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Thursday, July 08, 2010

EuGH zu Portierungsentgelten für Verbraucher: Kosten sind zu berücksichtigen, können aber auch unterschritten werden

Am 1.7.2010 hat der EuGH sein Urteil in der Rechtssache C-99/09 Polska Telefonia Cyfrowa / UKE zur Frage der "abschreckenden Gebühren" für Verbraucher im Zusammenhang mit der Rufnummernübertragung verkündet (mehr zum Gegenstand dieses Vorabentscheidungsverfahrens und zu den Schlussanträgen hier). Generalanwalt Bot hatte dazu weit ausgeholt und - für mich nicht in allen Punkten nachvollziehbar - auf verschiedenste, auch bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zurückgegriffen; sein Ergebnis war, dass die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) die den Telekom-Unternehmen bei der Nummernübertragbarkeit entstehenden Kosten "als Indiz in der von ihnen für geeignet gehaltenen Weise zu berücksichtigen haben, wenn sie die abschreckende Wirkung der Gebühr beurteilen, die vom Teilnehmer insoweit erhoben werden kann".

Der EuGH hat sich diesem Ergebnis im Wesentlichen angeschlossen, leitet dies aber nicht wie der Generalanwalt eher weitwendig aus anderen Rechtsvorschriften her, sondern aus einer knappen systematischen Auslegung des Art 30 Abs 2 der UniversaldienstRL 2002/22/EG selbst. Dort wird ja zunächst festgehalten, dass die NRB dafür sorgen, "dass die Preise für die Zusammenschaltung im Zusammenhang mit der Nummernübertragbarkeit kostenorientiert sind" (was das Verhältnis der Telcos untereinander betrifft), und danach wird - für das Verhältnis gegenüber den Endkunden - verlangt, dass die NRB auch dafür sorgen, dass "etwaige direkte Gebühren für die Verbraucher diese nicht abschrecken, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen." Der EuGH sagt dann (in RNr 25-27) wörtlich:
"25 Aus der Systematik der Universaldienstrichtlinie ergibt sich somit, dass es Aufgabe der nationalen Regulierungsbehörde ist, mittels einer objektiven und verlässlichen Methode sowohl die den Betreibern im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung der Nummernübertragung entstehenden Kosten als auch die Gebührenschwelle zu ermitteln, ab der die Verbraucher möglicherweise auf diese Dienstleistung verzichten.
26 Im Anschluss an diese Prüfung muss die nationale Regulierungsbehörde gegebenenfalls der Anwendung einer direkten Gebühr widersprechen, die, obwohl sie im Verhältnis zu den genannten Kosten steht, unter Berücksichtigung aller der nationalen Regulierungsbehörde zur Verfügung stehenden Daten abschreckende Wirkung auf den Verbraucher hätte.
27 In diesem Fall kann die nationale Regulierungsbehörde zu dem Befund gelangen, dass die direkte Gebühr, die vom Verbraucher verlangt werden kann, niedriger sein muss, als sie es wäre, wenn sie allein anhand der mittels einer objektiven und verlässlichen Methode ermittelten Kosten bestimmt würde, die den Betreibern im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Nummernübertragbarkeit entstehen."
Im Tenor der Entscheidung wird der EuGH dann deutlicher als der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen und macht klar, dass die Kosten zwar zu berücksichtigen sind, aber nicht den alleinigen Maßstab der Entscheidung bilden:
"Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass die nationale Regulierungsbehörde die Kosten berücksichtigen muss, die den Betreibern von Mobilfunknetzen im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung der Nummernübertragung entstehen, wenn sie beurteilt, ob die von den Verbrauchern für die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung zu zahlende direkte Gebühr abschreckend wirkt. Sie bleibt aber befugt, den Höchstbetrag der Gebühr, die die Betreiber verlangen können, unterhalb der diesen entstehenden Kosten festzusetzen, wenn eine allein anhand dieser Kosten berechnete Gebühr die Nutzer davon abschrecken könnte, von der Möglichkeit der Übertragung Gebrauch zu machen."

Thursday, April 15, 2010

Keine Entgeltregulierung per Umfrage: Generalanwalt Bot zu "abschreckenden Gebühren" bei Nummernübertragung

Nach Art 30 Abs 2 der UniversaldienstRL 2002/22/EG sorgen die nationalen Regulierungsbehörden dafür, "dass die Preise für die Zusammenschaltung im Zusammenhang mit der Nummernübertragbarkeit kostenorientiert sind und etwaige direkte Gebühren für die Verbraucher diese nicht abschrecken, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen." Der hier hervorgehobene Satzteil wurde durch das jüngste Reformpaket zwar sprachlich - im Sinne einer Klarstellung - verändert, materiell dürfte sich dadurch nichts geändert haben (nunmehriger Wortlaut in der Fassung der RL 2009/136/EG: "und etwaige direkte Gebühren für die Teilnehmer diese nicht abschrecken, einen Anbieterwechsel vorzunehmen.")

Welchen Spielraum haben nun die Mitgliedstaaten und/oder die Regulierungsbehörden, um eine Grenze zu ziehen, ab der solche Entgelte für die Nummernportierung "abschreckend" für die Verbraucher sind? Der Präsident der polnischen Regulierungsbehörde machte das nach dem Text dieser Bestimmung eigentlich Naheliegende: er fragte die Verbraucher. Da sich nach einer Verbraucherumfrage ergab, dass die (wohl: durchschnittliche) Zahlungsbereitschaft der polnischen Verbraucher für die Nummernübertragung bei € 11,20 (Prepaid-Kunden) bzw. € 11,70 (Vertragskunden) lag, kam er zum Ergebnis, dass die geforderte Gebühr von € 12,20 demnach abschreckend war und verhängte eine Strafe über den Anbieter Polska Telefonia Cyfrowa sp. zoo (eine T-Mobile-Tochter).

