Der Gesetzesentwurf des BMVIT (siehe dazu hier) ist in der Begutachtung heftig kritisert worden (siehe die Stellungnahmen auf der Parlaments-Website); nach einer längeren Sommerpause dürfte es nun in der Regierung abschließende Verhandlungen zu den zentralen Streitfragen der Umsetzung geben. Dabei geht es vor allem um die Dauer der Speicherung (Verkehrsminister und Justizministerin sind für sechs Monate, der Innenminister für ein Jahr) und um die Frage, bei welchen Straftaten die Strafverfolgungsbehörden auf die von den Betreibern auf Vorrat gespeicherten Daten zugegriffen werden darf (Pressemeldungen zB hier und hier). Der Datenschutzrat hat sich vor kurzem neuerlich für eine Speicherdauer von höchstens sechs Monaten ausgesprochen.
Inzwischen wurde in Deutschland die Umsetzung bereits im Bundestag beschlossen (Gesetzesentwurf, Bundestagsprotokoll, siehe S. 12993ff); bemerkenswert die Erklärung einiger SPD-Abgeordneter (auf S. 13031f des Protokolls), die offenbar gewisse Bedenken hatten - aber doch nicht Bedenken genug, um die Zustimmung zu verweigern. Wörtlich heißt es dort:
"Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in
absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise
verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird."
Die Abgeordneten halten also die Verfassungswidrigkeit (einzelner "Bestandteile") des Gesetzes für möglich, finden sich aber damit ab - ein klassischer Fall von dolus eventualis. Die erwartete Sammel-Verfassungsbeschwerde kommt sicher, ihr Entstehen kann man gewissermaßen live mitverfolgen, der jeweils aktuelle Entwurf ist hier zu finden. Derzeit gibt es angeblich schon 16.000 Vollmachtserklärungen (auch wenn die Website korrekt Folgendes klarstellt: "Juristisch ist es ohne Bedeutung, ob eine Person Verfassungsbeschwerde erhebt oder 10.000 Menschen.")
Im UK wurde die Richtlinie schon umgesetzt: Statutory Instrument 2007 No. 2199: Data Retention (EC Directive) Regulations 2007 (Speicherdauer 12 Monate).
Irland hat vor dem EuGH Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie erhoben (Rs C-301/06), freilich nicht wegen inhaltlicher Bedenken, sondern wegen der herangezogenen Rechtsgrundlage. Nach Ansicht Irlands handelt es sich nämlich nicht um eine Maßnahme der Rechtsangleichung, die auf Art 95 EG gestützt werden kann, sondern um eine Maßnahme im Bereich des Strafrechts, also der "dritten Säule" (daher müsste "Titel VI EU, insbesondere die Artikel 30, 31 Absatz 1 Buchstabe c und 34 Absatz 2 Buchstabe b" als Rechtsgrundlage herangezogen werden).
2 comments :
Es ist Vers 10 in Kap. 3 der Sprüche ;-)
Danke für die genaue Lektüre und die Korrektur! Ich habe den Tippfehler ausgebessert!
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