Thursday, May 30, 2013

Vorratsdatenspeicherung: EuGH verurteilt Schweden zu 3 Mio. € Bußgeld

Der EuGH hat heute in der Rechtssache C-270/11 Kommission / Schweden das Königreich Schweden zu einem Pauschalbetrag von 3 Mio. Euro verurteilt, weil die Richtlinie  2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten auch nach dem Urteil C-185/09 Kommission / Schweden (Feststellung der Vertragsverletzung wegen Nichtumsetzung der Richtlinie) erst verspätet umgesetzt wurde (siehe auch die Pressemitteilung des EuGH).

Die Kommission hatte Schweden nach dem Urteil zur Umsetzung aufgefordert, Schweden war dem nicht fristgerecht nachgekommen, sondern hatte erst (nach Klagseinbringung) mit 1. Mai 2012 die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen getroffen.

Für die Bemessung des Pauschalbetrages ist unter anderem die Schwere des Verstoßes und der Zeitraum, in dem die beanstandete Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie festgestellt wurde, fortbestanden hat, zu berücksichtigen. Der EuGH hält zur Schwere des Verstoßes fest, dass sich die Richtlinie 2006/24 auf die Tätigkeiten der Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Binnenmarkt bezieht und dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Harmonisierungsvorschriften auf dem Gebiet der Datenvorratsspeicherung das Ziel der Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts verfolgt (RNr 47). Interessant ist, dass der EuGH ausdrücklich hervorhebt, dass die RL bestrebt sei, die Grundrechte der Bürger zu wahren (wobei er freilich in diesem Verfahren nicht prüft, ob dies tatsächlich erfolgt):
48   Im Wege der mit ihr vorgenommenen Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften soll die Richtlinie 2006/24, wie aus ihrem Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, sicherstellen, dass Daten der elektronischen Kommunikation zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmt werden, zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zu entnehmen, dass sie insbesondere bestrebt ist, die volle Wahrung der Grundrechte der Bürger auf Achtung des Privatlebens und ihrer Kommunikation sowie auf Schutz personenbezogener Daten gemäß den Art. 7 und 8 der Charta zu gewährleisten.
49   In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Verletzung der Pflicht zur Umsetzung einer solchen Richtlinie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beeinträchtigen droht. Eine solche Pflichtverletzung weist daher einen gewissen Schweregrad auf, und zwar unabhängig davon, welches Maß an Harmonisierung mit der Richtlinie 2006/24 vorgenommen wird. [Hervorhebung hinzugefügt]
Dass die nationale Umsetzung auf außergewöhnliche interne Schwierigkeiten gestoßen ist, spielt für den EuGH keine Rolle:  
54   Was die vom Königreich Schweden eingenommene Haltung zu seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/24 betrifft, können die von ihm geltend gemachten Rechtfertigungsgründe, wonach der Verzug bei der Durchführung dieses Urteils auf außergewöhnliche interne Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens, mit einer breiten politischen Debatte über die Umsetzung der Richtlinie 2006/24 und mit Problemen infolge schwieriger Abwägungen, um den Schutz des Privatlebens mit dem Erfordernis einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung zum Ausgleich zu bringen, zurückzuführen sei, keinen Erfolg haben. Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen [...].
Erschwerend wirkte noch, dass die Vertragsverletzung fast 27 Monate angedauert hat; mildernd wurde beurteilt, dass die Komission die behauptete Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt für Telekommunikationsdienste nicht belegt hat und dass Schweden zuvor noch nie versäumt hat, ein nach Art. 258 AEUV ergangenes Urteil des Gerichtshofs durchzuführen.

Beim EuGH ist noch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nichtumsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten anhängig (C-329/12 Kommission / Deutschland), in dem die Richtlinie ebenfalls nicht inhaltlich beurteilt werden dürfte (siehe schon das Urteil im Fall C-189/09 Kommission / Österreich, im Blog dazu hier).

Die spannendere inhaltliche Prüfung der Richtlinie steht dann in den folgenden Fällen an:

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