Im darauf folgenden Rechtsstreit hat der polnische Oberste Gerichtshof dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die nationale Regulierungsbehörde bei einem Vorgehen nach Art 30 Abs 2 UniversaldienstRL "verpflichtet ist, die Kosten zu berücksichtigen, die den Betreibern eines Mobilfunknetzes im Zusammenhang mit der Erbringung dieser Dienstleistung entstehen".

In den heute veröffentlichten Schlussanträgen von Generalanwalt Bot in dieser Rechtssache (C-99/09 Polska Telefonia Cyfrowa / UKE) kommt dieser zum Ergebnis, dass Art 30 Abs 2 der UniversaldiensRL dahin auszulegen ist, "dass die nationalen Regulierungsbehörden die den Telekommunikationsunternehmen im Zusammenhang mit der Verwirklichung der Nummernübertragbarkeit entstehenden Kosten als Indiz in der von ihnen für geeignet gehaltenen Weise zu berücksichtigen haben, wenn sie die abschreckende Wirkung der Gebühr beurteilen, die vom Teilnehmer insoweit erhoben werden kann."

Das Ergebnis ist meines Erachtens insoweit klar, als demnach eine Berücksichtigung der Kosten jedenfalls geboten ist. Was die nationalen Regulierungsbehörden (ganz abgesehen vom nationalen materiellen Recht und Verfahrensrecht) aber aus der Ermächtigung machen sollen, diese Kosten in einer "von ihnen für geeignet gehaltenen Weise" (as you like it?) zu berücksichtigen, erschließt sich mir schon weniger. Und noch mehr überrascht mich die teilweise recht interessante Herleitung des Ergebnisses - insbesondere mit Verweisen zurückgehend auf die ONP-RahmenRL 90/387/EWG, offenbar bloß weil diese Richtlinie auch Vorgaben für Entgelte im Telekombereich (Kostenorientierung für Netzzugangstarife) vorsah.

In RNr 51 führt der Generalanwalt aus: "Aus diesen Rechtsakten [in der vorangegangenen RNr. sind die RL 90/387/EWG (!),  2002/21/EG und 2002/19/EG zitiert] lassen sich nämlich die Preisgestaltungsgrundsätze herausarbeiten, auf denen die Regulierung der Telekommunikation und insbesondere die Festsetzung der Preise für die Zusammenschaltung beruhen." 

Diese von ihm festgestellten Grundsätze werden in RNr 52 dargestellt, wobei bemerkenswert ist, dass er sich dabei wiederum auf die alte ZusammenschaltungsRL, die alte Mitteilung über Zusammenschaltungsentgelte und auf das EuGH-Urteil C-152/07 - 154/07, Arcor ua, das zu Bestimmungen der alten ZusammenschaltungsRL und zur ONP-WettbewerbsRL ergangen ist, beruft. Auch die ganz alte SprachtelefonieRL und die alte MietleitungsRL müssen zur Begründung der "Grundsätze" herhalten. Schließlich zitiert der Generalanwalt (in RNr. 57) auch noch Erwägungsgrund 26 der UniversaldienstRL, der allerdings in einem anderen Zusammenhang steht und sich mit Endnutzertarifen von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht befasst.

Und weil in all diesen alten (und teilweise neuen) Richtlinien so viel von Kosten und Kostenorientierung steht, sind daher auch bei der Beurteilung der abschreckenden Wirkung nach Art 30 Abs 2 der UniversaldienstRL - die dafür gerade nicht ausdrücklich Kostenorientierung festlegt - die Kosten zu berücksichtigen. Das "Wie" bleibt offen. Jedenfalls haben die Regulierungsbehörden nach Ansicht des Generalanwalts einen "Spielraum" ("marge d’appréciation", RNr 30, 39, 41, 53), der aber nicht mit Ermessen ("pouvoir discrétionnaire") zu verwechseln ist (RNr 54).

Die Ergebnisse einer Verbraucherumfrage können nach Ansicht des Generalanwalts "durchaus einen interessanten Gesichtspunkt darstellen, der den Regulierungsbehörden Aufschluss über die Erwartung der Nutzer geben kann." (RNr. 61); allerdings sind sie "für sich genommen kein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der abschreckenden Wirkung" (RNr. 62).

Am Ende (RNr. 72) der Schlussanträge beantwortet der Generalanwalt schließlich eine ihm nicht gestellte Frage: eine Verpflichtung, den Dienst der Nummernübertragung für die Verbraucher kostenlos anzubieten, wie sie in einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehen ist, hält er demnach zwar für vorteilhaft, aber nicht mit dem geltenden Richtlinienrecht vereinbar.

Das Ergebnis der Schlussanträge kann man teilen oder nicht, die Herleitung über längst nicht mehr in Geltung stehende Richtlinien, die in einem wesentlich anderen Zusammenhang stehen und andere Leistungen betreffen, scheint mir allerdings nicht überzeugend.

PS: In RNr 37 der Schlussanträge meint der Generalanwalt (ohne Belegstelle), dass die Kosten gegenüber den Verbrauchern "im Allgemeinen vom aufnehmenden Betreiber erhoben" werden. Ich kenne dazu keine europaweite Übersicht; in Österreich ist dies aber definitiv anders.