Tuesday, September 29, 2009

Der Medienrat: "ein zeitgemäßes, effizientes Selbstkontrollorgan" (?!)

Mit dem Ministerialentwurf zur Mediengesetz-Novelle kann man glücklich sein oder auch nicht - das Begutachtungsverfahren gibt jedenfalls Gelegenheit, die eigene Position vorzubringen. Auch der Österreichische Journalisten Club, der nach seinen Statuten ja nicht nur den Handel mit Waren aller Art betreibt, sondern auch "standespolitische Aufgaben" wahrnimmt, hat sich im Begutachtungsverfahren zu Wort gemeldet. Neben der offiziellen Stellungnahme (pdf) gegenüber dem Justizministerium wurde begleitend auch per Presseaussendung vor den Bestrebungen gewarnt, die Grundrechte auszuhöhlen.

Besonders bemerkenswert an der Stellungnahme des ÖJC ist der folgende zweite Absatz:
"Ebenso sollte ein Ministerialentwurf von der aktuellen Faktenlage ausgehen und nicht alten, nicht mehr funktionstüchtigen Strukturen 'hinter her laufen'. Wenn auf Seite 4 des Vorblattes und der Erläuterungen dem nicht mehr vorhanden Presserat 'nachgeweint' wird, so stellen wir fest, dass sich in den vergangenen Jahren eine neue, zeitgemäße Form der Selbstkontrolle der österreichischen Medien durch den Österreichischen Medienrat, den Österreichischen Ethik-Rat [gemeint wahrscheinlich: der PR-Ethik-Rat] und den Österreichischen Werberat entwickelt hat. Diese neuen, effizienten Selbstkontrollorgane decken bereits jetzt die gesamte Medienlandschaft in Österreich ab und arbeiten sehr kostengünstig und ohne Staatszuschüsse." (Links hinzugefügt)
Könnte man die mutige Behauptung, der sogenannte Medienrat sei ein "effizientes Selbstkontrollorgan", nicht vielleicht als "Missstand in der Öffentlichkeitsarbeit" ansehen und sich beim PR-Ethik-Rat darüber beschweren? Immerhin hat der ÖJC diese Behauptung ja auch in seiner Presseaussendung wiederholt.

Aber was würde bei einer solchen Beschwerde bei diesem anderen "effizienten Selbstkontrollorgan" wohl herauskommen? Vielleicht wäre es ein "dringender Anlass, die weitere Entwicklung aktiv zu beobachten"? Wer glaubt, dass diese Wortfolge frei erfunden ist, den muss ich leider enttäuschen: denn gerade gestern, 28.9.2009, hat sich der PR-Ethik-Rat neu, effizient und zeitgemäß mit dem "Fall BUWOG/Hochegger" befasst und dabei tatsächlich Folgendes mitgeteilt:

"Die bisher bekannt gewordenen Fakten und die Reaktionen der Beteiligten sind für den Rat dringender Anlass, die weitere Entwicklung aktiv zu beobachten und Hintergründe sowie Zusammenhänge zu recherchieren."
Zurück zum sogenannten Medienrat (dazu in diesem Blog bereits hier und hier):
seit Mitte Juli - genau genommen seit dieser Presseaussendung des ÖJC - warte ich gespannt auf die erste Entscheidung dieses Rats. Ganz habe ich allerdings nicht verstanden, weshalb in diesem Fall eine polizeiliche Strafverfügung (Höchststrafe € 365), gegen die man Einspruch erheben kann (dessen Abweisung 10% des Strafbetrags kosten würde), mit einer 700 Euro teuren Beschwerde beim Medienrat "bekämpft" wird; aber vielleicht ist gerade das die neue, zeitgemäße Form der Selbstkontrolle - ein Rätsel bleibt allerdings, weshalb die Polizei nun auch schon zu den Medien gerechnet wird, oder wie der Medienrat sonst das Wort "Selbstkontrolle" bei einer Beschwerde gegen polizeiliches Vorgehen rechtfertigen will.
[Update 7.10.2009: Gerald Bäck, Mitglied des Medienrats, verdanke ich die Information in den Kommentaren, dass die Eingabe des ÖJC vom Medienrat nicht behandelt wurde, weil sie nicht dessen Aufgabenbereich entsprach]

Immerhin wurde ja angekündigt, die Entscheidungen auf der Website zu veröffentlichen, und viel mehr als zwei Monate sollte das effiziente Verfahren ja nicht dauern; also sollten wir bald etwas zu lesen bekommen auf der Website, auf der bislang leider nur das Bild der Mitglieder und das Video der Pressekonferenz vom 27. Mai 2009 zu sehen sind.

PS: in der Pressaussendung vom 15. Juli 2009 teilt der ÖJC auch mit, er habe seine Anwälte (in der Sache mit der Strafverfügung) beauftragt, "eine Klage gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen die Medien- und Pressefreiheit in Österreich, zu prüfen." Die Anwälte werden sich wohl die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Herzen nehmen, die da sagt: "Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernimmt, gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten" (zB 27.5.1999, 2 Ob 224/97y).

PPS: der dritte in der Stellungnahme des ÖJC genannte Rat, der Werberat, verdient sich - auch wenn ihm derzeit der Melissa-Mann angehört - eine eingehendere und ernsthaftere Behandlung, zu der ich allerdings in absehbarer Zeit kaum kommen werde.

3 comments :

Auge said...

Auch wenn sich der Werberat sicherlich eine ernsthafte Behandlung verdient, sei ein kleiner Hinweis erlaubt, dass diese Einrichtung (jedenfalls bald) nicht (mehr) ohne Staatszuschuss auskommen (muss): Durch §9m KOG (idF BGBl. I Nr. 52/2009) wurde ein Fonds zur Förderung der Selbstkontrolle bei der kommerziellen Kommunikation eingerichtet, mit dem einer "anerkannten Einrichtung der Selbstkontrolle im Bereich der kommerziellen Kommunikation in Medien" ein Kostenzuschuss iHv 50.000 EUR pro Jahr gewährt werden kann. Und es scheint mir, als wäre der Werberat ein geeigneter (bzw der vom Gesetzgeber gemeinte) Antragsteller.

Gerald Bäck said...

Die Eingabe vom ÖJC haben wir nicht behandelt, weil der Fall unserer Meinung nach nicht dem Aufgabenbereich des Medienrates entsprach. Sonst gab es bisher keine Eingaben. Die FPÖ hat ein solche bzgl Newscover nur angekündigt, aber meines Wissens nie eingebracht.

hplehofer said...

Ich war acht Tage offline, daher erst jetzt:
@auge: Danke für den Hinweis (ich hatte das in einer Fußnote versteckt, hier:
http://lehofer.at/blog/2009/06/alles-kein-fake-kleine-rundreise-durch.html

@Gerald Bäck: Danke für die Information, - sollte das nicht auch auf der Website des Medienrats stehen?