Monday, August 24, 2009

Zweierlei Maß beim Amtsblatt: Republik spart, Unternehmen zahlen weiter

Die Republik Österreich verweist in der offziellen Regierungsrhetorik - etwa im aktuellen Regierungsprogramm - gerne auf die Initiative "Verwaltungskosten senken für Unternehmen". Solche Verwaltungslasten ergeben sich zum Beispiel auch aus Veröffentlichungspflichten im gedruckten "Amtsblatt zur Wiener Zeitung", zumal die dafür zu leistenden Entgelte nicht nur die Druckkosten des Amtsblatts finanzieren, sondern auch die Herausgabe einer Tageszeitung, die sich aus den spärlichen Verkaufs- und Werbeerlösen nicht einmal annähernd finanzieren ließe.

In diesem Finanzierungsmodell mag man eine gewisse Form der selektiven Medienförderung sehen, die anders als die reguläre Presseförderung (von der die Wiener Zeitung nicht profitiert) nicht aus dem allgemeinen Budget finanziert wird, sondern (vor allem) durch Zahlungen von Unternehmen, die für verschiedene Pflichtveröffentlichungen aufkommen müssen (daneben gibt es zahlreiche Veröffentlichungspflichten für verschiedenste Organisationen und auch Behörden). Ich habe mich dazu schon einige Male eher kritisch geäußert (siehe zB hier oder hier bzw einige frühere Einträge in diesem Blog) und erachte die Sache damit für mich als im Wesentlichen abgeschlossen; vor allem habe ich mir auch vorgenommen, eher nichts mehr zu den diversen inhaltlichen Merkwürdigkeiten der Wiener Zeitung zu schreiben.

Aber zurück zur Regierungsinitiative zur Senkung der Verwaltungskosten für Unternehmen: Der aktuelle Maßnahmenplan (offenbar seit März 2008 nicht überarbeitet) enthält unter Punkt 43 auch das Vorhaben "Wegfall von Veröffentlichungspflichten in bestimmten Publikationsmedien", wie sie in mehreren Rechtsvorschriften (AktG, GmbHG, UGB, GenG) vorgesehen sind; Entlastungspotential für Unternehmen: 10 bis 20 Mio Euro. Der dafür vorgesehene Zeitrahmen ist allerdings etwas unbestimmt: "Nach Maßgabe einer politischen Einigung".

Offenbar ist diese politische Einigung bislang nicht gelungen, denn bei der jüngst erfolgten umfassenden Novellierung des Aktiengesetzes (Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/71, kundgemacht am 31.07.2009) wurde die grundsätzliche Veröffentlichungspflicht im Amtsblatt nicht angetastet.

Umso interessanter ist freilich, dass der Bund in anderem Zusammenhang durchaus entdeckt hat, dass die Veröffentlichung im gedruckten Amtsblatt a) teuer ist und b) den dauerhaften Zugang nicht optimal gewährleistet - und dass er diese Erkenntnis auch umsetzt und gesetzliche Veröffentlichungspflichten im Amtsblatt zurücknimmt: nämlich dann, wenn der Bund selbst veröffentlichen (und zahlen) muss. Nur drei Tage nach dem Aktienrechts-Änderungsgesetz wurde die Novelle zum Heimarbeitsgesetz und Arbeitsverfassungsgesetz im BGBl kundgemacht, mit der einige Veröffentlichungspflichten, die bisher von Bundesbehörden im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu erfüllen waren, dahingehend abgeändert wurden, dass in Hinkunft eine elektronische Veröffentlichung (im BGBl II) erfolgt. Laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist das nicht nur wesentlich billiger, sondern es ist damit "auch der dauerhafte Zugang zu diesen Rechtsakten und die Nachvollziehbarkeit von Änderungen dazu besser gewährleistet."

Nun vertritt der Chefredakteur der Wiener Zeitung die Auffassung, dass "alle jene, die meinen, wichtige Staats- und Wirtschaftsdaten sollten in Zukunft nur noch elektronisch veröffentlicht und gespeichert werden", grob fahrlässig handeln und unter dem Verdacht stehen, "bewusst die Hintertür zu einem Staatschaos öffnen" (siehe dazu hier). Er müsste daher einerseits beunruhigt sein, wenn nun schon alle Parlamentsparteien einhellig "die Hintertür zu einem Staatschaos öffnen" wollen (die Novelle zum Heimarbeitsgesetz und Arbeitsverfassungsgesetz wurde im Parlament mit den Stimmen aller Parteien angenommen); andererseits aber darf er durchaus zufrieden sein, wurde doch die Haupteinnahmequelle des Amtsblattes, die von Unternehmen finanzierten Pflichteinschaltungen, nicht geändert. Für diese nimmt der Bund offenbar weiterhin in Kauf, dass die Amtsblatt-Veröffentlichung im Verhältnis zu einer Publikation im Internet teurer und der dauerhafte Zugang schlechter ist.

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