Die heute von Generalanwalt Cruz Villalón erstatteten Schlussanträge in der Rechtssache C-314/12 UPC Telekabel Wien sind keineswegs ein Freibrief für Internetsperren, wie dies in ersten Medienreaktionen anklingt. Hervorzuheben ist auch, dass der Generalanwalt ausdrücklich festhält, dass sich ein Provider "dank seiner Funktion, Meinungsäußerungen seiner Kunden zu veröffentlichen und ihnen Informationen zu vermitteln," auf das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung berufen kann. Und schließlich ist nach Ansicht des Generalanwalts bei der Anordnung einer Sperrmaßnahme sicherzustellen, dass keine Gefahr besteht, den Zugang zu rechtmäßigem Material zu sperren.
Im Verfahren vor dem EuGH geht es - aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofes - im Kern um die Frage, ob Rechteinhaber gerichtliche Verfügungen gegen Internet Service Provider erwirken können, mit denen diese für ihre Kunden den Zugang zu bestimmten Websites (im Ausangsfall war das kino.to, mittlerweile nicht mehr online) sperren müssen (zum Vorlagebeschluss des OGH und den darin angesprochenen Fragen habe ich im Blog schon ausführlicher hier geschrieben).
Die Antwort des Generalanwalts ist differenziert: nur sehr konkret gefasste Anordnungen können - nach Abwägung der Grundrechtspositionen - zulässig sein. Das im österreichischen Ausgangsverfahren von den Rechteinhabern beantragte allgemeine Verbot, den ISP-Kunden den Zugang zur Website kino.to zu vermitteln, ginge nach Ansicht des Generalanwalts jedenfalls zu weit: An den Grundrechten "scheitert die hier zu prüfende Maßnahme", heißt es in RNr 74 der Schlussanträge.
Vorüberlegungen des Generalanwalts
Generalanwalt Cruz Villalón verweist eingangs (RNr 21) auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Meinungsfreiheit, der den durch das das Internet gewährten Zugang zu Informationen für wesentlich in einer demokratischen Gesellschaft hält, und betont damit die - im Vorlagebeschluss in dieser Form im Vorlagebeschluss des OGH gar nicht angesprochene - Bedeutung des Internets auch für die Grundrecht der freien Meinungsäußerung.
Allerdings biete das Internet auch die Möglichkeit für Urheberrechtsverletzungen, wobei es selten um so flagrante Fälle gehe wie den vorliegenden: auf kino.to waren über 130.000 Filmwerke ohne Zustimmung der Rechteinhaber zum Streaming oder Download verfügbar. Keiner der Verfahrensbeteiligten hielt die auf der Website angebotenen Inhalte für rechtmäßig.
Dass die Sperrung von Websites technisch nicht unproblematisch ist, erkennt der Generalanwalt an, aber dieses Problem kann er auf das nationale Gericht abschieben: "Die technische Analyse der Sperrungsverfügung bleibt dem vorlegenden Gericht vorbehalten." (FN 13 der Schlussanträge)
Internet Service Provider als "Vermittler" im Sinne der RL 2001/29
Die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft verlangt in ihrem Art 8 Abs 3, dass die Mitgliedstaaten sicher stellen, "dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden."
Strittig war, ob ein ISP Vermittler im Sinne dieser Bestimmung ist, und zwar auch im vorliegenden Fall, in dem er keinerlei Vertragsbeziehung zum Rechteverletzer hatte (also insbesondere nicht dessen illegale Inhalte hostete), sondern schlicht nur seinen Kunden Zugang zum Internet verschaffte, sodass sie auf die anderswo gehosteten illegalen Inhalte zugreifen konnten.
Der Generalanwalt kommt - unter Hinweis auf den Beschluss LSG (im Blog hier und hier) und die Urteile Scarlet Extended (im Blog hier und hier) und Sabam (im Blog hier) - wenig überraschend zum Ergebnis, dass ein ISP auch in diesem Fall als "Vermittler" anzusehen ist: die Norm verlangt nicht explizit nach einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Vermittler und der Person, die das Urheberrecht verletzt, und auch Zusammenhang und Sinn und Zweck der Norm lassen nichts anderes erkennen. Dass Art 12 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31 die Haftung von ISP bei reiner Durchleitung ("mere conduit") ausschließt, ändert daran nichts, weil dieser Artikel ausdrücklich die Möglichkeit unberührt lässt, dass "ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern."
Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Zweck der RL 2001/29 - hohes Schutzniveau des Urheberrechts - hält der Generalanwalt übrigens fest, dass der Vermittler gerade im Fall von Inhalten, die im außereuropäischen Ausland online gestellt werden, als geeigneter Ansatzpunkt verbleibt (RNr 57); aber (RNr 58):
Es ist offensichtlich, dass der nicht mit dem das Urheberrecht Verletzenden vertraglich verbundene Vermittler keinesfalls bedingungslos für die Abstellung der Rechtsverletzung verantwortlich gemacht werden kann."Erfolgsverbot" bzw Sperrverfügung ohne Angabe der konkret zu treffenden Maßnahmen ist jedenfalls unzulässig
Nach den im innerstaatlichen Verfahren gestellten Anträgen sollte das Gericht dem ISP ganz allgemein verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, auf der ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden ("Erfolgsverbot": der Adressat der Verfügung muss einen bestimmten Erfolg - nämlich den Zugriff auf die Website - verhindern, ohne dass die hierfür vom Adressat der Verfügung zu ergreifenden Maßnahmen genannt werden). Allerdings könnte der ISP Beugestrafen wegen Missachtung des Verbots durch den Nachweis abwenden, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zu dessen Erfüllung ergriffen hat. Der Generalanwalt hält eine derartige Anordnung für nicht mit dem Unionsrecht vereinbar (RNr 71):
Meines Erachtens erfüllt ein Erfolgsverbot ohne Angabe der zu treffenden Maßnahmen, das an einen Provider ergeht, der nicht mit dem Rechteverletzenden vertraglich verbunden ist, nicht die von der Rechtsprechung im Rahmen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 aufgestellten Anforderungen. Die Möglichkeit der Geltendmachung der Unzumutbarkeit der zur Erfüllung des Verbots möglichen Maßnahmen im später erfolgenden Vollstreckungsverfahren bewahrt ein solches Erfolgsverbot nicht vor dem Verdikt der Unionsrechtswidrigkeit.Gemäß Art 3 der Richtlinie 2004/48 müssen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums fair, gerecht, wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein, keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. Andererseits müssen die Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Rechten und Interessen der Beteiligten herstellen.
Weiter ist Art 15 Abs 1 der RL 2000/31 zu beachten, nach dem Mitgliedstaaten Diensteanbietern keine allgemeine Verpflichtung auferlegen dürfen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Die verfahrensgegenständliche Maßnahme, bei der es um die Sperre einer konkreten Website geht, verstößt nicht gegen Art 15 Abs 1 der RL 2000/31. In RNr 79 der Schlussanträge schreibt der Generalanwalt sodann:
Die zu prüfende Maßnahme verstößt jedoch gegen die grundrechtlichen Anforderungen, die gemäß der Rechtsprechung [Zitat Urteile Scarlet Extended und Sabam] an Anordnungen gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 zu stellen sind. Insoweit ist die Maßnahme weder "fair und gerecht" noch "verhältnismäßig" im Sinne des Art. 3 der Richtlinie 2004/48. [Hervorhebung hinzugefügt]Im konkreten Fall ist der Schutz des Grundrechts auf Eigentum, zu dem auch das geistige Eigentum gehört, gegen den Schutz anderer Grundrechte abzuwägen, um so im Rahmen der zum Schutz der Inhaber von Urheberrechten erlassenen Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesem Schutz und dem Schutz der Grundrechte von Personen, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, sicherzustellen. Im Detail schreibt der Generalanwalt (RNr 82):
Auf der Seite des Providers, gegen den eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie erlassen wird, ist zunächst eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (Art. 11 der Charta) zu prüfen. In der Sache geht es zwar um Meinungsäußerungen und Information der Kunden der Provider, der Provider kann sich jedoch auf dieses Grundrecht dank seiner Funktion, Meinungsäußerungen seiner Kunden zu veröffentlichen und ihnen Informationen zu vermitteln, berufen [Zitat EGMR 28.09.1999, Öztürk gegen Türkei, Abs 49]). Dabei ist sicherzustellen, dass die Sperrmaßnahme tatsächlich verletzendes Material trifft und keine Gefahr besteht, den Zugang zu rechtmäßigem Material zu sperren [Zitat "zu dem möglichen Kollateralschaden einer Sperrmaßnahme": EGMR 18.12. 2012, Yıldırım gegen Türkei; dazu im Blog hier.].Mit dem Hinweis auf das Urteil Öztürk des EGMR vergleicht der Generalanwalt ISPs ausdrücklich mit Verlegern und billigt ihnen die selbe Grundrechtsposition im Hinblick auf die Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (Art 11 GRC bzw Art 10 EMRK) zu. Außerdem anerkennt er durch den Verweis auf das EGMR-Urteil Yıldırım, dass eine Beschränkung des Zugangs zu legalen Inhalten ein Eingriff in das nach Art 11 GRC (Art 10 EMRK) geschützte Recht ist - und damit immer jedenfalls eine gesetzliche Grundlage braucht, einem legitimen Ziel dienen und verhältnismäßig sein muss.
