Schoenthal für die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle verfasst; dabei geht er auch auf das Kurzberichterstattungsrecht ein, das in Österreich vor allem in Sachen Bundesliga für Aufregung gesorgt hat (siehe dazu zuletzt hier).
Eine Änderung der Regeln zu den Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ist bei der derzeit aktuellen Revision der Fernsehrichtlinie nicht vorgesehen (siehe den Richtlinienvorschlag bzw eine inoffizielle konsolidierte Fassung der Fernseh-RL - in Hinkunft: RL über audiovisuelle Mediendienste - in der Fassung des RL-Vorschlags); neu in die Richtlinie aufgenommen werden soll eine Bestimmung zum Kurzberichterstattungsrecht (Art 3b in der Fassung des RL-Vorschlags).
Was auch immer man also persönlich über den Opernball denken mag, in juristischer Hinsicht steht seine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung fest (und zwar ganz unabhängig davon, wer dort antanzt).
PS: auch wenn man vom Rundfunkrecht absieht, ist der Opernball aus dem österreichischen Rechtsleben nicht wegzudenken - wenn auch vorwiegend im Zusammenhang mit den dagegen gerichteten Demonstrationen, die in der einen oder anderen Form alle Höchstgerichte beschäftigt haben:
- So hat der VwGH das Streuen von Flugzetteln (deren Inhalt sich auf "Vietnam und die Verhältnisse an den österreichischen Hochschulen" bezog) 1969 als Ordnungsstörung beurteilt, weil es unter Begleitumständen erfolgte, "die nach dem Urteil unbefangener Menschen als ungehörig oder provokant empfunden" wurden.
- Der VfGH hatte es mit Fällen zu tun, in denen Menschen "unter Anwendung von Körperkraft am Überqueren der Ringstraße (in Richtung Operngebäude) gehindert und bis zur Opernpassage (zurück-)geleitet" wurden oder Schläge "mit dem Gummiknüppel gegen den Kopf (das Gesicht)" erhielten.
- Die Rechtsprechung des OGH wiederum führt uns zurück zum Medienrecht:
darf ein Zentralorgan einer Partei, das "imVerhältnis zur *****Zeitung nur von einer so kleinen Leserzahl gelesen werde, daß durch Artikel der vorliegenden Art bei der*****Zeitung mit keinem meßbaren Sinken der Auflagenzahl zu rechnen sei", behaupten, die *****Zeitung sei gewalttätig? Sie darf, hat der OGH im sogenannten "Opernball-Demo II"-Urteil (OGH 18.12.1991, 1 Ob 41/91 = SZ 64/182) erkannt:
"Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Artikel im Zentralorgan einer politischen Partei. Wie sich aus dem Zusammenhalt ergibt, versteht diese im Sinne ihrer Ideologie erkennbar unter dem Wort 'gewalttätig' etwas völlig vom normalen Sprachgebrauch Verschiedenes. Gewalttätig sind danach nicht die Opernballdemonstranten, sondern jene Medien, Gesellschaftskreise und Staatsorgane, die es durch ihre repressive Politik (= "strukturelle Gewalt") zu solchen Demonstrationen überhaupt erst kommen lassen. Solche durch keinerlei Tatsachenangaben substantiierte politisch motivierte Äußerungen sind erkennbar Ergebnis eines durch das Parteiprogramm der beklagten Partei bestimmten und beeinflußten Denkprozesses. Politisch verbrämte Äußerungen wollen im Zweifel weniger Tatsachen verbreiten als Wertungen abgebend meinungbildend sein".
Vorangegangen war das "Opernball-Demo I"-Urteil (OGH 23.5.1991, 7 Ob 535/91) , bei dem es um eine sehr ähnliche Frage gegangen war: hier war Beklagter aber nicht ein Medienunternehmen, sondern "Gerhard R.", der in seiner Rede bei der Opernballdemonstration die Worte "gewaltttätig ist die Kronen-Zeitung" gesagt hatte (interessanterweise ist in der Veröffentlichung dieses Urteils im RIS die Kronenzeitung nicht "anonymisiert"). Auch hier war die Krone nicht erfolgreich, denn mit diesen Worten (im konkreten Zusammenhang auf der Opernball-Demo) werde sie - so der OGH - "weder verächtlich gemacht, noch sind diese Äußerungen geeignet, die Redakteure in der Wertschätzung ihrer Leser herabzusetzen." - Als Schlusspunkt aber etwas Versöhnlicheres: der gemeinsame Besuch des Opernballs wurde vom OGH auch schon ausdrücklich "als Zeichen der Zuneigung" (zur Klägerin, die in diesem Verfahren erfolgreich um ihr Erbteil kämpfte) beurteilt (OGH 27.9.2005, 1 Ob 155/04g).
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