Die Kommission hat gegen Spanien und Frankreich bereits Klagen wegen Vertragsverletzung erhoben (C-468/11, C-485/11) und heute auch die Klage gegen Ungarn wegen einer ähnlichen Steuer angekündigt. Zudem wurde vor kurzem ein Vorabentscheidungsverfahren zu einer Sondersteuer in Malta anhängig gemacht (C-71/12 Vodafone Malta and Mobisle Communications).
In den verbundenen Verfahren C-55/11 Vodafone España, C-57/11 Vodafone España und C-58/11 France Telecom España geht es nicht um eine allgemeine "Telekom-Steuer", sondern um eine Abgabe, die in Spanien auf kommunaler Ebene für eine Sondernutzung von Gemeindeeigentum eingehoben werden kann. Ungefähr 1390 von insgesamt 8000 spanischen Gemeinden heben eine solche Abgabe ein. Betroffen sind insbesondere auch Mobilfunkunternehmen, die Antennen, Basisstationen und andere Einrichtungen auf kommunalem Grund installieren oder nutzen, wobei de facto eine Art Steuer auf der Grundlage des Marktanteils erhoben wird, deren Bemessungsgrundlage sich vor allem an der Zahl der in der Gemeinde installierten Festnetz(!)-Telefone richtet (weil - so offenbar die Argumentation - auch Mobilfunkunternehmen, die ja mit den Festnetzunternehmen zusammengeschaltet sind, damit die [Festnetz-]Installationen auf öffentlichem Grund in den Gemeinden nutzen).
Drei Mobilfunkunternehmen haben solche Satzungen gerichtlich angefochten, da sie die Abgabenerhebung als mit Art 13 der GenehmigungsRL unvereinbar ansehen. Der spanische Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo), der über diese Anfechtungen zu entscheiden hat, legte dem EuGH drei Fragen zur Auslegung des Art 13 der GenehmigungsRL 2002/20/EG vor, zu denen Generalanwältin Sharpston heute ihre Schlussanträge erstattet hat. Art 13 der RL lautet:
Die Mitgliedstaaten können der zuständigen Behörde gestatten, bei Nutzungsrechten für Funkfrequenzen oder Nummern oder bei Rechten für die Installation von Einrichtungen auf, über oder unter öffentlichem oder privatem Grundbesitz Entgelte zu erheben, die eine optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherstellen sollen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entgelte objektiv gerechtfertigt, transparent, nichtdiskriminierend und ihrem Zweck angemessen sind, und tragen den in Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] genannten Zielen Rechnung.Mit der ersten Frage will das vorlegende Gericht wissen, ob es mit Art 13 der GenehimgungsRL vereinbar ist, wenn ein Entgelt für die Installation der Einrichtungen von Mobilfunkunternehmen erhoben wird, die das Netz nutzen, ohne aber dessen Inhaber zu sein. Generalanwältin Sharpston lehnt dies - recht weit ausholend - ab: Mit dem Begriff "Einrichtungen" in Art 13 der RL seien nur physische Infrastrukturen gemeint. Art 13 biete keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Entgelten bei allen Personen, denen die auf öffentlichem Grundbesitz installierten Einrichtungen zugutekommen.
Mit seiner zweiten Frage will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die in den Gemeindesatzungen geregelten Voraussetzungen für die Erhebung des Entgelts den in Art 13 GenehmigungsRL niedergelegten Erfordernissen der Objektivität, Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung sowie der Notwendigkeit der Gewährleistung einer optimalen Nutzung der betroffenen Ressourcen entsprechen. Ausgehend von der Antwort auf die erste Frage könnte eine Antwort darauf unterbleiben, die Generalanwältin geht aber vorsichtshalber dennoch darauf ein (Abs. 76 bis 92). Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um den spannendsten Teil der Schlussanträge, vor allem weil diese Überlegungen natürlich auch für Entgelte für die Nutzung von Funkfrequenzen (und Rufnummern) gelten.