Ergänzend ist auf der Seite des Providers noch dessen unternehmerische Freiheit zu berücksichtigen, die durch Art 16 GRC geschützt wird. Zwischen dem Schutz dieser auf Seiten des Providers geltend zu machenden Rechte und dem Recht des geistigen Eigentums ist ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen. Von einem solchen Gleichgewicht lässt sich, so der Generalanwalt, bei einem Erfolgsverbot ohne Angabe der zu treffenden Maßnahmen, das an einen Provider ergeht, nicht sprechen. Auch die "nachgelagerte Verteidigungsmöglichkeit" des ISP, dass er alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um dem Erfolgsverbot nachzukommen, kann das nötige Gleichgewicht nicht herstellen, denn das "Gleichgewicht der Grundrechte ist nach der Rechtsprechung beim Erlass der Anordnung zu beachten" (RNr 88). Der Generalwalt spricht hier ausdrückich ein "Dillemma des Providers" an (RNr 89):
Der Provider muss den Erlass einer Anordnung gegen sich erdulden, aus der nicht hervorgeht, welche Maßnahmen er vorzunehmen hat. Entscheidet er sich im Interesse der Informationsfreiheit seiner Kunden für eine wenig intensive Sperrmaßnahme, muss er eine Beugestrafe im Vollstreckungsverfahren fürchten. Entscheidet er sich für eine intensivere Sperrmaßnahme, muss er eine Auseinandersetzung mit seinen Kunden fürchten.Der Generalanwalt kommt damit zum Ergebnis,
"dass es mit der im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten nicht vereinbar ist, einem Provider ganz allgemein und ohne Anordnung konkreter Maßnahmen zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten, das Urheberrecht verletzenden Website zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn der Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zur Erfüllung des Verbots getroffen hat."Daher nochmals zusammenfassend: der Generalanwalt hält die im österreichischen Ausgangsverfahren beantragte Sperre ("Erfolgsverbot") für klar grundrechtswidrig.
Konkrete Sperrverfügung ist nicht ausgeschlossen
Allerdings hält der Generalanwalt die Anordnung konkreter Maßnahmen zur Erschwerung des Zugangs zu rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalten für nicht ausgeschlossen. Dafür gibt es aber recht detaillierte Voraussetzungen:
Zunächst muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Rechts am geistigen Eigentum, den die Inhaber von Urheberrechten genießen, und dem Schutz der grundrechtlichen Positionen des Providers (unternehmerische Freiheit, Freiheit der Meinungsäußerung) hergestellt werden. Dabei "darf insbesondere keine geschützte Information von einer Zugangssperre erfasst werden". Damit kommt meines Erachtens jedenfalls keine Sperrverfügung gegen bestimmte IP-Adressen in Betracht, wenn an dieser Adresse auch legale Inhalte gehostet werden.
Sodann ist - insbesondere im Hinblick auf die Kosten der vom Provider zu treffenden konkreten Sperrmaßnahmen und die Möglichkeit, Sperren zu umgehen - die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, was der Generalanwalt anhand der unternehmerischen Freiheit (Art 16 GRC) darlegt (der OGH hat keine auf die Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bezogene Frage vorgelegt, was aber nicht heißt, dass der Eingriff in dieses Recht nicht genauso im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist).
Eine konkrete Sperrmaßnahme, die mit nicht unbeträchtlichem Aufwand verbunden ist, stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des Rechts (nach Art 16 GRC) dar. Die unternehmerische Freiheit ist - so der Generalanwalt unter Hinweis insbesondere auf das Urteil Sky Österreich (siehe im Blog hier) - nicht schrankenlos gewährleistet, sondern im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen und Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen, die "im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können". Zu berücksichtigen ist dabei (ua) die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nach dem von Mitgliedstaaten ergriffene Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastendende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.
Zur Geeignetheit kommt der Generalanwalt zum Ergebnis, dass auch eine Sperrmaßnahme, die ohne größere Schwierigkeiten umgangen werden können, nicht generell ungeeignet ist, um das Ziel des Schutzes der Rechte des Urhebers zu fördern (manche Nutzer werden auf die Umgehung verzichten, manche werden dazu auch nicht in der Lage sein).
