Kann ein Ereignis von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung (siehe hier) zugleich im Sinne von § 10 Abs 12 ORF-G "die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen"?
Diese Frage könnte sich für den ORF bei der Übertragung des Opernballs stellen, zumindest für den Fall, dass auch der diesjährige bezahlte Gast des Baumeisters interviewt werden sollte. Denn - wie schon berichtet - stellt es nach Ansicht der amerikanischen Regulierungsbehörde FCC ein ziemlich großes Risiko dar, sich bei dieser Person darauf zu verlassen, dass sie vulgäre Sprache vermeiden würde ("Relying on Ms. [H.] and Ms. [R] to avoid vulgar language, however, involved asubstantially greater risk.").
Und außerdem - auch darauf weist die FCC ausdrücklich hin - werden DVDs mit Ms. H und Ms. R im Handel so beworben: “They’re Rich. They’re Sexy. They’re TOTALLY-OUT-OF CONTROL!”
Doch im Ernst: die Maßstäbe der FCC scheinen aus österreichischer Sicht doch recht überzogen, und die Gefahr, ein Interview mit Ms. H aus Jugendschutzgründen blockieren zu müssen, dürfte gering sein. Der bislang einzige Fall, in dem das "f-word" in Österreich rundfunkrechtlich auffällig geworden ist, betraf denn auch im Kern nicht die Frage des Jugendschutzes, sondern der (Miss-)Achtung religiöser Gefühle, da das inkriminierte Wort in Bezug auf "die Mutter Gottes im Himmel" verwendet worden war; der Bundeskommunikationssenat stellte eine Verletzung des § 10 Abs 1 ORF-G (Mißachtung der Grundrechte anderer) fest, wobei er bei der Auslegung dieser Bestimmung ausdrücklich auch die Jugendschutz-Norm des § 10 Abs 12 ORF-G berücksichtigte (BKS 26.4.2004, 611.927/0006-BKS/2004); der Anlassfall beschäftigte übrigens auch den - bekannt religiösen - (ehemaligen) Volksanwalt Mag. Stadler, der die mangelnde Strafverfolgung des Autors und Sprechers nach § 188 StGB (Herabwürdigung religiöser Lehren) kritisierte.
Direkt herangezogen hat der Bundeskommunikationssenat § 10 Abs 12 ORF-G zur Verurteilung der "Darstellung einer sadomasochistischen Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem eigenen Sohn und Schilderung der von der Mutter an ihrem Sohn vollzogenen sadomasochistischen Praktiken" - in einer Nachmittagsshow des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (BKS 26.1.2006, 611.942/0004-BKS/2005).
Aber auch in den Verienigten Staaten ist das letzte Wort zum f- und s-word noch nicht gesprochen. Fox Television hat die FCC in dieser Sache zu Gericht zitiert, und die erste Anhörung im Court of Appeal for the 2nd Circuit hat kurz vor Weihnachten stattgefunden. Die gesamte Gerichtsverhandlung kann auf C-SPAN angeschaut werden (das Video ist zu finden unter der Rubrik America & the Courts, Sendung vom 23. Dezember 2006, Fox Television v. FCC). "TV Barn" schreibt dazu:
"You, too, can enjoy the spectacle of an outmatched FCC lawyer perspiring his way through hostile questioning by two of the three judges. Also, it's just fun to hear the F-word on basic cable. Even the judges, at times, seemed kind of giddy about it. And if that's not enough, the Fox lawyer will actually make you feel good about Rupert Murdoch again."
(Wer dafür nicht eine volle Stunde Zeit hat: besonders empfehlenswert ist der Schlagabtausch zwischen dem FCC-Anwalt und der Richterbank etwa ab Minute 27!)
PS: Ich habe den Namen des angekündigten Opernball-Gastes absichtlich nicht genannt; nicht weil es nach Product Placement klingen würde, sondern weil ich den Internet-Nutzern, die in Google Abfragen nach "[Name des Opernball-Gastes] barfuß" eingeben, die Enttäuschung ersparen will, auf meinem Blog zu landen, wo ich zufällig auch den Generaldirektor für Wettbewerb erwähnt habe (das ist laut Suchanfragen-Auswertung zumindest viermal passiert).
Sunday, January 28, 2007
Opernball und Rundfunkrecht, Teil 2
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