Wenn es um Transit geht, hört sich in Österreich der Spaß auf - und Meinungsverschiedenheiten mit der Europäischen Kommission landen da nicht selten beim EuGH (zB C-393/03 R, C-445/00, C-205/98 ua). Das Überraschende daran: nicht nur der alpenquerende Transitverkehr mit Lastkraftwagen wurde zum Streitfall, auch die "Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz" (Markt 10 der Märkteempfehlung) sorgten für einige Verstimmung zwischen Österreich und der Kommission - und für ein Verfahren beim EuGH.
Schon im Jahr 2004 war die Telekom-Control-Kommission zum Ergebnis gekommen, dass auf dem Transit-Markt effektiver Wettbewerb bestehe - und sie wollte die bestehenden Verpflichtungen der Telekom Austria AG auf diesem Markt aufheben (Konsultationsdokument vom 20.7.2004). Die Europäische Kommission hatte Bedenken - vor allem wegen der Marktabgrenzung - und leitete im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 der Rahmenrichtlinie zunächst das Phase 2-Verfahren ein ("serious doubts letter" vom 20.8.2004). In der Folge kam es zu einem sogenannten "Veto" nach Artikel 7 Abs 4 der RahmenRL, dh die Telekom-Control-Kommission wurde zur Rücknahme des Maßnahmenentwurfs aufgefordert (Entscheidung vom 20.10.2004, AT/2004/0090).
Was nun? Die Telekom-Control-Kommission konnte gegen das "Veto" der Europäischen Kommission den Entwurf nicht beschließen - und ändern wollte sie ihn auch nicht. Also legte sie dem EuGH die Frage vor, ob die Entscheidung der Kommission überhaupt gültig sei. Der EuGH gab darauf allerdings keine Antwort, da er schon er die Zulässigkeit der Frage verneinte (C‑256/05): vor der Telekom-Control-Kommission sei nämlich noch gar kein Rechtsstreit anhängig; die Telekom-Control-Kommission habe der Europäischen Kommission "aus eigener Initiative" (!) einen Maßnahmenentwurf vorgelegt und diese habe "der nationalen Behörde nur geantwortet." Das war im Oktober 2005.
Etwa ein Jahr später begann der Marktanalyseprozess von neuem. Wenig überraschend kam die Telekom-Control-Kommission darin zum selben Ergebnis wie schon 2004 (Konsultationsdokument vom 7.2.2007). Und siehe da - die Europäische Kommission hat keine Einwendungen mehr. In der Stellungnahme vom 6.3.2007 versucht sie zu begründen, dass sich ihr Standpunkt eigentlich nicht geändert habe: die zuletzt strittige genauere Marktdefinition sei nämlich nicht notwendig, da der Markt gar nicht relevant sei, weil er den "drei Kriterien-Test" nicht bestehe (keine hohen, nicht nur vorübergehenden Markteintrittsbarrieren, Tendenz zu wirksamem Wettbewerb, ausreichende Wirkung des allgemeinen Wettbewerbsrechts). Wörtlich liest sich das so:
"Die Kommission ist daher auf der Grundlage der bereitgestellten aktuellen Information der Auffassung, dass der Markt für Transitdienste in Österreich nicht den Drei-Kriterien-Test erfüllt, aufgrund dessen der Markt der ex ante Regulierung unterworfen werden kann. Daher kann eine genauere Marktabgrenzung des relevanten Marktes unterbleiben und die Frage, ob TA SMP auf einem solchen Markt haben würde, kann offen bleiben."
Das mag zwar kein Muster an Klarheit sein (wenn die Marktabgrenzung richtig und der Markt nicht relevant ist, wozu soll dann eine "genauere Marktabgrenzung" führen?), aber der Konflikt mit der österreichischen Regulierungsbehörde scheint damit beigelegt. Die Telekom-Control-Kommission hat nun am 19.3.2007 daher das Marktanalyseverfahren für diesen Markt eingestellt (M 16/06-26) und mit Bescheid die bisher bestehenden Verpflichtungen der Telekom Austria AG auf diesem Markt aufgehoben (M 16a/06-25). Nächster Schritt - wenn man der Ansicht der Europäiuschen Kommission folgt, dass der Markt für Transitdienste kein relevanter Markt sei - wäre die Anpassung der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO), wofür allerdings die RTR-GmbH zuständig ist.
Monday, March 26, 2007
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1 comment :
Bei Ihrem Hinweis, dass sich die Position der EK plötzlich geändert habe, schwingt ein leiser Zynismus mit, der mir gut gefällt. Aber Sie haben vollkommen recht, die nunmehrige Rechtfertigung der EK ist ein eher holpriger Versuch "die Kurve zu kratzen". Meiner Meinung nach war die damalige Entscheidung der TKK zwar richtig (und ist es immer noch), für die EK-Politik aber noch verfrüht. Mittlerweile haben mehrere Mitgliedstaaten ähnliche Entscheidungen getroffen und die EK kam im Sinne der "Harmonisierung von Entscheidungen" zunehmend unter Druck - ein nochmaliges Veto gegen die TKK-Entscheidung erschien im internationalen Vergleich nicht mehr rechtfertigbar.
Interessant ist dabei, dass die EK nun offenbar davon ausgeht, dass der 3-Kriterien-Test auch länderspezifisch anzuwenden ist (und damit der EK-Märkteempfehlung widersprechen kann), was bisher noch nicht so klar formuliert wurde. Auch in Hinblick auf die in Kürze zu erwartende neue Märkteempfehlung der EK kommt die TKK immer mehr unter Druck, die TKMVO endlich grundsätzlich zu überarbeiten und nach Maßgabe der Empfehlung(sentwurfs) unter Anwendung des 3-Kriterien-Tests einige Märkte (z.B. Transitmarkt, Mietleitungen Trunk-Segmente, Endkunden-Gesprächsmärkte) endgültig aus der TKVMO zu streichen.
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