Die Erforderlichkeit und Angemessenheit zu überprüfen ist Sache des nationalen Gerichts. Diesem will der Generalanwalt aber einige Erwägungen an die Hand geben; das soll aber keine "abschließende Liste der abzuwägenden Gesichtspunkte" darstellen:
- Die Möglichkeit der Umgehung einer angeordneten Sperrverfügung steht nicht grundsätzlich jeder Sperrverfügung im Wege, aber die quantitative Einschätzung des vorhersehbaren Erfolgs der Sperrmaßnahme ist ein in die Abwägung einzubringender Gesichtspunkt.
- Komplexität, Kosten und Dauer der Maßnahme sind in die Abwägung mit einzubeziehen:
"Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine einmalige Sperrmaßnahme gegen die Beklagte handeln wird. Vielmehr muss das abwägende Gericht davon ausgehen, dass es sich um einen Testfall handeln kann und in Zukunft zahlreiche ähnliche Fälle gegen jeden Provider vor den nationalen Gerichten behandelt werden können, so dass es zu zahlreichen ähnlichen Sperrverfügungen kommen kann. Sollte sich eine konkrete Maßnahme insoweit angesichts ihrer Komplexität, Kosten und Dauer als unverhältnismäßig erweisen, ist zu erwägen, ob durch eine teilweise oder vollständige Übernahme der Kostenlast durch den Rechteinhaber die Verhältnismäßigkeit hergestellt werden kann."
- Der Urheber muss vorrangig, insoweit dies möglich ist, unmittelbar die Betreiber der rechtswidrigen Website oder deren Provider in Anspruch nehmen.
- Die unternehmerische Betätigung eines Providers - also die geschäftliche Tätigkeit, Internetzugänge zur Verfügung zu stellen - darf als solche nicht in Frage gestellt werden. Ein Provider kann sich insoweit auch auf die gesellschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeit berufen: der durch das Internet gewährte Zugang zu Informationen gilt als wesentlich in einer demokratischen Gesellschaft.
Conclusio: Kein "Freibrief" für Internetsperren
Meines Erachtens läst aus den Schlussanträgen des Generalanwalts keineswegs ein Freibrief für Internetsperren aller Art ableiten - eher im Gegenteil (immer vorausgesetzt natürlich, dass der EuGH der Rechtsansicht des Generalanwalts folgt). Denn zusätzlich zum bereits durch die Rechtsprechung (insbesondere im Urteil Scarlet Extended) gefestigten Grundsatz, dass einem ISP keine allgemeine Filterpflicht auferlegt werden darf, ist nach Ansicht des Generalanwalts auch ein allgemeiner Auftrag an einen Provider (ohne Anordnung konkreter Maßnahmen), seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten - Urheberrechte verletzenden - Website zu ermöglichen, grundrechtswidrig. Eine zulässige Sperrverfügung müsste daher die konkreten Maßnahmen festlegen, die der Provider zu treffen hat, und sie müsste einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten.
Folgt man dem Generalanwalt, dann kann man die Ausgangslage für die Verhältnismäßigkeitsprüfung grob etwa so zusammenfassen: Je leichter eine Maßnahme zu umgehen ist, je komplizierter sie umzusetzen ist, je länger sie aufrechterhalten wird, desto eher wird sie unverhältnismäßig sein; je teurer die Maßnahme kommt (und je öfter solche Maßnahmen beantragt/erlassen werden), desto eher wird die Rechteinhaber in die Pflicht zu nehmen sein (das heißt: er müsste für die Kosten der Maßnahme aufkommen); und eine Maßnahme gegen einen - nicht an der Rechtsverletzung beteiligten - ISP wird überhaupt nur dann verhältnismäßig sein, wenn die Rechtsverfolgung gegenüber dem Betreiber der rechtswidrigen Website (und dessen Hoster) nicht zumutbar ist.
Update 27.11.2013: eine gute - und viel knappere - Zusammenfassung wichtiger Punkte aus den Schlussanträgen findet sich auf Hut'ko's Technology Law Blog.
Außerdem: ein Beitrag in italienischer Sprache zu diesen Schlussaträgen von Marco Bellezza auf medialaws.eu, ein Beitrag auf The 1709 Blog und auf IPKat.
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PS: Generalanwalt Cruz Villalón schreibt auch die Schlussanträge in den Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung, die am 12.12.2013 veröffentlicht werden.
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