Monday, June 18, 2007

Marktanalyse aus Brüssel - die europäische Regulierungsbehörde in Aktion

Im kommenden Rechtsrahmen für elektonische Kommunikationsnetze und -dienste - nach dem derzeit aktuellen Zeitplan gibt es die Legislativvorschläge Ende Oktober 2007 - soll es eine Art europäischer Regulierungsbehörde ("European FCC", "Euro-Regulator" oder Ähnliches) geben. Ein Wirksamwerden des kommenden Rechtsrahmens ist wohl kaum vor 2010 zu erwarten.

Wozu aber so lange warten, scheint sich das zuständige Kommissionsmitglied zu denken. In einer Rede am 12. Juni 2007 bei einer Tagung in Deutschland macht Viviane Reding ihr Verständnis des aktuellen Rechtsrahmens klar: reguliert wird in Brüssel.

"Ich bin deshalb der Meinung, dass wir noch vor Ende des Jahres die Vorabregulierung auf mindestens 6 der bisher 18 der ex ante-Regulierung unterliegenden Märkte beenden können – diese Deregulierung wird vor allem die Endkundenmärkte betreffen. Ich kann mir auβerdem persönlich gut vorstellen, dass wir sogar noch darüber hinausgehen können."

"Ich habe aber vor, trotz mancher Widerstände an meinem Vorhaben festzuhalten, einen groβen Teil der derzeit der Vorabregulierung unterliegenden Märkte in das allgemeine Wettbewerbsrecht zu entlassen."

Reding bezieht sich damit ganz offensichtlich auf die Märkteempfehlung, mit deren lange angekündigter Revision die Kommission weit in Verzug (jedenfalls gegenüber ihrem eigenen Zeitplan) geraten ist. Im Erwägungsgrund 21 zur Märkteempfehlung heißt es: "Die Kommission wird die Notwendigkeit von Änderungen dieser Richtlinie bis spätestens 30. Juni 2004 aufgrund der Marktentwicklungen überprüfen." [Das Wort "Richtlinie" ist dabei übrigens ein offensichtlicher Fehler; gemeint ist die Empfehlung, wie das auch zB in der englischen Sprachfassung zum Ausdruck kommt]. Zwar war bald klar, dass eine Revision der Märkteempfehlung im Jahr 2004 - noch bevor in den meisten Mitgliedstaaten überhaupt die Marktanalysen durchgeführt worden waren - unrealistisch war, aber jedenfalls für Ende 2006 hatte Reding die überarbeitete Märkteempfehlung in Aussicht gestellt.

Mit der Märkteempfehlung kann Reding aber weder die Vorabregulierung beenden, noch Märkte ins Wettbewerbsrecht (dem sie ohnehin - allenfalls: auch - unterliegen) entlassen. Das zu beurteilen, ist jedenfalls nach dem Grundkonzept des aktuellen Rechtsrahmens ausschließlich Sache der nationalen Regulierungsbehörden. Diese müssen zwar die Märkteempfehlung weitestgehend berücksichtigen und ihre Entscheidungen vorab koordinieren bzw konsultieren - aber die Empfehlung der Kommission entscheidet nicht, welche Märkte in den Mitgliedstaaten der Regulierung unterliegen.

Man könnte einwenden, dass es sich dabei um semantische Feinheiten handelt, die die Adressaten der Rede - Teilnehmer an der Handelsblatttagung "Telekommarkt Europa" - entweder schon kennen, oder sonst ohnehin nicht mitbekommen würden. Aber es zeigt doch, dass die Kommission in ihrem Selbstverständnis davon ausgeht, dass die wesentlichen Regulierungsentscheidungen unmittelbar von ihr getroffen werden - und zwar schon vorweg, noch bevor die Regulierungsbehörden ihre Entscheidungen nach Artikel 7 der Rahmenrichtlinie ohnehin mit der Kommission zu koordinieren haben.

PS: in derselben Rede fordert Reding wieder einmal die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden "auch vom Druck der Regierung". Sollte das in die Richtlinien Eingang finden, müsste die im Regierungsprogramm vorgesehene unabhängige Regulierungsbehörde (siehe auch schon hier, zur Unabhängigkeit siehe auch hier) tatsächlich umgesetzt werden, da die RTR-GmbH - die ja für den Telekombereich die Marktdefinition vornimmt - den Weisungen des Verkehrsministers unterliegt.

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