Zur objektiven Rechtfertigung:
76. Ein unter Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie fallendes Entgelt ist meines Erachtens dann nicht objektiv gerechtfertigt, wenn seine Höhe nicht an die Intensität der Nutzung der 'knappen' Ressource und den aktuellen und zukünftigen Wert dieser Nutzung anknüpft. [...]Zur Verhältnismäßigkeit:
77. Meiner Meinung nach sind die Mitgliedstaaten bei Rechten für die Installation von Einrichtungen nicht zur Erhebung von Entgelten befugt, die angeblich eine optimale Nutzung von 'Wegerechten' sicherstellen sollen, die aber nicht auf der Grundlage von Kriterien festgesetzt werden, die einen Bezug zu diesem Ziel aufweisen, wie etwa Intensität, Dauer und Wert der von dem Unternehmen vorgenommenen Nutzung des fraglichen Eigentums oder vorgesehene alternative Nutzungen des Eigentums [...].
79. Entgelte, die sich nach den Bruttoeinkünften eines Unternehmens richten, dürften wohl in erster Linie der Erzielung von Haushaltseinnahmen dienen, was keine objektive Rechtfertigung eines Entgelts im Sinne von Art. 13 darstellt.
80. Entgelte sind nicht verhältnismäßig, wenn sie anhand von Kriterien und in einer Höhe festgesetzt werden, die über das hinausgehen, was zur Sicherstellung der optimalen Nutzung der 'knappen' Ressourcen, die durch die Entgelte geschützt werden sollen, erforderlich ist.Zur Nichtdiskriminierung legt die Generalwältin dar, dass sich Unternehmen, die Einrichtungen installieren, wohl nicht in einer vergleichbaren Situation mit jenen Mobilfunkbetreibern befinden, die Einrichtungen anderer Unternehmen nutzen:
81. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Entgelte entweder so hoch sind, dass sie von Investitionen in die Installation von Netzen und Einrichtungen abhalten und den Wettbewerb behindern, oder so niedrig, dass sie nicht zur effizienten Verwaltung der Ressourcennutzung beitragen.
91. [...] Die Nutzung öffentlicher Grundstücke durch die erstgenannten Unternehmen wirkt sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit des Zugangs zu dieser Ressource aus und schränkt die dem Eigentümer daran zustehenden Ausschließlichkeitsrechte ein. Die Nutzung durch die letztgenannten Unternehmen wirkt sich nicht in dieser Weise aus. In wirtschaftlicher Hinsicht können diese beiden Nutzungsformen nicht als gleichwertig angesehen werden.Zur unmittelbaren Wirkung von Art 13 GenehmigungsRL:
Zur Frage, ob Art 13 GenehmigungsRL inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist und damit unmittelbare Wirkung hat, verweist die Generalanwältin knapp auf das Urteil Connect Austria, mit dem entschieden wurde, dass die "Vorgängerbestimmung", Art. 11 Abs. 2 der RL 97/13 unmittelbare Wirkung hatte. Der Wortlaut von Art 13 der GenehmigungsRL sei noch klarer und präziser als der von Art 11 Abs 2 der RL 97/13; für die Generalanwältin ist daher eindeutig: "Art. 13 der Genehmigungsrichtlinie hat unmittelbare Wirkung."
Nun ist abzuwarten, ob der Gerichtshof den Schlussanträgen folgt. Tut er dies, so wird er wohl auf die zweite Frage keine ausdrückliche Antwort geben, auch wenn mich diese Frage am meisten interessiert. Festhalten kann man aber, dass zumindest nach Ansicht der Generalanwältin Entgelte - für die Nutzung von Frequenzen, Rufnummern oder für Installationen auf öffentlichem Grund - jedenfalls unverhältnismäßig sind, wenn sie in einer Höhe festgesetzt werden, die über das hinausgeht, was zur Sicherstellung der optimalen Nutzung der 'knappen' Ressourcen erforderlich ist. Fiskalpolitische Überlegungen bei der Festlegung von Entgelten zB für Frequenznutzungen wären damit nicht zulässig.
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PS - zu etwas ganz anderem: das EuG hat heute die verbundenen Rechtssachen T-458/09 und T-171/10, jeweils Slovak Telekom / Kommission entschieden. Es ging dabei um die Nichtigerklärung der Entscheidungen C(2009) 6840 und C(2010) 902 betreffend Auskunftsverlangen der Kommission in Verfahren zur Untersuchung eines möglichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Hinblick auf die Verweigerung des Zugangs zu Infrastruktur und auf das Vorliegen einer Preis-Kosten-Schere im Zusammenhang mit der Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung. Das EuG hat die Klagen der Slovak Telekom gegen die Entscheidungen der Kommission abgewiesen (Urteil, Pressemitteilung).
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