Mit der heute bekanntgegebenen Entscheidung vom 06.03.2012, Die Freiheitlichen in Kärnten gegen Österreich (Appl. no. 16230/07) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde der FPK zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte ratione personae, also wegen eines in der Person der Beschwerdeführerin gelegenen Mangels, weil der FPK kein Opferstatus im Sinne des Art 35 Abs 3 und 4 EMRK zukam.
Der Fall geht zurück auf eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Seebühne Klagenfurt. In einer Sendung der Reihe "Streitkultur" in Radio Kärnten hatte die damalige Vorsitzende der SPÖ Kärnten Kritik unter anderem an der Tonanlage der Seebühne geübt. Die FPK bemerkte, dass die Tonanlage von einem Unternehmen geliefert worden war, in dem der Ehemann der Parteivorsitzenden, ein ehemaliger Eishockeyspieler (Hans Schaunig, als früherer KAC-Tormann in Kärnten sehr bekannt), "general manager" (Prokurist) war. Das wurde nicht nur auf der Website des ORF so dargestellt, sondern auch in einem von der FPK geschalteten Inserat in drei Tageszeitungen. Die Inserate waren zwar als Anzeige gekennzeichnet, aber redaktionell gestaltet: mit einem Kommentar, einem Artikel und einem Foto der SPÖ-Kärnten-Vorsitzenden und ihres Ehemannes; darunter stand: "Seebühne: Schaunig-Kandut kritisiert - ihr Mann kassiert" (siehe Berichte aus dieser Zeit etwa hier und hier).
Hans Schaunig ging gegen die Veröffentlichung des Bildes nach § 78 UrhG vor. Nach dieser Bestimmung dürfen Bildnisse von Personen "weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten [...] verletzt würden." Das Verfahren über die beantragte einstweilige Verfügung gewann Schaunig in allen Instanzen, im Hauptverfahren kam es danach - wie in solchen Fällen nach einem verlorenen eV-Verfahren üblich - zu einem Anerkenntnisurteil des LG Klagenfurt: die FPK erkannte den Anspruch von Hans Schaunig als begründet an, das Urteil wurde rechtskräftig.
Die FPK brachte dennoch Beschwerde beim EGMR ein, da sie sich in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt fühlte. Die einstweilige Verfügung sei bindend gewesen, das Anerkenntnisurteil bedeute nicht, dass sie dem Kläger zugestimmt hätte, sondern hätte nur prozeduralen Wert gehabt "and was based on the consideration of avoiding additional costs by continuing the main proceedings in which the applicant party had little prospect of success."
Unter Hinweis auf die - zu österreichischen Fällen ergangene - Vorjudikatur (Standard Verlags GmbH gegen Österreich, Appl. no. 13071/03, und Standard Verlags GmbH gegen Österreich [Nr 2], Appl. no. 21277/05) kam der EGMR auch in diesem Fall - wenig überraschend - zum Ergebnis, dass sich die FPK aufgrund des Anerkenntnisurteils nicht mehr auf den Opferstatuts im Sinne der EMRK berufen konnte.
Thursday, March 22, 2012
Streitkultur vor dem EGMR: Freiheitliche in Kärnten kein Opfer im Seebühne-Fall
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