Wednesday, December 31, 2025

IFG-Rechtsprechungsupdate (Nr. 2)

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist seit knapp vier Monaten in Kraft; nach den ersten - im Wesentlichen formalen - Entscheidungen, über die ich in meinem Beitrag vom 4. Dezember 2025 berichtet habe, gibt es nun auch schon inhaltliche Entscheidungen der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte, die ich hier - ganz knapp - vorstellen möchte. 

1. Ist die Hypo Vorarlberg eine "börsennotierte Gesellschaft" im Sinne des § 13 Abs. 3 IFG?

Die - chronologisch erste - Entscheidung ist zwar kein Erkenntnis, sondern ein Zurückweisungsbeschluss, der aber über eine inhaltliche Frage abspricht, nämlich über die Reichweite des IFG im Hinblick auf "börsenotierte Gesellschaften". 

Mit Beschluss des LVwG Vorarlberg vom 24.10.2025, LVwG-488-1/2025-R22, wurde der Antrag eines Journalisten auf Entscheidung einer Streitigkeit mit der Hypo Vorarlberg Bank AG (die zu mehr als 76 % im Eigentum des Landes Vorarlberg steht) betreffend den Informationszugang zu einem von der Hypo eingeholten Gutachten, zu Erklärungen über Befangenheiten im Kreditausschuss und zu den Gesamtkosten eines Auftrags über Dienstleistungen zur Krisenkommunikation zur Gänze als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschluss wird tragend damit begründet, dass es sich bei der Hypo Vorarlberg Bank AG um eine nach § 13 Abs. 3 IFG von der Informationspflicht ausgenommene "börsennotierte Gesellschaft" handle. 

Das überrascht einerseits deshalb, weil Anteile der Hypo bekanntlich nicht an der Börse gehandelt werden, die Hypo also nicht das ist, was man im üblichen Sprachgebrauch unter einer börsennotierten Gesellschaft versteht. Andererseits überrascht es auch nicht wirklich, denn die einschlägig betroffenen Unternehmen haben natürlich von Anfang an versucht, sich dem IFG möglichst zu entziehen (in den "stages of denial" der Informationsfreiheit ist das der erste Level: "wir sind gar nicht informationspflichtig"). Und WU-Professorin Susanne Kalss hatte schon in einem Beitrag in der GesRZ 2024 die Auffassung vertreten, dass auch Unternehmen, die Anleihen emittieren, die auf auf einem geregelten Markt gehandelt werden (was die Hypo tut), im Sinne des IFG  börsennotierte Gesellschaften wären. Jüngst hat sich dann JKU-Professor Philipp Fidler (in der Zeitschrift für Finanzmarktrecht 2025, 542) mit dieser Frage befasst - immerhin merkt er in einer Fußnote an, dass sein Beitrag "auf eine Anfrage aus der Praxis" zurückgeht (das ist eine etwas verschämte Umschreibung für ein Auftragsgutachten, allerdings legt er den Auftraggeber nicht offen; über allzuviel Transparenz kann man sich am Rechtsgutachten-Markt nicht beklagen). Dass sein Ergebnis mit jenem von Kalss und mit den Ansichten der Hypo übereinstimmt, müsste wohl nicht eigens erwähnt werden, Litigation PR passiert eben auch in juristischen Fachzeitschriften. 

Das LVwG Vorarlberg vertritt jedenfalls - Kalss folgend - die Auffassung, die Hypo Vorarlberg sei eine börsennotierte Gesellschaft. Damit bleibt das Verwaltungsgericht verfahrenstaktisch gewissermaßen auf der sicheren Seite: denn so besteht nicht die Gefahr, dass Unternehmensdaten zunächst offengelegt würden, und dann ein Höchstgericht vielleicht zu einer anderen Auffassung kommt. 

Was Moritz Moser, der vor dem LVwG beschwerdeführende Journalist, über die Sache denkt, kann man auf diesem Podcast nachhören (Spoiler: er findet keine sehr freundlichen Worte). Er hat jedenfalls Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

2. Überwiegendes Interesse der Betroffenen von (allfälligen) Disziplinarmaßnahmen

Mit Erkenntnis des LVwG Tirol vom 11.12.2025, LVwG-2025/21/2529-8, wurde eine Beschwerde  gegen einen Bescheid der Tiroler Landesregierung, mit dem der Zugang zu Informationen verweigert worden war, abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte Zugang zu Informationen "über jene Verwaltungsmaßnahmen, die die Behörde im Zusammenhang mit zwei [...] Dienstaufsichtsbeschwerden gesetzt habe", begehrt; die Behörde hatte den Zugang wegen entgegenstehender  überwiegender berechtigter Interessen Dritter verweigert. Das LVwG bestätigt diese Entscheidung: "Das Interesse einer von einer Dienstaufsichtsbeschwerde betroffenen Person, allfällige diskriminierende oder nachteilige Feststellungen über ihre Dienstleistung nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, überwiegt gegenüber dem Informationsinteresse des Auskunftswerbers." Die Revision wurde - unter Hinweis auf übertragbare Rechtsprechung des VwGH zum Auskunftsrecht - nicht zugelassen.

