Friday, August 08, 2014

Schweizer Bundesgericht: Korrespondenz mit Journalisten, gefunden bei Hausdurchung im Haus eines Politikers(!), unterliegt dem Quellenschutz

Das schweizerische Bundesgericht hat in einem gestern veröffentlichten Urteil dem journalistischen Quellenschutz einen weiten Anwendungsbereich zugebilligt: auch Korrespondenz eines Politikers mit Journalisten, die bei einer Hausdurchsuchung im Haus des Politikers (wegen des Verdachts einer Straftat des Politikers) gefunden wird, unterliegt dem Beschlagnahmeverbot nach Art 172 und 264 der schweizerischen Strafprozessordnung.

Gegen den Politiker Christoph Blocher wird "wegen des Verdachts der Gehilfenschaft und der versuchten Verleitung zur Verletzung des Bankgeheimnisses" ein Strafverfahren geführt. Er soll einen Angestellten einer Privatbank, der Informationen über Bankgeschäfte des damaligen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank gehabt habe, empfangen und Unterstüzung zugesichert haben. In der Folge habe er  und "darauf hingewirkt, den Bankangestellten einem Journalisten zuzuführen, der im Zusammenhang mit den Bankgeschäften des Präsidenten der Nationalbank am Recherchieren gewesen sei."

Im Zuge des Strafverfahrens kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Christoph Blocher, bei der auch Korrespondenz des Politikers mit Journalisten sichergestellt wurde. Das oberste Gericht der Schweiz hat nun einer Beschwerde des Politikers gegen diese Beschlagnahme stattgegeben (in anderen Punkten blieb die Beschwerde erfolglos; siehe zur Übersicht die Pressemitteilung des Bundesgerichts).


Nach Art 264 schwStPO dürfen Aufzeichnungen und Korrespondenzen aus dem Verkehr zwischen der beschuldigten Person und (unter anderem) Medienschaffenden, die im gleichen Sachzusammenhang nicht selbst beschuldigt sind, nicht beschlagnahmt werden, und zwar ausdrücklich "ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden".

Das Untergericht wollte den Passus "ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden" auf jene Gegenstände beschränken, die sich in der Sphäre der Journalisten befinden. Das Bundesgericht ist dem - mit ausführicher Begründung - nicht gefolgt (siehe dazu im Detail den Abschnitt 6 des Urteils). Ganz grob zusammengefasst: der Wortlaut ist klar, weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch aus ihrem Zweck ergeben sich Gründe für eine den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung, eher im Gegenteil: 
Art. 17 Abs. 3 BV [schweizerische Bundesverfassung] gewährleistet das Redaktionsgeheimnis. Ein entsprechender Schutz journalistischer Quellen ergibt sich aus der Freiheit auf Meinungsäusserung gemäss Art. 10 EMRK (BGE 136 IV 145 E. 3.1 S. 149 mit Hinweisen). Sowohl das Bundesgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte messen dem Quellenschutz als Eckpfeiler der Pressefreiheit erhebliches Gewicht zu (BGE 132 I 181 E. 2.1 S. 185; 123 IV 236 E. 8a/aa S. 247; Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2012 i.S. Martin und andere gegen Frankreich, § 59 ff.; ZELLER, [in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013], N. 10 zu Art. 28a StGB; je mit Hinweisen).
Dies spricht für einen tendenziell weiten Quellenschutz und damit gegen eine einengende Auslegung von Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO entgegen dem Wortlaut.
In der historischen Herleitung wird übrigens die parlamentarische Debatte anlässlich der letzten einschlägigen Änderung der StPO ausführlich dargelegt. Der hier beschuldigte Politiker Christoph Blocher war damals zuständiges Regierungsmitglied,  - und sprach sich dagegen aus, den - ihm nun zum Vorteil gereichenden - Passus "ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden", in das Gesetz aufzunehmen (allerdings bloß, weil er der Auffassung war, dies "sei eine Selbstverständlichkeit, die nicht ausdrücklich festgehalten werden müsse.")

Und in Österreich?
Eine ausdrückliche Regelungwie in der Schweiz fehlt. Das Redaktionsgeheimnis ist in § 31 Mediengesetz geregelt, der Schutz vor Umgehung durch die im 8. Hauptstück der StPO vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen - ua Sicherstellung bzw Beschlagnahme - findet sich auch in § 144 in Verbindung mit § 157 StPO. Dabei geht es um die Umgehung des Schutzes des Zeugnisverweigerungsrechts des Medienmitarbeiters: durch die Beschlagnahme soll nicht seine Quelle, über die er vor Gericht schweigen darf, offengelegt werden. Unterlagen von Journalisten sind daher geschützt, auch wenn sie nicht in der Redaktion aufbewahrt werden. Bei Unterlagen Dritter - zB eben der von einem Politiker mit einem Journalisten geführte Korrespondenz, die der Politiker selbst aufbewahrt - liegt die Umgehungsabsicht jedenfalls nicht auf der Hand, wenn diese Unterlagen im Zuge eines gegen den Politiker geführten Strafverfahren bei einer Hausdurchsuchung bei ihm gefunden werden. Jedenfalls für den Regelfall würde ich daher nicht davon ausgehen, dass diese Korrespondenz des Politikers, die bei einer Hausdurchsuchung in einem gegen ihn geführten Strafverfahren gefunden wird, geschützt wäre und im Strafvefahren (bei sonstiger Nichtigkeit: § 281 Abs 1 Z 3 StPO) nicht verwertet werden dürfte.

Der Politiker als Hilfsorgan der Presse?
Nach dem Urteil des Bundesgerichts ist mir sachverhaltsmäßig nicht klar, ob die Identität des tatsächlichen Informanten - des Bankangestellten - bekannt war, oder ob die Hausdurchsuchung bei Blocher nicht vielleicht gerade darauf abzielte, diesen Bankangestellten zu identifizieren. Dann könnte man aber den Bankangestellten als "Letzt-Quelle" ansehen, deren - durch den Politiker vermittelter - Kontakt mit Journalisten eigentlich geschützt werden soll. Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden wäre dann so etwas wie ein "Man-in-the-Middle-Angriff": die Letzt-Quelle selbst kennen sie nicht, beim Journalisten können sie die wahre Letzt-Quelle nicht ermitteln, wohl aber kennen sie den Politiker, der sich vielleicht sogar seiner vertraulichen Informationen rühmt. Ein eigentlicher "Quellenschutz" von Politikern besteht nicht, auch wenn sie - etwa als Oppositionspolitiker - eine Art watchdog-Funktion beanspruchen könnten. Für diese Zwecke gibt es allerdings die Immunität (etwa nach § 10 des Geschäftsordnungsgesetzes für den Nationalrat), durch die sie in gewissem Rahmen vor behördlicher Verfolgung wegen strafbaren Handelns geschützt werden.

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