In den UMTS-Vergabeverfahren, die europaweit im Wesentlichen in den Jahren 1999 bis 2001 durchgeführt wurden, ging es für die Betreiber auf der einen und für die Mitgliedstaaten auf der anderen Seite um viel Geld. In manchen Staaten wurden die Lizenzen versteigert (zB in Österreich, Deutschland oder dem Vereinigten Königreich), in anderen wiederum in "beauty contests" oder anderen vergleichenden Auswahlverfahren vergeben. Manche dieser Mitgliedstaaten, die etwas später mit der Vergabe dran waren, mussten schon froh sein, wenn sich überhaupt noch Interessenten für die teuren Lizenzen (bzw Frequenzen) fanden. Insbesondere Frankreich war gezwungen, von den Abgaben, die von den beiden ersten Bewerbern und Lizenzinhabern gefordert wurden, nachträglich noch etwas nachzulassen: denn ein dritter Betreiber, Bouygues, war nur bei einer niedrigeren Abgabenlast zum Einstieg bereit. Um die Gleichbehandlung zu gewährleisten, ermäßigten die französioschen Behörden dann aber auch den bereits bestehenden Betreibern ihre Abgaben. Bouygues sah in diesem Verzicht der französischen Behörden eine selektive Beihilfe zu Gunsten der ersten beiden Betreiber (SFR und Orange). Die Kommission schloss sich dieser Ansicht nicht an, und auch das EuG kam - nach einer Klage durch Bouygues - zum Ergebnis, dass der Verzicht unvermeidlich gewesen war und somit keine Beihilfe vorlag (siehe zur Vorgeschichte schon hier).
Auch mit dem heutigen Urteil des EuGH in der Rs C-431/07 P Bouygues wurde - in diesem Fall den Schlussanträgen der Generalanwältin folgend - die Auffassung der Kommission, dass der Verzicht keine (unzulässige) Beihilfe war, bestätigt. Die Richtlinie 97/13 und die Entscheidung Nr. 128/1999 hatten den Mitgliedstaaten ein Ermessen in Bezug auf die Wahl des Verfahrens zur Erteilung der Lizenzen eingeräumt, solange die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Gleichbehandlung beachtet würden. Wörtlich führte der EuGH aus:
"92 Im vorliegenden Fall haben sich die französischen Behörden bei der Ausübung dieses Ermessens dafür entschieden, die in Rede stehenden UMTS‑Lizenzen eben durch ein Verfahren der vergleichenden Auswahl zu erteilen. Wie das Gericht in Randnr. 12 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, mussten die Behörden weitere Lizenznehmer nur wegen des teilweisen Fehlschlags der ersten Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen suchen, aufgrund dessen nicht genügend Lizenzen erteilt werden konnten, um einen echten Wettbewerb auf dem Markt der Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten.
93 In einer solchen Situation boten sich diesen Behörden ... drei Optionen, nämlich das Verfahren von Beginn an wieder aufzunehmen, eine Aufforderung zur Einreichung zusätzlicher Bewerbungen abzugeben, ohne rückwirkend die von Orange und SFR geschuldeten UMTS‑Abgaben zu erhöhen, oder eine solche Aufforderung ergehen zu lassen und gleichzeitig die erwähnten Abgaben rückwirkend zu ändern.
94 Unter den Umständen des vorliegenden Falles hätte ... die Option, das Verfahren von Beginn an wieder aufzunehmen, die Einhaltung des in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Nr. 128/1999 als Zeitpunkt für die Umsetzung der Richtlinie 97/13 durch die Mitgliedstaaten in Bezug auf die koordinierte und schrittweise Einführung der UMTS‑Dienste in ihrem Gebiet festgesetzten 1. Januar 2002 gefährdet. Ebenso hätte ... die Option, von Orange und SFR die Zahlung weit höherer Abgaben zu fordern, als sie von Bouygues Télécom verlangt wurden, obwohl aus Gründen, die nicht allein von deren Willen abhingen, noch keiner dieser drei Betreiber auf dem Markt tätig war und diese Lizenzen die gleichen Merkmale hatten, Orange und SFR diskriminiert.
95 Die Anwendung einer dieser beiden Optionen hätte es, mit anderen Worten, den französischen Behörden nicht erlaubt, den Anforderungen des emeinschaftsrechts zu genügen.
96 Unter diesen Bedingungen war im Rahmen der letztlich von diesen Behörden gewählten Option der Verzicht auf die in Rede stehenden Forderungen aufgrund der Maßnahme der rückwirkenden Angleichung der von Orange und SFR geschuldeten Abgaben an diejenigen, die Bouygues Télécom auferlegt wurden, unvermeidlich."
Der Vorwurf, aus dem unterschiedlichen Zeitpunkt der Lizenzvergabe ergäbe sich ein unterschiedlicher Wert, konnte im vorliegenden Fall entkräftet werden: Das EuG hatte nämlich festgestellt, dass Orange und SFR - aus Gründen, die von ihrem Willen unabhängig waren - die ihnen erteilten Lizenzen nicht (früher) hätten nutzen können, sodass es auf den Zeitpunkt der Lizenzerteilung nicht ankam.
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