3. Keine Informationen zu Kooperationen eines (mittelbaren) Landesunternehmens mit einem iranischen Unternehmen

Die Anonymisierung des nächsten Erkenntnisses ist recht umfassend, aber wenn man die entsprechenden Medienberichte mitbekommen hat, ist doch klar, worum es geht: um Fragen zur Kooperation einer im mittelbaren Alleineigentum des Landes Niederösterreich stehenden Gesellschaft, der EBG MedAustron GmbH, mit iranischen Unternehmen bzw. sogar dem iranischen Atomprogramm (siehe dazu etwa diesen Bericht auf derstandard.at). 

Mit Erkenntnis des LVwG NÖ. 16.12.2025, LVwG-AV-1158/001-2025, wurde ausgesprochen, dass die von einem Journalisten von der MedAustron begehrten Informationen nicht zu erteilen sind. Das LVwG NÖ kommt (anders als das BVwG in dieser Entscheidung) zum Ergebnis, dass die Frist für die Antragstellung beim Verwaltungsgericht mit Ende der vierwöchigen Frist für die Anfragebeantwortung zu laufen beginnt, und nicht bereits mit einer bereits früheren Antwortverweigerung. Die MedAustron ist auch informationspflichtig. Das Verwaltungsgericht vertritt sodann die Auffassung, Art. 10 EMRK sei nicht anwendbar, weil es sich bei der MedAustron nicht um eine Organisation handle, die öffentliche Aufgaben erfülle (das würde ich anders sehen, denn das österreichische Gesetz erkennt ja gerade an, dass eine Informationspflicht [auch gegenüber Journalist*innen] von "state owned companies" wie der MedAustron  besteht, und der EGMR ein von Art. 10 EMRK geschütztes Recht anerkennt "in  situations where the applicant was deemed to have had an established right to the information under domestic law,"). 

Die tragende Begründung für die Entscheidung, die MedAustron nicht zur Gewährung des Informationszugangs zu verpflichten, stützt sich aber schließlich im Kern auf eine Abwägungsentscheidung, in der die Interessen des Unternehmens am Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen höher gewichtet werden als das Informationsinteresse des Journalisten. Die Revision wurde zugelassen, die Fristen für eine Beschwerde an den VfGH oder eine Revision an den VwGH sind noch offen.

4. Zugang zu Verträgen über den Rettungsdienst im Land Tirol

Mit Erkenntnis des LVwG Tirol, 22.12.2025,  LVwG-2025/14/2712-9, wurde die Tiroler Landesregierung verpflichtet, dem Beschwerdeführer - einem Betriebsratsmitglied des betroffenen Unternehmens - Zugang zu zwei Verträgen zu gewähren, die das Land Tirol mit der Rotes Kreuz Tirol gemeinnützige Rettungsdienst GmbH über den bodengebundenen Rettungsdienst und Krankentransport abgeschlossen hat. 

Das LVwG erkennt an, dass die Verträge (jedenfalls soweit sie vom Land Tirol dem Gericht überhaupt vorgelegt wurden, wobei die Nichtvorlage entsprechend  zum Nachteil des Landes - gewürdigt wird) Informationen enthalten, die einem Mitbewerber um die Vergabe der betreffenden Leistungen (die 2030 wieder ansteht) zum Vorteil gereichen könnten. Das Erkenntnis wägt dann aber sorgfältig das öffentliche Interesse an den Informationen (es geht dabei um deutlich zweistellige Millionenbeträge), den weiteren Zeitablauf, bis es zu einer Neuvergabe kommen wird (noch fünf Jahre, in denen die Informationen gewissermaßen an Wert verlieren) und eine Reihe weiterer  Aspekte, etwa das Interesse am Fortbestand des bodengebundenen Rettungsdienstes, ab. Auch die vereinbarte Geheimhaltungsklausel kommt nicht zum Tragen, da diese schon nach ihrem Wortlaut nicht gilt, wenn gesetzliche Offenlegungs- und Auskunftspflichten bestehen. Auch in diesem Fall hat das Verwaltungsgericht die Revision zugelassen; die Fristen für eine Beschwerde an den VfGH oder eine Revision an den VwGH sind noch offen.

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